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Schahrud persisch شاهرود DMG sah rud auch sah i rud ist ein historisches Saiteninstrument das nur von Zeichnungen in zwei Handschriften des musiktheoretischen Werks Kitab al Musiqa al kabir des aus Zentralasien stammenden Gelehrten al Farabi um 870 950 bekannt ist und wahrscheinlich zu den Erzlauten zahlte Der sah rud wurde Anfang des 10 Jahrhunderts in Samarkand eingefuhrt und verbreitete sich in der arabischen Musik des Nahen Ostens Abbildung des sah rud in der in Kairo aufbewahrten Handschrift des Kitab al musiqa al kabir 1 Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Bauform 3 Verbreitung 4 Literatur 5 EinzelnachweiseEtymologie BearbeitenDas persische Wort sah rud setzt sich aus sah Konig Schah und rud zusammen das ebenso wie tar die Grundbedeutung Saite enthalt Rud ist ein historisches orientalisches Lauteninstrument wahrend die Langhalslaute tar heute noch in der iranischen Musik gespielt wird Der persische Musiker Abd al Qadir Ibn Ghaybi 1435 aus Maragha im Nordwesten des Iran erwahnte die Lauten rud chati auch rud chani neben rudak und ruḍa Zwei Jahrhunderte spater beschrieb der osmanische Reiseschriftsteller Evliya Celebi 1611 nach 1683 die Laute ruḍa als dem cahartar ahnlich einem dem Namen nach viersaitigen Instrument Der arabische Historiker al Maqqari um 1577 1632 beruft sich auf eine Quelle aus dem 13 Jahrhundert wonach die ruḍa in Andalusien angetroffen werde 2 Der sah rud der Konig der Lauten wurde moglicherweise zum Namensgeber fur die in den 1860er Jahren aus der afghanischen rubab entwickelte nordindische Schalenhalslaute sarod Das persische Wort sarod bezeichnet in mehrerer Schreibvarianten jedoch schon wesentlich langer Lauteninstrumente und steht allgemein fur Musik In Belutschistan sind die der indischen sarinda ahnlichen Streichlauten surod und sorud bekannt 3 nbsp Osmanische sehrud wohl eine Basslaute abgebildet in der illuminierten Handschrift Surname i Humayun 1582 Ein in der osmanischen Zeit sehrud genanntes Saiteninstrument das im 15 und 16 Jahrhundert auf osmanischen Miniaturmalereien und persischen Miniaturen wahrend des Timuridenreichs 1370 1507 haufig als ubergrosse dickbauchige Variante der Kurzhalslaute ʿud erscheint ist mit dem mittelalterlichen sah rud namens aber offensichtlich nicht formverwandt 4 Inwieweit dieses Instrument in der arabischen Musik verbreitet war ist unklar 5 Auf Miniaturen des osmanischen Manuskripts Surname i Humayun von 1582 sind Hofmusiker zu sehen die neben der sehrud die ihrer ubergrossen Darstellung nach vermutlich eine Basslaute war die historische Winkelharfe ceng die Zupflaute kopuz die Streichlaute kemance die Panflote miskal die Langsflote ney und die Rahmentrommel def spielen 6 Bauform BearbeitenEine publizierte Darstellung des sah rud stammt aus einer Handschrift des 13 Jahrhunderts die in der Nationalbibliothek in Kairo aufbewahrt wird die einzige andere aus einer vermutlich im 12 Jahrhundert entstandenen Handschrift die sich in der Biblioteca Nacional in Madrid befindet 7 Die Madrider Darstellung ist enger von Schrift umgeben weniger sorgfaltig und ohne Zirkel ausgefuhrt strukturell unterscheiden sich beide nicht Die Kairoer Zeichnung ist dagegen sorgfaltig mit Zirkel und Lineal konstruiert Es ist unklar ob beide Zeichnungen auf dieselbe oder eine andere Vorlage zuruckgehen oder ob die spatere Kairoer Zeichnung von der fruheren in Madrid kopiert wurde Aus archaologisch ergrabenen Tonfiguren sassanidischen Felsreliefs oder persischen Buchmalereien lasst sich haufig eine grobe Vorstellung vom Aussehen historischer Musikinstrumente gewinnen nur die Zahl der Saiten wird meist den kunstlerischen Erfordernissen angepasst und ist selten wirklichkeitsgetreu Dies gilt auch fur die insgesamt zuverlassigeren Darstellungen in musikwissenschaftlichen Werken So gehoren die ornamentalen Verzierungen einer Winkelharfe cang auf einer Zeichnung aus dem 13 Jahrhundert eher zur kunstlerischen Freiheit als zu deren tatsachlichem Aussehen Oftmals sind Harfen ganzlich ohne Saiten oder mit uber den Korpus hinaus ins Leere fuhrenden Saiten abgebildet Manchmal konnte der Musiker sein Instrument nicht in der abgebildeten Weise festhalten oder er konnte die Saiten nicht greifen Bei der Abbildung des sah rud verlaufen die parallelen Saiten wie bei einer Kastenzither uber die Decke enden jedoch auf der rechten Seite irgendwo ausserhalb Die sechs kurzeren hochsten Saiten sind an ihrem Ende abgeknickt Ein rechtwinklig dazu nach oben fuhrendes zweites Saitenbundel ist von einem gebogenen Holzrahmen umschlossen der an die Joche einer Leier oder den Rahmen einer Harfe denken lasst Auch diese Saiten enden ausserhalb der Konstruktion Eine Erklarung weshalb beide Saitensysteme uber das Instrument hinausragen konnte sein dass der Zeichner die nach ihrem Fixierungspunkt lang herabhangenden Saitenenden die haufig mit einem Anhangsel versehen und zur Dekoration belassen wurden als gerade Linie weitergezogen hat Das Madrider Instrument besitzt 40 Saiten von denen 27 uber den geschlossenen Korpus und 13 rechtwinklig bis zum Rahmen verlaufen die Zeichnung aus Kairo zeigt ein sah rud mit 48 Saiten 29 Saiten uber den Korpus und 19 bis zum Rahmen 8 Der Musikwissenschaftler und Orientalist Rodolphe d Erlanger 1872 1932 dessen sechsbandige Werkausgabe La musique arabe in den ersten beiden Banden eine Ubersetzung von al Farabis Kitab al Musiqa al kabir enthalt klassifizierte den sah rud 1935 als Zither Henry George Farmer 1882 1965 nannte es zuvor 1929 in A History of Arabian Music eine Erzlaute oder Zither und erganzte dass es Anfang des 15 Jahrhunderts mit Sicherheit eine Erzlaute mit der doppelten Lange einer Laute war Von d Erlanger beeinflusst wollten andere eine Harfe oder ein Psalterium sehen weshalb Farmer in The Sources of Arabian Music 1940 daraus ein Harfen Psalterium machte In der ersten Ausgabe der Encyclopaedia of Islam von 1934 hatte Farmer den sah rud im Artikel ʿud also bei den orientalischen Lauteninstrumenten erwahnt Dieser Abschnitt Farmers wurde unverandert in die Neuauflage von 2000 ubernommen da Farmer spater zu seiner ursprunglichen Auffassung zuruckgekehrt war Demzufolge musste das eine Saitenbundel als Melodiesaiten uber einem Griffbrett und das andere Saitenbundel als zu getrennten Wirbeln fuhrenden Bordunsaiten vorgestellt werden Diese Auffassung wird durch al Farabi bestarkt der dieses besondere Instrument von den zu seiner Zeit verbreiteten Winkelharfen persisch cang arabisch ǧank und von den Leiern arabisch miʿzafa unterschied 9 Pavel Kurfurst schloss sich Farmers Deutung als Harfen Psalterium an 10 Der Kanun Spieler und Musikhistoriker George Dimitri Sawa spricht dagegen von einer Zither 11 Al Farabi gab im 10 Jahrhundert einen Tonumfang von vier Oktaven an 12 Nach Abd al Qadir besass der sah rud im 15 Jahrhundert zehn Doppelsaiten und war doppelt so lang wie der ʿud 13 Ausser der beiden Darstellungen des Kitab al Musiqa ist ein abweichend gezeichneter sah rud in der Inkunabel aus dem Jahr 1474 des von Johannes Duns Scotus verfassten Werkes Quaestiones in librum II sententiarum abgebildet Die Inkunabel wird im Ethnographischen Museum in Brunn in Tschechien aufbewahrt und ist vermutlich in Brunn entstanden Das in einer Randzierleiste zwischen pflanzlichen Ornamenten als kolorierte Federzeichnung abgebildete Saiteninstrument wird von einer stehenden Musikerin in der Hand gehalten Dieses Instrument mit einer anderen Korpusform aber ebenfalls wie bei den arabischen Handschriften teilweise nach innen gekrummten Kanten und ohne Schalllocher wird perspektivisch in Spielhaltung gezeigt und erlaubt so eine Abschatzung seiner Grosse Dafur bleibt hier die Saitenzahl unklar da nur so viele Saiten parallel eingezeichnet wurden wie es bei der 25 Millimeter langen Abbildung moglich war Bei den arabischen Zeichnungen hat der Korpus sechs Kanten bei der Brunner Darstellung ist es eine mehr was jedoch auf eine Ungenauigkeit zuruckzufuhren sein kann Nach der Farbgebung zu urteilen ware eine Bespannung der Oberseite mit Tierhaut Pergament moglich gewesen 14 Verbreitung BearbeitenDer sah rud geht auf einen Musiker namens Ḫulaiṣ ibn al Aḥwaṣ auch Ḥakim ibn Aḥwaṣ al Suġdi genannt zuruck der dieses Instrument 918 19 in Samarkand einfuhrte und mit ihm im zentralasiatischen Sogdien umherzog Spater verbreitete es sich bis in den Irak nach Syrien und nach Agypten Arabische instrumentale Musik scheint sich nach den Angaben des Kitab al Musiqa al kabir um diese Zeit betrachtlich verandert zu haben Bis zum 9 10 Jahrhundert hatte sich aus der schlanken massiven Form des barbaṭ die heute bekannte Form der Kurzhalslaute mit einem aus Spanen gefertigten runden Korpus entwickelt die unter dem Namen ʿud seither das beliebteste arabische Saiteninstrument ist Tuhfat al ʿud war eine Laute halb so gross wie der ʿud Die vollkommene Laute ʿud kamil mit funf Doppelsaiten war der Massstab Wahrend der Herrschaft der Abbasiden gab es wie von al Farabi angegeben zwei verschiedene Langhalslauten die altere ṭunbur al mizani auch ṭunbur al baghdadi und die ṭunbur al churasani beide nach ihren Verbreitungsgebieten Bagdad bzw Chorasan benannt Hinzu kamen die selteneren Saiteninstrumente mit unverkurzt gezupften Saiten von denen die Leier miʿzafa haufiger verwendet wurde als die Harfe ǧank sowie die Trapezzither qanun Sanger begleiteten sich selbst auf Lauteninstrumenten es ist keine Schilderung bekannt wonach ein Sanger selbst eine Leier oder Harfe spielte 15 16 Der sah rud ist bis zum 15 Jahrhundert belegt Fur das 16 Jahrhundert ist seine Existenz nicht mehr nachweisbar Ein ahnlich kompliziertes Saiteninstrument ist eine von Wendelin Tieffenbrucker gebaute Erzlaute mit seitlich an einem harfenartigen Rahmen befestigten parallelen Saiten Dieses spatestens 1590 gefertigte aussergewohnliche Einzelstuck besass einen Tonumfang von 6 5 Oktaven und ware als Nachfolger des sah rud denkbar den der Lautenbauer Tieffenbrucker moglicherweise kannte 17 Literatur BearbeitenAl Farabi Kitab al Musiqi al Kabir Ins Persische ubersetzt von A Azarnush Teheran 1996 S 55 Henry George Farmer Islam Heinrich Besseler Max Schneider Hrsg Musikgeschichte in Bildern Band III Musik des Mittelalters und der Renaissance Lieferung 2 Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1966 S 96 116 Henry George Farmer A History of Arabian Music to the XIIIth Century Luzac London 1973 S 154 S 209 archive org 1 Auflage 1929 Henry George Farmer ʿud In The Encyclopaedia of Islam New Edition Band 10 Brill Leiden 2000 S 769 Pavel Kurfurst Der Sah rud In Archiv fur Musikwissenschaft 41 Jahrgang Heft 4 Steiner Stuttgart 1984 S 295 308 Einzelnachweise Bearbeiten Reproduziert in Henry George Farmer Islam Musikgeschichte in Bildern S 97 Henry George Farmer The Encyclopaedia of Islam S 769 Adrian McNeil Inventing the Sarod A Cultural History Seagull Books London 2004 S 27 ISBN 978 81 7046 213 2 Ersu Pekin The Sounds of Istanbul Music in Istanbul in the Ottoman Period History of Istanbul 2019 Owen Wright Arab music 7 Musical instruments i Pre 1918 In Grove Music Online 2001 Hans de Zeeuw The Ottoman Tanbur The Long Necked Lute of Ottoman Art Music Archaeopress Oxford 2022 S 22 Reproduziert als Frontispiz in Henry George Farmer A History of Arabian Music Pavel Kurfurst 1984 S 299 Henry George Farmer Islam Musikgeschichte in Bildern S 96 Pavel Kurfurst 1984 S 306 George Dimitri Sawa Classification of Musical Instruments in the Medieval Middle East In Virginia Danielson Scott Marius Dwight Reynolds Hrsg The Garland Encyclopedia of World Music Volume 6 The Middle East Routledge New York London 2002 S 395 Ellen Hickmann Musica instrumentalis Studien zur Klassifikation des Musikinstrumentariums im Mittelalter Sammlung musikwissenschaftlicher Abhandlungen Band 55 Valentin Koerner Baden Baden 1971 S 61 Henry George Farmer Islam Musikgeschichte in Bildern S 116 Pavel Kurfurst 1984 S 301 303 George Dimitri Sawa Music Performance Practice in the Early ʿAbbasid Era 132 320 AH 750 932 AD The Institute of Mediaeval Music Ottawa 2004 S 149 151 Henry George Farmer A History of Arabian Music S 155 Pavel Kurfurst 1984 S 308 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schahrud Saiteninstrument amp oldid 226419998