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Burgerministerium und Doktorenministerium waren die in der politischen Diskussion und spater auch in der Geschichtsschreibung verwendeten inoffiziellen zusammenfassenden Bezeichnungen fur die vier bis 1918 Ministerium genannten Regierungen der osterreichischen Reichshalfte Osterreich Ungarns von 30 Dezember 1867 bis 4 April 1870 Rucktritt bzw 12 April 1870 Enthebung beginnend mit dem ersten Ministerium nach dem osterreichisch ungarischen Ausgleich durch den die Innenpolitik der beiden Reichshalften getrennt wurde und dem Inkrafttreten der Dezemberverfassung dem Ministerium K Auersperg gefolgt von den weitgehend personenidenten Ministerien Taaffe I Plener und Hasner Die Kabinettsmitglieder kamen zum Grossteil aus der Deutschliberalen Partei Das Burgerministerium betrieb eine dezidiert liberale Politik scheiterte aber 1870 an den starken Gegensatzen der Nationalitaten Als der Kaiser den Vorschlag des Ministeriums Hasner unkooperative Landtage aufzulosen ablehnte trat das Kabinett zuruck womit die Geschichtsschreibung das Burgerministerium fur beendet ansah Inhaltsverzeichnis 1 Bezeichnungen 2 Mitglieder 3 Voraussetzungen 4 Politik 5 Weblinks Quellen 6 EinzelnachweiseBezeichnungen BearbeitenDie Bezeichnung Burgerministerium bezieht sich darauf dass vier der neun Regierungsmitglieder des Ministeriums K Auersperg Burgerliche ohne Adelstitel waren und ein weiteres Mitglied Plener erst elf Jahre vorher geadelt worden war Die Mehrheit der Minister war somit burgerlicher Herkunft in der Donaumonarchie eine Neuheit Doktorenministerium bezieht sich darauf dass funf der neun Regierungsmitglieder ihr Studium mit dem Doktorat abgeschlossen hatten und drei weitere Auersperg Taaffe Plener das Jusstudium absolviert hatten Somit war der Akademikeranteil unter den Ministern enorm hoch auch dies bis dahin nicht Usus im kaiserlichen Osterreich Mitglieder Bearbeiten nbsp Furst Karl Wilhelm Philipp von AuerspergAm 30 Dezember 1867 ernannte Kaiser Franz Joseph I den bisherigen Prasidenten des Herrenhauses des Reichsrates Karl Furst von Auersperg zum Prasidenten Meines Ministerrates der im Reichsrat vertretenen Konigreiche und Lander Nach Konflikten im Kabinett um die Frage wie viele Zugestandnisse den einzelnen Nationalitaten Volksgruppen im Vielvolkerstaat Osterreich durch Elemente des Foderalismus gemacht werden sollten trat er schon am 24 September 1868 unter Protest zuruck 1 Ihm folgte bis 15 Janner 1870 Eduard Taaffe nach gefolgt von Ignaz von Plener bis 1 Februar 1870 und Leopold Hasner Ritter von Artha bis 12 April 1870 Die Minister im vom Kaiser am 30 Dezember 1867 ernannten Burger oder Doktorenministerium waren 2 Stellvertreter des Ministerprasidenten zugleich mit den Agenden fur Landesverteidigung und offentliche Sicherheit betraut Graf Eduard Taaffe vorher Innenminister 24 September 1868 Ministerprasident und Landesverteidigungsminister 15 Janner 1870 enthoben Minister des Inneren Carl Giskra promovierter Jurist vorher Prasident des Abgeordnetenhauses des Reichsrates Finanzminister Rudolf Brestel promovierter Physiker und Mathematiker Justizminister Eduard Herbst promovierter Jurist Ackerbauminister Graf Alfred Potocki 15 Janner 1870 enthoben ab 12 April 1870 Ministerprasident eines Beamtenkabinetts ab 1 Februar Anton Banhans promovierter Jurist Handelsminister Ignaz Edler von Plener 15 Janner bis 1 Februar 1870 auch Ministerprasident und Landesverteidigungsminister Minister fur Kultus und Unterricht Leopold Hasner von Artha promovierter Jurist ab 1 Februar 1870 Ministerprasident Nachfolger Karl von Stremayr promovierter Jurist 1879 Ministerprasident Minister ohne Portefeuille Johann Nepomuk Berger promovierter Jurist 15 Janner 1870 enthoben Landesverteidigungsminister bis 15 Janner 1870 Graf Taaffe siehe oben bis 1 Februar 1870 Ignaz von Plener siehe oben dann Feldmarschallleutnant Johann von Wagner Taaffe Potocki und Berger konnten sich der Mehrheitsmeinung des Kabinetts zur Vorgangsweise betreffend Foderalismus siehe unten nicht anschliessen und suchten daher beim Kaiser um Enthebung von ihren Amtern an die auch gewahrt wurde Das Ausscheiden von Ministerprasident Taaffe zog da das Kabinett nicht vom Vertrauen des Parlaments abhangig war nicht den Rucktritt der gesamten Regierung nach sich Der Aussenminister der Kriegsminister und der gemeinsame Finanzminister waren nicht Mitglieder dieses Kabinetts siehe k u k gemeinsame Ministerien In spateren Kabinetten wurde die offentliche Sicherheit dem Innenministerium zugeteilt da die Militarpolizei 1869 von der zivilen k k Sicherheitswache abgelost wurde und 1896 die Eisenbahnsektion des Handelsministeriums zum Eisenbahnministerium erhoben wurde Voraussetzungen BearbeitenMit dem Ausgleich von 1867 wurde das bis dahin einheitliche Kaisertum Osterreich in zwei Staaten geteilt die unter dem Kaiser und Konig als Staatsoberhaupt einer Realunion ihre Innenpolitik unabhangig voneinander gestalten konnten In Cisleithanien den im Reichsrat vertretenen Konigreichen und Landern war das so genannte Burgerministerium die erste Regierung nach dieser Umwalzung Wahrend Aussenpolitik Heer und Kriegsmarine sowie die Finanzierung dieser Bereiche von gemeinsamen k u k Ministern siehe K u k gemeinsame Ministerien mit Zustandigkeit fur ganz Osterreich Ungarn verwaltet wurden lagen alle anderen Themen fur Osterreich im Verantwortungsbereich der neuen cisleithanischen Regierung wobei es zu Wahrung Zoll und Handelspolitik Unternehmens und Patentregistrierung und anderen Materien zu freiwilligen Vereinbarungen beider Reichshalften kam Cisleithanien war genauso wie Transleithanien weiterhin ein Vielvolkerstaat In Osterreich bildete die deutsche Nationalitat die grosste Gruppe die slawischen Nationalitaten vor allem in Galizien Bohmen und Mahren stellten zusammen die Mehrheit der Staatsburger Diese kam allerdings noch nicht voll zum Tragen da das allgemeine Wahlrecht fur Manner erst vierzig Jahre spater 1907 eingefuhrt wurde Politik BearbeitenFoderalismusZentraler Konfliktpunkt war das Verhaltnis der Deutschen zu den anderen Nationalitaten Wahrend die Zentralisten eine starke deutsch dominierte Zentralregierung anstrebten war der Wunsch der nicht deutschen Kronlander eine deutlich foderal gepragte Ordnung Als der Landtag von Bohmen am 22 August 1868 eroffnet wurde erschienen die 81 tschechischen Abgeordneten nicht sondern forderten fur die Lander der bohmischen Krone eine Regelung ahnlich der soeben fur die Lander der ungarischen Krone in Kraft getretenen somit Autonomie von der Wiener Regierung Am 10 Oktober 1868 verhangte diese Regierung den Belagerungszustand uber Bohmen In Mahren verhielten sich die tschechischen Landtagsabgeordneten ebenso In Galizien forderten die Polen vollige Autonomie die sie einige Jahre spater auch grossteils erhielten worauf sie dann die Wiener Regierung im Reichsrat unterstutzten die Slowenen verlangten alle slowenisch besiedelten Gebiete Untersteiermark Sudkarnten Krain und Kustenland in einem Konigreich Slowenien zusammenzufassen In Dalmatien entstand 1869 Aufruhr gegen das Landwehrgesetz Der Tiroler Landtag von Ultramontanen dominiert lehnte die neue Verfassung wegen ihres Liberalismus in Kirchenfragen ab Im Burgerministerium wurde kein Konsens dazu gefunden wie sich die Wiener Regierung verhalten sollte Taaffe Potocki und Berger traten wie Friedrich Ferdinand von Beust k u k Aussenminister und in Osterreich Ungarn einziger Trager des Titels Reichskanzler fur einen Ausgleich mit den Nationalitaten ein Sie forderten daher den Reichsrat unter diesem Aspekt neu wahlen zu lassen und dann die Verfassung zu adaptieren Die Mehrheit der Minister Hasner Brestel Giskra Plener und Herbst hielt den zuletzt gewahlten Reichsrat fur berufen Verfassungsanderungen durchzufuhren Zu grosseren Anderungen ist es bis zum Ende der Monarchie 1918 nicht gekommen KirchenpolitikIm Kaisertum Osterreich war die Vorrangstellung der romisch katholischen Kirche verfassungsrechtlich verankert Die Stellung dieser Kirche spiegelte sich im Konkordat von 1855 wider Das Burgerministerium strebte an die Vorrangstellung zu beseitigen und die Neutralitat des Staates in Glaubensfragen sicherzustellen Das Konkordat selbst wurde zwar nicht sofort aufgekundigt dies geschah erst im Sommer 1870 die Vorrechte der romisch katholischen Kirche wurden aber in drei vom Reichsrat beschlossenen und vom Kaiser am 25 Mai 1868 kundgemachten Einzelgesetzen siehe Maigesetze Osterreich Ungarn reduziert Die Gerichtsbarkeit in Ehesachen wurde den weltlichen Gerichten uberwiesen 3 Die oberste Leitung und Aufsicht uber das Unterrichts und Erziehungswesen ubernahm nun der Staat 4 Die Konfessionen wurden formal gleichberechtigt wenn auch der gewohnte inoffizielle Vorrang des romischen Katholizismus bis heute besteht und im Zweifelsfall mit der Kirche in Osterreich immer diese Konfession gemeint ist 5 Auch wenn diese Auseinandersetzungen weniger heftig waren als der Kulturkampf in Preussen regte sich erheblicher Widerstand gegen die Massnahmen Papst Pius IX erklarte die drei Gesetze am 22 Juni fur null und nichtig Osterreich hielt aber an den Regelungen fest AnderesZu anderen Themen wurde eine Reihe von Forderungen des liberalen Grossburgertums in Kultur Wirtschafts und Innenpolitik umgesetzt Finanzminister Rudolf Brestel gelang eine Verringerung des Staatsdefizites Im Reichsgesetzblatt wurden unter anderem publiziert Umwandlung der Titel der Staatsschuld Die meisten Schuldtitel des Staates wurden in einheitliche Staatsschuldscheine mit einer Verzinsung von 5 p a umgewandelt von den Zinsen waren 16 Steuer zu bezahlen 6 Gesetz uber Versohnungsversuche vor gerichtlichen Ehescheidungen Die Scheidungswilligen wurden von der gesetzlichen Pflicht entbunden ihren Pfarrer von ihrer Scheidungsabsicht zu verstandigen hatte dieser keine Versohnungsversuche unternommen so war nun das Gericht dazu verpflichtet 7 Gesetz uber die Kosten der Wiener Donauregulierung sie wurden zwischen dem Staat dem Kronland Osterreich unter der Enns und der Stadt Wien gedrittelt 8 Gesetz uber die Organisation des Reichsgerichts des hochsten Gerichts der im Reichsrat vertretenen Konigreiche und Lander 9 Die inoffiziell als Reichsvolksschulgesetz bekannte Rechtsnorm 10 Gesetz uber die k k Landwehr die Territorialverteidigung Osterreichs 11 Weblinks Quellen BearbeitenEintrag zu Burgerministerium im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon Thomas Kletecka Stefan Malfer Die Protokolle des osterreichischen cisleithanischen Ministerrates 1867 1918 Band II 1868 1871 Meyers Konversations Lexikon 5 Auflage 13 Band Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1896 S 320 f Eduard von Wertheimer Feuilleton Die Entstehungsgeschichte des osterreichischen Burgerministeriums im Jahre 1867 Nach ungedruckten Aufzeichnungen Teil I In Neue Freie Presse Morgenblatt Nr 20575 1921 9 Dezember 1921 S 1 ff online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung nfp Teil II In Neue Freie Presse Morgenblatt Nr 20583 1921 17 Dezember 1921 S 1 f online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung nfp Teil III und Schluss In Neue Freie Presse Abendblatt Nr 20586 1921 20 Dezember 1921 S 3 f online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung nfpEinzelnachweise Bearbeiten Pieter M Judson Exclusive revolutionaries Liberal politics social experience and national identity in the Austrian Empire 1848 1914 The University of Michigan Press Ann Arbor 1996 ISBN 0 472 10740 2 S 135ff Amtlicher Theil In Wiener Zeitung Nr 1 1868 1 Janner 1868 S 1 online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung wrz Gesetz vom 25 Mai 1868 womit die Gerichtsbarkeit in Ehesachen der Katholiken den weltlichen Gerichtsbehorden uberwiesen werden RGBl Nr 47 1868 Gesetz vom 25 Mai 1868 wodurch grundsatzliche Bestimmungen uber das Verhaltnis der Schule zur Kirche erlassen werden RGBl Nr 48 1868 Gesetz vom 25 Mai 1868 wodurch die interkonfessionellen Verhaltnisse der Staatsburger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden RGBl Nr 49 1868 RGBl 66 1868 RGBl 3 1869 RGBl 20 1869 RGBl 44 1869 RGBl 62 1869 RGBl 68 1869Ministerien Regierungen Cisleithaniens 1867 1918 Beust K Auersperg Taaffe I Plener Hasner Potocki Hohenwart Holzgethan A Auersperg Stremayr Taaffe II Windisch Gratz Kielmansegg Badeni Gautsch I Thun Clary Wittek Koerber I Gautsch II Hohenlohe Beck Bienerth Gautsch III Sturgkh Koerber II Clam Martinic Seidler Hussarek LammaschMinisterium K Auersperg 1867 1868 Karl von AuerspergJohann Nepomuk Berger Friedrich Ferdinand von Beust Rudolf Brestel Carl Giskra Leopold Hasner von Artha Eduard Herbst Franz von John Ignaz von Plener Alfred Jozef Potocki Eduard TaaffeMinisterium Taaffe I 1868 1870 Eduard TaaffeJohann Nepomuk Berger Friedrich Ferdinand von Beust Rudolf Brestel Carl Giskra Leopold Hasner von Artha Eduard Herbst Ignaz von Plener Alfred Jozef PotockiMinisterium Plener 1870 Ignaz von PlenerJohann Nepomuk Berger Friedrich Ferdinand von Beust Rudolf Brestel Carl Giskra Leopold Hasner von Artha Eduard Herbst Eduard TaaffeMinisterium Hasner 1870 Leopold Hasner von ArthaAnton von Banhans Friedrich Ferdinand von Beust Rudolf Brestel Carl Giskra Eduard Herbst Ignaz von Plener Karl von Stremayr Johann von Wagner Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Burgerministerium amp oldid 233517286