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Als Kriminaltechnisches Institut der Sicherheitspolizei KTI in Darstellungen oft verkurzt nur Kriminaltechnisches Institut genannt wurde ab 1939 eine Abteilung des Reichssicherheitshauptamtes RSHA gefuhrt Mitarbeiter des Kriminaltechnischen Instituts entwickelten und erprobten die technischen Moglichkeiten Menschen massenhaft zu vergasen Sie waren unmittelbar befasst mit den ersten Euthanasie Morden durch Kohlenstoffmonoxidgas unternahmen Versuche mit Motorabgasen und Sprengstoff in Mogilew und entwickelten die Gaswagen die bei den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD und im Vernichtungslager Chelmno eingesetzt wurden Das KTI wurde ferner zwischengeschaltet bei der Beschaffung von Kohlenstoffmonoxid oder Morphium Scopolamin und Luminal die zur Totung behinderter Menschen verwendet wurden Inhaltsverzeichnis 1 Organisation 2 Entwicklung der Methoden zur Massentotung durch Giftgas 3 Lieferant von Totungsmitteln 4 Zahngold 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseOrganisation BearbeitenDas Kriminaltechnische Institut der Sicherheitspolizei ging aus der Chemischen Landesanstalt Stuttgart hervor deren Abteilung fur gerichtliche Chemie und Kriminaltechnik seit 1935 von Walter Heess geleitet wurde Im April 1938 wurde Heess als Leiter des neu geschaffenen KTI im Reichskriminalpolizeiamt RKPA eingesetzt Das RKPA bildete im 1939 neu geschaffenen Reichssicherheitshauptamt RSHA das Amt V und wurde vom SS Brigadefuhrer und Generalmajor der Polizei Arthur Nebe geleitet Nach dem Geschaftsverteilungsplan von 1941 leitete Walter Heess die Gruppe V D Kriminaltechnisches Institut der Sipo die aus drei Referaten bestand Referat V D 1 Spurenidentifikation SS Hauptsturmfuhrer Walter Schade Referat V D 2 Chemie und Biologie SS Untersturmbannfuhrer Albert Widmann und Referat V D 3 Urkundenprufung Kriminalrat Felix Wittlich 1 2 Im Fruhjahr 1943 ubernahm der Botaniker Otto Martin die Leitung der biologischen Abteilung im Referat V D 2 3 Das KTI hatte seinen Sitz im Neubau des RKPA am Werderschen Markt in Berlin Im August 1943 wurde das KTI ins Herrenhaus Grambow bei Schwerin ausgelagert 4 Entwicklung der Methoden zur Massentotung durch Giftgas BearbeitenBereits im Planungsstadium der sogenannten Kinder Euthanasie und Aktion T4 schaltete die Kanzlei des Fuhrers das KTI ein um ein geeignetes Totungsverfahren zu finden Der Referatsleiter Albert Widmann unternahm Tierversuche und empfahl die Verwendung von reinem Kohlenstoffmonoxidgas Reichsarztefuhrer Leonardo Conti der die Verabreichung von Spritzen mit Barbituraten ablehnte ausserte sich zustimmend 5 Widmann besprach daraufhin mit Viktor Brack die technischen Einzelheiten Im Januar 1940 fand eine Probevergasung im Alten Zuchthaus Brandenburg statt 6 bei der neben Widmann auch August Becker anwesend war der im Dezember 1939 vom KTI zur Kanzlei des Fuhrers abgeordnet wurde und spater wieder von dort zuruckkehrte Nach Aussage von Becker fuhrte Widmann die erste Vergasung selbst durch er regulierte die Gasmenge und instruierte dabei zwei Arzte 7 Nach Zeugenaussagen wurde bereits Ende 1939 vom Sonderkommando Lange eine Zugmaschine mit Anhanger als mobile Gaskammer benutzt um polnische Heilanstalten fur Geisteskranke als Lazarette oder zur Raumbeschaffung fur SS Ersatzeinheiten freizumachen 8 In diese mobile Gaskammer wurde reines Kohlenstoffmonoxid aus Gasflaschen eingeleitet Obwohl keine dokumentarischen Beweise erhalten sind deuten Indizien darauf hin dass das KTI an der Entwicklung dieses ersten Gaswagens beteiligt war 9 Mitte August 1941 war der Reichsfuhrer SS Heinrich Himmler in Baranowitschi und Minsk und beobachtete eine von Nebe auf seine Bitte durchgefuhrte Massenerschiessung im Bereich der Einsatzgruppe B Danach forderte er Arthur Nebe auf nach Totungsmethoden zu suchen die fur die Manner der Erschiessungskommandos weniger belastend seien 10 Arthur Nebe wandte sich uber seinen Berliner Stellvertreter Paul Werner an Albert Widmann vom nachgeordneten KTI und ordnete Widmanns Erscheinen mit Sprengstoff an Der anschliessende Versuch einen improvisierten Bunker mit Geisteskranken zu sprengen schlug fehl Widmann erprobte in der Folge mit Nebe die Totung mittels Autoabgasen an Patienten einer Anstalt in Mogilew in einer improvisierten Gaskammer In einem Gebaude wurden die Fenster zugemauert und Rohre zum Einlassen der Abgase verlegt Die Abgase des genutzten PKW zeigten zunachst nicht die gewunschte Wirkung Als Nebe zusatzlich den Auspuff eines Mannschafts LKW der Ordnungspolizei mit einem Schlauch an die Gaskammer anschloss starben die Patienten 11 12 Diese Methode hatte fur die Tater gegenuber der Verwendung von Kohlenmonoxid in Gasflaschen technisch organisatorische Vorteile letztere mussten aus Ludwigshafen beschafft werden Reinhard Heydrich stellte dem KTI die notwendigen technischen Hilfsmittel zum Bau der Gaswagen zur Verfugung Er wandte sich Anfang Oktober 1941 an SS Obersturmfuhrer Walter Rauff Leiter der Gruppe II D 3 Technische Angelegenheiten im RSHA dessen Referat II D 3a Kraftfahrwesen der Sicherheitspolizei von SS Hauptsturmfuhrer Friedrich Pradel geleitet wurde Das KTI lieferte die Vorschlage zum Bau der Gaswagen deren Motorabgase ins Innere des Kastenaufbaus eingeleitet wurden erhob Messwerte und ermittelte die gunstigsten Motordrehzahlen Das Referat II D 3a das fur den Einsatz der Fahrzeuge der Sicherheitspolizei zustandig war richtete zwei Serien von Wagen her sechs kleine Diamond und Opel Blitz und dann dreissig grosse Saurer Wagen SS Untersturmfuhrer Becker fuhr auf Befehl Rauffs zu den Einsatzgruppen um das Funktionieren der Gaswagen zu uberprufen und auftretende Mangel zu beheben 13 Die ersten der 30 bestellten Vergasungswagen wurden im Hof des RKPA erprobt und die Gaszusammensetzung gemessen 14 Bei einer der ersten Probevergasung wenige Wochen spater im KZ Sachsenhausen mit einem Prototyp des Gaswagens nahmen seitens des KTI Theodor Friedrich Leiding Helmut Hoffmann und Walter Heess teil Der Chemiker Leiding sagte 1959 dazu aus Ich bin mal in diesen Wagen mit einer Gasmaske gestiegen mit dem Auftrage laufend Luftproben zu entnehmen Diese Luftproben sind dann im Labor analysiert worden 15 Widmann selbst erlauterte spater Der Sinn der Analyse war ubrigens festzustellen innerhalb welcher Zeit der CO Gehalt im Wagen 1 erreicht hat Bei diesem CO Gehalt tritt in kurzer Zeit tiefe Bewusstlosigkeit und dann der Tod ein 15 Lieferant von Totungsmitteln BearbeitenDie Kanzlei des Fuhrers benotigte grosse Mengen von Medikamenten um die Euthanasie Arzte beliefern zu konnen Zur Tarnung wurde das KTI eingeschaltet Anfang 1940 sandte Widmann der Leiter des Referats fur chemische Untersuchungen erstmals hochdosiertes Morphium Scopolamin an Richard von Hegener von der KdF Nach Kriegsbeginn bezog das KTI problemlos grossere Mengen Luminal Morphium u a vom Sanitatsamt der Waffen SS und leitete es weiter 16 Auch das todliche Kohlenstoffmonoxidgas das in Druckgasflaschen von der BASF in Ludwigshafen angeliefert werden musste wurde uber das KTI bestellt und verteilt 17 Das KTI erhielt Ende 1943 oder Anfang 1944 aus Minsk ein sowjetisches Giftgeschoss zur Untersuchung Widmann selbst entwickelte im Fruhjahr 1944 Giftgeschosse die nach der Haager Landkriegsordnung geachtet waren Im September 1944 unternahm Joachim Mrugowsky im Beisein Widmanns einen Menschenversuch mit vergifteter Munition bei dem drei von funf Opfern starben 18 Offenbar verfugte das KTI im Truppen wie auch im Haftlingslager des Konzentrationslagers Sachsenhausen uber Werkstatten Moglicherweise hat das KTI dort die Apparatur entwickelt die in Sachsenhausen zu Totungen durch Giftgas benutzt wurde 19 Das KTI stellte auch die Glasphiolen mit Zyankali her die zunachst aufgeflogenen deutschen Agenten spater hohen NS Funktionaren beim Zusammenbruch des Dritten Reiches zur Selbsttotung dienten Mit diesen totete sich spater unter zahlreichen weiterer NS Prominenz unter anderem Hitler seine Frau Eva Braun Die Kinder der Familie Goebbels wurden mit ihnen ermordet Nach seiner Verhaftung totete sich auch Himmler mit dem Inhalt einer Glasphiole des KTI 20 Zahngold BearbeitenNach Aussage von Friedrich Lorent seinerzeit Hauptwirtschaftsleiter der Euthanasie Zentrale und auch mit der Verwertung von Schmuck und Zahngold aus Vernichtungslagern der Aktion Reinhardt betraut wurde dieses vor dem Einschmelzen an Albert Widmann vom KTI geschickt 21 Paul Werner Stellvertreter von Arthur Nebe und damit Vorgesetzter Widmanns erinnerte sich bei seiner Vernehmung es sei technisch nicht ganz einfach gewesen das Gold von den Zahnen zu losen 22 Nach anderer Aussage wurden gesammelte Goldzahne durch Sonderkuriere an die Zentraldienststelle T4 geliefert 23 Literatur BearbeitenMatthias Beer Die Entwicklung der Gaswagen beim Mord an den Juden in Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 35 1987 H 3 S 403 418 Artikel im Internet PDF 7 6 MB Henry Friedlander Der Weg zum Genozid Von der Euthanasie zur Endlosung Berlin 1997 ISBN 3 8270 0265 6 Eugen Kogon Hermann Langbein Adalbert Ruckerl u a Hrsg Nationalsozialistische Massentotungen durch Giftgas Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1986 ISBN 3 596 24353 X Michael Wildt Generation des Unbedingten Das Fuhrungskorps des Reichssicherheitshauptamtes Durchgesehene und aktualisierte Neuausg Hamburg 2003 ISBN 3 930908 87 5 Weblinks BearbeitenKriminaltechnisches Institut der Sicherheitspolizei auf de cyclopaedia netEinzelnachweise Bearbeiten Felix Wittlich 1905 in Reval promovierter Gerichtschemiker Angaben bei Michael Wildt Generation des Unbedingten Das Fuhrungskorps des Reichssicherheitshauptamtes Durchgesehene und aktualisierte Neuausg Hamburg 2003 S 326 Geschaftsverteilungsplan des RSHA vom 1 Marz 1941 In Topographie des Terrors Gestapo SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem Prinz Albrecht Gelande eine Dokumentation Berlin 1987 ISBN 3 922912 21 4 S 80 Dieter Schenk Auf dem rechten Auge blind Die braunen Wurzeln des BKA Koln 2001 S 221f Michael Wildt Generation des Unbedingten Das Fuhrungskorps des Reichssicherheitshauptamtes Durchgesehene und aktualisierte Neuausg Hamburg 2003 ISBN 3 930908 87 5 S 326 und 699 Henry Friedlander Der Weg zum Genozid Von der Euthanasie zur Endlosung Berlin 1997 ISBN 3 8270 0265 6 S 153 Astrid Ley Der Beginn des NS Krankenmords in Brandenburg an der Havel Zur Bedeutung der Brandenburger Probetotung fur die Aktion T4 In Zeitschrift fur Geschichtsforschung 58 2010 S 321 331 Ernst Klee Euthanasie im NS Staat Frankfurt Main 1985 ISBN 3 596 24326 9 S 111 Volker Riess Die Anfange der Vernichtung lebensunwerten Lebens in den Reichsgauen Danzig Westpreussen und Wartheland 1939 40 Frankfurt M 1995 Diss 1993 ISBN 3 631 47784 8 S 279 und 290f Matthias Beer Die Entwicklung der Gaswagen beim Mord an den Juden In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 35 1987 H 3 S 404 407 Peter Longerich Politik der Vernichtung Die Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung Munchen 1998 ISBN 3 492 03755 0 S 442 Mathias Beer Gaswagen Von der Euthanasie zum Genozid In Gunter Morsch Bertrand Perz Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentotungen durch Giftgas Berlin 2011 ISBN 978 3 940938 99 2 S 158 159 Aussage Widmanns und weiterer Augenzeugen bei der Staatsanwaltschaft Dusseldorf AZ 8 Js 7212 59 nach Eugen Kogon Hrsg Nationalsozialistische Massentotungen durch Giftgas Frankfurt am Main 1989 S 81f Peter Longerich Politik der Vernichtung S 442 Matthias Beer Die Entwicklung der Gaswagen S 408 Matthias Beer Die Entwicklung der Gaswagen VfZ 35 1987 S 415 16 PROZESSE GASWAGEN MORDE In Der Spiegel vom 27 Marz 1967 a b Zitiert nach Matthias Beer Die Entwicklung der Gaswagen VfZ 35 1987 S 411 Michael Wildt Generation des Unbedingten S 328 Henry Friedlander Der Weg zum Genozid S 108 Henry Friedlander Der Weg zum Genozid S 338 Eugen Kogon Hermann Langbein Adalbert Ruckerl Hrsg Nationalsozialistische Massentotungen durch Giftgas Eine Dokumentation Frankfurt M 1983 ISBN 3 596 24353 X S 52 Michael Wildt Generation des Unbedingten S 332f Gunter Morsch Totungen durch Giftgas im Konzentrationslager Sachsenhausen In Gunter Morsch Bertrand Perz Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentotungen durch Giftgas Berlin 2011 ISBN 978 3 940938 99 2 S 269 Ronald Rathert Verbrechen und Verschworung Arthur Nebe der Kripochef des Dritten Reiches LIT Verlag Munster 2001 S 83 Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Frankfurt Main 1986 ISBN 3 596 24364 5 S 76 Henry Friedlander Der Weg zum Genozid S 339 Henry Friedlander Der Weg zum Genozid S 170 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kriminaltechnisches Institut der Sicherheitspolizei amp oldid 219758863