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Die Affare Gauland war eine politische Affare im Bundesland Hessen die durch eine umstrittene Versetzungsentscheidung des damaligen CDU Staatssekretars und spateren AfD Partei und Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland ausgelost wurde Die Frankfurter Allgemeine Zeitung begleitete die Affare im Zeitraum von 1988 bis 1992 ausfuhrlich Der Schriftsteller Martin Walser verarbeitete spater die Vorgange in seinem im Suhrkamp Verlag erschienenen Schlusselroman Finks Krieg 1996 Inhaltsverzeichnis 1 Name 2 Verlauf der Affare 2 1 Versetzung von Wirtz 2 2 Juristische Betrachtung 2 2 1 Verwaltungsprozesse durch zwei Instanzen 2 2 2 Strafrechtliche Ermittlungen gegen Gauland 2 3 Politische Auseinandersetzung 2 3 1 Personalie Egerter 2 3 2 Rehabilitation 2 4 Rolle der Kirchen 2 4 1 Verhaltnis zu Wirtz 2 4 2 Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 2 4 3 Kritik am Schweigen 3 Literarische Verarbeitung 4 Archivierung des Falls 5 Literatur 6 EinzelnachweiseName BearbeitenAus historischer Sicht steht Alexander Gauland im Mittelpunkt der Affare Martin Walser spricht von der Affare Gauland 1 2 Je nach Sichtweise und Schwerpunkt der Berichterstattung fanden jedoch auch andere Versionen Anwendung Die Publizistik spricht alternativ vom Fall Gauland 3 4 5 gelegentlich wird vom Fall Wirtz 6 vom Fall Gauland Wirtz 7 oder von der Affare Egerter Gauland 8 berichtet Verlauf der Affare BearbeitenVersetzung von Wirtz Bearbeiten Anfang 1989 hatte der Leiter der Hessischen Staatskanzlei Staatssekretar Alexander Gauland damals CDU heute AfD den Leitenden Ministerialrat Rudolf Wirtz SPD langjahriger Leiter der Verbindungsstelle zwischen Landesregierung und Kirchen gegen dessen Willen versetzt 4 Gauland begrundete seine Entscheidung damit dass Kirchenvertreter mit Wirtz Amtsfuhrung nicht einverstanden gewesen seien 4 Juristische Betrachtung Bearbeiten Verwaltungsprozesse durch zwei Instanzen Bearbeiten Dagegen klagte Wirtz in Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden 9 Zunachst ging es in einer Konkurrentenklage gegen die Neubesetzung der zu einer Abteilungsleiterstelle umfunktionierten Position von Besoldungsordnung B3 auf B6 10 ohne eine Auswahl getroffen zu haben 9 Im Anschluss wehrte sich Wirtz erfolgreich gegen die Anderung der Organisationsform 9 Die Richter fuhrten aus dass parteipolitische Verdienste bei der Postenschaffung keine Rolle spielen durften 11 Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel entschied in zweiter Instanz allerdings zugunsten Gaulands und der Hessischen Landesregierung 9 Gauland versicherte mehrmals an Eides statt dass Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften Vorbehalte hinsichtlich der Personlichkeit und des Verhaltens von Wirtz geaussert hatten 11 Er nannte aber keine Namen da die Bekanntmachung dem Wohl des Landes Nachteile bereiten wurde 9 Konkret verweigerte die Staatskanzlei dem Rechtsbeistand von Wirtz mit Verweis auf 99 I VwGO die Akteneinsicht 5 Strafrechtliche Ermittlungen gegen Gauland Bearbeiten Nach dem Verwaltungsverfahren zeigte Wirtz den Staatssekretar Gauland wegen Verdachts der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung an 4 Mehrmonatige strafrechtliche Ermittlungen der Wiesbadener Staatsanwaltschaft fuhrten 1992 zur Einstellung des Verfahrens 9 Wirtz einigte sich in der Zeit mit der neuen Landesregierung 9 Auch eine Uberprufung durch die Generalstaatsanwaltschaft auf Veranlassung der hessischen Justizministerin Christine Hohmann Dennhardt SPD brachte keine neuen Erkenntnisse 9 Ein Briefverkehr der 5 Kammer des Hessischen Verwaltungsgerichts von 2000 belegt Im Nachhinein hat sich herausgestellt dass diese Angabe die Versicherung an Eides statt durch Alexander Gauland unrichtig war 5 Politische Auseinandersetzung Bearbeiten Personalie Egerter Bearbeiten Im Sommer 1990 forderte die Opposition unter Fuhrung von Ernst Welteke SPD und Joschka Fischer Grune im Hessischen Landtag die Entlassung Gaulands 7 Diese wurde durch die Landesregierung Wallmann abgelehnt 12 Man witterte eine Rufmordkampagne 7 Umstritten war zudem die Personalie Wolfgang Egerter wissenschaftlicher Mitarbeiter der CDU Fraktion und seit 1987 Bundesverdienstkreuztrager uberreicht durch Ministerprasident Wallmann 11 der anstelle von Wirtz Kirchenkoordinator werden sollte Die Opposition sah darin einen schwarzen Filz auch Kirchenvertreter gingen nicht konform mit den Vorgangen 13 Insbesondere die extrem rechte Vergangenheit von Egerter in Form der Mitgliedschaft und seiner Funktionen im volkischen sudetendeutschen Witikobund wurden kontrovers in Medien Politik und Glaubensgemeinschaften diskutiert 13 So sagte Fischer Egerter sei ein braunlich schimmernder CDU Spezi 14 15 Ignatz Bubis Vorsitzender der Judischen Gemeinde Frankfurt am Main und Mitglied des Direktoriums des Zentralrates der Juden in Deutschland verhinderte wie sich die Wochenzeitung Die Zeit ausdruckte Egerter als Koordinator in Hessen 16 Dieser wurde schliesslich Staatssekretar in Thuringen unter Ministerprasident Bernhard Vogel CDU 13 Rehabilitation Bearbeiten Nach der Landtagswahl in Hessen 1991 wurde Wirtz durch den neuen Staatskanzleichef Hans Joachim Suchan SPD rehabilitiert und 1992 erneut in sein altes Amt bestellt 13 Das Land Hessen ubernahm die Prozesskosten 11 es wurde Stillschweigen vereinbart und eine Entschadigung ausgehandelt 13 Joschka Fischer Stellvertreter des Ministerprasidenten Umweltminister und Staatsminister fur Bundesangelegenheiten entschuldigte sich 1994 und die CDU nahm ihre damaligen Anschuldigungen gegen Wirtz zuruck 9 Es folgten noch eine Anfrage der CDU und ein Berichtsantrag der FDP Fraktion Ein eingesetzter Petitionsausschuss des Hessischen Landtags unter der Leitung von Christoph Greiff CDU stellte 1995 offentlich fest dass Wirtz zu Unrecht entlassen wurde 17 Rolle der Kirchen Bearbeiten Verhaltnis zu Wirtz Bearbeiten Unklar war inwieweit der damalige Limburger Bischof Franz Kamphaus bezuglich seiner Ablehnung des Theologiestudienganges an der Universitat Frankfurt am Main in Wirtz keinen verlasslichen Partner gefunden hatte 7 Ausserdem stand im Raum dass der Rektor der von den Jesuiten getragenen Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main Pater Ludwig Bertsch Kritik geaussert hatte 12 Wurdentrager der katholischen Kirche im Bistum Limburg hielten sich lange bedeckt 13 Durch die Ermittlungen wurde zunachst bestatigt dass es die im Raum stehenden Vorbehalte gegen Wirtz sowohl von katholischer als auch evangelischer Seite gab 18 Diese habe es allerdings lediglich bezuglich des Studienganges gegeben wie spater gegenuber dem Staatssekretar im Hessischen Ministerium fur Wissenschaft und Kunst Hermann Kleinstuck FDP erklart wurde 9 Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Bearbeiten Ursprunglich wurden an der Universitat Frankfurt am Main nur Religionslehrer im bikonfessionellen Fachbereich Religionswissenschaften ausgebildet Veranderungen fuhrten zur Involvierung der Deutschen Bischofskonferenz und zu Streitigkeiten zwischen Staat und Kirche Der Limburger Bischof klagte gegen das Land Hessen das den Diplomstudiengang Katholische Theologie uber das Hessische Wissenschaftsministerium mit Hans Krollmann SPD an der Spitze per Erlass eingerichtet hatte Wirtz war seinerzeit mit der Umsetzung der bekenntnisgebundenen Theologenausbildung betraut 9 Nach dem erstinstanzlichen Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden 1990 und dem Berufungsurteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs 1994 entschied 1996 das Bundesverwaltungsgericht BVerwG dass der Studiengang in dem Volltheologen ausgebildet werden sollten nicht ohne Einverstandnis der katholischen Kirche betrieben werden konne 19 Das BVerwG wies damit die Revision des hessischen Wissenschaftsministers und der Frankfurter Universitat zuruck In der Begrundung hiess es dass sowohl die Wissenschaftsfreiheit Art 5 III GG auf Seiten des Staates als auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht Art 140 GG und Art 137 III WRV auf Seiten der Kirche in Einklang zu bringen seien Kritik am Schweigen Bearbeiten Der Siegener Theologe Martin Stohr Prasident des Internationalen Rats der Christen und Juden kritisierte 1992 die Kirchen fur ihr Schweigen im Fall Gauland Stohr fuhrte aus Der Fall Egerter war ein offentlicher Skandal Hier testete ein Politiker Alexander Gauland wie weit man in den letzten Jahren den Bogen nach rechts schlagen kann ohne auf offentlichen das heisst auch auf kirchlichen Widerstand zu stossen Man kann weit gehen zu weit wie heute mit Entsetzen zu sehen ist 3 Der Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften konstatierte Uber sechs Jahre hat es der Limburger katholische Bischof Prof Dr Kamphaus im Fall Gauland wider besseres Wissen schweigend hingenommen dass die Hessische Staatskanzlei einen bis dahin angesehenen Beamten in der Offentlichkeit verunglimpfen liess unter dem Druck einer Anfrage des Petitionsausschusses des Hessischen Landtages musste der Bischof in diesen Tagen offentlich dementieren 20 Literarische Verarbeitung Bearbeiten Hauptartikel Finks Krieg Wirtz liess spater dem Schriftsteller Martin Walser seine gesammelten Unterlagen zukommen der die Affare als Grundlage fur den Schlusselroman Finks Krieg nahm Er arbeitete daran mehrere Jahre bis er 1996 im Suhrkamp Verlag erschien Archivierung des Falls BearbeitenVerschiedene Aktenordner gingen an die Humboldt Universitat zu Berlin und die Universitat Frankfurt am Main 17 Eine Dokumentation zur Affare Egerter Gauland in Form von Gerichtsakten befindet sich heute im Nachlassbestand des Staatskirchenrechtlers Erwin Fischer beim Institut fur Zeitgeschichte Munchen IfZ 8 Literatur BearbeitenMartin Walser Finks Krieg In Norbert Bachleitner Kleine Geschichte des deutschen Feuilletonromans Narr Studienbucher Narr Tubingen 1999 ISBN 3 8233 4972 4 S 173 ff Gunter Mick Der Fall Gauland In Frankfurter Allgemeine Zeitung 7 April 1992 S 42 Martin Stohr Wie Verrechtlichung Recht und Wahrheit behindern kann Der Fall Gauland der auch ein Fall Kirchen ist In Junge Kirche Bremen Bd 53 1992 Nr 12 S 694 ff Hajo Steinert Martin Walser In Deutsche Literatur 1996 Jahresruckblick Reclam Stuttgart 1997 S 246 ff Einzelnachweise Bearbeiten Claudia Wagner Martin Walser Tabellarischer Lebenslauf im LeMO DHM und HdG Der Preistrager 1998 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels abgerufen am 24 Januar 2015 a b Martin Stohr Wie Verrechtlichung Recht und Wahrheit behindern kann Der Fall Gauland der auch ein Fall Kirchen ist In Junge Kirche Bremen Bd 53 1992 Nr 12 S 694 ff a b c d Gunter Mick Der Fall Gauland In Frankfurter Allgemeine Zeitung 7 April 1992 S 42 a b c Erich Satter Wertbewusstsein im Spiegel von Religion und Postmoderne Zur Entwicklung der Moralwissenschaft sowie der Beziehung von Asthetik und Ethik im religios weltanschaulichen Spannungsfeld zwischen Moderne und Postmoderne Lenz Neu Isenburg 2009 ISBN 978 3 933037 59 6 S 316 ff Norbert Bachleitner Kleine Geschichte des deutschen Feuilletonromans Narr Studienbucher Narr Tubingen 1999 ISBN 3 8233 4972 4 S 173 ff a b c d Bernd Heptner Opposition will Gaulands Entlassung In Rhein Main Zeitung 28 Juni 1990 Nr 147 S 41 f a b Bestand Fischer Erwin Institut fur Zeitgeschichte Munchen Archiv Findmittel online S 21 a b c d e f g h i j k Adolf Kuhn Der Krieg des Rudolf Wirtz gegen seinen Dienstherren In Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 3 Marz 1996 Nr 9 S 3 Heinrich Halbig Die verlorene Ehre des Rudolf Wirtz In Stuttgarter Zeitung 8 Marz 1996 a b c d Herbert Stelz Alles lief ganz inoffiziell In Die Zeit 17 April 1992 Nr 17 a b Bernd Heptner Entlassung Gaulands abgelehnt In Rhein Main Zeitung 5 Juli 1990 Nr 153 S 37 a b c d e f Adolf Kuhn Rehabilitierung mit einer funfstelligen Summe In Frankfurter Allgemeine Zeitung 2 Marz 1992 Nr 52 S 40 Verena Auffermann Dicke fiese Suppe In Suddeutsche Zeitung 4 Marz 1996 S 12 Robert Leicht Der Fall der Finks Krieg zugrunde liegt In Die Zeit 13 1996 22 Marz 1996 Cathrin Kahlweit Finks Kleinkrieg In Suddeutsche Zeitung 26 Juni 1996 S 3 a b Heinrich Halbig Ein kauziger Beamter als Held In Saarbrucker Zeitung 20 Marz 1996 Bernd Heptner Keine Anklage gegen Gauland In Rhein Main Zeitung 11 Juni 1992 Nr 134 S 39 ap dpa Hessen verstosst gegen das Kirchenrecht In Suddeutsche Zeitung 19 Juli 1996 S 5 Internationale Rundschau der MIZ Meldungen 2100 in MIZ 3 94 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Affare Gauland amp oldid 197353410