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Ruderalvegetation von lateinisch rudus Schutt wird die Pflanzenwelt von menschlich tiefgreifend uberpragten Standorten genannt deren Zusammensetzung nicht vom Menschen beabsichtigt wurde sondern die sich entweder auf ungenutzten bzw brach gefallenen Flachen von ihm unbeachtet oder auf devastierten ubernutzten oder vegetationsfrei gehaltenen Boden vielfaltig einstellt Brachflache im ersten JahrBrachflache im zweiten JahrBrachflache nach drei bis vier JahrenBrachflache nach funf bis sechs JahrenBrachflache nach sieben bis acht JahrenBrachflache nach neun bis zehn Jahren Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Entstehung 3 Ruderaler Strategietyp 4 Vegetation 5 Pflanzengesellschaften Mitteleuropas und ihre Bodenanspruche in Beispielen 5 1 Kurzlebige Ruderalfluren 5 2 Ausdauernde Ruderalfluren 5 3 Ruderale Vorwaldgesellschaften 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 WeblinksAllgemeines BearbeitenRuderale Standorte sind vom Menschen tiefgreifend uberpragt indem die vorherige Vegetation zerstort das Bodengefuge verandert und dadurch gegenuber den ursprunglichen Verhaltnissen abweichende Lebensmoglichkeiten geschaffen wurden Auf kunstlichen Boden z B Aufschuttungen Schotter Schutthalden Trummerschutt stellen sich bei spontaner Besiedlung immer ruderale Arten als Erstbesiedler ein Im Gegensatz zur Ruderalvegetation bezeichnet man die Unkraut Vegetation der bewirtschafteten v a Getreide Acker als Segetalvegetation Obwohl vom Menschen gleichermassen Unkraut genannt ist die Vegetation der Acker durch den jahrlichen Umbruch des Pflugens bestimmt und weist zahlreiche eigenstandige Arten auf Beide Unkraut Vegetationstypen haben auch eine Reihe gemeinsamer Arten Dabei ist die Vegetation der Hackfruchtkulturen wie Ruben oder Kartoffeln der Ruderalvegetation ahnlicher als diejenige der Getreidefelder Vor allem die Vegetation der Wintergetreideacker ist eigentlich die Segetalvegetation und weist die geringste Ahnlichkeit mit der Ruderalvegetation auf Fallt ein genutzter Acker brach verschwindet die Segetalvegetation nach wenigen Jahren und wird von ruderalen Pflanzenarten ersetzt Ein Spezialfall der Ruderalvegetation in der jungeren Geschichte war der Neubewuchs durch Pionierpflanzen auf den durch Luftangriffe und Bodenkampfe des Zweiten Weltkriegs entstandenen stadtischen Schutt und Trummerflachen Der fur die im urbanen Bereich ungewohnte bzw zuvor unbekannte Vegetation gebildete Begriff Trummerblume wurde insbesondere auf das Schmalblattrige Weidenroschen ubertragen Die Standorte der Ruderalvegetation sind so vielfaltig wie die menschlichen Einflusse auf die Natur selbst Die Vegetationsentwicklung z B auf feinerde und nahrstoffarmem Bahnschotter verlauft vollkommen anders als diejenige neben vollig uberdungten staunassen Mist oder Jaucheplatzen obwohl beide als ruderale Standorte klassifiziert werden Nahrstoffarme Ruderalfluren entstehen auch auf Boschungen Erdanrissen und Anschuttungen nach Baumassnahmen auf Bergbauhalden an unbefestigten Wegen oder Wegrandern Haufiger sind allerdings nahrstoffreiche Ruderalfluren Stark mit Stickstoff uberdungte Standorte weisen fast immer ruderale Vegetation auf da die Uberkonzentration der Nahrsalze auf nicht besonders angepasste Arten schadlich wirkt Entstehung BearbeitenRuderale Standorte sind aus Sicht der Evolution eine neuartige Erscheinung Es existieren deshalb verhaltnismassig wenige Pflanzenarten die hier ihren Ursprung haben und in der Naturlandschaft vollkommen abwesend waren Die meisten Ruderalarten sind von Sonderstandorten in der Urlandschaft auf diese Standorte ubergegangen oder sie sind aus anderen Klimazonen eingewandert Viele Ruderalarten entstammen den Uferzonen der grossen Flusse an denen die Dynamik des fliessenden Wassers schon immer vergleichbare Standorte geschaffen hatte Einige Arten stammen von Spulsaumen der Meereskuste unter Salzeinfluss gedeihende Arten sind besonders gut an mit Stickstoffsalzen uberdungte Standorte praadaptiert Bei manchen Arten spekuliert man uber fruhere Vorkommen an Tierbauen oder lagern wobei ein Nachweis hier so gut wie unmoglich ist Einige Arten sind aus der Steppenzone oder aus dem Mittelmeerraum zugewandert Besonders hoch ist der Anteil der Neophyten an der Ruderalvegetation Der Anteil dieser neu zugewanderten Arten liegt in naturnahen Vegetationseinheiten meist unter 5 kann aber in Ruderalfluren auf 30 und daruber ansteigen Man nimmt an dass zugewanderte Arten an ruderalen Standorten mit viel offenen Boden geringer Pragung durch Konkurrenzvorgange und unreifen Pflanzengemeinschaften geringen Evolutionsalters besonders gute Etablierungschancen besitzen Ruderaler Strategietyp BearbeitenIm klassischen und viel verwendeten Ordnungsschema des Okologen John Philip Grime definiert dieser den ruderalen Strategietyp als einen der drei grundlegenden Anpassungstypen der Pflanzenwelt 1 2 Grime definiert drei Typen Der Konkurrenztyp C nach engl competitor ist gegenuber anderen Pflanzenarten konkurrenzstark langlebig und gedeiht am besten auf gunstigen Standorten mit mittleren Bedingungen Der Stresstoleranztyp S vermag unter extremen Standortbedingungen zu gedeihen wohin ihm andere Arten nicht folgen konnen Der Ruderaltyp R ist kurzlebig aber ausbreitungsstark haufig hat er besonders viele langlebige Samen und bildet eine persistente Samenbank im Boden aus aus der die Art sich auch nach langer Zeit regenerieren kann wenn die Bedingungen fur sie wieder gunstig werden Tragt man die Arten nach ihrem Strategietyp in einem Diagramm auf bildet sich ein Dreieck Misch und Ubergangstypen finden sich in der Mitte Arten mit reinen Typen an den Spitzen Vegetation Bearbeiten nbsp RuderalfloraVon Ruderalpflanzen dominierte Vegetationsbestande lassen sich wie ublich als Pflanzengesellschaften beschreiben Aufgrund der Heterogenitat und Vielfalt der Ruderalfluren sind dabei extrem viele Einheiten beschrieben worden Die ubergeordnete Einteilung in Klassen und Ordnungen ist dabei recht gut geklart und relativ unstrittig Uber Anzahl Abgrenzung und Zusammensetzung der Assoziationen und ranglosen Gesellschaften existieren hingegen zahlreiche verschiedene oft krass widerspruchliche Auffassungen Die von Ein oder Zweijahrigen Arten beherrschten kurzlebigen Ruderalfluren werden zur Klasse Sisymbrietea mit der einzigen Ordnung Sisymbrietalia gestellt Bei den meisten alteren Autoren wurde diese Ordnung gemeinsam mit der Unkrautvegetation der Hackfruchtacker in der Klasse Chenopodietea zusammengefasst Die ausdauernden Ruderalfluren meist aus mehrjahrigen Hochstauden aufgebaut rechnet man zur Klasse Artemisietea Nahrstoffreiche meist im Halbschatten von Geholzen optimal ausgebildete Saum gesellschaften werden in der Klasse Galio Urticetea zusammengefasst Sie wurden fruher meist zu den Artemisietea gestellt Die verwandten beim Kahlschlag von Waldern aufwachsenden Schlagfluren fasst man in der Klasse Epilobietea angustifolii zusammen Die Stellung der aus Geholzarten aufgebauten ruderalen Gebusche und Vorwalder im System ist stark umstritten und schwierig zu fassen da es sich in der Regel um artenarme Gesellschaften handelt Im Verlauf der Sukzession gehen die Gesellschaften ineinander uber Die klassische Abfolge Einjahrige Sisymbrietea Gesellschaften Zweijahrige Ausdauernde Stauden Artemisietea Gesellschaften Straucharten Rhamno Prunetea oder ruderale Gebusche Baume Vorwaldgesellschaften Schlusswaldgesellschaften ist auf vielen Standorten anzutreffen aber keinesfalls allgemeingultig Es kommt relativ oft vor dass bereits auf nacktem Boden Straucharten und Vorwaldbaumarten wie Birke und Salweide keimen und aufwachsen Langerlebige Ruderalgesellschaften bleiben in der Regel nur dort erhalten wo die Sukzession durch haufige Storungen immer wieder unterbrochen wird Die unbeeinflusste Sukzession verlauft in der Regel auf nahrstoffreichen Boden viel schneller als auf nahrstoffarmen Bei ausreichender Samenzufuhr kann sie auf stickstoffreichen Boden bereits nach funf Jahren das Vorwaldstadium erreichen Pflanzengesellschaften Mitteleuropas und ihre Bodenanspruche in Beispielen Bearbeiten nbsp Wegrand mit Geflecktem Johanniskraut Ackerkratzdistel und Grasern Kurzlebige Ruderalfluren Bearbeiten Typische Pioniervegetation auf offenen Rohboden ist die Kompasslattichflur mit den Arten Kompasslattich Lactuca serriola Portulak Portulaca oleracea Kanadisches Berufkraut Conyza canadensis und Ungarische Rauke Sisymbrium altissimum Vor allem in grossen Stadten bildet die Mausegerstenflur mit der namengebenden Mause Gerste Hordeum murinum Bestande an Strassenrandern und offenen Brachflachen Der Kasseler Vegetationskundler Gerhard Hard hat dieser eine Monographie gewidmet 3 Ahnliche Standorte auch in Dorfern nehmen die Malvenfluren mit Weg Malve Malva neglecta Kleiner Malve Malva pusilla und der einjahrigen Kleinen Brennnessel ein Typisch fur Bahnhofe sind Meldenfluren mit Glanz Melde Atriplex nitens Spiess Melde Atriplex prostrata und Verschiedensamiger Melde Atriplex micrantha Erst seit etwa Mitte der 1990er Jahre breiten sich Meldenfluren auf den Mittelstreifen der Autobahnen aus wo die Verschiedensamige Melde mit ihren unterseits silbrigen Blattern kilometerlange Bander ausbildet Weit verbreitet zum Beispiel entlang der Feldwege in der Agrarlandschaft sind auch Raukenfluren mit Tauber Trespe Bromus sterilis und Weg Rauke Sisymbrium officinale Diese Art war namengebend fur die kurzlebigen Ruderalgesellschaften insgesamt Ausdauernde Ruderalfluren Bearbeiten Typisch fur feuchte stickstoffreiche Standorte warmerer Lagen ist die Kletten Beifuss Flur mit Grosser Klette Arctium lappa und Beifuss Artemisia vulgaris der namengebenden Art fur die ausdauernden Ruderalfluren Auf etwas trockeneren Standorten werden sie von Rainfarn Beifuss Fluren ersetzt in denen neben reichlich Brennnesseln auch der Rainfarn Tanacetum vulgare vorkommt Recht selten geworden sind dorfliche Unkrautfluren mit Gutem Heinrich Chenopodium bonus henricus und Schwarznessel Ballota nigra Ahnliche Platze bevorzugt die Schierlingsflur mit dem hochgiftigen gefleckten Schierling Conium maculatum Auch diese Art ist seit einiger Zeit auf die Autobahn Mittelstreifen ubergegangen Warmere und trockenere Standorte besiedeln Mohren Steinklee Fluren Gesellschaften aus diesem Verwandtschaftskreis sind vor allem im Hochsommer oft besonders bunt und blutenreich Typische Arten sind Wilde Mohre Daucus carota Weisser Steinklee Melilotus albus Echter Steinklee Melilotus officinalis Kleinblutige Konigskerze Verbascum thapsus und andere Verbascum Arten Gewohnlicher Natternkopf Echium vulgare Auf noch warmeren Standorten kommt die auffallende Eselsdistel Onopordum acanthium hinzu Sehr viele der kennzeichnenden Arten sind Zweijahrige die im ersten Jahr eine Blattrosette ausbilden erst im zweiten Jahr bluhen und danach absterben Auf sandigen Boden kommen zur selben Artenkombination Arten wie Dach Trespe Bromus tectorum und Nachtkerzen Oenothera biennis agg hinzu Haufiger Begleiter sind die Goldrutenarten Kanadische Goldrute Solidago canadensis und Riesen Goldrute Solidago gigantea In alteren Sukzessionsstadien konnen sie artenarme Hochstaudenfluren fast ohne weitere Arten ausbilden Auf nahrstoffreichen frischen Boden gern im Halbschatten von Geholzen wachst die Brennnessel Giersch Flur neben der namengebenden Grossen Brennnessel Urtica dioica und dem Giersch Aegopodium podagraria oft mit Roter Lichtnelke Silene dioica und Gefleckter Taubnessel Lamium maculatum Noch schattigere Standorte nehmen Waldinnensaume ein z B mit Knoblauchsrauke Alliaria petiolata Echter Nelkenwurz Geum urbanum Gundermann Glechoma hederacea Ruprechtskraut Geranium robertianum Hecken Kalberkropf Chaerophyllum temulum Auf entsprechenden Standorten breitet sich allerdings seit einigen Jahrzehnten mit weiterhin zunehmender Tendenz das einjahrige Drusige Springkraut Impatiens glandulifera aus welches durch seine Wuchshohe beinahe alle anderen Arten verdrangen kann Ruderale Vorwaldgesellschaften Bearbeiten Spatere Sukzessionsstadien auf Ruderalstandorten fuhren zum Eindringen von Geholzarten in die Ruderalvegetation Auf stickstoffreichen Boden ist oft der Holunder Sambucus nigra die erste Geholzart Auf nahrstoffarmeren Boden beginnt die Sukzession mit der Sandbirke Betula pendula d h hier fehlt ein Strauchstadium Birkenpionierwalder wachsen grossflachig auf feinerdearmen Rohboden auf Bahnschotter oder Industriebrachen Haufige Begleiter sind Robinie Robinia pseudoacacia seit etwa zwei Jahrzehnten zunehmend Sommerflieder Buddleja davidii in jungster Zeit zusatzlich Gotterbaum Ailanthus altissima Anstelle der Birkenvorwalder konnen manchmal Dickichte der Armenischen Brombeere Rubus armeniacus einer verwilderten Gartenpflanze treten Dickichte und Waldchen aus diesen Arten finden sich oft kilometerlang entlang von Bahndammen Auf besseren Boden z B Gartenbrachen bilden die Laubbaumarten Berg Ahorn Acer pseudoplatanus und Esche Fraxinus excelsior charakteristische Vorwalder meist mit Arten der Waldinnensaume und Holunder als Unterwuchs Siehe auch BearbeitenHalbruderaler Trockenrasen SchuttvegetationLiteratur BearbeitenHeinz Ellenberg Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in okologischer dynamischer und historischer Sicht UTB fur Wissenschaft Grosse Reihe Band 8104 5 stark veranderte und verbesserte Auflage Eugen Ulmer Stuttgart Hohenheim 1996 ISBN 3 8252 8104 3 Claus Peter Hutter Hrsg Annette Otte Conrad Fink Ackerland und Siedlungen Biotope erkennen bestimmen schutzen Weitbrecht Stuttgart 1999 ISBN 3 522 72061 X Leonie Jedicke Eckhard Jedicke Farbatlas Landschaften und Biotope Deutschlands Eugen Ulmer Stuttgart 1992 ISBN 3 8001 3320 2 Einzelnachweise Bearbeiten John Philip Grime Vegetation classification by reference to strategies In Nature Band 250 1974 S 26 31 doi 10 1038 250026a0 John Philip Grime Plant strategies and vegetation processes Wiley Chichester u a 1979 ISBN 0 471 99695 5 222 S Gerhard Hard Ruderalvegetation Okologie und Ethnookologie Asthetik und Schutz In Notizbuch der Kassler Schule Band 49 1998 Kassel ISBN 3 00 003491 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ruderalvegetation Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Brachflache Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ruderalvegetation sehr informative Seite von Dietmar Brandes Technische Universitat Braunschweig Pflanzengesellschaften des Rheinlands Die deutschen Pflanzengesellschaften mit Roter Liste bei Floraweb Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ruderalvegetation amp oldid 239012680