www.wikidata.de-de.nina.az
Eine Scherung tritt in der Mechanik zwischen zwei Ebenen auf die durch ein Kraftepaar aus Scherkraften gegeneinander parallel verschoben werden sodass der zwischen den Ebenen liegende Bereich geschert wird und Schubverzerrungen oder Gleitungen g auftreten siehe Abbildung 1 Abb 1 Scherung eines Korpers grau durch zwei parallel zueinander in entgegengesetzter Richtung wirkende Krafte rot L 1 Die Scherkrafte leiten in das Material eine Schub oder Scherspannung t ein die bei kleinen Deformationen und linearer Elastizitat proportional zur Gleitung sind t G g wo G der Schubmodul ist In der Kontinuumsmechanik wird Scherung und Schubverzerrung synonym benutzt und in der technischen Mechanik wird unter Scherung auch Scherbelastung verstanden Ersteres wird im Abschnitt Kinematik letzteres im Abschnitt Dynamik behandelt Ein einleitender Abschnitt behandelt die Phanomenologie der Scherung Von reiner Scherung wird gesprochen wenn es ein Bezugssystem gibt in dem keine Normaldehnungen oder keine Normalspannungen vorkommen L 2 16 L 3 71 was auch bei koaxialer Verformung wie in Abbildungen 3 5 und 6 vorkommt Scherung tritt u a bei der Torsion oder der Querkraftbeanspruchung von Tragern auf ist aber auch in viskosen Fluiden Flussigkeiten oder Gase bedeutsam siehe Scherung von Fluiden Inhaltsverzeichnis 1 Einfuhrung 1 1 Makroskopische Betrachtung 1 2 Mikroskopische Betrachtung 2 Kinematik 2 1 Kleine Verformungen 2 1 1 Kartesische Koordinaten 2 1 2 Zylinderkoordinaten 2 1 3 Kugelkoordinaten 2 2 Grosse Verformungen 2 3 Scherung in der Geologie 2 3 1 Reine Scherung pure shear 2 3 2 Einfache Scherung simple shear 3 Dynamik 3 1 Scherung von Festkorpern 3 1 1 Kristalline Werkstoffe 3 1 2 Polykristalline Werkstoffe 3 1 3 Thermoplaste 3 2 Scherung von Fluiden 3 2 1 Reibungsfreie Fluide 3 2 2 Newtonsche Fluide 3 2 3 Nicht Newtonsche Fluide 4 Beispiel 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Anmerkungen 8 EinzelnachweiseEinfuhrung BearbeitenDie Scherung von Flussigkeiten und Gasen wird im Abschnitt Scherung von Fluiden behandelt Makroskopische Betrachtung Bearbeiten nbsp Abb 2 Scherung bei der Torsion eines Rundstabes mit Schubverzerrung g und Schubspannung tZwei an einem Korper angreifende parallel zueinander in entgegengesetzter Richtung wirkende Krafte bewirken eine Scherung des Korpers L 4 und heissen daher Scherkrafte siehe Abbildung 1 Bei einer Torsion wie in Abbildung 2 werden parallel zueinander liegende Querschnittsflachen gegeneinander verdreht was auch eine Scherung darstellt Die Lange des Gegenstands sowie sein Querschnitt bleiben dabei idealerweise unverandert Die scherenden Krafte wirken stets tangential zur Korperoberflache L 1 Typische Beispiele fur Scherkrafte kommen in Niet und Bolzenverbindungen vor siehe Abscherung Statik Die Schneidekanten von Scheren trennen das zu zerschneidende Material durch Scherung Scherschneiden Mikroskopische Betrachtung Bearbeiten nbsp Abb 3 Hauptscherung t bei einachsigem Zug sDie Festigkeitslehre und Kontinuumsmechanik interessieren sich fur die lokalen Verhaltnisse in einem Korper unter Scherung denn dort entscheidet sich ob sich der Korper z B elastisch oder plastisch verformt Die lokalen Verhaltnisse werden zuganglich wenn der Korper gedanklich zerschnitten wird und so an der Schnittebene Schnittspannungen Vektoren mit der Dimension Kraft pro Flacheninhalt entstehen die von der Orientierung der Schnittebene abhangen Die Schnittebene kann in einem Punkt so gelegt werden dass in ihr die Schubspannung die definitionsgemass parallel zur Schnittebene wirkt maximal ist Hauptschubspannung Normalspannungen wirken im Gegensatz dazu senkrecht zur Schnittebene Die in der makroskopischen Betrachtung herangezogenen Belastungen fuhren zu Schubspannungen die im Vergleich zu den Hauptnormalspannungen kurz Hauptspannungen maximal namlich betraglich gleich sind Hier sind zwei Hauptspannungen entgegengesetzt gleich gross siehe auch das Beispiel unten und der Mittelpunkt des Mohr schen Spannungskreises liegt im Spannungsraum im Ursprung sodass die maximale Schubspannung betraglich genauso gross ist wie die Hauptspannungen Am Mohr schen Spannungskreis lasst sich auch ablesen dass die maximalen Schubspannungen im 45 Winkel zu den Hauptspannungsrichtungen auftreten die wiederum senkrecht zu Schnittebenen sind in denen keine Schubspannungen vorkommen siehe Abbildung 3 Sind zwei Hauptspannungen gleich dann degeneriert der Mohr sche Spannungskreis zu einem Punkt Sind alle drei Hauptspannungen gleich dann befindet sich der materielle Punkt unter allseitigem Druck Zug und es treten im isotropen Material in keiner Ebene Schubspannungen auf In allen anderen Fallen gibt es Schnittebenen in denen eine maximale und nicht verschwindende Scherbelastung stattfindet Monoklin und triklin anisotrope Stoffe erfahren unter allseitigem Druck auch Schubverformungen Die in der makroskopischen Betrachtung vorgestellten Falle stellen aus Sicht der Schubspannungshypothese ungunstigste Belastungen dar denn nach dieser Hypothese sind die Schubspannungen fur das Versagen eines Werkstoffs verantwortlich Demzufolge lohnt es sich den Schubanteilen besondere Aufmerksamkeit zu schenken und das Bezugssystem entsprechend auszurichten Kinematik BearbeitenZur Veranschaulichung einer Scherung kann man sich ein Buch vorstellen verschiebt man die Buchdeckel parallel gegeneinander bilden Buchrucken und Seitenstapel einen Winkel ungleich 90 Die Abweichung vom rechten Winkel ist die Schubverzerrung oder Gleitung g Kleine Verformungen Bearbeiten Kartesische Koordinaten Bearbeiten nbsp Abb 4 Rechteck ABCD gelb wird zum Viereck A B C D blau verformtBei einer ebenen Verformung hangen die Verschiebungen u x y und v x y in x bzw y Richtung vom Ort ab der mit der x und y Koordinate eines kartesischen Koordinatensystems parametrisiert sein kann Dann gilt bei kleinen Verformungen L 3 66 g u y v x displaystyle mathsf gamma frac partial u partial y frac partial v partial x nbsp Zur Herleitung wird in der xy Ebene ein infinitesimal kleines Rechteck mit Breite dx und Hohe dy betrachtet ABCD das in ein Viereck A B C D verformt wird siehe Abbildung 4 Anders als dort dargestellt sollen die Verformungen klein ausfallen sodass die Verschiebungen und ihre Ableitungen klein sind Das Koordinatensystem wird so gelegt dass dessen x und y Achse in Richtung der Seiten AB bzw AD weisen Der Winkel g ist wie dem Bild zu entnehmen ist die Summe der Winkel a und b Die Ecken A B und D verschieben sich nach A A u A v A u x A y A v x A y A B B u B v B u x A d x y A v x A d x y A u x A y A u x d x v x A y A v x d x u A u x d x v A v x d x D D u D v D u x A y A d y v x A y A d y u x A y A u y d y v x A y A v y d y u A u y d y v A v y d y displaystyle begin aligned mathsf overline AA amp mathsf u A v A u x A y A v x A y A mathsf overline BB amp mathsf u B v B u x A dx y A v x A dx y A approx amp mathsf left u x A y A frac partial u partial x dx v x A y A frac partial v partial x dx right left u A frac partial u partial x dx v A frac partial v partial x dx right mathsf overline DD amp mathsf u D v D u x A y A dy v x A y A dy approx amp mathsf left u x A y A frac partial u partial y dy v x A y A frac partial v partial y dy right left u A frac partial u partial y dy v A frac partial v partial y dy right end aligned nbsp wo die rechten Naherungen den nach dem linearen Glied abgebrochenen Taylorreihen entsprechen die sich der Funktion also linear angleichen Damit kann der Tangens von a ausgedruckt werden tan a u D u A d y v D v A u y d y d y v y d y u y 1 v y u y displaystyle mathsf tan alpha frac u D u A dy v D v A frac frac partial u partial y dy dy frac partial v partial y dy frac frac partial u partial y 1 frac partial v partial y approx frac partial u partial y nbsp Hier wurde der zweite Summand im Nenner als Ableitung nach Voraussetzung v y 1 displaystyle tfrac partial v partial y ll 1 nbsp vernachlassigt Entsprechend berechnet sich tan b v B v A d x u B u A v x d x d x u x d x v x 1 u x v x displaystyle mathsf tan beta frac v B v A dx u B u A frac frac partial v partial x dx dx frac partial u partial x dx frac frac partial v partial x 1 frac partial u partial x approx frac partial v partial x nbsp und mit der Kleinwinkelnaherung tana a g a b tan a tan b u y v x displaystyle mathsf gamma alpha beta approx tan alpha tan beta approx frac partial u partial y frac partial v partial x nbsp Reine Scherung nbsp Abb 5 Kleine Querdehnung e nbsp Abb 6 Grosse Querdehnung e 1 e displaystyle tfrac varepsilon 1 varepsilon nbsp Bei der Verformung eines Quadrats in ein Rechteck tritt auch eine Schubverzerrung auf siehe Abbildung 5 Bei kleinem e ist dort g 2e Denn aus dem Bild ist g 90 2a oder a 45 g 2 sowie tan a 1 e 1 e displaystyle tan alpha tfrac 1 varepsilon 1 varepsilon nbsp abzulesen Mit dem Additionstheorem tan a b tan a tan b 1 tan a tan b displaystyle tan alpha beta tfrac tan alpha tan beta 1 tan alpha tan beta nbsp und tan 45 1 folgt 1 e 1 e tan a tan 45 g 2 1 tan g 2 1 tan g 2 tan g 2 e displaystyle frac 1 varepsilon 1 varepsilon tan alpha tan left 45 circ frac gamma 2 right frac 1 tan frac gamma 2 1 tan frac gamma 2 quad rightarrow quad tan frac gamma 2 varepsilon nbsp und mit der Kleinwinkelnaherung besagtes g 2e Die Verformung ist in erster Ordnung volumenerhaltend denn die Flache des gelben Rechtecks ist A 1 e L 1 e L 1 e2 L2 L2und damit gleich dem des ursprunglichen Quadrats Bei entsprechenden grossen aber volumenerhaltenden Verformungen der Abbildung 6 ist die Querdehnung in der Ebene gleich e 1 e displaystyle tfrac varepsilon 1 varepsilon nbsp und die Partikel des Korpers verschieben sich auf schwarz skizzierten gekrummten Bahnen was in den Geowissenschaften Reine Scherung pure shear genannt wird Zylinderkoordinaten Bearbeiten In Zylinderkoordinaten mit radialer Koordinate r Azimut f und Hohe z uber der rf Ebene lauten die Schubverzerrungen L 5 e r f 1 2 1 r u r f u f r u f r e f z 1 2 u f z 1 r u z f e r z 1 2 u r z u z r displaystyle begin aligned varepsilon rho varphi amp frac 1 2 left frac 1 rho frac partial u rho partial varphi frac partial u varphi partial rho frac u varphi rho right varepsilon varphi z amp frac 1 2 left frac partial u varphi partial z frac 1 rho frac partial u z partial varphi right varepsilon rho z amp frac 1 2 left frac partial u rho partial z frac partial u z partial rho right end aligned nbsp Kugelkoordinaten Bearbeiten In Kugelkoordinaten mit Abstand r vom Ursprung Zenitwinkel ϑ und Azimut f lauten die Schubverzerrungen L 5 e r ϑ 1 2 1 r u r ϑ u ϑ r u ϑ r e ϑ f 1 2 r 1 sin ϑ u ϑ f u f ϑ cot ϑ u f e r f 1 2 1 r sin ϑ u r f u f r u f r displaystyle begin aligned varepsilon r vartheta amp frac 1 2 left frac 1 r frac partial u r partial vartheta frac partial u vartheta partial r frac u vartheta r right varepsilon vartheta varphi amp frac 1 2r left frac 1 sin vartheta frac partial u vartheta partial varphi frac partial u varphi partial vartheta cot vartheta u varphi right varepsilon r varphi amp frac 1 2 left frac 1 r sin vartheta frac partial u r partial varphi frac partial u varphi partial r frac u varphi r right end aligned nbsp mit den Winkelfunktionen Sinus sin und Kotangens cot Grosse Verformungen Bearbeiten nbsp Abb 7 Streckung und Scherung der Tangenten rot und blau an materiellen Linien schwarz im Zuge einer DeformationBei grossen Verformungen wird eine lokale Verformung wie in Abbildung 7 betrachtet Zwei sich im Referenzzustand oberer Bildteil kreuzende materielle Linien die man sich als oberflachig eingeritzte Linien vorstellen kann schliessen einen rechten Winkel ein der zwischen ihren Tangentenvektoren d X displaystyle mathrm d vec X nbsp und d Y displaystyle mathrm d vec Y nbsp gemessen wird Wie ublich werden die x und y Koordinaten nach dem Schema x 1 und y 2 durchnummeriert Im Zuge einer Deformation beschrieben mit der Bewegungsfunktion x displaystyle vec chi nbsp andert sich der Winkel g zwischen den Tangentenvektoren gemass sin g d x d y d x d y 2 G 1 E G 2 1 2 G 1 E G 1 1 2 G 2 E G 2 2 E 12 1 2 E 11 1 2 E 22 displaystyle begin aligned sin gamma frac mathrm d vec x cdot mathrm d vec y mathrm d vec x mathrm d vec y amp frac 2 hat G 1 cdot mathbf E cdot hat G 2 sqrt 1 2 hat G 1 cdot mathbf E cdot hat G 1 sqrt 1 2 hat G 2 cdot mathbf E cdot hat G 2 amp frac 2E 12 sqrt 1 2E 11 sqrt 1 2E 22 end aligned nbsp mit dem Frobenius Skalarprodukt displaystyle cdot nbsp von Vektoren G 1 d X d X displaystyle hat G 1 frac mathrm d vec X mathrm d vec X nbsp G 2 d Y d Y displaystyle hat G 2 frac mathrm d vec Y mathrm d vec Y nbsp dem einheitenfreien Green Lagrange sche Verzerrungstensor E dessen Komponenten E i j displaystyle E ij nbsp sich auf das im Referenzzustand von den Vektoren G 1 2 displaystyle hat G 1 2 nbsp gebildete Basissystem beziehen der Schubverzerrung E 12 displaystyle E 12 nbsp in der 1 2 Ebene den Normaldehnungen E 11 displaystyle E 11 nbsp und E 22 displaystyle E 22 nbsp die in der 1 bzw 2 Richtung auftreten Im Fall kleiner Verzerrungen geht der Green Lagrange sche Verzerrungstensor in den linearisierten Verzerrungstensor e displaystyle boldsymbol varepsilon nbsp uber kann sin g g displaystyle sin gamma approx gamma nbsp Kleinwinkelnaherung und der Nenner im obigen Bruch gleich eins gesetzt werden mit dem Resultat g 2 G 1 e G 2 2 e 12 u 1 X 2 u 2 X 1 displaystyle gamma approx 2 hat G 1 cdot boldsymbol varepsilon cdot hat G 2 2 varepsilon 12 frac partial u 1 partial X 2 frac partial u 2 partial X 1 nbsp Die Komponenten beziehen sich auf ein kartesisches Koordinatensystem das parallel zu den Vektoren G 1 2 displaystyle hat G 1 2 nbsp ausgerichtet ist in dem X1 2 die Koordinaten u1 2 die Verschiebungen und e12 die Schubverzerrung sind Die Schergeschwindigkeit g displaystyle dot gamma nbsp berechnet sich im Zustand g 0 als F 1 g 2 g 1 d g 2 2 d 12 v 1 x 2 v 2 x 1 displaystyle dot gamma 2 hat g 1 cdot mathbf d cdot hat g 2 2d 12 frac partial v 1 partial x 2 frac partial v 2 partial x 1 nbsp mit dem Verzerrungs geschwindigkeits tensor d g 1 d x d x displaystyle hat g 1 frac mathrm d vec x mathrm d vec x nbsp g 2 d y d y displaystyle hat g 2 frac mathrm d vec y mathrm d vec y nbsp Hier werden die zueinander orthogonalen Tangentenvektoren g 1 2 displaystyle hat g 1 2 nbsp also im deformierten Zustand ausgewahlt Die Komponenten beziehen sich auf ein kartesisches Koordinatensystem das nun parallel zu den Vektoren g 1 2 displaystyle hat g 1 2 nbsp ausgerichtet ist in dem x1 2 die Koordinaten v1 2 die Geschwindigkeiten und d12 die Schubverzerrungsgeschwindigkeit sind Bei kleinen Verzerrungen ist d e displaystyle mathbf d approx dot boldsymbol varepsilon nbsp und die Schergeschwindigkeit lautet g 2 G 1 e G 2 2 e 12 u 1 X 2 u 2 X 1 u 1 x 2 u 2 x 1 displaystyle begin aligned dot gamma approx 2 hat G 1 cdot dot boldsymbol varepsilon cdot hat G 2 2 dot varepsilon 12 amp frac partial dot u 1 partial X 2 frac partial dot u 2 partial X 1 amp approx frac partial dot u 1 partial x 2 frac partial dot u 2 partial x 1 end aligned nbsp Scherung in der Geologie Bearbeiten nbsp Abb 8 Wirkung von reiner und einfacher Scherung bzw deren KombinationIn der Geologie werden hauptsachlich zwei Extremfalle der Scherung unterschieden mithilfe deren Kombination viele Verformungen beispielsweise transpressive oder transtensive Verwerfungen betrachtet werden konnen Reine Scherung pure shear Bearbeiten Die reine Scherung auch koaxiale Scherung oder reine Kompression bezeichnet den Idealfall koaxialer Verformung wie in Abbildung 6 L 6 aus dem eine dreidimensionale homogene Abflachung des Korpers resultiert L 7 Es ist ein Beispiel fur eine drehungsfreie Verformung bei der der Korper in einer Richtung verlangert und zeitgleich senkrecht verkurzt wird Einfache Scherung simple shear Bearbeiten Die einfach Scherung auch nicht koaxiale Scherung wie in Abbildung 1 bezeichnet den Extremfall der nicht koaxialen Verformung L 6 bei dem parallele Ebenen in einem Material parallel bleiben und einen konstanten Abstand beibehalten wahrend sie sich relativ zueinander verschieben Dynamik BearbeitenScherung von Festkorpern Bearbeiten Eine Schubbelastung ist eine Kraft oder ein Moment bei denen der belastete Korper zumindest lokal eine Scherbewegung ausfuhrt Diese aussere Belastung setzt sich im Korper in Spannungen um insbesondere in Schubspannungen Scherbelastung tritt nicht nur bei ausserer Belastung auf sondern z B auch bei thermischer Belastung von miteinander flachig verbundenen Korpern die unterschiedliche Warmeausdehnungskoeffizienten besitzen aufgrund latenter Spannungen bei inhomogener Erstarrung z B beim Schweissen oder bei Beschichtungen die nach der Aufbringung anders schrumpfen als das Grundmaterial Bei der Scherung oder allgemein bei einer Schubbelastung stehen die Schubspannung t und die Schubverzerrung oder Gleitung g im geometrisch linearen Bereich und bei linearer Elastizitat in der Beziehung t G g Die Proportionalitatskonstante G ist der Schubmodul auch Scher oder Gleitmodul Die Schubspannung wird bei der Scherung auch Scherspannung genannt und hat wie der Schubmodul die Dimension Kraft pro Flache Die SI Einheit der Schubspannung ist damit das Pascal Pa also N m Newton pro Quadratmeter Lokal werden bei einer Scherung im elastischen Bereich im Korper materielle Flachen relativ zueinander reversibel parallel verschoben Die Flache kann sich dabei verwolben wie es z B bei der Torsion eines nicht kreisrunden Stabes oder der Querkraftbelastung eines Tragers passiert Oberhalb des elastischen Bereichs bis zum Erreichen der Scherfestigkeit verformen sich duktile Materialien plastisch worauf im Folgenden L 8 eingegangen wird Bei Uberschreitung der Scherfestigkeit wird das Werkstuck abgeschert siehe die Beispiele zum Torsionsbruch Kristalline Werkstoffe Bearbeiten Ubersteigt die Scherbelastung die Elastizitatsgrenze so kommt es in duktilen kristallinen Werkstoffen insbesondere Metallen zu Versetzungsbewegungen In einem kristallinen Werkstoff werden bei der Scherung Kristallteile gegeneinander verschoben Die Ebene die die Kristallteile voneinander trennt ist die Gleitebene die gemeinsam mit der Gleitrichtung das Gleitsystem bildet Im Beispiel mit dem Buch waren die Gleitebenen die Buchseiten die nun in der Gleitrichtung senkrecht zum Buchrucken in der Papierebene aufeinander abgleiten Ist n displaystyle vec n nbsp der Normalenvektor der Gleitebene und m displaystyle vec m nbsp die Gleitrichtung in der Ebene dann ist die Schubspannung im Gleitsystem GS durch den Spannungstensor s displaystyle boldsymbol sigma nbsp gegeben t G S n s m displaystyle tau GS vec n cdot boldsymbol sigma cdot vec m nbsp mit m n 0 displaystyle vec m cdot vec n 0 nbsp Uberschreitet die Schubspannung t G S displaystyle tau GS nbsp im Gleitsystem die kritische Schubspannung t krit displaystyle tau text krit nbsp so gleiten die Atome beiderseits der Gleitebene aneinander ab und es kommt zu plastischer Verformung Polykristalline Werkstoffe Bearbeiten In polykristallinen isotropen Werkstoffen wechselt die Kristallorientierung mit den Kristallkornern deren Verformungen sich gegenseitig behindern konnen Dadurch steigt die Schubfliessgrenze s F displaystyle sigma F nbsp an Der Proportionalitatsfaktor zwischen der Schubfliessgrenze und der kritischen Schubspannung ist der Taylor Faktor M s F M t krit displaystyle sigma F M tau text krit nbsp Der Taylor Faktor berechnet sich aus den statistischen Eigenschaften der Kristallkorner im Polykristall Bei kubisch flachenzentriertem Gitter ist er M 3 1 und bei kubisch raumzentriertem Gitter M 2 9 Thermoplaste Bearbeiten Thermoplaste konnen sich plastisch verformen indem sich die Kettenmolekule aus denen sie bestehen lokal strecken Dadurch entstehen insbesondere unter Druck Scherbander die in einem Winkel von 45 bis 60 zur Belastungsrichtung orientiert sind wo lokalisiert grosse plastische Verformungen von 100 und mehr auftreten abseits davon sind die Verformungen aber gering Scherung von Fluiden Bearbeiten Scherung ist auch in Fluiden bedeutsam die Schergeschwindigkeiten in ihnen berechnen sich wie im Abschnitt Grosse Verformungen in der Kinematik geschildert Reibungsfreie Fluide Bearbeiten In reibungsfreien Flussigkeiten und Gasen fuhren die Schergeschwindigkeiten nicht zu Schubspannungen Newtonsche Fluide Bearbeiten nbsp Abb 9 Ausbildung einer laminaren Grenzschicht zwischen der blauen Linie und einer flachen Oberflache untere Linie Die in der Stromungsmechanik zumeist betrachteten Fluide sind die newtonschen Fluide deren Geschwindigkeitsfeld den Navier Stokes Gleichungen gehorcht Das Materialmodell fur das newtonsche Fluid lautet s p r 1 2 m d l Sp d 1 displaystyle boldsymbol sigma p rho mathbf 1 2 mu mathbf d lambda operatorname Sp mathbf d mathbf 1 nbsp Darin sind p der im Allgemeinen von der Dichte r abhangige Druck 1 der Einheitstensor m die zweite und l die erste Lame Konstante Sp die Spur Die Schubspannungen sind also mit 2md proportional zum o g Verzerrungs geschwindigkeits tensor d was sich makroskopisch als Viskositat bemerkbar macht An Wanden wo die Haftbedingung keine wandparallele Bewegung des Fluids an der Wand zulasst fuhrt die Schubspannung zur Ausbildung einer Grenzschicht in der sich die Geschwindigkeit an die Geschwindigkeit im Hauptstrom angleicht siehe Abbildung 9 Stromt das Fluid in x Richtung parallel zur Wand und weist die Wandnormale in y Richtung dann lautet die Schubspannung im Abstand y displaystyle y nbsp von einer ebenen Wand t y m g x y 2 m g x d g y m v x y v y x m v x y displaystyle begin aligned tau y mu dot gamma xy 2 mu hat g x cdot mathbf d cdot hat g y amp mu left frac partial v x partial y frac partial v y partial x right amp mu frac partial v x partial y end aligned nbsp denn der Term mit der Geschwindigkeit v y displaystyle v y nbsp senkrecht zur Wand kann hier vernachlassigt werden Insbesondere ist die Wandschubspannung definiert durch t w t y 0 m v x y y 0 displaystyle tau w tau y 0 left mu frac partial v x partial y right y 0 nbsp Nicht Newtonsche Fluide Bearbeiten Nicht newtonsche Fluide zeigen eine nichtlineare Abhangigkeit der Schubspannungen von den Schergeschwindigkeiten Beispiel Bearbeiten nbsp Abb 10 Scherung eines Quadrats gelb in ParallelogrammeIn der xy Ebene erfahren die Punkte eines Einheitsquadrats mit x y 0 1 0 1 displaystyle x y in 0 1 times 0 1 nbsp die Verschiebung u u v g f y f x displaystyle vec u begin pmatrix u v end pmatrix begin pmatrix left gamma varphi right y varphi x end pmatrix nbsp Der Parameter g ist die Gleitung und f bewirkt eine Drehung Aus Ableitungen nach dem Ort berechnet sich der linearisierte Verzerrungstensor e u x 1 2 u y v x 1 2 u y v x v y 1 2 0 g f f g f f 0 1 2 0 g g 0 displaystyle begin aligned boldsymbol varepsilon amp begin pmatrix frac partial u partial x amp frac 1 2 left frac partial u partial y frac partial v partial x right frac 1 2 left frac partial u partial y frac partial v partial x right amp frac partial v partial y end pmatrix amp frac 1 2 begin pmatrix 0 amp gamma varphi varphi gamma varphi varphi amp 0 end pmatrix frac 1 2 begin pmatrix 0 amp gamma gamma amp 0 end pmatrix end aligned nbsp der anders als in Abbildung 10 dargestellt nur zulassig ist bei g f 10 displaystyle gamma varphi ll 10 circ nbsp Mit dem Hooke schen Gesetz ergibt sich der Spannungstensor s 2 G e l Sp e 1 2 G e G 0 g g 0 0 t t 0 displaystyle boldsymbol sigma 2G boldsymbol varepsilon lambda operatorname Sp boldsymbol varepsilon mathbf 1 2G boldsymbol varepsilon G begin pmatrix 0 amp gamma gamma amp 0 end pmatrix begin pmatrix 0 amp tau tau amp 0 end pmatrix nbsp in Abhangigkeit vom Schubmodul G und der ersten Lame Konstanten l Der Operator Sp bildet die Summe der Diagonalelemente Spur und 1 displaystyle mathbf 1 nbsp ist der Einheitstensor Die Schubspannungen haben die Grosse t G g displaystyle tau G gamma nbsp Der Verzerrungs und Spannungstensor besitzen hier im Rahmen der geometrisch linearen Betrachtung keine Normalkomponenten In Schnittebenen mit Normalenvektoren n 1 2 1 2 1 1 displaystyle hat n 1 2 frac 1 sqrt 2 begin pmatrix 1 pm 1 end pmatrix nbsp treten keine Schubspannungen auf weil die Schnittspannungsvektoren t 1 2 s n 1 2 t n 1 2 displaystyle vec t 1 2 boldsymbol sigma cdot hat n 1 2 pm tau hat n 1 2 nbsp genau in Normalenrichtung weisen t displaystyle pm tau nbsp sind Hauptspannungen und n 1 2 displaystyle hat n 1 2 nbsp sind die dazugehorenden Hauptspannungsrichtungen Der linearisierte Verzerrungstensor ist der symmetrische Anteil des Verschiebungsgradienten H u x u y v x v y 0 g f f 0 displaystyle mathbf H begin pmatrix frac partial u partial x amp frac partial u partial y frac partial v partial x amp frac partial v partial y end pmatrix begin pmatrix 0 amp gamma varphi varphi amp 0 end pmatrix nbsp Durch Addition des nicht linearen Anteils H H 0 f g f 0 0 g f f 0 f 2 0 0 g f 2 displaystyle mathbf H top cdot H begin pmatrix 0 amp varphi gamma varphi amp 0 end pmatrix cdot begin pmatrix 0 amp gamma varphi varphi amp 0 end pmatrix begin pmatrix varphi 2 amp 0 0 amp gamma varphi 2 end pmatrix nbsp zum linearisierten Verzerrungstensor ergibt sich der Green Lagrange sche Verzerrungstensor E 1 2 H H H H 1 2 f 2 g g g f 2 displaystyle mathbf E frac 1 2 mathbf H H top H top cdot H frac 1 2 begin pmatrix varphi 2 amp gamma gamma amp gamma varphi 2 end pmatrix nbsp Bei der Scherung eines Quadrats zu einem flachengleichen Parallelogramm treten deshalb bei grosser Scherbewegung Normaldehnungen auf siehe Poynting Effekt Siehe auch BearbeitenFestkorper Schmidsches Schubspannungsgesetz Abscherung Geologie Schubspannungs Scherungs DiagrammFluide Schergeschwindigkeit SchubspannungswiderstandLiteratur BearbeitenHerbert Balke Einfuhrung in die Technische Mechanik Festigkeitslehre 3 Auflage Springer Vieweg 2008 ISBN 978 3 642 40980 6 Holm Altenbach Kontinuumsmechanik Einfuhrung in die materialunabhangigen und materialabhangigen Gleichungen Springer 2012 ISBN 3 642 24119 0 Anmerkungen Bearbeiten Die Gross und Kleinschreibung der Variablen ist zu beachten Variablen in Grossbuchstaben beziehen sich auf den Referenzzustand und solche in Kleinbuchstaben auf den aktuellen Zustand der gegenuber dem Referenzzustand stark deformiert und verdreht sein kann Einzelnachweise Bearbeiten a b Bernhard Grotz Mechanik der Festkorper 30 Oktober 2015 abgerufen am 3 November 2015 H Balke Einfuhrung in die Technische Mechanik Festigkeitslehre 3 Auflage Springer Vieweg 2014 ISBN 978 3 642 40980 6 a b D Gross W Hauger J Schroder W A Wall Technische Mechanik Elastostatik Band 2 Springer Verlag Heidelberg 2014 ISBN 978 3 642 40965 3 doi 10 1007 978 3 642 40966 0 6 Verzerrungszustand Elastizitatsgesetz Bedeutungsubersicht Scherung Mechanik Duden online abgerufen am 2 November 2015 a b Martin H Sadd Elasticity Theory applications and numerics Elsevier Butterworth Heinemann 2005 ISBN 0 12 605811 3 S 42 f a b Scherung In Lexikon der Geowissenschaften Spektrum abgerufen am 5 Februar 2022 Reish Nathaniel E Gary H Girty Definition and Mathematics of Pure Shear San Diego State University Department of Geological Sciences abgerufen am 5 Februar 2022 J Rosler H Harders M Baker Mechanisches Verhalten der Werkstoffe 4 Auflage Springer Vieweg 2012 ISBN 978 3 8348 1818 8 Normdaten Sachbegriff GND 4191822 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Scherung Mechanik amp oldid 232466052