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Die Ackerbegleitflora oder Segetalflora von lateinisch seges Saat bzw von segetalis zur Saat gehorig 1 2 umfasst alle wildwachsenden Pflanzenarten die neben den vom Landwirt auf den Ackern und Weinbergen angebauten Kulturpflanzen wachsen Die Gemeinschaft der auf einem bestimmten Standort vorkommenden Segetalarten wird als Ackerunkrautgesellschaft bezeichnet In Deutschland gehoren zur Segetalflora 150 Arten Viele dieser Arten sind aufgrund der intensiven Landwirtschaft in ihrem Bestand bedroht und stehen auf der Roten Liste Viele von ihnen haben deutsche Acker im Saatgut der fruhgeschichtlichen Ausbreitung des Ackerbaus aus dem Mittelmeerraum erreicht und konnen sich ausserhalb der Acker oft nicht etablieren Kornrade Agrostemma githago und andere Ackerbegleitpflanzen Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Geschichte 3 Agrarokologie 4 Unkraut 5 Standort 6 Gefahrdungen 7 Naturschutz 8 Siehe auch 9 Literatur 10 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenDie Begriffe Ackerunkrauter Ackerbegleitflora und Segetalflora konnen synonym verwendet werden Jedoch bestehen einige begriffliche Unterschiede Unkrauter enthalt eine wertende Konnotation und bezeichnet die auf Ackern ohne direktes Zutun des Menschen auftretenden unerwunschten Arten 3 Ackerbegleitflora verweist auf die Lebensweise dieser Pflanzen neben Kulturpflanzen begleitend zu existieren Segetalflora bezeichnet wildwachsende Pflanzen in Ackern und Weinbergen Eine Ackerbegleitpflanze beschreibt eine einzelne Art oder ein Individuum das zur Ackerbegleitflora bzw zur Segetalflora gezahlt wird Weiterhin ist eine okologische und eine okonomische Definition in Gebrauch Nach der okologischen Definition sind Ackerbegleitpflanzen Pflanzen die gesellschaftsbildend mit den Nutzpflanzen zusammen auftreten deren Kultur fur sie ertraglich forderlich oder sogar lebensnotwendig ist Nach der okonomischen Definition sind es Pflanzen die unerwunschterweise auf dem Kulturland wachsen und dort mehr Schaden als Nutzen verursachen 4 Allerdings ist darauf zu verweisen dass nur ein kleiner Teil der Ackerbegleitflora tatsachlich zu wirtschaftlichen Schaden fuhrt Siehe Abschnitt zu Unkraut Beispiele fur Ackerbegleitpflanzen nbsp Einjahriger Ziest Stachys annua nbsp Kuhnelke Gypsophila vaccaria nbsp Weinbergs Traubenhyazinthe Muscari neglectum nbsp Kopf Binse Juncus capitatus Geschichte BearbeitenSeit Anbeginn des Ackerbaus werden die Kulturpflanzen von Wildpflanzen begleitet Wobei der Begriff Wildpflanze irrefuhrend ist Viele Ackerbegleitflora machten eine Koevolution durch und passten sich ihrer Lebensweise der menschlichen Feldbearbeitung an 3 Bestimmte Pflanzen wie die Kornrade Agrostemma githago haben einige ihrer Wildeigenschaften verloren Einige Autoren verneinen eine tatsachliche Koevolution Definitiv werden aber die Ackerbegleitflora als obligate Unkrauter bezeichnet die ohne Ackerbau bzw Kulturpflanzen nicht im gleichen Masse uberlebensfahig waren Mitteleuropa erreichte die agrarische Revolution und damit die Ackerbegleitflora des Neolithikums ungefahr 6000 Jahre vor unserer Zeitrechnung was fossile Befunde von Saatgut von Ackerbegleitflora bestatigen Der Import des Ackerbaus hatte zur Folge dass viele Arten aus den fruh ackerbaulichen Regionen des Mittelmeerraums und des Nahen Ostens ins restliche Europa einwandern konnten 5 Analysen der Verbreitung von Unkraut Arten zeigen dass ein Drittel der Arten in ganz Europa 15 in Mitteleuropa 23 in Sudeuropa und 12 der Arten im atlantischen Westeuropa vorkommen aber nur 2 4 der Arten in Osteuropa vorkommt Weit uber 90 aller Arten hat ihre Heimat im Mittelmeerraum bzw im westlichen Asien Viele der heutigen Ackerbegleitflora sind Archaophyten 5 Wahrend des Mittelalters breitete sich der Weinanbau nach Norden aus Warmeliebende Arten wie die Weinberg Traubenhyazinthe die Wein Tulpe und die Acker Ringelblume wanderten so von ihren ursprunglichen Regionen im Mittelmeerraum nach Norden mit 3 Seit der Neuentdeckung Amerikas durch Kolumbus wurden vermehrt Arten aus anderen Kontinenten nach Europa verfrachtet diese Neophyten genannte Pflanzen konnen als Problemunkrauter in Feldern oder als invasive Neophyten Gefahren fur die hiesige Biodiversitat darstellen Nennenswerte Beispiele sind das allergene Aufrechte Traubenkraut nordamerikanische Fuchschwanzarten oder das kanadische Berufkraut Wiederum gerieten europaische Arten ins Ausland und verursachen dort in der Landwirtschaft Probleme Beispiele hierfur sind die Echte Zaunwinde in Nordamerika und das Echte Johanniskraut in Australien und Neuseeland Wesentliche Veranderungen erfuhr die Biodiversitat auf den Ackern durch die Intensivierung der Landwirtschaft Faktoren wie zunehmender Einsatz von Pflanzenschutz und Dungemittel in ihrer Vielfalt abnehmende Fruchtfolgen und Saatgutreinigung 6 verursachten eine Abnahme und Veranderung in der Zusammensetzung der Ackerbegleitpflanzen Es ist anzunehmen dass sich die Diversitat der Segetalflora mit der menschlichen Bearbeitung andern und anpassen wird Die Unkrautflora der Felder hat sich geandert sie hat sich den neuen Bewirtschaftungsmethoden angepasst ein Prozess der standig weitergehen und nie enden wird 5 Agrarokologie BearbeitenPflanzen auf Ackerstandorten verfolgen diverse Strategien um auf diesen Standorten erfolgreich zu uberleben Ihre Diasporen sind relativ langlebig sie haben oft einen fruhen Bluhzeitpunkt sie produzieren oft hohe Samenmengen sie konnen mehrmals pro Jahr fruchten und haben ein hohes vegetatives Regenerationsvermogen 7 Nicht nur Wildpflanzen sondern auch Kulturpflanzen aus der Vorfrucht konnen als Ackerbegleitflora auftreten 8 nbsp Die Astige Sommerwurz Phelipanche ramosa ein fruher in Mitteleuropa weitverbreiteter Parasit auf Raps Hanf und TomateUnkrauter konnen um Licht Nahrstoffe Wasser konkurrieren oder auch um mehrere Faktoren gleichzeitig Allerdings kann die Ackerbegleiflora auch nutzliche Eigenschaften fur die Kulturpflanzen mitbringen z B kann sie den Oberboden vor Erosion schutzen 8 und die verschiedenen Pflanzen konnen als Wirte fur Nutzlinge dienen 9 Weitere okologische Wechselwirkungen sind auf allelopathischer Ebene zu finden Gewisse Pflanzen sondern uber die Luft uber ihre Pflanzenteile oder uber den Boden Substanzen ab welche die Kulturpflanzen schadigen konnen Umgekehrt gibt es auch Kulturpflanzen die die Begleitflora allelopathisch beeintrachtigen und es existieren Ackerbegleitpflanzen die durch Allelopathie Unkrauter hemmen konnen 8 Eine beachtenswerte okologische Interaktion ist die zwischen parasitischen Pflanzen wie verschiedene Arten der Sommerwurzen oder der Gattung Striga mit Nutzpflanzen Diese Pflanzen zwicken den Nutzpflanzen uber die Wurzeln Nahrstoffe ab und konnen so ertragsschadlich sein 8 Unkraut Bearbeiten nbsp Das Kanadische Berufkraut Erigeron canadensis ist ein gefurchtetes AckerunkrautAckerkrauter werden oftmals als Unkrauter bezeichnet Diese Bezeichnung ist aber irrefuhrend und sollte fur den grossen Teil dieser Arten vermieden werden Im strengen Sinne sind nur unerwunschte und ohne das direkte menschliche Zutun auf Ackern auftretende Pflanzen als Ackerunkrauter zu bezeichnen 3 Nur Ackerbegleitpflanzen die in einem Kulturpflanzenbestand mehr Schaden als Nutzen verursachen werden deshalb als Unkrauter bezeichnet 8 Unkrauter sind Pflanzen sowohl eigentlich als botanisch klassifizierte Krauter als auch Graser die aus okonomischen und asthetischen Grunden unerwunscht sind Aus verschiedenen Studien ist ersichtlich dass nur ein kleiner Teil der Ackerbegleitflora tatsachlich okonomische Schaden im Feld verursacht 5 8 9 7 Das Wachstum im Felde kann fur viele dieser Arten als asthetisch bewertet werden vor allem wenn die Blutenpracht von Arten wie Mohn Papaver spec oder der Weinberg Tulpe Tulipa sylvestrisi betrachtet wird Allerdings sind nicht alle Kulturpflanzen gleich resistent gegen Begleitpflanzen Mohren und Zwiebeln liefern ohne Unkrautbekampfung nur geringe Ertrage diese Pflanzen sind zu wenig konkurrenzstark auch gegen konkurrenzschwache Ackerbegleitpflanzen 8 Weiterhin ist zu bedenken dass ohne chemische Unkrautbekampfung die Ernteertrage erhebliche Einbussen erfahren konnen und dass Unkrauter als Zwischenwirte fur Krankheiten und Schadlinge und als Storfaktoren der mechanischen Feldbestellung gelten konnen 5 Es gibt aber auch Ergebnisse aus dem Bereich der Phytopathologie die den Status als Zwischenwirte fur Krankheiten und Schadlinge relativieren 10 Veranderungen vom Status als Unkraut sind moglich durch die Entwicklung neuer Bearbeitungsmethoden und z B die durch genetische Weiterentwicklung erhaltene Herbizidresistenz von Ackerpflanzen Standort BearbeitenAckerbegleitpflanzen besiedeln eine Vielzahl an Standorten und sind an verschiedene Bewirtschaftungsmethoden angepasst So finden sich Pflanzen auf Weinbergen Getreideackern Hackfruchtfluren Brachen Reisanbaugebieten und Garten Gewisse Pflanzen konnen auch als Ruderalpflanzen an z B Strassenrandern auftauchen Bestimmte Arten wie das mittlerweile seltene rundblattrige Hasenohr die Kornrade und das Sommer Adonisroschen sind an Kalkstandorte mit basischem Boden angepasst Arten wie der Hasenklee oder die Acker Hundskamille bevorzugen sandige bzw saure Boden Arten die spat bluhen sind auf sogenannte Stoppelfelder angewiesen Das sind Felder wo nach der Ernte die Stoppeln nicht unmittelbar umgebrochen werden Die sehr seltenen und spat bluhenden Tannelkraut Arten kommen bei einem wie heutzutage oft praktizierten fruhen Stoppelumbruch kaum mehr zur Samenentwicklung 3 Gefahrdungen BearbeitenSeit dem Ende des 19 Jahrhunderts nehmen die Ackerbegleitpflanzen in ihrer Anzahl Artengemisch und Ausbreitung ab Die starkste Abnahme fand seit 1950 statt wo die Blutenpracht der Krauter an diversen Standorten noch sichtbar war 3 Hauptgrunde fur die Abnahme waren folgende Wirtschaftsmassnahmen Auflassen ertragsschwacher und nur extensiv zu bewirtschaftenden Ackerflachen Saatgutreinigung Veranderung der Bodenbearbeitung Bodenverbessernde Massnahmen wie Dungung und Kalkung chemische Unkrautbekampfung eine Veranderung der Anbauverhaltnisse und das Verschwinden von alten Kulturpflanzen wie z B dem Lein und dessen Begleitpflanzen Diese Massnahmen hatten aber wiederum eine starke Zunahme an bestimmten Problemunkrautern zur Folge welche Einbussen im landwirtschaftlichen Betrieb zur Folge haben 3 Ackerbegleitpflanzen sind mittlerweile durch zahlreiche Arten in den Roten Listen der gefahrdeten verschollenen und ausgestorbenen Pflanzenarten vertreten und dazu oft mit den hochsten Gefahrdungsgraden 3 6 9 7 Die intensive Landwirtschaft wird als Hauptverantwortungstrager des Artenverlusts angesehen 9 Als Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft gelten 11 Verschwinden bereits fruherer seltenen Arten Verschwinden von Wildkrautern alter Kultursorten wie dem Lein Starker Ruckgang bzw Verschwinden von Saatpflanzen wie der Kornrade und dem Sommer Adonisroschen Starker Ruckgang von Zwiebelgeophyten insbesondere auf Weinbergen Ruckgang von niedrigwuchsigen Stoppelwildkrautern und Ruckgang von Pflanzen die nach der Ernte nochmals zur Blute kommen Starker Ruckgang von Arten der Kalkscherbenboden Ruckgang von Arten stark saurer und nahrstoffarmer Sandboden Ruckgang von Feuchtezeigern nbsp Der Gezahnte Leindotter Camelina alyssum ist eine typische Pflanze der heute in Mitteleuropa selten anzutreffenden Leinfeldern nbsp Das Kleine Mauseschwanzchen Myosurus minimus wachst auf feuchten Boden und ist ein FeuchtezeigerNaturschutz Bearbeiten nbsp Der Acker Mannsschild Andorsace maxima eine mittlerweile seltene AckerpflanzeEs gibt unterschiedliche Projekte zur Forderung und Erhalt der Ackerbegleitflora Massnahmen die ergriffen werden sind z B Schutzflachen Artenhilfsprogramme Informationsbroschuren Extensivierungen von Ackerflachen Ackerrandstreifen und Stillegungsflachen 3 Nennenswert ist dass auf Flachen die im Rahmen des okologischen Landbaus wie BioSuisse in der Schweiz bestellt werden merklich mehr Ackerpflanzen aufweisen als konventionell bestellte Ackerflachen 7 Problematisch ist dass zurzeit die existierenden Standorte von Ackerbegleitpflanzen stark auseinanderliegen deshalb muss das Saatgut durch den Menschen eingebracht werden um so die Distanz zu reduzieren mit der seltene Pflanzen in neue Gebiete einwandern konnten 7 Schutzacker sind Flachen deren zentrale Rolle eine offentlichkeitsinformierende und naturkonservierende ist Diese Acker konnen verschiedene Leistungen erbringen wodurch Ackerbegleitflora profitieren konnen Das beinhaltet die Bereitstellung genetischer Ressourcen das Schaffen eines Lebensraumes fur Bestauber und Nutzlinge ein attraktives Naherholungsgebiet wissenschaftliche Untersuchungsstandorte und eine Forderung der Umweltbildung 7 Siehe auch BearbeitenUnkrautLiteratur BearbeitenKlaus Arlt Werner Hilbig Hubert Illig Ackerunkrauter Ackerwildkrauter Die Neue Brehm Bucherei Bd 607 Ziemsen Wittenberg Lutherstadt 1991 ISBN 3 7403 0248 8 Saturnin Borowiec Bernhard Kaussmann Joachim Kudoke Eine Ubersicht zu bestimmenden Ackerunkraut Leitgesellschaften in den jungpleistozanen Ackerfluren des NW der VR Polen und des Nordens der DDR In Gleditschia 15 Wiley VCH Berlin 1987 ISSN 0323 6862 S 211 263 Heinz Ellenberg Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in okologischer Sicht 4 verbesserte Auflage Ulmer Stuttgart 1986 ISBN 3 8001 3430 6 1 Auflage 1963 Einzelnachweise Bearbeiten Maren Oelke Untersuchungen zur genetischen Diversitat am Beispiel der Segetalart Euphorbia exigua L auf unterschiedlichen Standorten des Norddeutschen Tieflandes Hrsg Umweltbundesamt 2003 ISSN 0722 186X S 16 umweltbundesamt de PDF BUND Naturschutz in Bayern e V Ackerwildkrauter fordern Infos und Tipps fur die landwirtschaftliche Praxis Nurnberg S 4 bayern de PDF a b c d e f g h i Stefan Meyer Ackerwildkrautschutz eine Bibliographie Bonn 2013 ISBN 978 3 89624 086 6 Rademacher Neuartige Unkrautbekampfungsmittel auf Wuchsstoffgrundlage In Zeitschrift fur Pflanzenkrankheiten Band 55 Nr 7 Verlag Eugen Ulmer KG Stuttgart 1948 S 201 213 a b c d e Martin Hanf Ackerunkrauter Europas mit ihren Keimlingen und Samen 4 Auflage BLV Munchen 1999 ISBN 978 3 405 14118 9 a b Simone Schneider Konzeption zum Schutz gefahrdeter Ackerwildkrauter in Luxemburg In siscona lu 2017 abgerufen am 1 Januar 2022 a b c d e f Stefan Zerbe Renaturierung von Okosystemen im Spannungsfeld von Mensch und Umwelt Ein interdisziplinares Fachbuch 1st ed 2019 Berlin Heidelberg 2019 ISBN 978 3 662 58650 1 a b c d e f g Konrad Martin Agrarokologie 21 Tabellen Stuttgart Hohenheim 2006 ISBN 978 3 8252 2793 7 a b c d Thomas van Elsen Species diversity as a task for organic agriculture in Europe In Agriculture Ecosystems amp Environment Band 77 Nr 1 2 Januar 2000 S 101 109 doi 10 1016 S0167 8809 99 00096 1 elsevier com abgerufen am 6 Januar 2022 Karl M Hartmann Werner Nezadal Photocontrol of Weeds Without Herbicides In Naturwissenschaften Band 77 Nr 4 April 1990 ISSN 0028 1042 S 158 163 doi 10 1007 BF01131157 springer com abgerufen am 6 Januar 2022 W Hilbig Schutz und Erhaltung der Segetalvegetation und ihrer gefahrdeten Arten Ackerwildpflanzenschutz In Feddes Repertorium Band 113 Nr 5 6 2002 ISSN 1522 239X S 404 421 doi 10 1002 1522 239X 200210 113 5 6 lt 404 AID FEDR404 gt 3 0 CO 2 W wiley com abgerufen am 6 Januar 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Segetalflora amp oldid 235180435