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Der Bonndorfer Vergleich war ein 1927 geschlossener Vertrag zwischen Vertretern der katholischen Kirchengemeinde Bonndorf und der Republik Baden und beendete einen Rechtsstreit beider Parteien der 1919 begonnen hatte Er regelte die staatliche Finanzierung von Bedurfnissen einer Kirchengemeinde deren Pfarrkirche zu einem Kloster gehorte das durch den Staat sakularisiert wurde Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Prozess 3 Vergleich 4 Nachwirkungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenDie Bonndorfer Pfarrkirche St Peter und Paul wurde 1402 dem Paulinerkloster Bonndorf inkorporiert Seitdem hatte das Kloster so die Ansicht der Kirchengemeinde die Bedurfnisse der Kirche befriedigt auch die die nach der Inkorporation entstanden waren Damit hatte das Kloster den Stand einer Kirchenfabrik erlangt Mit der Klosterauflosung infolge der Sakularisation von 1807 ging die Pflicht alle Kultusbedurfnisse zu bestreiten auf das Grossherzogtum Baden uber Der badische Staat habe diese Bedurfnisse seit damals auch erfullt wobei in der Zeit vor 1919 Streitigkeiten um den Umfang der Verpflichtungen entstanden da sich der Staat weigerte die Heizungskosten fur Kirche und Sakristei sowie die Kosten der Kirchenbeleuchtung zu ubernehmen Prozess BearbeitenDaher reichte die Pfarrkirche bzw katholische Kirchengemeinde im Jahr 1919 Klage gegen den badischen Domanenfiskus ein und wurde hierbei durch den katholischen Oberstiftungsrat Josef Schmitt in Karlsruhe vertreten 1 Ziel war die Anerkennung der dem Domanenfiskus obliegenden Rechtspflicht zur Heizung der Sakristei und der unbeschrankten Pflicht des Fiskus die ortlichen kirchlichen Bedurfnisse zu befriedigen und zwar in der Art und dem Umfang wie sie einem Pfarrkirchenvermogen Kirchenfabrik Kirchenfonds obliegen also nicht bloss in dem Umfang wie er bei der Sakularisation bestanden und sich seither quantitativ erweitert hat sondern auch insoweit als nach der Sakularisation Einzelbedurfnisse qualitativ neuer Art entstanden sind oder entstehen Der Prozess fand in erster Instanz vor dem Landgericht Karlsruhe statt das den Teil der Klage abwies der sich auf die Befriedigung der neuartigen kirchlichen Bedurfnisse erstreckte In der beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegten Berufung urteilte der I Zivilsenat am 3 Marz 1920 dass dem Beklagten die unbeschrankte Pflicht obliegt die ortlich kirchlichen Bedurfnisse der Pfarrkirche Bonndorf in dem Umfang weiter zu befriedigen in dem der Beklagte bisher die Befriedigung vornahm einschliesslich kunftiger quantitativer Erweiterungen Abgesehen davon wurde die Klage abgewiesen Es folgte die Revision beim Reichsgericht dessen IV Zivilsenat am 22 November 1920 das Urteil grosstenteils aufhob und es zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zuruckverwies und zwar an dessen III Zivilsenat Das Reichsgericht stimmte dem Berufungsgericht zu dass das Paulinerkloster in Bonndorf infolge der Inkorporation der Bonndorfer Pfarrkirche in das Kloster privatrechtlich verpflichtet gewesen sei alle Kultusbedurfnisse der Pfarrkirche zu bestreiten Wahrend das Berufungsgericht den Ubergang dieser Verpflichtung auf den Badischen Staat verneinte erklarte das Reichsgericht diese Sichtweise zu einem Rechtsirrtum Die den Klostern aus der Inkorporation erwachsenen privatrechtlichen Pflichten seien durch die Sakularisation nicht erloschen sondern mit dem auf Grund der gemass 35 36 des Reichsdeputationshauptschlusses eingezogenen Klostervermogen auf die sakularisierenden Staaten ubergegangen Nach 63 RDH soll die bisherige Religionsubung jedes Landes gegen Aufhebung und Krankung jeder Art geschutzt sein insbesondere jeder Religion der Besitz und ungestorte Genuss ihres eigentumlichen Kirchenguts auch Schuldfonds ungestort verbleiben Zu dem Kirchengut gehort auch der Rechtsanspruch der Kirchengemeinde gegen das Kloster auf Bestreitung aller kirchlichen Bedurfnisse Das Reichsgericht stutzte diese Rechtsauffassung durch weitere Gesetze wie die preussische Kabinettsorder vom 25 September 1834 das erste badische Konstitutionsedikt vom 14 Mai 1807 sowie eine Entscheidung des Badischen Oberhofgerichts vom 27 Juni 1871 Dass der preussische Minister der geistlichen Angelegenheiten in seiner Denkschrift betreffend die Entstehung den rechtlichen Charakter und den Umfang der Verbindlichkeiten des Hannoverschen Klosterfonds nebst dem Verzeichniss dieser Verbindlichkeiten vom 14 November 1877 als Entstehungsgrund der Verbindlichkeiten in der uberwiegenden Mehrzahl der 486 Falle Universalsukzession in das Vermogen eines aufgehobenen Klosters nennt war fur das Reichsgericht ein weiterer Grund das Berufungsurteil in den Fallen aufzuheben soweit zuungunsten der Klagerinnen erkannt ist Vergleich BearbeitenWahrend nach diesem Urteil des Reichsgerichts Ziffer 1 des oberlandesgerichtlichen Urteils vom 3 Marz 1920 nunmehr rechtskraftig geworden war waren Ziffer 2 bis 4 zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an den III Senat des Oberlandesgerichts zuruckverwiesen worden Neben neuen Beweisen sollten eingehende Gutachten von Hochschullehrern erhoben werden Im Laufe langer Verhandlungen gelangte man jedoch zu einem Vergleich der den Prozess abschliessen sollte Dieser Vergleich der als Bonndorfer Vergleich in die Rechtsliteratur Eingang fand wurde am 10 Juni bzw 12 Juni 1927 von den streitenden Parteien unterzeichnet und unter dem 12 Juli vom inzwischen zum badischen Finanzminister gewordenen Josef Schmitt und unter dem 22 Juli 1927 vom Erzbischoflichen Ordinariat genehmigt Laut 1 des Vergleichs erstreckt sich dieser nicht nur auf die Pfarrkirche und die Kirchengemeinde Bonndorf sondern zudem auf folgende Pfarrkirchen und Kirchengemeinden Bernau Bruchsal Stadtkirche Unserer Lieben Frau und Hofkirche Freiburg Herdern St Urban Hochenschwand Konstanz Konstanzer Munster und St Stephan Menzenschwand Oberried Sackingen St Fridolin St Peter Kloster St Peter auf dem Schwarzwald St Ulrich Schlatt St Sebastian Malteserorden Heitersheim Schwarzach Munster Schwarzach Todtmoos Unserer Lieben Frau Unteribach Urberg St Peter und PaulNach 3 bezieht sich der Vergleich auf die Befriedigung derjenigen ortlichen kirchlichen Bedurfnisse welche unmittelbar oder mittelbar der Ausubung des romisch katholischen Gottesdienstes dienen Kultbedurfnisse also nicht zu den Bau oder Pfrundbedurfnissen gehoren Zu den Kultbedurfnissen in diesem Sinne zahlen also auch solche Bedurfnisse deren Befriedigung nur mittelbar die Abhaltung des kirchlichen Gottesdienstes im eigentlichen Sinne fordert wie z B die Sakristeiheizung Nach 4 obliegt dem Fiskus im Hinblick auf Ziffer 1 des oberlandesrichtlichen Urteils vom 3 Marz 1920 die ja Rechtskraft erlangt hat die Befriedigung der quantitativen Vermehrung bisher von ihm befriedigter Bedurfnisse Nach 5 besteht aber diese Pflicht des Fiskus auch hinsichtlich der bisher von ihm befriedigten Bedurfnisse wenn sie durch neuartige Mittel oder anderen Formen befriedigt werden sollen Gemass 6 erstreckt sich aber die Befriedigungspflicht des Fiskus auch auf die sogenannten neuartigen Bedurfnisse hier aber hat der Fiskus nur 60 zu tragen wahrend die Pfarrkirche oder die Kirchengemeinde die restlichen 40 aufzubringen hat Voraussetzung fur die Ubernahme der Verpflichtung des Fiskus der neuartigen Bedurfnisse im angegebenen Umfange ist die Anerkennung des Ordinariats dass sie notwendig sind und allgemein in den katholischen Kirchen Badens als Bedurfnis empfunden werden und auch sonst uberall wo es die Verhaltnisse erfordern eingefuhrt sind Nach diesen Abmachungen gehorte z B die Ersetzung eines Blasebalgtreters fur die Orgel durch eine Motorkraft zu den neuen Mitteln bisher befriedigter Bedurfnisse Das Bedurfnis selbst war nicht neu jedoch das Mittel zu seiner Befriedigung Ahnlich verhielt es sich mit der Einfuhrung der elektrischen Beleuchtung in den Kirchen Dagegen gehorte die Neueinfuhrung einer Kirchenheizung wo sie bisher nicht bestand zu den neuartigen Bedurfnissen Wo aber der Staat bisher fur die Kirchenheizung etwa durch Ofen aufkam lag bei Einfuhrung von Zentral oder Luftheizungen nur ein neues Mittel eines bisher befriedigten Bedurfnisses vor Nachwirkungen BearbeitenAhnliche Streitigkeiten wie in Bonndorf hatte es in Konstanz infolge der Sakularisation des Augustinereremitenklosters und der Baupflicht fur die Dreifaltigkeitskirche gegeben Rechtsnachfolgerin des Klosters war seit 1802 die stadtische Spitalstiftung die teilweise ebenfalls die Kostenubernahme verweigerte Ab 1951 versuchte der erzbischofliche Oberstiftungsrat eine Vereinbarung mit der Stadt Konstanz zu erreichen um besonders die neuartigen kirchlichen Bedurfnisse zu regeln Das schliesslich am 14 Juli 1953 geschlossene Abkommen zwischen der Stadt Konstanz und dem Stiftungsrat der Dreifaltigkeitspfarrei erwahnt explizit den Bonndorfer Vergleich und kommt auf dasselbe Ergebnis wobei explizit nicht Kult und Baubedurfnissen unterschieden werden soll 2 Nachdem im Bonndorfer Vergleich zwar die Kultbedurfnisse geklart worden waren jedoch nicht die Baubedurfnisse schlossen der Erzbischofliche Oberstiftungsrat und das Finanzministerium von Baden Wurttemberg im Januar 1956 eine weitere Vereinbarung die ebenfalls den Bonndorfer Vergleich explizit nennt Sie ubertragt dessen Regelungen analog auf die Baubedurfnisse halt aber gleichzeitig die Unterscheidung zwischen Kultbedurfnis und Baubedurfnis aufrecht 3 Im August 1956 folgte die entsprechende Vereinbarung des Finanzministeriums mit dem evangelischen Oberkirchenrat 4 Die 60 40 Regelung hinsichtlich der Befriedigung neuartiger Baubedurfnisse findet sich in den Durchfuhrungsbestimmungen zum Kirchenbaugesetz des evangelischen Oberkirchenrates in der geanderten Fassung von 2008 5 Das Inhaltsverzeichnis der Rechtssammlung der Erzdiozese Freiburg die alle wichtigen kirchen und staatsrechtlichen Vorschriften die im Erzbistum Freiburg anzuwenden sind enthalt Ende Dezember 2015 ebenfalls noch immer den Bonndorfer Vergleich 6 Literatur BearbeitenEugen Baumgartner Pfarrkirche und Pfarrei St Urban zu Freiburg Herdern in Freiburger Diozesan Archiv Band 65 Herder Freiburg im Breisgau 1937 S 98 102 Digitalisat Anton Merkle Hospital zum Heiligen Geist und Dreifaltigkeitskirche in Konstanz Grundlagen und Fortentwicklung alter Verpflichtungen in Freiburger Diozesan Archiv Band 107 Herder Freiburg im Breisgau 1987 S 199 211 Digitalisat Vollstandiger Abdruck des Bonndorfer Vergleichs ab S 205 Weblinks BearbeitenReichsgericht Urteil Aktenzeichen IV 264 Fall Staat als Rechtsnachfolger der sakularisierten Kloster opinioiuris de 22 November 1920 abgerufen am 1 April 2016 Einzelnachweise Bearbeiten Alexander Hollerbach Katholizismus und Jurisprudenz Beitrage zur Katholizismusforschung und zur neueren Wissenschaftsgeschichte Ferdinand Schonigh Paderborn Munchen Wien Zurich 2004 S 167 Vorschau in der Google Buchsuche Merke S 199 ff Merkle S 209 ff Vereinbarung Baupflicht an kirchlichen Gebauden kirchenrecht ekiba de 15 August 1956 abgerufen am 4 Mai 2016 Durchfuhrungsbestimmungenzum Kirchenbaugesetz kirchenrecht ekiba de 12 August 2008 abgerufen am 4 Mai 2016 Rechtssammlung der Erzdiozese Freiburg Wingen Verlag abgerufen am 4 Mai 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bonndorfer Vergleich amp oldid 237069615