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Der Roman Die Falschung der Welt des amerikanischen Autors William Gaddis erschien erstmals 1955 unter dem Originaltitel The Recognitions im New Yorker Harcourt Verlag Das Werk blieb zunachst nach dem einhelligen Verriss durch die Literaturkritik auch vom Publikum unbeachtet 1 Durch eine kleine Gruppe begeisterter Leser blieb dennoch ein Interesse an dem ausserordentlich komplexen Roman wach 1976 erhielt Gaddis fur seinen Folgeroman JR den National Book Award wonach auch das offentliche Interesse an seinem monumentalen Erstlingswerk wuchs Das renommierte Time Magazine zahlte The Recognitions im Januar 2010 zu den 100 besten englischsprachigen Romanen seit 1923 2 Der Roman untersucht das Thema Falschungen auf einer breiten Ebene Falsche Geldscheine gefalschte Gemalde und vorgetauschte Gefuhle bestimmen sowohl die Welt der calvinistischen Puritaner als auch der New Yorker Szene Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Interpretationsansatz 3 Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund 4 Rezeption 5 Deutsche Ubersetzung 6 Ausgaben 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenHeld des Romans ist Wyatt Gwyon der Sohn eines Priesters der ein Talent fur die Malerei entwickelt Die strengglaubige Tante May die die Erziehung des Jungen zunachst in Handen hat verfolgt jedes Zeichen dieses Talents mit bitterer Strenge im Sinne eines archaischen Bilderverbots das an entsprechende Formulierungen im konservativen Islam erinnert Wer Abbilder schafft begibt sich in Konkurrenz zum Schopfergott und wird dafur streng bestraft So malt der Junge heimlich vergrabt die vollendeten Bilder heimlich im Garten Die detailgenaue Schilderung der Bitterkeit und des Sadismus mit der die streng religiose Tante den Jungen erzieht wird zu einer Anklage gegen den rigiden Protestantismus calvinistischer Pragung in den USA Beim Vater Wyatts fuhrt die Religiositat in immer absurdere Regionen von Mystik Alchemie und Naturreligion Als der Sohn schwer erkrankt und der Vater sieht dass die Mediziner ihn nur noch als Versuchskaninchen missbrauchen rettet er ihn in einer schamanischen Zeremonie unter Opferung eines Affen den er von einer Reise aus Gibraltar mitgebracht hat Nach dem Tode der Tante May leben Vater und der sich weitgehend selbst uberlassene Sohn mit einer verwirrten Haushalterin im Pfarrhaus Der Sohn gibt aber alle Plane auf das von Generation zu Generation weitergegebene Pfarramt zu ubernehmen Ende der 30er Jahre studiert er zunachst im NS regierten Munchen Malerei und siedelt dann nach Paris uber wo er heiratet Aus Not und Misserfolg entwickelt sich Wyatt zum genialen Falscher der nicht konkrete Gemalde alter Meister kopiert sondern so perfekt neue in ihrem Stil erstellt dass sie als lang verlorene Originale von der Kunstwelt akzeptiert werden In Wyatts Umfeld entwickelt Gaddis eindrucksvolle und kritische Bilder von der amerikanischen Szene in Paris der ausgeflippten Welt der Kunstler und Kleinkriminellen in New York und immer wieder der bigotten Kleinstadtwelt der Puritaner in den USA Wyatts Vater entwickelt gleichzeitig immer absurdere Ideen zeigt sich beeindruckt vom Wunderglauben der Katholiken in Spanien interessiert sich fur Mithraismus und andere abseitige religiose Stromungen Seine fruh auf einer Europareise verstorbene Frau Camilla liegt in Spanien begraben Nach dem Tod hatte Wyatts Vater sich als Gast in ein Kloster zuruckgezogen Immer starker verstellt sich dem Vater der Weg zur Realitat bis er schliesslich in der Psychiatrie landet Eine wichtige Nebenfigur ist Otto ein Verehrer Wyatts der sich aus zusammengesuchten Zitaten vor allem Wyatts eine irreale Existenz konstruiert Das Scheitern dieses Lebenskonzepts treibt zum Teil absurde Bluten etwa als Otto einen gebrochenen Arm vortauscht angebliche Folge der Teilnahme an einer Revolution in Lateinamerika und diese vorgetauschte Verletzung zur Behinderung seiner Plane wird Dennoch wird er zum Liebhaber von Wyatts Frau Esther die frustriert uber Wyatts Kontaktunfahigkeit einen Troster sucht der sich wirklich fur sie interessiert Eine andere Figur ist die drogensuchtige Dichterin Esme die nach einer Affare mit Otto Wyatt Modell steht und sich in ihn verliebt und nach einer Serie absurder Verwicklungen als Nonne in Europa endet Wyatt erlebt seine Falschungen als kunstlerische Leistungen er verfolgt keine finanziellen Interessen Vielmehr will er sich abgrenzen vom Kunstbetrieb seiner Zeit der ausschliesslich Originalitat schatzt gleichgultig wie sinnlos ihre Produkte sind Ihn faszinieren seit seiner Jugend Technik und Stil der alten Meister Durch Recktall Brown einen skrupellosen Kunsthandler wird er dennoch immer tiefer in kriminelle Geschafte verwickelt bis es keinen Ausweg mehr gibt Interpretationsansatz BearbeitenIm Zentrum des Romans steht eine Gruppe von Personen die in Manhattan insbesondere im Greenwich Village leben und jene Lander bereist haben die Gaddis selbst aufgesucht hatte wie Mittelamerika Frankreich Spanien Italien und zum Teil auch Nordafrika Das gemeinsame Anliegen aller am Romangeschehen beteiligten Charaktere ist die Kunst Literatur Malerei Film und auch die Kunst des Falschens Dieses kunstlerische Anliegen steht dabei immer wieder in Verbindung mit religioser Suche oder bietet aber einen Ersatz dafur Mit dem Geistlichen Reverend Gwyon und seinem Sohn Wyatt erscheinen religiose und kunstlerische Interessen in der Folge der Generationen der Roman greift dabei mit Gwyon Senior zuruck auf die Zeit um den bzw nach dem Ersten Weltkrieg Das wichtigste aussere Ereignis in der Handlung um den Geistlichen ist der Tod seiner Frau auf der Uberfahrt nach Spanien wo Gwyon sie nach einem katholischen Ritus bestatten lasst um anschliessend die heiligen Statten der Alten Welt aufzusuchen und sich in das Studium der Religionsgeschichte zu vertiefen das er bereits in Neuengland mit einem Kurs uber den Mithraskult aufgenommen hatte Nach der Ruckkehr in seine neuenglische protestantische Gemeinde sind seine Predigten immer mehr von Vorstellungen eines nicht protestantischen Christentums sowie heidnischer Religionen und Mythen durchdrungen Seinen Hohepunkt erreicht die Geschichte Gwyons als er mittlerweile dem Wahnsinn verfallen statt eines Weihnachtsgottesdienstes einen Mithraskult vollzieht an genau dem Weihnachtsfest das auch fur die anderen Figuren des Romans bedeutsam wird Gwyons Leben endet schliesslich in einer Irrenanstalt Die Gwyon uberlieferte puritanische Religion entspricht der protestantischen Ethik im Sinne Max Webers The Recognitions S 13 f fur Gwyon ist dieses Religionsverstandnis jedoch unzureichend er sucht in anderen Religionen wie auch in den Mythen jenes Mysterium das er in seinem konfessionellen christlichen Glauben verloren sah Eine vorweihnachtliche Szenebeschreibung The Recognitions S 102 in der cineastischen Erzahlperspektive des Kamerablicks Camera Eye von John Dos Passos mit einer der seltenen auktorialen Kommentierungen zu diesem Thema lasst erkennen dass die Religionen fur Gwyon das Geheimnis und den Zauber des Gottlichen das der Welt ihren Sinn verleiht verbergen auf der Suche nach dieser gottlichen Sinngebung verfallt er schliesslich dem Wahnsinn 3 Gwyons Sohn Wyatt ist wie sein Vater zunachst fur das Amt eines Geistlichen bestimmt widmet sich jedoch schon bald der Malerei Auch fur ihn als Kunstler geht es um die Beschaftigung mit den Mysterien Wie Basil Valentine der Kunstkritiker des Bildfalscherrings fur den Wyatt arbeitet es ausdruckt ist der Priester der Huter der Mysterien wahrend der Maler ihr Geheimnis aufdeckt indem er ihm kunstlerische Gestalt verleiht The priest is the guardian of mysteries The artist is driven to expose them The Recognitions S 261 Wyatt erlernt seine Kunst in Deutschland und in Paris sein deutscher Meister lehrt ihn dass es nicht um Originalitat gehe die mit der Tradition brieche sondern um Nachahmung durch die Neues entstehe The Recognitions S 89 Wyatts Vorbild werden Hans Memling und die alten flamischen Meister sein Lehrer verkauft spater ein von Memling inspiriertes Bild Wyatts als einen echten neu entdeckten Memling Da sich Wyatts eigene Gemalde im Stil der flamischen Meister nicht verkaufen lassen ist er gezwungen seinen Lebensunterhalt als Zeichner in einem Bruckenbauunternehmen sowie durch das Restaurieren alter Gemalde zu verdienen Recktall Brown der Kunsthandler kann ihn schliesslich dafur gewinnen Bilder im Stil der alten Meister zu malen und sie mit deren Namen zu signieren um sie dann als Neuentdeckung angeblich verloren gegangener Werke fur teueres Geld zu verkaufen Die dazu erforderlichen Kunstexpertisen liefert Basil Valentine Wyatt versucht sein kunstlerisches Anliegen mit aller Hingabe in seinen Gemalden zum Ausdruck zu bringen Als er schliesslich sich als Maler der gefalschten alten Meister enthullen und seinen Bund mit dem Kunsthandler Brown auf dessen Weihnachtsgesellschaft aufkundigen will sturzt der gewissenlose Kunsthandler in einer Ritterrustung die er sich angelegt hat die Treppe hinab und kommt auf groteske Weise zu Tode Die Gaste verlassen fluchtartig das Haus nur Wyatt bleibt zusammen mit Valentine bei der Leiche des Kunsthandlers zuruck In seiner Verzweiflung uber das Scheitern seiner Enthullung versucht er Valentine zu erstechen und flieht anschliessend nach Europa in der irrigen Annahme ihn ermordet zu haben Vergeblich sucht er dort das Grab seiner Mutter da deren sterblichen Uberreste mit denen eines Madchens verwechselt worden waren das wahrend Wyatts Friedhofbesuch gerade in Rom heiliggesprochen werden soll Daraufhin zieht Wyatt sich in das Franziskanerkloster zuruck das schon sein Vater aufgesucht hatte und restauriert wiederum Gemalde Wahrend dieser Tatigkeit isst er Brot das ein weiteres der zahlreichen grotesken Elemente des Romans mit der Asche seines Vaters gebacken wurde die dem Kloster zugeschickt wurde und dort falschlicherweise fur das Mehl gehalten wird das Wyatts Vater fruher dem Kloster zu schicken pflegte Wie zuvor sein Vater kann Wyatt nicht in dem Kloster bleiben und wird vom Pfortner weitergeschickt Beim Lauten der Glocken glaubt Wyatt darin seinen verstorbenen Vater zu horen und beschliesst von nun an bewusster zu leben The bells the old man ringing me on Now at last to live deliberately The Recognitions S 900 Die in vielerlei Hinsicht groteske Geschichte Wyatts ist ebenso die Geschichte eines suchenden Menschen dem es darum geht sich als Kunstler in seinem eigenen Werk selbst zu finden Zahlreiche Anspielungen lassen Wyatt dabei in Analogie zu unterschiedlichen literarischen und mythologischen Gestalten erscheinen So begibt er sich beispielsweise wie Clemens der jugendliche Schuler des Petrus in den fruhchristlichen Recognitiones auf die Suche nach der Wahrheit und gerat durch den Kunsthandler Brown ebenso in Versuchung wie Clemens durch den Magier Simon Der Kunsthandler Brown erweist sich zudem fur Wyatt als Mephistopheles dem er seine Seele verkauft wobei es Wyatt jedoch letztendlich anders als Faust gelingt sich von Mephisto wieder zu losen Als Wyatt am Schluss sich weiter auf Wanderschaft begibt erscheint er als der Ewige Jude aber auch als der Fliegende Hollander auf den mehrfach im Roman angespielt wird 4 Im gesamten Roman finden sich gleichermassen an anderen Stellen vielfaltige Anspielungen auf das Motiv der Erlosung redemption So geht es Wyatt wie etwa T S Eliot in dessen Four Quartets dt Vier Quartette 1943 um die Erlosung von der Zeit und ihrer Verganglichkeit die er durch seine Kunst zu erreichen versucht A work of art redeems time The Recognitions S 144 Esme sein Modell oder metaphorisch gesehen seine Senta aus Wagners Oper Der fliegende Hollander bzw seine Helena aus der griechischen Mythologie opfert sich zwar fur ihn dennoch gelingt es ihm keineswegs am Ende durch sie seine Erlosung zu finden Das Gleiche gilt fur Otto Pivner der gleichsam parodistisch den Wagner zu Wyatts Faust spielt und Eliot zitiert wobei er sich zugleich auf den Apostel Paulus beruft Saint Paul would have us redeem time but if present and past are both present in time future and that future contained in time past there is no redemption but one The Recognitions S 160 Es bleibt in Gaddis Roman allerdings an vielen Stellen bei Anspielungen die nicht naher konkretisiert werden Beispielsweise zieht es Wyatt nun unter dem Namen Stephen den seine Eltern ihm ursprunglich geben wollten wie ein zweiter Stephen Dedalus auf seiner Selbstfindungssuche nach Spanien das ihm jedoch vor allem als grosse Leere erscheint It s not a land you travel in it s a land you flee across from one place to another It s like drowning this despair this being engulfed in emptiness The Recognitions S 816 Spanien ist das Land in dem Wyatts Mutter Camilla wie eine Jungfrau in einer weissen Karosse zum Friedhof gefahren wird Aufgrund der Verwechslung ihres Leichnams mit dem eines Madchens wird sie falschlicherweise heiliggesprochen trotz der Vergewaltigung die jenes Madchen ertragen musste Ein weiteres Mal erweisen sich derartige Zeichen der Wiedererlangung der verlorenen Unschuld als trugerisch da deutlich wird dass die Heiligsprechung ausschliesslich aus kommerziellen Grunden erfolgt Die Gemeinde benotigt ihre Heilige um so Pilger zu einem Besuch des Grabes zu veranlassen und fur zusatzliche Einnahmen zu sorgen Der Versuch der Wiedergewinnung der Unschuld verlauft dabei parallel zu Wyatts Versuch der Selbstfindung in seiner Kunst Seine fruhen Versuche zu malen werden jedoch als Kopien beschrieben The Recognitions S 52 das was er originar vor sich sieht kann er nicht in eine kunstlerische Form bringen er ist noch nicht fahig das was er eigentlich vor sich zu sehen glaubt zu enthullen to expose it S 261 Diese Beschreibung der Existenz einer noch rein imaginaren realiter nicht sicht und gestaltbaren kunstlerischen Vorlage oder Vorstellung unterscheidet Gaddis Roman insoweit von anderen Werken der rein experimentellen Erzahlform die nichts als existierend anerkennen das nicht sprachlich formuliert oder als Kunstwerk zum Ausdruck gebracht werden kann 5 Bezeichnend ist eine Passage in der Wyatts Bemuhen geschildert wird ein Bild seiner Mutter nach einer fotografischen Vorlage zu gestalten die diese noch vor ihrer Hochzeit zeigt Doch er malt das Bild nicht zu Ende There is something about a an unfinished piece of work a a thing like this where do you see Where perfection is still possible Because it s there it s there all the time all the time you work trying to uncover it The Recognitions S 57 Die Erkenntnis und Enthullung das uncovering oder exposing gelingt ihm jedoch nicht einmal in Bezug auf das Bild seiner Mutter Eine weitere Andeutung findet sich an einer Textstelle in der Otto den Protagonisten Gordon des von ihm verfassten Gesellschaftsstucks Wyatt nachahmen lasst The Recognitions S 123 Demzufolge uberdeckt in jedem Gemalde eine Schicht die andere in dem Versuch grossere Vollkommenheit zu erreichen Darunter bleibt das pattern erhalten mithin eine Art von Urbild oder Idee im platonischen Sinne Ebenso erzahlt Otto eine Geschichte die er vorgeblich von einem Freund vermutlich Wyatt gehort haben will Als ein gefalschter Tizian von der Leinwand abgekratzt worden sei sei ein unbedeutendes Werk zum Vorschein gekommen unter dem sich jedoch tatsachlich ein genuiner Tizian befunden haben solle Am Ende kratzt auch Wyatt im Kloster ein unbedeutendes Bild von einem echten Tizian ab Demgemass steht hinter all diesen Versuchen der kunstlerischen Darstellung oder Gestaltung die Vorstellung einer letztlich gultigen Wirklichkeit Das seltene Erlebnis diese Wirklichkeit zu erblicken hat Wyatt nach der Fertigstellung eines Gemaldes und der Betrachtung von Picassos Night Fishing in Antibes So berichtet er Esther seiner Frau wie ihm nach der Vollendung seines Bildes und der anschliessenden Erschopfung alles auf der Strasse unwirklich vorkam bis er das Bild Picassos stiess Sein Erleben in diesem Moment fasst er in folgende Worte When I saw it das Bild Picassos all of a sudden everything was freed into one recognition really freed into reality that we never see you never see it You don nt see it in paintings because most of the time you can t see beyond a painting The Recognitions S 123 Wyatts Erleben der recognition wird damit zu einer Art von schlaglichtartiger Offenbarung oder Erhellung ahnlich der epiphany im Joyceschen Sinne Was sich im Kunstwerk offenbart erlangt jedoch seine eigene Kraft Als Esme Wyatt zum letzten Mal in seinem Atelier besucht hat sie das Gefuhl ganz zum Teil seiner Wirklichkeit geworden zu sein In dem Brief den sie nach ihrem geplanten dann jedoch misslungene Suizid hinterlassen will heisst es It does not seem unreasonable that we invent colors line shapes capable of being representative of existence therefore it is not unreasonable that they in turn later invent us our ideas directions motivations They by conversion into an idea of the person do instantaneously destroy him The Recognitions S 473 Das Malen bedeutet wie auch eine andere Textstelle zeigt fur Wyatt den Beweis seiner eigenen Existenz The Recognitions S 96 dieses Sein wird im Schaffensprozess jedoch zu dem des Werkes indem die Wirklichkeit des Bildes zerstorerische Macht uber ihn gewinnt Es bedarf unzahliger Versuche diese Wirklichkeit im Bild aufscheinen zu lassen damit existieren auch die verschiedensten Moglichkeiten ihres Erscheinens So stellt Wyatt in Bezug auf die flamischen Meister fest das die Vielzahl der in den Gemalden enthaltenen Perspektiven nicht nur deren Kraft force ausmacht sondern ebenso ihren Makel flaw da sie jeweils nur separate Teilansichten jener ganzheitliche Wirklichkeit gewahren die als solche fur Wyatt nach Esthers Aussage ein grosses leeres Nichts a great empty nothing ist das sich erst in der Wahrnehmung und kunstlerischen Gestaltung fullt The Recognitions S 119 In diesem Wirklichkeitsverstandnis liegt in Gaddis Roman der Ansatz fur eine Deutung als Metafiktion Diese wird in The Recognitions auch dadurch wirksam dass einer Mehrzahl der am Geschehen beteiligten Figuren die recognition als zusammenhangende Erkenntnis des Ganzen verwehrt bleibt und sie mit der eingeschrankten Teilansicht der separateness leben mussen die Wyatt beschreibt als er im Kloster den echten Tizian freilegt That s what went wrong you ll understand or Everything withholding itself from everything else The Recognitions S 874 Fur Brown den reprasentativen Vertreter dieser Figurengruppe ist alles mit den gleichen Worten machbar You can do anything with the same words S 350 Demzufolge ist alles moglich aber eben nur moglich Moglichkeit ist zur einzigen Wirklichkeit geworden 6 Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund BearbeitenThe Recognitions entstand in einem langeren Zeitraum von rund sieben Jahren in denen William Gaddis fortwahrend an seinem Erstlingsroman arbeitete Ursprunglich sollte das Werk nach Gaddis eigenen Aussagen erheblich kurzer und weniger komplex ausfallen und war als eine ausdruckliche Parodie auf Goethes Faust gedacht in der ein Kunstler die Rolle des Gelehrten Doktor Faustus ubernehmen sollte In der Entstehungszeit des Romans reiste Gaddis nach Mexiko Zentralamerika und Europa Wahrend seines Aufenthaltes in Spanien 1948 las er dort die umfangreiche Vergleichsstudie uber Mythologie und Religion The Golden Bough A Study in Magic and Religion des schottischen Anthropologen James George Frazer in der dieser die Entstehung der Religionen aus fruheren Mythen aufzuzeigen versucht Frazers Erklarung des Ursprungs der Religionen aus Mythen beeinflusste Gaddis Sichtweise massgeblich und inspirierte vermutlich auch seine Vorstellung der modernen Welt als einer grossen Falschung Die Lekture von The Goldden Bough fuhrte Gaddis insbesondere zu der Erkenntnis dass das zentrale Motiv von Goethes Faust auf die aus dem Urchristentum uberlieferte Schilderung des Lebens des heiligen Clemens und seiner Suche nach Erlosung in den sogenannten Pseudo Klementinen zuruckgeht die spater als Recognitiones ins Lateinische ubersetzt wurden Auf dem Hintergrund dieser Zusammenhange anderte und erweiterte Gaddis die ursprungliche Ausrichtung seines in der Entstehung begriffenen Romanes grundlegend als Titel seines Werkes wahlte er im amerikanischen Original nunmehr eine unmittelbare Anlehnung an die Clementinischen Recognitiones Mit dieser Ausweitung der Konzeption seines Romanes auf die Geschichte der Reise eines zeitweilig in die Irre geleiteten Heldens und dessen Suche nach Erlosung verknupfte Gaddis zugleich die Intention die vielfaltigen mythischen und bildhaften Anleihen wie auch Verfalschungen in der modernen Kultur literarisch zu gestalten Der anfangs von seinem Verfasser als begrenzte Faust Paodie konzipierte Roman erhielt damit eine theoretisch schrankenlose epische Breite als umfassende Pilgerfahrt der Erkenntnis aufbauend auf einer Parodie der Clementinischen Recognitiones 7 1949 stellte Gaddis einen ersten Entwurf seines Werkes fertig den er wie sich aus seinen gesammelten Briefen entnehmen lasst in den folgenden Jahren kontinuierlich revidierte und erweitert bis er schliesslich seinem Verleger Harcourt Anfang 1954 ein etwa 480 000 Worte umfassendes vollstandiges Manuskript als endgultige Version des Romans vorlegte Zuvor veroffentlichte Gaddis in der Zeitschrift New World Writing 1952 einen Teil des zweiten Kapitels seines Gesamtwerkes in einer leicht veranderten Fassung 8 Rezeption BearbeitenUnmittelbar nach seinem Erscheinen wurde The Recognitions von der zeitgenossischen Literaturkritik der Hemingway Ara einmutig verrissen Das Buch wurde von zahlreichen Kritikern dieser Zeit die sich teilweise sogar damit brusteten den Roman noch nicht einmal bis zum Ende gelesen zu haben verachtlich als ubles abstossendes und ekelerregendes Machwerk disgusting evil foul mouthed bezeichnet In einer ersten serioseren Rezension in der New York Times am 13 Marz 1955 wurde der Roman aufgrund seiner Form und Lange sowie seines Bilderreichtums und Inhalts als der verwegene Versuch einer Herausforderung an James Joyce Jahrhundertwerk Ulysses betrachtet In form content length and richness of imagery as well as in syntax punctuation and even typography this novel challenges the reader to compare it with Joyce s Ulysses ein Versuch der jedoch von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei 9 Auch beim breiten Lesepublikum hat der Roman nur wenig Anklang gefunden selbst im amerikanischen Buchhandel blieb die Erstausgabe lange Zeit verschollen Einzig eine kleine radikale Gemeinde von Lesern sorgte dafur dass das Werk trotz des offentlichen Vergessens in bestimmten literarischen Kreisen die Reputation eines Underground Klassikers erlangte 10 Die Grunde fur die weitgehend fehlende offentliche Resonanz liegen neben den anfangs sehr negativen Kritiken wahrscheinlich auch in der extremen Lange des Werkes mit nahezu 1000 Seiten und in den zahllosen oftmals nicht oder nur mit Schwierigkeiten aufzulosenden Anspielungen sowie in der kaum zu uberblickenden Zahl der auftretenden Figuren und den labyrinthischen Verstrickungen des Handlungsgefuges 11 Erst allmahlich wurde in der jungeren Literaturwissenschaft und Kritik die literarische Bedeutung dieses imposanten Romans gewurdigt So sah beispielsweise der renommierte englische Literaturwissenschaftler und Kritiker Paul Antony Tony Tanner in Gaddis Roman die Einleitung einer neuen Epoche in der amerikanischen Literatur die die Werke solcher herausragender Autoren wie etwa Joseph McElroy Thomas Pynchon Don DeLillo oder David Foster Wallace vorweggenommen und massgeblich beeinflusst habe 12 Die Schriftstellerin Cynthia Ozick wurdigte in einer erneuten ausfuhrlichen Buchbesprechung in der New York Times am 7 Juli 1985 den Roman ebenfalls als ein originares modernistisches Meisterwerk das seiner Zeit voraus gewesen und nicht zuletzt aus diesem Grunde zu Unrecht in Vergessenheit geraten sei Das Werk gehore zu den bedeutendsten ubersehenen Werken mehrerer literarischer Generationen es imitiere dabei jedoch keinesfalls die vorangegangene Literatur von Autoren James Joyce Thomas Mann Henry James Virginia Woolf oder Marcel Proust sondern fuhre diese fort und lasse sie hinter sich 13 Joachim Kalka beschrieb in seiner Kritik vom 5 Dezember 1998 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung anlasslich des Erstausgabe der eindrucksvollen deutschen Ubersetzung von Marcus Ingendaay die grosse Freude die der erneute Blick auf dieses heilige Monstrum der amerikanischen Gegenwartsliteratur bereite Das Buch sei grossartig und irritierend selbst dort wo der Leser enttauscht sei musse er einraumen dass es eine Enttauschung auf allerhochstem Niveau sei Die Falschung der Welt sei ein enzyklopadisch barocker Roman an die 1250 Seiten mit einem sehr ehrgeizigen philosophisch asthetischen Programm einem ironisch passionierten Verwirrspiel mit den letzten Fragen von Kunst und Religion einer Unzahl von Figuren in raffiniert verknupften Beziehungen und einem ungeheuerlichen Requisitenapparat Die wechselnden Schauplatze insbesondere die schmerzhaft dicht beschriebene Enge von Greenwich Village mit seinen allesamt gnadenlos scheiternden Kunstlerexistenzen und die Vielzahl der Bucher Bilder Alltagsdetails Zitate seien bei Gaddis jedoch nicht Teil eines traditionellen Versuchs Wirklichkeit mimetisch zu simulieren und in grossem realistischem Griff dem Leser die Welt zu schenken Der Roman gehore bereits jetzt entschieden zu den Unternehmungen die mit hohem reflektiertem sprachlichem Aufwand eine eigene Welt der Literatur konstruieren 14 Deutsche Ubersetzung BearbeitenMarcus Ingendaay wurde zu seiner Ubersetzung befragt und antwortete 15 Ich glaube dass das Buch auf Deutsch lesbarer und viel lustiger und heller ist als im Original Das Original ist wirklich absolut duster Duster auf eine Art die ich personlich nicht ertrage Und deshalb habe ich den Roman so ein bisschen angehoben von seiner Stimmung her 32 17 Wenn Sie so lange an einem Buch arbeiten dann tun Sie etwas fur den Autor und sagen Ich sorge dafur dass es dir hier in der deutschen Version besser geht als im Original 32 26 Ingendaay 2013 Eine solche beabsichtigte Veranderung des Tons eines Werks ist unter Ubersetzern umstritten 16 Ausgaben BearbeitenWilliam Gaddis The Recognitions Amerikanische Erstausgabe Harcourt Brace amp World Verlag New York 1955 William Gaddis The Recognitions Aktuelle Neuauflage Dalkey Archive Press Champaign Illinois 2012 ISBN 978 1 56478 691 3 William Gaddis Die Falschung der Welt Deutsche Erstubersetzung aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay Zweitausendeins Verlag Frankfurt am Main 1998 2 durchgesehene Auflage 1999 ISBN 3 442 44878 6 Literatur BearbeitenSteven Moore A Reader s Guide to William Gaddis s RECOGNITIONS University of Nebraska Press Lincoln NB 1982 rev Neuauflage 1995 John Johnston Carnival of Repetition Gaddis s RECOGNITIONS and Postmodern Theory University of Pennsylvania Press Philadelphia 1990 ISBN 978 0 8122 8179 8 Weblinks BearbeitenA Reader s Guide to William Gaddis s The Recognitions umfassende Erlauterung der Textbezuge und Anspielungen Anmerkungen zu The Recognitions bei williamgaddis org Sammlung von Erlauterungen auch zu den anderen Romanen von Gaddis auf Englisch Complete Review The Recognitions by William Gaddis umfangreiche Zusammenstellung englischer und deutscher Rezensionen des WerkesEinzelnachweise Bearbeiten Zu den anfanglichen Verrissen durch die Literaturkritiker ausfuhrlich die Zusammenstellung der ersten 55 Rezensionen des Romans von Jack Green Fire the Bastards Abgerufen am 30 Mai 2017 All Time 100 Novels The Recognitions Abgerufen am 30 Mai 2017 Franz Link William Gaddis geb 1922 The Recognitions 1955 In Franz Link Amerikanische Erzahler seit 1950 Themen Inhalte Formen Schoningh Paderborn 1993 ISBN 3 506 70822 8 S 307f Franz Link William Gaddis geb 1922 The Recognitions 1955 In Franz Link Amerikanische Erzahler seit 1950 Themen Inhalte Formen Schoningh Paderborn 1993 ISBN 3 506 70822 8 S 308f Franz Link William Gaddis geb 1922 The Recognitions 1955 In Franz Link Amerikanische Erzahler seit 1950 Themen Inhalte Formen Schoningh Paderborn 1993 ISBN 3 506 70822 8 S 309f Franz Link William Gaddis geb 1922 The Recognitions 1955 In Franz Link Amerikanische Erzahler seit 1950 Themen Inhalte Formen Schoningh Paderborn 1993 ISBN 3 506 70822 8 S 310f Peter William Koenig Recognizing Gaddis Recognitions In Contemporary Literature Band 16 Nr 1 Winter 1975 S 61 72 hier S 64f online zuganglich auf JSTOR unter Jstor abgerufen am 1 Juni 2017 Angaben in der Neuausgabe von William Gaddis The Recognitions Dalkey Archive Press Champaign Dublin London 2012 ISBN 978 1 56478 691 3 Siehe dazu auch die Introduction von William H Gass zu dieser Ausgabe S VII Zitierte Rezensionen bei Jack Green Fire the Bastards Abgerufen am 30 Mai 2017 Siehe auch die Einleitung von William H Gass zu der Neuausgabe von William Gaddis The Recognitions Dalkey Archive Press Champaign Dublin London 2012 ISBN 978 1 56478 691 3 Introduction S VIff Joachim Kalka Der Mann der brennt William Gaddis falscht die Welt In Frankfurter Allgemeine Zeitung 5 Dezember 1998 Abgerufen am 30 Mai 2017 Franz Link William Gaddis geb 1922 The Recognitions 1955 In Franz Link Amerikanische Erzahler seit 1950 Themen Inhalte Formen Schoningh Paderborn 1993 ISBN 3 506 70822 8 S 307 William Gaddis A Portfolio Conjunctions 41 2003 373 415 online auf Project Gutenberg unter central gutenberg org Abgerufen am 30 Mai 2017 Cynthia Ozick Fakery and Stony Truths In The New York Times 7 Juli 1985 Abgerufen am 30 Mai 2017 Joachim Kalka Der Mann der brennt William Gaddis falscht die Welt In Frankfurter Allgemeine Zeitung 5 Dezember 1998 Abgerufen am 30 Mai 2017 Ingendaay Deutschlandfunk Kultur 9 April 2013 Interview mit Sieglinde Geisel Dirk van Gunsteren Ein Diener ist kein Sklave In TraLaLit 4 November 2018 Normdaten Werk GND 4324526 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Falschung der Welt amp oldid 237847780