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Im so genannten Rumpfparlament traten vom 6 bis 18 Juni 1849 in Stuttgart vor allem die linken weiterhin revolutionsbereiten Abgeordneten der 1848 gewahlten Frankfurter Nationalversammlung zusammen Trotz des Scheiterns dieser ersten gesamtdeutschen Volksvertretung versuchten sie deren Arbeit fortzufuhren ein uber dessen Ziele hinausgehendes demokratisches und sozialrevolutionares Programm zu verwirklichen und die Errungenschaften der Marzrevolution zu bewahren Der Halbmondsaal der Stuttgarter Standekammer erster Tagungsort des Rumpfparlaments Lithographie von Jakob Heinrich Renz nach einer Zeichnung von Julius Nisle Nachdem Konig Friedrich Wilhelm IV von Preussen die Annahme der Kaiserwurde und der Paulskirchenverfassung verweigert hatte verblieb in Frankfurt nur eine kleine Gruppe konservativer Parlamentarier zusammen mit der Zentralgewalt Die meisten ubrigen Abgeordneten darunter die liberalen Befurworter einer konstitutionellen Monarchie hatten ihr Mandat auf Druck Preussens und anderer Staaten des Deutschen Bundes niedergelegt Auch Spannungen zwischen Gemassigten und Radikalen hatten zu Austritten aus der Nationalversammlung gefuhrt Nach deren Ausweisung aus Frankfurt wich ihr verbliebener linker Flugel in die Hauptstadt des Konigreichs Wurttemberg aus wurde von dort aber nach wenigen Tagen gewaltsam vertrieben Das Stuttgarter Rumpfparlament war der letzte Versuch die im Zuge der Marzrevolution entstandenen parlamentarisch demokratischen Strukturen zu retten Zugleich war es Ausdruck der Spaltung der parlamentarischen Bewegung im damaligen Deutschland Kurz nach seiner Auflosung wurde die auf Freiheit und Einheit Deutschlands zielende Revolution endgultig niedergeschlagen Die Bezeichnung selbst lehnte sich spottisch an die fur das englische Rumpfparlament an das entstanden war nachdem Oliver Cromwell 1648 alle missliebigen Abgeordneten aus dem Unterhaus vertrieben hatte Inhaltsverzeichnis 1 Bekampfung der Nationalversammlung 2 Radikalisierung des Rumpfparlaments 3 Ende 4 Erinnern vor Ort 5 Quellen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBekampfung der Nationalversammlung Bearbeiten nbsp Institutionen im revolutionaren Deutschland Juni und Juli 1849 Wahrend das Rumpfparlament und die Reichsregentschaft bekampft wurden unternahm der preussische Konig Schritte zur Erfurter UnionNach der Ablehnung der von der Kaiserdeputation der Nationalversammlung angebotenen Kaiserkrone durch den preussischen Konig Friedrich Wilhelm IV und der zogerlichen Annahme der Reichsverfassung durch die Staaten des Deutschen Bundes war die Arbeit der Frankfurter Nationalversammlung praktisch gescheitert Die grosseren Monarchien wie Preussen Osterreich Bayern und Sachsen aber auch das Konigreich Hannover beriefen ihre Abgeordneten widerrechtlich ab Viele gemassigt liberale Abgeordnete die hinter dem Konzept einer konstitutionellen Monarchie gestanden hatten legten ihr Mandat auch wegen der gewaltsamen Aufstande Badische Revolution Dresdner Maiaufstand Elberfelder Aufstand Iserlohner Aufstand von 1849 Pfalzischer Aufstand nieder Am 26 Mai musste die Nationalversammlung aufgrund der dauerhaft geringen Prasenz ihre Beschlussfahigkeitsgrenze auf 100 Abgeordnete absenken In der Paulskirche in Frankfurt verblieben im Laufe des Mai 1849 grossteils linke und dazu einige konservative Abgeordnete Dies wiederum fuhrte dazu dass die Stadt Frankfurt auf preussischen Druck die Ausweisung der restlichen Abgeordneten aus der Stadt vorbereitete Am 30 Mai beschloss die Mehrheit der Nationalversammlung daher der Einladung des wurttembergischen Abgeordneten Friedrich Romer der zugleich wurttembergischer Justizminister war zu folgen und von der Paulskirche in die Hauptstadt Wurttembergs umzuziehen Diese Losung schien den Abgeordneten vorteilhaft da Wurttemberg aufgrund innerer Spannungen und auf Betreiben Romers als erstes Konigreich bereits am 28 April 1849 die Reichsverfassung anerkannt hatte und ausserhalb des Einflussbereichs Preussens aber nahe an den suddeutschen Hochburgen der demokratischen Bewegungen lag Radikalisierung des Rumpfparlaments Bearbeiten nbsp Friedrich Romer Lithographie von Valentin Schertle 1848 In Stuttgart tagten die 154 verbliebenen Abgeordneten 1 ab dem 6 Juni im Halbmondsaal der wurttembergischen Standekammer Zum neuen Prasidenten des Parlaments wurde Wilhelm Loewe Calbe gewahlt da der bisherige Prasident Theodor Reh sein Abgeordnetenmandat niedergelegt hatte Da Reichsverweser Erzherzog Johann das Stuttgarter Rumpfparlament nicht anerkannte wurden die gesamte Provisorische Zentralgewalt von den Abgeordneten fur abgesetzt erklart Stattdessen proklamierte das Rumpfparlament eine provisorische Reichsregentschaft der die Abgeordneten Raveaux Vogt Simon und Schuler sowie August Becher angehorten Wichtigster Ausschuss war der nach der Anzahl der Delegierten benannte Funfzehnerausschuss der den Ausschuss zur Durchsetzung der Reichsverfassung ersetzte Der neue Tagungsort und die Reichsregentschaft konnten jedoch nicht daruber hinwegtauschen dass das Rumpfparlament nicht nur ohne reale Macht war sondern auch die tatsachliche Legitimation sowie die Verankerung mit dem politischen Geschehen in Deutschland kaum mehr vorhanden war So schrieb Romer am 17 Juni an Loewe Ich will mit Ihnen nicht streiten uber den rechtmassigen Bestand der bis auf hundert Mitglieder herabgesunkenen Nationalversammlung Ich fur meine Person erkenne an dass der Nationalversammlung zusteht ihre Geschaftsordnung hinsichtlich der Beschlussfahigkeit der Versammlung abzuandern und nach und nach selbst bis auf drei Mitglieder herabzusetzen Aber wenn es sich um die Anerkennung der Beschlusse einer solchen Versammlung handelt so muss man nach meiner Uberzeugung einen andern als den bloss juristischen Massstab anlegen Ende BearbeitenAngesichts der revolutionaren Unruhen im Rahmen der Reichsverfassungskampagne mit den nahen Brandherden in Baden und der Pfalz bereute die wurttembergische Regierung die nicht mit ihr abgestimmte Einladung an das Parlament schon nach wenigen Tagen insbesondere da sich das Rumpfparlament und die Reichsregentschaft immer mehr radikalisierten und zur Steuerverweigerung sowie zum militarischen Widerstand gegen die Nichtanerkennung der Verfassung durch die Bildung eines Reichsheeres aufriefen Gleichzeitig furchtete die wurttembergische Regierung ein Eingreifen der nach Baden vorruckenden preussischen Truppen aufgrund der Anwesenheit des Rumpfparlaments in Stuttgart nbsp Auflosung des Rumpfparlaments am 18 Juni 1849 Wurttembergische Dragoner treiben die Demonstration der ausgesperrten Abgeordneten auseinander Buchillustration von 1893 Romer legte sein Abgeordnetenmandat bereits in der ersten Sitzung am 6 Juni nieder nachdem die neue provisorische Reichsregentschaft dem eigenen Verstandnis als Reichsregierung folgend aber ohne politischen Realitatssinn die Hoheit uber alle Bundesstaaten des Deutschen Bundes beansprucht hatte und so auch die wurttembergische Autonomie beeintrachtigte Bereits nach der Sitzung vom 8 Juni musste das Parlament die Standekammer verlassen und sich einen provisorischen Tagungsort suchen Am 17 Juni teilte Romer dem Parlamentsprasidenten abends mit dass die wurttembergische Regierung sich in der Lage befindet das Tagen der hierher ubersiedelten Nationalversammlung und das Schalten der von ihr am 6 dieses Monats gewahlten Reichsregentschaft in Stuttgart und Wurttemberg nicht mehr langer dulden zu konnen Am 18 Juni besetzte wurttembergisches Militar vor Sitzungsbeginn den Tagungsort das Fritz sche Reithaus Der von den noch 99 in Stuttgart befindlichen Abgeordneten 2 daraufhin improvisierte Demonstrationszug in Richtung des Sitzungssaales wurde durch das Militar schnell und ohne Blutvergiessen aufgelost die nicht wurttembergischen Abgeordneten wurden des Landes verwiesen Die Reichsregentschaft um Raveaux floh uber Freiburg im Breisgau nach Baden Baden wo sie am 22 Juni eintraf um sich anschliessend mit einigen Abgeordneten nach Karlsruhe an den Sitz der badischen Revolutionsregierung zu begeben und die Nationalversammlung dort weiterzufuhren Bereits am Tag zuvor hatten die badischen Revolutionare im Gefecht bei Waghausel jedoch eine entscheidende Niederlage zu verzeichnen und befanden sich im teilweise ungeordneten Ruckzug insbesondere da eine zweite preussische Armee bei Germersheim den Rhein uberschritten hatte Daraufhin wandte sich die Reichsregentschaft wieder nach Freiburg wo sie ab dem 24 Juni ihren Sitz nahm Am 30 Juni floh sie vor den heranruckenden Truppen in die Schweiz Erinnern vor Ort Bearbeiten nbsp Diese Gedenktafel in der Leuschnerstrasse erinnert an das Stuttgarter Rumpfparlament Das Rumpfparlament tagte in der Zeit vom 6 bis zum 18 Juni an folgenden Orten 3 Im Alten Landtag 2 im in der Bierhalle August Kolb 1 im Fritzschen Reithaus 1 und im Hotel Marquardt 1 Am 18 Juni 1849 machten sich die Abgeordneten zu Fuss auf den Weg vom Hotel Marquardt zum Fritzschen Reithaus Auf Befehl von Friedrich Romer wurde das Reithaus zuvor schon von Truppen umstellt Auf dem Weg wurden die Abgeordneten in der Leuschnerstrasse die sich im Hospitalviertel befindet von einem Dragonerregiment gestoppt An diesem Ort befindet sich heute eine Stele die an das Rumpfparlament in Stuttgart erinnert Quellen BearbeitenDie Sitzungsprotokolle und Dokumente des Rumpfparlaments sind im Bundesarchiv in Koblenz zusammen mit den Dokumenten der Nationalversammlung unter der Signatur DB 51 verwahrt 4 Literatur BearbeitenEmil Adolph Rossmassler Die deutsche Nationalversammlung in Stuttgart Ein Tagebuch von einem Mitgliede derselben Georg Egersdorff Hechingen 1849 Digitalisat Heinrich Best Wilhelm Weege Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848 49 Droste Verlag Dusseldorf 1998 ISBN 3 7700 0919 3 Johann Gustav Droysen Aktenstucke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter Nationalversammlung Neudruck der Ausgabe 1924 Biblio Verlag Osnabruck 1967 ISBN 3 7648 0251 0 Michael Kienzle Dirk Mende Wollt Ihr den alten Uhland niederreiten Wie die 48er Revolution in Stuttgart ausging Dt Schillergesellschaft Marbach am Neckar 1998 Spuren vol 44 ISBN 3 929146 83 5 Wilhelm Ribhegge Das Parlament als Nation Die Frankfurter Nationalversammlung 1848 49 Droste Verlag Dusseldorf 1998 ISBN 3 7700 0920 7 Haus der Geschichte Baden Wurttemberg Hrsg Rettet die Freiheit Das Rumpfparlament 1849 in Stuttgart eine Revolution geht zu Ende Stuttgart 1999 ISBN 3 933726 14 XWeblinks BearbeitenBernhard Wordehoff Gegen Demokraten helfen nur Soldaten Das schmahliche Ende des ersten deutschen Parlaments am 18 Juni 1849 in Stuttgart Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit vom 16 Juni 1989 Nr 25 1989 S 45 46Einzelnachweise Bearbeiten Laut Protokoll nahmen an der 1 Sitzung in Stuttgart nur 105 Abgeordnete teil Google Digitalisat An der am 18 Juni nach der Auflosung der Demonstration noch im Hotel Marquardt durchgefuhrten 236 und letzten Sitzung nahmen gemass Protokoll noch 94 Abgeordnete teil Sudwest Presse Online Dienste GmbH Rumpfparlament Sommerserie Widerstand Das Stuttgarter Rumpfparlament 17 August 2017 abgerufen am 3 Juni 2019 Die Protokolle der funf Sitzungen des Rumpfparlaments sind abgedruckt in Franz Jakob Wigard Stenographischer Bericht uber die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main Band 9 Frankfurt a M 1849 S 6819 6886 Google DigitalisatSchritte zum 1 deutschen Parlament 1848 1849 Heppenheimer Tagung Heidelberger Versammlung der 51 Siebenerausschuss Vorparlament Funfzigerausschuss Siebzehnerausschuss Frankfurter Nationalversammlung Rumpfparlament Gothaer Nachparlament Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rumpfparlament Deutschland amp oldid 237165011