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Albert Widmann 8 Juni 1912 in Stuttgart 24 Dezember 1986 in Stuttgart Stammheim war ein deutscher Chemiker Er war Mitarbeiter im Kriminaltechnischen Institut der Sicherheitspolizei KTI zur Zeit des Nationalsozialismus SS Sturmbannfuhrer und Leiter des Referats fur Chemie und Biologie im Reichssicherheitshauptamt RSHA Fur NS Krankenmorde entwickelte er die Vergasung mit CO Gas und erprobte 1941 fur die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in Weissrussland die Totung von Menschen mit Sprengstoff und Gas Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Studium 2 Im Kriminaltechnischen Institut 3 Mitarbeit bei der Euthanasie Aktion 4 Probevergasung im Zuchthaus Brandenburg 5 Technische Unterstutzung der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 6 Entwicklung von vergifteter Munition 7 Nach dem Krieg 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseHerkunft und Studium BearbeitenDer Sohn eines Lokomotivfuhrers studierte Chemie an der Technischen Hochschule Stuttgart und trat als Student 1931 dem Stuttgarter Wingolf bei Nach seinem Studium arbeitete er anschliessend an der TH Stuttgart als wissenschaftlicher Assistent im Organisch Pharmazeutischen Institut Im September 1938 promovierte Widmann zum Dr Ing Schon als Student war Widmann dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps beigetreten Im Mai 1937 wurde er Mitglied der NSDAP Mitgliedsnummer 5 454 700 Im Kriminaltechnischen Institut BearbeitenVom Leiter des Kriminaltechnischen Instituts der Sicherheitspolizei KTI im Reichskriminalpolizeiamt RKPA Walter Heess wurde Widmann zur Aufklarung eines Sprengstoffunglucks nach Berlin geholt Heess hatte ebenfalls an der Technischen Hochschule Stuttgart studiert war dem Organisch Pharmazeutischen Institut nach wie vor verbunden und war Verbindungsbruder von Widmann im Stuttgarter Wingolf Er kannte daher Widmann und stellte ihn nach dessen Bewahrung ab dem 1 September 1938 als wissenschaftlichen Mitarbeiter fur das Fachgebiet Chemie im KTI ein Nach seinem Antritt dort wurde Widmann im Rang eines SS Untersturmfuhrers in die SS aufgenommen 1 Ein Jahr spater wurde das Reichskriminalhauptamt mitsamt dem KTI im September 1939 ins Reichssicherheitshauptamt integriert Das KTI wurde als Amt V zu einem Amt des Sicherheitshauptamtes Zuletzt war Widmann Referatsleiter des Referates V D 2 Chemie und Biologie im KTI Mitarbeit bei der Euthanasie Aktion BearbeitenWidmann wurde nach eigener Aussage vom Leiter des Reichskriminalpolizeiamtes Arthur Nebe beauftragt Gift fur die Euthanasie Aktion zu beschaffen und mit der Kanzlei des Fuhrers zusammenzuarbeiten die intern die Aktion fuhrte und steuerte die nach dem Krieg die Bezeichnung Aktion T4 erhielt Im Urteil des Landgerichts Stuttgart heisst es dazu 2 Bereits im Planungsstadium informierte Nebe den Angeklagten daruber dass die Euthanasie beschlossene Sache sei und dass das KTI hierbei eine beratende Funktion zu ubernehmen habe Die Fragen des Angeklagten ob Menschen oder Tiere getotet werden sollten tat Nebe mit dem Hinweis ab dass weder Menschen noch Tiere sondern Tiere in Menschengestalt getotet wurden Auf Frage des Angeklagten wies Nebe darauf hin dass ihn den Angeklagten keine Verantwortung treffe und dass das Ganze durch ein Gesetz legalisiert werde Kurz darauf wurde der Angeklagte zur Kanzlei des Fuhrers bestellt und dort von Brack Oberdienstleiter Viktor Brack Leiter des Hauptamtes II der Kanzlei des Fuhrers d V wahrscheinlich im Beisein von Dr Hefelmann von Hegener und Nebe in das Euthanasieprogramm eingeweiht und um seinen Rat als Chemiker hinsichtlich der in Betracht kommenden Mittel und deren todliche Dosis angegangen Zur Debatte standen u a Morphium Scopolamin Blausaure und CO Gas Da sich der Angeklagte fruher bereits mit einem Fall von CO Vergiftung hinsichtlich Wirkung und Nachweisbarkeit eingehend beschaftigt und daruber einen Bericht der an samtliche kriminaltechnischen Institute im Reich gehen sollte verfasst hatte schlug er schliesslich moglicherweise nach entsprechenden Versuchen an Tieren im KTI Brack die Verwendung von reinem CO Gas zur Totung der vorgesehenen Geisteskranken vor Zur praktischen Durchfuhrung riet er das Gas nachts in die Krankensale einzuleiten und so die betreffenden Geisteskranken einzuschlafern Bei einer weiteren Besprechung bei Brack in der Kanzlei des Fuhrers wurde der Angeklagte was ihm schon Nebe angedeutet hatte beauftragt aus Tarnungsgrunden die Beschaffung und Lieferung des CO Gasflaschen durch das KTI zu ubernehmen da derartige Bestellungen ohne dass Argwohn aufkomme nicht von einer Parteidienststelle insbesondere nicht von der Kanzlei des Fuhrers erfolgen konnten Probevergasung im Zuchthaus Brandenburg BearbeitenWidmann war auch beteiligt bei einer ersten Probevergasung von Kranken im Januar 1940 im alten Zuchthaus Brandenburg an der unter anderem die Euthanasie Beauftragten Hitlers Karl Brandt und Philipp Bouhler sowie Leonardo Conti der fur Gesundheitsfragen zustandige Staatssekretar des Reichsministeriums des Innern teilnahmen Widmann gab die Anweisungen fur die mit der Ausfuhrung vorgesehenen Arzte Durch ein Guckloch in der Ture zur Gaskammer konnten Wirkung und Dauer des Vergasungsprozesses beobachtet werden Von der KTI zur Kanzlei des Fuhrers abgestellt war der Chemiker August Becker In einer Aussage im Verfahren gegen Werner Heyde erster T4 Obergutachter schilderte Becker diesen Vorgang ausfuhrlich Er hielt fest dass Dr Eberl und Dr Baumhart uber den Vorgang unterrichtet wurden dass abschliessend Viktor Brack und Professor Dr Brandt den Versuch als gelungen bezeichneten 3 und dass Widmann daraufhin die Lieferungen des erforderlichen Kohlenmonoxydgases fur die Totungsanstalten sicherstellte Das Gas bezog Widmann vom Ludwigshafener Werk der I G Farben Albert Widmann war auch als Fachmann fur den technischen Betrieb der Totungsanstalten gefragt Als aus dem Schornstein der NS Totungsanstalt Pirna Sonnenstein 5 m hohe Flammen herausschlugen konstatierte er Was den Schornstein des Krematoriums anging so habe ich gesagt dass die hohen Flammen daher ruhrten dass zu viele Leichen auf einmal verbrannt worden sein mussten 4 Mit der Verwertung des ausgebrochenen Zahngoldes der Opfer in den NS Totungsanstalten war ebenfalls Widmann befasst Er liess es einschmelzen an die DEGUSSA liefern und fuhrte den Gegenwert der Zentraldienststelle T4 zu Technische Unterstutzung der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD BearbeitenFur die Aufgaben der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD zur Sonderbehandlung der potentiellen Gegner d h der Liquidierung der reichsfeindlichen Elemente und aller rassisch Minderwertigen war ebenfalls die Hilfe des KTI gefragt Reichsfuhrer SS Heinrich Himmler beauftragte nachdem er personlich an einer Erschiessung von 100 Personen in Minsk teilgenommen hatte Arthur Nebe mit der Suche nach besseren Moglichkeiten Menschen in grosser Zahl zu toten ohne dass es fur die Exekutoren zu psychischen Belastungen kame die zunehmend die Effizienz ihres Auftrages beeintrachtigten Nebe schlug Himmler daher bei der anschliessenden Besichtigung einer Irrenanstalt vor deren Insassen nicht zu erschiessen sondern mit Sprengstoff zu toten Hierzu liess er Widmann mit Sprengstoff und zwei Metallschlauchen nach Minsk kommen Nach Rucksprache mit dem Leiter der KTI Walter Heess begab sich Widmann mit 400 kg Sprengstoff nach Russland Mit Hilfe der Metallschlauche sollten die Opfer gegebenenfalls durch Autoabgase getotet werden da ein Transport der zu diesem Zweck ublichen Kohlenmonoxidgasflaschen nach Russland als nicht praktikabel ausschied In einer Aussage vor dem Untersuchungsrichter I beim Landgericht Dusseldorf am 11 Januar 1960 schilderte Widmann seinen Aufenthalt mit Nebe in Russland zu Beginn des Russlandfeldzuges seinen Aufenthalt in Irrenanstalten in Minsk und Mogilew und seine Beteiligung an der dortigen Vergasung von Anstaltsinsassen 5 Im Urteil vom 15 September 1967 kam das Landgericht Stuttgart teilweise zu einer anderen Einschatzung und Bewertung der Teilnahme Widmanns an den geschilderten Geschehnissen 6 Entwicklung von vergifteter Munition BearbeitenIm Fruhjahr 1944 begann Widmann mit der Entwicklung von Giftgeschossen Ein im April geplanter Versuch im KTI in der Sensengasse an dem Kriminellen Bruno Ludtke vergiftete Munition zu erproben wozu Widmann mit dem SS Gruppenfuhrer und Chef des Reichskriminalhauptamtes Arthur Nebe angereist war scheiterte daran dass dieser bereits zuvor infolge eines anderen Experiments zu Tode gekommen war 7 An der Entwicklung von Giftgeschossen zeigte besonders die 1943 neu gebildete Amtsgruppe VI S Sabotage und Kommandoaktionen von Otto Skorzeny grosses Interesse In einem Vermerk vom 11 April 1944 uber ein Gesprach mit SS Hauptsturmfuhrer Faulhaber und der Ubergabe von 30 der nach Art 23 der Haager Landkriegsordnung verbotenen Geschosse beschrieb Widmann die Wirkung so Beim Auftreffen des Geschosses auf das Ziel zerplatzt es reisst grosse Wunden und verletzt sehr wahrscheinlich eine grosse Anzahl von Blutgefassen 8 Das KTI besass eine Aussenstelle im KZ Sachsenhausen um dort Menschenversuche an Haftlingen vorzunehmen Zusammen mit Joachim Mrugowsky dem obersten Hygieniker beim Reichsarzt SS war Widmann an einem Menschenversuch mit den vergifteten Geschossen an funf zum Tode verurteilten Mannern beteiligt Drei der Opfer starben erst nach zweistundigen Qualen Die Wirksamkeit von Widmanns Entwicklung konnte der neue Chef des RSHA Ernst Kaltenbrunner Himmler am 18 Mai 1944 mit dem Bemerken melden Versuche mit dem Geschoss haben ergeben dass ein Mensch auch bei leichter Verwundung eingeht 9 Nach dem Krieg BearbeitenNach Kriegsende wurde Widmann von der amerikanischen Besatzungsmacht fur einige Tage interniert und nahm danach eine Beschaftigung in einer Lackfabrik auf Da er wesentliche Teile seiner Rolle in der NS Zeit verschwiegen hatte wurde er im Zuge der Entnazifizierung im Juli 1947 von der Spruchkammer Leonberg als Mitlaufer eingestuft und als solcher zu einer Suhneleistung von lediglich 100 RM verurteilt 10 Er hatte sich bereits zum Chefchemiker emporgearbeitet als er schliesslich im Januar 1959 verhaftet wurde Vor dem Landgericht Dusseldorf wurde er wegen der Herstellung von Giftmunition und der Durchfuhrung von Menschenversuchen im KZ Sachsenhausen angeklagt Mit Urteil vom Mai 1961 wurde Widmann wegen Beihilfe zum Mord mit funf Jahren Zuchthaus belegt Nach einer Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofes verurteilte das Landgericht Dusseldorf Widmann am 10 Oktober 1962 nach einem erneuten Verfahren zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus Das Urteil wurde rechtskraftig Im gleichen Jahr erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage wegen der Beteiligung Widmanns an den Euthanasie Morden und den Ermordungen von Kranken in Mogilew und Minsk im August 1944 Widmann wurde deshalb vom Landgericht Stuttgart am 15 September 1967 zu sechs Jahren und sechs Monaten Gefangnis verurteilt Durch Anrechnung der fruheren Haftstrafe und der Untersuchungshaft wurde die Strafverbussung gegen Zahlung von 4000 DM an eine Behinderteneinrichtung ausgesetzt Literatur BearbeitenHermann G Abmayr Albert Widmann Chemiker der Vernichtung In Hermann G Abmayr Hrsg Stuttgarter NS Tater Vom Mitlaufer bis zum Massenmorder wir haben nur unsere Pflicht getan fur Volk und Vaterland Schmetterling Verlag Stuttgart 2009 ISBN 978 3 89657 136 6 S 69 73 Digitalisat Raul Hilberg Die Vernichtung der europaischen Juden Frankfurt a M 1990 Fischer Taschenbuchverlag ISBN 3 596 24417 X Ernst Klee Euthanasie im NS Staat 11 Auflage Fischer Taschenbuch Frankfurt M 2004 ISBN 3 596 24326 2 Ernst Klee Dokumente zur Euthanasie Frankfurt a M 1985 Fischer Taschenbuchverlag ISBN 3 596 24327 0 Ernst Klee Albert Widmann In ders Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Aktualisierte Ausgabe Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 596 16048 0 Eugen Kogon Hermann Langbein Adalbert Ruckerl u a Hrsg Nationalsozialistische Massentotungen durch Giftgas Frankfurt 1986 Fischer Taschenbuch ISBN 3 596 24353 X Michael Wildt Generation des Unbedingten Das Fuhrungskorps des Reichssicherheitshauptamtes Hamburger Edition Hamburg 2002 ISBN 3 930908 75 1 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Albert Widmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Auszug aus dem Urteil des Schwurgerichts Stuttgart vom 15 September 1967 gegen Dr Albert Widmann beim Nizkor Project Totung in einer Minute Quellen zur Euthanasie im Staatsarchiv Ludwigsburg Andere Art In Der Spiegel Nr 14 1967 S 36 online Mathias Beer Die Entwicklung der Gaswagen beim Mord an den Juden In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte PDF 7 58 MB Hermann G Abmayr Chemiker der Vernichtung bei Kontext Wochenzeitung mit Abb Hermann G Abmayr Chemiker der Vernichtung Buch Leseprobe Einzelnachweise Bearbeiten Bundesarchiv Koblenz SS Officer Akte Albert Widmann siehe Literatur Wildt S 325 Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15 September 1967 Ks 19 62 siehe Weblink und Literatur Klee Euthanasie im NS Staat S 84 85 Heyde Akte Seiten 293 ff Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a M Ks 2 63 zitiert nach Ernst Klee Euthanasie im NS Staat Seiten 110 111 Aussage Widmann am 11 Januar 1960 vor dem Untersuchungsrichter des Landgerichts Dusseldorf UR I 13 59 zitiert nach Klee Euthanasie im NS Staat S 150 Landgericht Dusseldorf UR I 113 59 zitiert nach Literatur Klee Dokumente zur Euthanasie S 265 ff Urteil des Schwurgerichts Stuttgart vom 15 September 1967 Ks 19 62 gegen Albert Widmann siehe Weblink Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 328 Bundesarchiv Koblenz R 58 1060 Blatt 18 zitiert nach siehe Literatur Wildt S 333 Bundesarchiv Koblenz R 58 1060 Blatt 22 zitiert nach siehe Literatur Wildt S 333 334 Spruchkammerverfahrensakte Albert Widmann im Staatsarchiv Ludwigsburg Bestand EL 902 14 Bu 9999Normdaten Person GND 127544038 lobid OGND AKS VIAF 8411917 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Widmann AlbertKURZBESCHREIBUNG deutscher SS Sturmbannfuhrer und Referatsleiter im ReichssicherheitshauptamtGEBURTSDATUM 8 Juni 1912GEBURTSORT StuttgartSTERBEDATUM 24 Dezember 1986STERBEORT Stuttgart Stammheim Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Albert Widmann amp oldid 234280589