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Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands SAP war eine sozialistische Partei im deutschen Kaiserreich Sie entstand 1875 aus dem Zusammenschluss der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei SDAP und des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ADAV Ihre Geschichte war zwischen 1878 und 1889 gepragt von den Auswirkungen des deutschen Sozialistengesetzes Nach dessen Ende benannte sich die Partei 1890 in Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD um wie sie bis heute heisst Inhaltsverzeichnis 1 Gothaer Vereinigungsparteitag 2 Entwicklung bis zum Sozialistengesetz 3 Unter dem Sozialistengesetz 3 1 Wirkungen und Grenzen des Gesetzes 3 2 Wahlen und innere Entwicklungen 4 Erster Parteitag nach Ende des Sozialistengesetzes 5 Wandel 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 AnmerkungenGothaer Vereinigungsparteitag Bearbeiten August Bebel 1898 Mit der SDAP von August Bebel und Wilhelm Liebknecht und dem ADAV der bereits 1863 von Ferdinand Lassalle gegrundet worden war hatte es zunachst zwei Arbeiterparteien gegeben Sie unterschieden sich dabei zwar in verschiedenen Detailfragen aber entscheidend war doch der Unterschied zur nationalen Frage Wahrend der ADAV kleindeutsch preussisch orientiert war war die SDAP grossdeutsch gesinnt Diese Gegensatze waren mit der Reichsgrundung von 1870 71 obsolet geworden Stattdessen zeigten sich in der taglichen Politik vor allem im Reichstag mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede Hinzu kam dass der Druck der antisozialdemokratischen Massnahmen der Obrigkeit zur weiteren Annaherung beitrug Alles zusammen fuhrte zur Einsetzung einer gemeinsamen Programmkommission und schliesslich zur Vereinigung beider Organisationen Der Vereinigungsparteitag der marxistischen Eisenacher nach dem Grundungsort der SDAP mit den gemassigteren Lassalleanern fand vom 22 bis zum 27 Mai 1875 in Gotha statt Der ADAV hatte zu diesem Zeitpunkt 15 322 Mitglieder und stellte 74 Delegierte die SDAP hatte 9 121 Mitglieder und stellte 56 Delegierte Auf dem Vereinigungsparteitag wurde auch das Gothaer Programm der SAP verabschiedet Dieses war inhaltlich ein Kompromiss zwischen den beiden Ursprungsparteien Es enthielt sowohl Elemente der SDAP wie auch des ADAV Darin hiess es im ersten Absatz In der heutigen Gesellschaft sind die Arbeitsmittel Monopole der Kapitalistenklasse die hierdurch bedingte Abhangigkeit der Arbeiterklasse ist die Ursache des Elends und der Knechtschaft in allen Formen Die Befreiung der Arbeit erfordert die Verwandlung der Arbeitsmittel in Gemeingut der Gesellschaft und die genossenschaftliche Regelung der Gesamtarbeit mit gemeinnutziger Verwendung und gerechter Verteilung des Arbeitsertrages Die Befreiung der Arbeit muss das Werk der Arbeiterklasse sein der gegenuber aber alle anderen Klassen nur eine reaktionare Masse sind Im zweiten Absatz dann Von diesen Grundsatzen ausgehend erstrebt die sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft die Zerbrechung des ehernen Lohngesetzes durch Abschaffung des Systems der Lohnarbeit die Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt die Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit 1 Wahrend der Rekurs etwa auf das eherne Lohngesetz aus dem Fundus des ADAV stammte entsprach das in einem zweiten Teil ausgebreitete Nahprogramm weitgehend den Vorstellungen der Eisenacher Karl Marx hat das Programm in seiner Kritik des Gothaer Programms umgehend scharf kritisiert und behauptet dass die Lassallesche Sekte gesiegt habe Auf Wunsch des Parteivorstandes wurde dieser Beitrag allerdings erst 1890 veroffentlicht August Bebel wies gegenuber der Kritik darauf hin dass nicht die theoretischen Unklarheiten sondern die Tatsache der Einigung die Hauptsache sei 2 Oberstes Organ der neuen Partei war der Parteitag der nicht zuletzt den Parteivorstand zu wahlen hatte In diesen mit Sitz in Hamburg wurden 1875 Wilhelm Hasenclever der ehemalige Vorsitzende des ADAV und Georg Wilhelm Hartmann von der SDAP als gleichberechtigte Vorsitzende gewahlt Kassierer war August Geib Ignaz Auer und Carl Derossi waren Sekretare Vorsitzender der Kontrollkommission wurde August Bebel Insgesamt waren im Vorstand damit 3 ehemalige Lassalleanhanger und 2 Eisenacher vertreten Neben dem Programm wurde das Verhaltnis zu den Gewerkschaften in Gotha diskutiert Ihre Einrichtung wurde als notwendig bezeichnet da sie die Sache der Arbeiter fordere Unmittelbar an den Vereinigungsparteitag schloss sich ein Kongress der Gewerkschaften an der beschloss die bisherigen Lokalvereine zu Zentralverbanden zusammenzuschliessen Zwar wurde am Prinzip der politischen Neutralitat festgehalten allerdings wurden die Mitglieder aufgefordert in die neue Partei einzutreten 3 Entwicklung bis zum Sozialistengesetz Bearbeiten Wilhelm Hasenclever 1884 Die neue Partei wurde von Anfang an von den Behorden scharf uberwacht und in ihrer Arbeit behindert Bereits im Marz 1876 beantragte die Staatsanwaltschaft unter Tessendorf die Partei im Geltungsbereich des preussischen Vereinsgesetzes und besonders die Organisation in Berlin zu verbieten Auf Grund des bevorstehenden Verbots firmierte der Parteitag von 1876 auch als Allgemeiner Sozialistenkongress Zu diesem Zeitpunkt hatte die Partei etwa 38 000 Mitglieder in 291 Orten Sie verfugte uber 38 Zeitungen und Zeitschriften Darunter waren 21 Lokalblatter ausserdem elf Gewerkschaftszeitungen ein Unterhaltungsblatt und drei Witzblatter Der Kongress beschloss die ehemaligen Parteiorgane von SDAP und ADAV den Volksstaat und den Neuer Social Demokrat zu verschmelzen Ab dem 1 Oktober 1876 erschien der Vorwarts als neues Zentralorgan der Partei Leitende Redakteure wurden Wilhelm Liebknecht und Wilhelm Hasenclever Auf Grund der politischen Verfolgungen wurde an die Stelle des Vorstandes ein funfkopfiges Zentralwahlkomitee mit fast unbeschrankten Vollmachten gewahlt Der Sitz des Gremiums war Hamburg Zur Kontrolle gab es eine siebenkopfige Revisions und Kontrollkommission mit Sitz in Bremen Bei der Reichstagswahl von 1877 kandidierte die Partei in 175 Wahlkreisen und kam auf uber 490 000 Stimmen dies entsprach einem Stimmenanteil von 9 1 Damit hatte die Partei 36 mehr Stimmen erhalten als die beiden Vorgangerparteien bei der letzten Reichstagswahl zusammen Zwar war die Partei damit nach der Stimmenzahl zur viertstarksten politischen Kraft geworden Auf Grund einer ungunstigen Wahlkreiseinteilung stellte sie allerdings nur zwolf Reichstagsabgeordnete Auch andere Daten machen deutlich dass trotz der Repressalien die Partei erhebliche Zugkraft hatte Der liberale Politiker Ludwig Bamberger stellte fest dass die sozialdemokratischen Parteiblatter uber 135 000 Abonnenten hatten 4 Am 11 Mai 1878 schoss in Berlin der Klempnergeselle Max Hodel auf Wilhelm I Dies nahm Otto von Bismarck zum Anlass ein Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokratie auf den Weg zu bringen Allerdings wurde dieser Entwurf von einer grossen Mehrheit des Reichstages am 23 24 Mai abgelehnt Am 2 Juni verubte Karl Eduard Nobiling ein weiteres Attentat auf den Kaiser bei dem Wilhelm schwer verletzt wurde Unmittelbar danach begann eine umfangreiche Hetze gegen die Sozialdemokraten Nur wenige Tage nach dem Attentat wurde der Reichstag aufgelost weil Bismarck hoffte dass unter dem Eindruck der Ereignisse die Befurworter eines Ausnahmegesetzes gestarkt wurden Uber die Bekampfung der Sozialdemokratie hinaus waren die Umstande der Wahl ein willkommener Anlass die konservative Wende in der Innenpolitik weiter voranzutreiben Bei den Wahlen 1878 zeigte sich allerdings dass fur die SAP nur geringfugig weniger Stimmen abgegeben wurden als 1877 Die Partei stellte neun Abgeordnete Dies war angesichts der bereits einsetzenden antisozialdemokratischen Massnahmen ein beachtlicher Erfolg Allerdings verloren die Liberalen und damit die Kritiker einer Ausnahmegesetzgebung 39 Mandate Nach der Beendigung der ersten Lesung eines neuen Gesetzentwurfes berieten in Hamburg die Fuhrungsspitzen von Fraktion und Partei uber den zukunftigen Weg Nach heftigen Debatten wurde die Selbstauflosung der Partei noch vor Inkrafttreten des Gesetzes beschlossen Gleichwohl blieb eine Zentralstelle mit Sitz in Leipzig vorhanden Einem ubertriebenen Aktionismus erteilten die Fuhrer der Partei eine Absage Lasst Euch nicht provozieren wurde an die Mitglieder appelliert und an unserer Gesetzlichkeit mussen unsere Feinde zugrunde gehen 5 Unter dem Sozialistengesetz BearbeitenWirkungen und Grenzen des Gesetzes Bearbeiten Am 19 Oktober 1878 nahm der Reichstag mit 221 Stimmen gegen 149 Stimmen der Sozialdemokraten des Zentrums und der Fortschrittspartei das Gesetz gegen die gemeingefahrlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie kurz Sozialistengesetz genannt an Danach konnten Vereine und Verbindungen aller Art Druckerzeugnisse Versammlungen und Geldsammlungen verboten werden Agitatoren konnten aus bestimmten Gebieten ausgewiesen werden und die Gewerbeerlaubnis fur bestimmte Gruppen entzogen werden Allerdings scheiterte Otto von Bismarck im Parlament mit dem Versuch den Sozialdemokraten auch das aktive und passive Wahlrecht zu entziehen Das Gesetz war zunachst bis 1881 befristet wurde aber in der Folge regelmassig verlangert Damit wurde die sozialdemokratische Partei fur zwolf Jahre endgultig in den Untergrund gedrangt Ihr Parteiorgan der Vorwarts wurde ebenso verboten wie offentliche Auftritte oder Versammlungen der Partei Nur zwei Zeitungen der Partei wurden nicht verboten da sie sich parteipolitisch neutral verhielten Verboten wurden auch die Gewerkschaften Einzig die Reichstagsfraktion der SAP zu der unter anderen Wilhelm Liebknecht August Bebel und Wilhelm Hasenclever gehorten behielt ihre Mandate Viele Parteimitglieder sahen sich zur Emigration gezwungen oder wurden im Zuge des sogenannten Kleinen Belagerungszustandes der zeitweilig im Rahmen der Sozialistengesetze uber einige Hochburgen der SAP z B Berlin Hamburg Leipzig oder Frankfurt am Main verhangt wurde aus ihren Wohnorten ausgewiesen Die Ausgewiesenen verloren damit auch ihre okonomische Existenz und ein erheblicher Teil sah sich zur Emigration meist in die USA gezwungen 6 Reichsgesetzblatt von 1878 mit der Verkundigung des SozialistengesetzesDie Mitglieder der Partei hielten auf informeller Ebene weiter Kontakt in Gesangs oder Unterstutzungsvereine miteinander Die Beerdigungen prominenter Parteimitglieder wurde regelmassig Anlass zu Massenversammlungen die nach aussen die Weiterexistenz der Bewegung deutlich machten So nahmen 1879 an der Beerdigung von August Geib in Hamburg 30 000 Arbeiter teil Ahnlich war es auch beim Tod von Wilhelm Bracke in Braunschweig Da innerhalb des Reiches eine legale Pressearbeit nicht mehr moglich war wurden Zeitungen und Zeitschriften im Ausland herausgegeben und nach Deutschland geschmuggelt Am 28 September 1879 erschien in Zurich die erste Probenummer des Sozialdemokrat Wahrend Marx und Engels auf Grund von ideologischen Differenzen mit der Partei die Mitarbeit ablehnten schrieben unter anderem Karl Kautsky und Eduard Bernstein fur das Blatt dessen verantwortlicher Redakteur Georg von Vollmar wurde In immer hoherer Auflage wurde das Blatt in den folgenden Jahren nach Deutschland gebracht und am Ende teilweise sogar im Reich selbst gedruckt In der Mitte der 1880er Jahre wurden immerhin etwa 12 000 Exemplare von jeder Ausgabe abgesetzt Die Organisation wurde von der sogenannten Roten Feldpost von Joseph Belli und Julius Motteler geleitet Eine weniger rigorose Haltung in Suddeutschland ermoglicht ab 1883 die Herausgabe der theoretischen Zeitschrift Die Neue Zeit in Stuttgart Herausgeber wurde Karl Kautsky Seit 1884 erschien in Berlin das Berliner Volksblatt mit dem versucht werden sollte eine neue legale Zeitung zu etablieren Redakteure waren unter anderem Franz Mehring und Georg Ledebour Im selben Jahr erschien mit Der Wahre Jacob auch wieder eine sozialdemokratisch orientierte Satirezeitschrift 7 Insgesamt gab es regionale und zeitliche Unterschiede bei der Anwendung des Gesetzes In Preussen wurde es etwa strikter angewandt als in Baden In den Jahren 1881 83 ist eine mildere Praxis festzustellen wahrend es ab 1886 zu einer deutlichen Verscharfung kam Vor allem die strafrechtliche Verfolgung nahm in dieser Zeit zu 8 Wahlen und innere Entwicklungen Bearbeiten Da in Deutschland keine Parteitage mehr moglich waren fanden geheime Konferenzen im Ausland statt Zum ersten Mal nach dem Erlass des Sozialistengesetzes fand ein solches Treffen im August 1880 auf Schloss Wyden im Kanton Zurich statt Abgesehen von organisatorischen Fragen wandte sich der Kongress gegen anarchistische Tendenzen in Teilen der Partei Die beiden bekanntesten Vertreter dieser Tendenzen Johann Most und Wilhelm Hasselmann wurden dabei offiziell aus der SAP ausgeschlossen Ausserdem beschloss die Versammlung das Wort gesetzlich aus dem Parteiprogramm zu streichen da dieses nunmehr sinnlos sei Die Partei strebe nunmehr mit allen Mitteln nach ihren Zielen Ein ahnlicher Kongress fand 1883 in Kopenhagen statt 9 Erstausgabe der Zeitung Der SozialdemokratBei den Reichstagswahlen von 1881 erzielte die Partei mit 6 1 zwar erheblich weniger Stimmen als beim letzten Urnengang aber angesichts der kaum moglichen Wahlwerbung war dies doch ein beachtlicher Erfolg Mit zwolf Abgeordneten war die sozialdemokratische Fraktion sogar starker als zuvor Allerdings unterlag August Bebel in mehreren Stichwahlen und zog erst 1883 wieder in das Parlament ein In der neuen Legislaturperiode sollte die Einfuhrung der Sozialversicherungen auch dazu dienen dem Einfluss der Sozialdemokraten unter den Arbeitern entgegenzuwirken Dieser Schritt war damit auch eine indirekte Anerkennung des Staates dass die Sozialdemokratie mit Repression allein nicht zu besiegen war 10 Die Reichstagswahlen von 1884 wurden zu einem grossen Erfolg der Partei und machten deutlich dass die Sozialversicherungsgesetzgebung als Werkzeug gegen die Sozialdemokratie kaum Wirkung gezeigt hatte Bei diesen Wahlen stimmten fast 550 000 Wahler fur die SAP Dies entsprach 9 7 der Stimmen Gegenuber der letzten Wahl bedeutete dies einen Zugewinn von 76 Dazu beigetragen hatte auch dass die Partei deutlich bessere Moglichkeiten hatte fur ihre Sache zu werben So hatte der Reichstag im Vorfeld festgestellt dass die Anmeldung von Wahlversammlungen nicht unter die Bestimmungen des Sozialistengesetzes fiel Allerdings wurden als Reaktion auf den Erfolg der SAP in der Folge die Bestimmungen des Gesetzes von den Behorden wieder scharfer umgesetzt 11 Der Erfolg der Reichstagswahl bedeutete dass die Fraktion auf etwa zwei Dutzend Abgeordnete anwuchs Bei aller Genugtuung sah die spatestens mit dem Sozialistengesetz strikt marxistisch orientierte Fuhrungsgruppe um Bebel Engels und den jungen Bernstein darin die Gefahr dass damit die parlamentarischen Illusionen zunehmen wurden Tatsachlich kam es 1884 85 wahrend des sogenannten Dampfersubventionsstreit zu einer tiefen Krise Ausgangspunkt war die Frage ob es in wirtschaftlichen Krisenzeiten sinnvoll sein konnte diese kolonialpolitischen Subventionen mit Blick auf die Arbeitsplatze im Reich zu tolerieren Wahrend dies von einer kleinen prinzipientreuen Minderheit um Bebel der sich auf die Mitglieder der Partei berief abgelehnt wurde sprach sich die Mehrheit der Fraktion im Interesse ihrer Wahler dafur aus Zwischen Fraktionsmehrheit und den massgebenden Personlichkeiten der Partei kam es zu kaum noch uberbruckbaren ideologischen Grabenkampfen den auch ein Kompromissvorschlag von Liebknecht nicht wirklich uberwinden konnte Dabei stand die Zeitung Der Sozialdemokrat ganz auf Seiten Bebels und die Fraktion musste schliesslich ihren Versuch aufgeben das Blatt zu kontrollieren Zwar sagte die Zeitung zu in Zukunft ohne Polemik von der Parlamentsarbeit berichten zu wollen aber letztlich setzte sich die Gruppe um Bebel durch Bemerkenswert ist dass Liebknecht der in der Vergangenheit dem Parlamentarismus eher kritisch gegenubergestanden hatte in dieser Zeit in der Fraktion eine ausgleichende Rolle einnahm und sein Mandat auch ausserordentlich ernst nahm 12 Ein spektakularer Hohepunkt der antisozialdemokratischen Massnahmen war der zwischen dem 26 Juli und 4 August 1886 vor dem Landgericht von Freiberg in Sachsen stattfindende sogenannte Geheimbundprozess Angeklagt wurden fuhrende Parteimitglieder denen man vorwarf an einer geheimen Verbindung beteiligt gewesen zu sein Als solche betrachtete die Staatsanwaltschaft die Kongresse von Wyden und Kopenhagen Ignaz Auer August Bebel Karl Frohme Carl Ulrich Louis Viereck sowie Georg von Vollmar wurden zu jeweils neun Monaten und eine Reihe weiterer Angeklagter zu jeweils sechs Monaten Gefangnis verurteilt Diesem Prozess folgen eine ganze Reihe weiterer Verfahren gegen Teilnehmer der beiden Kongresse Allein in Frankfurt wurden 35 Angeklagte zu bis zu einem Jahr Gefangnis verurteilt In Magdeburg waren es 1887 51 Verurteilte 13 Bei der Reichstagswahl von 1887 konnten die Sozialdemokraten trotz polizeilicher Repressalien zwar weiter zulegen und 10 1 der Stimmen erzielen Allerdings verloren sie in verschiedenen Stichwahlen gegen Kandidaten der Deutsch Freisinnigen Partei so dass die neue Reichstagsfraktion deutlich kleiner als die bisherige war 14 Im Oktober 1887 fand in St Gallen erneut ein sozialdemokratischer Parteikongress statt Dieser bestatigte die bisherige Haltung der Partei zur parlamentarischen Tatigkeit die man vor allem unter agitatorischen Gesichtspunkten betrachtete Ausserdem wurde der Anarchismus erneut scharf kritisiert Gleichzeitig wurde beschlossen dass zukunftig mit keiner burgerlichen Partei mehr Wahlabsprachen etwa bei Stichwahlen stattfinden Es wurde eine Kommission eingesetzt um das Parteiprogramm zu uberarbeiten Erst auf diesem Kongress konnte Bebel seine unbestrittene Fuhrungsrolle in Partei und Fraktion die er bis zu seinem Tod behaupten sollte vollstandig durchsetzen 15 Gegen Ende der 1880er Jahre begann im Reichstag die Zustimmung zu den Sozialistengesetzes nachzulassen Zwar stimmte die Mehrheit 1888 der Verlangerung noch einmal fur zwei Jahre zu lehnte aber alle von der Regierung geforderten Verscharfungen ab Auf Druck der deutschen Regierung wies die Schweiz die Redakteure des Sozialdemokrat aus seither erschien das Blatt in London Wilhelm Liebknecht Mitglieder der SAPD Reichstagsfraktion 1889 sitzend von links aus gesehen Georg Schumacher Friedrich Harm August Bebel Heinrich Meister und Karl Frohme Stehend Johann Heinrich Wilhelm Dietz August Kuhn Wilhelm Liebknecht Karl Grillenberger und Paul Singer Auf internationaler Ebene gab es seit langerem Bestrebungen eine neue Internationale zu grunden Allerdings konnten sich die verschiedenen Stromungen und Richtungen der Arbeiterbewegung nicht einigen Es fanden daher vom 14 bis zum 20 Juli 1889 in Paris zwei internationale Arbeiterkongresse mit gleicher Tagesordnung statt Die aus 82 Delegierten bestehende deutsche Gruppe nahm an der Grundung des Kongresses teil der zur Grundung der II Internationale fuhrte Als deutsche Sektion galt die SAP trotz Verbot im eigenen Land als einflussreichste sozialistische Partei ihrer Zeit in Europa 16 Gegen Ende des Jahres 1889 wurde von der Reichsregierung ein neuer Entwurf fur eine Verscharfung des Sozialistengesetzes vorgelegt der diesem unter anderem eine unbegrenzte Geltungsdauer gegeben hatte Diese Vorlage wurde vom Reichstag mit 169 gegen 98 Stimmen mit klarer Mehrheit am 25 Januar 1890 abgelehnt 17 Bei den Reichstagswahlen von 1890 erzielte die Opposition erhebliche Zugewinne wahrend Konservative und Nationalliberale erhebliche Verluste erlitten Die SAP kam auf 1 4 Millionen Stimmen Das waren etwa 600 000 mehr als 1887 Mit einem Stimmenanteil von fast 20 war die Partei zur wahlerstarksten Partei in Deutschland geworden Allerdings wurde sie wie bei allen vorangegangenen Wahlen durch die Wahlkreiseinteilung behindert und bekam nur 35 Mandate 18 Am 1 Oktober 1890 lief das Sozialistengesetz endgultig aus Insgesamt wurden wahrend der Geltungsdauer 155 periodische und 1200 nicht periodische Druckschriften verboten 900 Ausweisungen wurden ausgesprochen und 1500 Personen zu insgesamt 1000 Jahren Gefangnis verurteilt 19 Erster Parteitag nach Ende des Sozialistengesetzes BearbeitenDer erste Parteitag nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes fand vom 12 bis 18 Oktober 1890 in Halle statt Anwesend waren 413 Delegierte und 17 auslandische Gaste Auf der Tagesordnung standen Die Organisation der Partei Referent Ignaz Auer das Programm der Partei Referent Wilhelm Liebknecht die Parteipresse Referenten Ignaz Auer und August Bebel die Stellung der Partei zu Streiks und Boykotts Referenten Karl Grillenberger und Karl Kloss Fur August Bebel haben sich in den Jahren des Sozialistengesetzes die Agitation bei den freien Wahlen und die Tatigkeit der Reichstagsfraktion als das wirksamste Agitationsmittel bewahrt und die Partei solle auch kunftig an dieser Taktik festhalten Der Parteitag beschloss die Umbenennung der Partei in SPD und nahm ein neues Parteistatut an Aufgebaut wurde die Organisation auf dem Vertrauensmannerprinzip Der ortliche Arbeiterwahlverein sollte in der Regel die lokale Parteiorganisation bilden Wie am Beginn der Parteigeschichte wurde der Parteitag zum hochsten Gremium der Partei ernannt Der Vorstand bestand aus zwolf Personen Zwei Vorsitzenden gewahlt wurden Paul Singer und Alwin Gerisch zwei Schriftfuhrern einem Kassierer und sieben Kontrolleuren Sitz der Partei war nunmehr Berlin Zum Parteiorgan wurde das Berliner Volksblatt ernannt das ab dem ersten Januar 1891 unter dem Titel Vorwarts Berliner Volkszeitung erscheinen sollte Der Vorstand wurde beauftragt bis zum nachsten Parteitag ein neues Parteiprogramm vorzulegen Dies war das 1891 verabschiedete Erfurter Programm Weiter bekannte sich der Parteitag zu Streiks und Boykotts als Waffen der Arbeiterklassen und sprach sich wie schon vor dem Sozialistengesetz fur die Grundung von zentralen Gewerkschaften aus Ausserdem proklamierte der Parteitag den 1 Mai zum dauernden Feiertag der Arbeiter Die Reichstagsfraktion wurde aufgefordert weiterhin im Parlament die prinzipiellen Forderungen der Sozialdemokratie gegenuber dem Staat und den burgerlichen Parteien rucksichtslos zu vertreten Gleichzeitig sprach man sich aber auch dafur aus Reformen auf dem Boden der bestehenden Gesellschaft zu erstreben Wahrend des Parteitags zeigte sich erstmals eine innerparteiliche Opposition die man spater als die Jungen bezeichnet hat 20 Wandel BearbeitenDas Sozialistengesetz hat im Inneren der Partei lange nachwirkende Spuren hinterlassen Anstatt die Anhanger zu zerstreuen forderte es das Entstehen eines sozialdemokratischen Milieus als einer von der burgerlichen Gesellschaft sich abschottenden Subkultur Dazu beigetragen hat auch dass die anfangs stark von Handwerkern und Kleinburgern gepragten Partei in den 1870 80er Jahren zu einer auf die Industriearbeiterschaft gestutzten Klassenpartei wurde Ebenso wenig von der Regierung beabsichtigt war dass wahrend der Verbotszeit die reformerischen Tendenzen auch mangels praktischer Umsetzungsmoglichkeiten und die Vorstellungen Lassalles zu Gunsten einer nunmehr prinzipientreuen marxistischen Parteilinie in den Hintergrund gedrangt wurden Nur wenige Nichtmarxisten wie Ignaz Auer konnten sich im inneren Zirkel der Parteifuhrung halten Dabei spielte gerade auch der Glaube an die revolutionierende Kraft des Geschichtsprozesses eine Rolle Besonders wichtig fur die Rezeption und Popularisierung des Marxismus wurde neben dem Anti Duhring von Friedrich Engels auch August Bebels Buch Die Frau und der Sozialismus Darin heisst es Unsere Darlegung zeigt dass es sich bei der Verwirklichung des Sozialismus nicht um ein willkurliches Einreissen und Aufbeuen sondern um ein naturgeschichtliches Werden handelt Alle Faktoren die in dem Zerstorungsprozess einerseits im Werdeprozess andererseits ein Rolle spielen sind Faktoren die Wirken wie sie wirken mussen 21 Insgesamt fuhrte die Verfolgung in der Partei zu einem Radikalisierungsprozess Den Parlamentarismus tat man als Illusion ab und setzte auf die Revolution Dabei vertraute man freilich darauf dass der grosse Kladderadatsch wie Bebel gern sagte als Folge der Widerspruche des kapitalistischen Systems quasi von selbst eintreten wurde Die Partei konnte also die Revolution auf ihre Fahnen schreiben ohne selbst revolutionare Aktivitaten entfalten zu mussen Der revolutionare Verbalradikalismus zusammen mit einer reformerischen Praxis bestimmte in den folgenden Jahrzehnten den Charakter der Partei und pragte die inneren Konflikte 22 Siehe auch BearbeitenGeschichte der deutschen SozialdemokratieLiteratur BearbeitenFranz Osterroth Dieter Schuster Chronik der deutschen Sozialdemokratie Bd 1 Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Bonn Berlin 1975 S 50 ff Detlef Lehnert Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 1983 Frankfurt 1983 ISBN 3 518 11248 1 Thomas Nipperdey Deutsche Geschichte 1866 1918 Bd II Machtstaat vor der Demokratie Munchen 1998 ISBN 3 406 44038 X Helga Grebing Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Munchen 1966 Weblinks BearbeitenDas Gothaer Programm 1875 Anmerkungen Bearbeiten zit nach Gothaer Programm 1875 abgedruckt in Wilhelm Mommsen Deutsche Parteiprogramme Vom Vormarz bis zur Gegenwart Munchen 1952 S 100 Lehnert Sozialdemokratie S 66 Chronik S 50 Chronik S 51 55 Lehnert Sozialdemokratie S 68 f Chronik S 56 58 vergl Christof Rieber Das Sozialistengesetz die Kriminalisierung einer Partei PDF 774 kB Nipperdey Deutsche Geschichte 1866 1918 Bd 2 S 356 Chronik S 67 75 Nipperdey Deutsche Geschichte 1866 1918 Bd 2 S 356 Chronik S 61 f S 65 Chronik S 62 f Chronik S 67 Lehnert Sozialdemokratie S 73 f Chronik S 69 Chronik S 70 Lehnert Sozialdemokratie S 76 Chronik S 74 f Chronik S 75 Chronik S 76 vergl Willy Albrecht Ende der Illegalitat Das Auslaufen des Sozialistengesetzes und die deutsche Sozialdemokratie im Jahre 1890 PDF 604 kB Chronik S 78 f zit nach Lehnert Sozialdemokratie S 71 f S 76 f Nipperdey Deutsche Geschichte 1866 1918 Bd 2 S 357 f Normdaten Korperschaft GND 2045825 3 lobid OGND AKS LCCN n82165244 VIAF 122639622 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands 1875 amp oldid 235365855