www.wikidata.de-de.nina.az
Pikrinsaure altgriechisch pikros pikros bitter ist der Trivialname fur 2 4 6 Trinitrophenol TNP Die Saure besteht aus einem Benzolring an den eine Hydroxygruppe OH und drei Nitrogruppen NO2 als Substituenten gebunden sind Sie gehort damit zur Stoffgruppe der Trinitrophenole Ihre Salze heissen Pikrate Dieser Artikel wurde auf der Qualitatssicherungsseite der Redaktion Chemie eingetragen Dies geschieht um die Qualitat der Artikel aus dem Themengebiet Chemie formal und inhaltlich auf ein in der Wikipedia gewunschtes Niveau zu bringen Wir sind dankbar fur deine Mithilfe bitte beteilige dich an der Diskussion neuer Eintrag oder uberarbeite den Artikel entsprechend StrukturformelAllgemeinesName PikrinsaureAndere Namen 2 4 6 Trinitrophenol Trinitrophenol TNP Weltersches Bitter 1 Summenformel C6H3N3O7Kurzbeschreibung leuchtend gelbe blatt oder prismaformige Kristalle die extrem bitter schmecken und beim raschen 2 Erhitzen verpuffen 3 Externe Identifikatoren DatenbankenCAS Nummer 88 89 1EG Nummer 201 865 9ECHA InfoCard 100 001 696PubChem 6954ChemSpider 6688DrugBank DB03651Wikidata Q189298EigenschaftenMolare Masse 229 11 g mol 1Aggregatzustand festDichte 1 76 g cm 3 4 Schmelzpunkt 122 C Polymorph I 4 5 6 105 C Polymorph II 6 75 C Polymorph III 6 pKS Wert 0 29 5 Loslichkeit wenig in Wasser 14 g l 1 bei 20 C 4 leicht loslich in Ethanol und Diethylether 7 SicherheitshinweiseGHS Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung EG Nr 1272 2008 CLP 9 ggf erweitert 8 wasserfrei GefahrH und P Satze H 201 331 311 301 8 P 210 280 301 310 312 10 4 MAK Schweiz 0 1 mg m 3 gemessen als einatembarer Staub 11 Soweit moglich und gebrauchlich werden SI Einheiten verwendet Wenn nicht anders vermerkt gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Darstellung und Gewinnung 3 Eigenschaften 3 1 Physikalische Gefahren 3 2 Toxikologie 4 Verwendung 5 Rechtliches 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Pikrinsaure Historische Farbstoffsammlung der TU Dresden Durch Behandlung von Indigo mit Salpetersaure konnte Peter Woulfe als erster 1771 Pikrinsaure darstellen 12 13 Neben der Gelbfarbung von Seide hatte sie zunachst noch keine Bedeutung 14 Die Substanz war das erste detonierende brisante Geschoss Fullmittel und wurde als Lyddit Ekrasit Schimose oder Melinit ab 1886 so verwendet nachdem der Franzose Eugene Turpin die Sprengstoffeigenschaft der Pikrinsaure entdeckt hatte 14 1864 verfasste der deutsche Arzt Wilhelm Erb eine Arbeit uber Physiologische und therapeutische Wirkungen der Pikrin Saure 1865 habilitierte er sich auch mit einer Arbeit zu dieser Thematik 15 Im ausgehenden 19 Jahrhundert wurde Pikrinsaure verbreitet zum Farben von Backwaren verwendet und war als Weltersches Bitter 1 bekannt Dies wurde nach zahlreichen Vergiftungsfallen jedoch unterbunden Bei der katastrophalen Halifax Explosion im Jahre 1917 detonierten unter anderem 2300 Tonnen Pikrinsaure 16 Pikrinsaure wurde im Ersten und z T auch im Zweiten Weltkrieg als Sprengladung fur Granaten verwendet 17 Wegen der unkontrollierten Bildung von sehr stossempfindlichen Schwermetallpikraten ersetzte man die Pikrinsaure durch TNT Darstellung und Gewinnung BearbeitenDie Pikrinsaure wird uber die Sulfonierung von Phenol zu Phenol 2 4 disulfonsaure und nachfolgende Behandlung mit Salpetersaure hergestellt 14 nbsp Synthese von PikrinsaureAlternativ bietet sich die Darstellung aus Chlorbenzol uber 2 4 Dinitrochlorbenzol 2 4 Dinitrophenol und dessen erneute Nitrierung an 18 Eine direkte Herstellung der Substanz gelingt durch die Oxynitrierung von Benzol durch konzentrierte Salpetersaure in Gegenwart von Quecksilber II nitrat 14 Fruher wurde Pikrinsaure auch aus Akaroidharz hergestellt Eigenschaften BearbeitenPikrinsaure bildet leuchtend gelbe stark bitter schmeckende Kristalle Sie ist nur schwer in kaltem Wasser loslich besser loslich in siedendem Wasser und leicht loslich in Ethanol und Benzol Bedingt durch die Haufung elektronenziehender Nitrogruppen NO2 reagiert die phenolische Hydroxygruppe der Pikrinsaure stark sauer pKs 0 29 Pikrinsaure kristallisiert in der orthorhombischen Raumgruppe Pca21 mit a 9 13 A b 18 69 A c 9 79 A und a b g 90 19 Physikalische Gefahren Bearbeiten An der Luft verbrennt Pikrinsaure mit starker Rauchentwicklung bei sehr raschem Erhitzen oder Initialzundung erfolgt Detonation Pikrinsaure ist empfindlich gegen thermische Hitze Feuer und mechanische Schlag Reibung Belastung und gilt im Sinne des Sprengstoffgesetzes als explosionsgefahrlicher Stoff Fur den Versand zur Verwendung als Laborchemikalie siehe unten wird die kristallisierte Saure durch Zugabe von etwa 30 50 Wasser stabilisiert phlegmatisiert Tabelle mit wichtigen explosionsrelevanten Eigenschaften Bildungsenergie 865 9 kJ kg 1 20 Bildungsenthalpie 936 2 kJ kg 1 20 Sauerstoffbilanz 45 4 20 Stickstoffgehalt 18 34 20 Normalgasvolumen 881 l kg 1 20 Explosionswarme 3546 kJ kg 1 H2O l 3465 kJ kg 1 H2O g 20 Spezifische Energie 1033 kJ kg 1 105 3 mt kg 20 Bleiblockausbauchung 31 5 cm3 g 1 20 Detonationsgeschwindigkeit 7350 m s 1Stahlhulsentest Grenzdurchmesser 4 mm 20 Schlagempfindlichkeit 7 4 Nm 20 Reibempfindlichkeit bis 353 N keine Reaktion 20 Pikrinsaure bildet mit zahlreichen anorganischen und organischen Basen Salze die als Pikrate bezeichnet werden Als starke Saure greift sie in wassriger Losung zudem unedle Metalle unter Pikratbildung an Einige der Salze z B Bleipikrat sind extrem empfindlich gegenuber Schlag Reibung und Funken Sie verhalten sich somit wie Initialsprengstoffe Ammoniumpikrat wurde als Sprengstoff verwendet Ebenfalls als Pikrate bezeichnet werden die Charge Transfer Komplexe die Pikrinsaure mit Aromaten bildet Diese Feststoffe sind oft schwerloslich und farbig Wegen der charakteristischen und scharfen Schmelzpunkte z B Benzol Pikrat 84 C 5 Toluol Pikrat 88 C 5 Anthracen Pikrat 138 C 5 wurde Pikrinsaure vor allem fruher als Nachweisreagenz zur Identifikation von Aromaten verwendet Toxikologie Bearbeiten Pikrinsaure ist giftig Auf der Haut kann sie starke allergische Reaktionen hervorrufen Die Kontamination mit Stauben und Dampfen ist daher zu vermeiden Verwendung BearbeitenPrimar dient die Pikrinsaure der Farbstoffindustrie zur Herstellung von 2 Amino 4 6 dinitrophenol Pikraminsaure Sie wurde fruher zusammen mit Gummi arabicum und destilliertem Wasser zur Herstellung gelber Tinte verwendet Ein weiteres Einsatzgebiet ist die organische Analytik zum Nachweis von Aminen Alkaloiden und Kreatinin Diese basischen Stoffe bilden gelbe Salze welche durch ihren Schmelzpunkt charakterisiert werden Derivat Bildung In der Histologie wird Pikrinsaure in dem Fixiergemisch nach Bouin Bouinsche Losung verwendet In der Mikroskopie verwendet man Pikrinsaure als Bestandteil von Fixierflussigkeiten zur Konservierung zellularer Strukturen und zum Anfarben von Praparaten Ein weiteres Einsatzgebiet von Pikrinsaure ist die Metallografie Hier wird die Substanz zum Atzen metallischer Oberflachen verwendet z B bei der Praparation von Magnesiumlegierungen oder bei Seigerungsuntersuchungen an Stahlen Die Atzung der Stahle wird mit Igeweskys Reagenz einer funfprozentigen Losung von Pikrinsaure in wasserfreiem Alkohol durchgefuhrt Pikrinsaure dient auch der Kreatinin Konzentrationsmessung Kreatinin bildet in alkalischer Losung mit Pikrinsaure einen Meisenheimer Komplex Jaffe Reaktion dessen rote Farbe photometrisch gemessen wird Amine bilden mit Pikrinsaure Salze die einen scharfen charakteristischen Schmelzpunkt haben Fruher und heute noch in der Chemieausbildung wurden Amine so nachgewiesen und identifiziert Pikrinsaure bildet mit Cyanwasserstoff HCN rotes Isopurpurat Durch photometrische Messung des resultierenden Farbstoffs kann Pikrinsaure zur Quantifizierung von Cyanwasserstoff verwendet werden 21 Rechtliches BearbeitenPikrinsaure ist im Sinne des deutschen Sprengstoffgesetzes als explosionsgefahrlicher Stoff der Stoffgruppe A trocken bzw C mit 25 Wasser angefeuchtet gemass 1 Abs 3 Sprengstoffgesetz eingestuft 22 Fur Privatpersonen ist trockene Pikrinsaure somit nach 27 SprengG erlaubnispflichtig Trocken ist Pikrinsaure in Lagergruppe 1 1 oder I bzw als Gefahrgut in Klasse 1 1 Stoffe die massenexplosionsfahig sind eingestuft 4 angefeuchtet mit 30 Wasser in Lagergruppe 1 4 23 Als handelsubliches Produkt ist Pikrinsaure mit gt 30 Wasser angefeuchtet und damit phlegmatisiert 4 Angefeuchtet gt 30 Wasser verhalt sich Pikrinsaure wie ein entzundlicher Feststoff und wird zum Transport als Entzundbarer fester Stoff der Gefahrgutklasse 4 1 nach ADR gekennzeichnet 24 Pikrinsaure wird in aller Regel mit mindestens 30 Wasser phlegmatisiert gelagert und gilt dann nicht mehr als explosionsgefahrlich die GHS Kennzeichnung lautet dann wie folgt Pikrinsaure mit gt 30 WasserGHS Kennzeichnung nbsp nbsp Signalwort Gefahr 25 H Satze 228 302 311 331 25 P Satze 210 261 280 302 352 312 304 340 311 403 233 25 Literatur BearbeitenLouis F Fieser Mary Fieser Lehrbuch der Organischen Chemie ubersetzt und bearbeitet von Hans R Hensel Verlag Chemie Weinheim 1954 S 663 665 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Pikrinsaure Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Pikrinsaure Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Nitrophenole Die besondere PhenolgruppeEinzelnachweise Bearbeiten a b Weltersches Bitter In Brockhaus Kleines Konversations Lexikon 5 Auflage Band 2 Leipzig 1911 S 970 D Ans Ellen Lax Taschenbuch fur Chemiker und Physiker Band II Springer Verlag 1964 A Bernthsen Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie Friedr Vieweg amp Sohn Braunschweig 1914 a b c d e f Eintrag zu Pikrinsaure angefeuchtet mit mindestens 30 Masse Wasser in der GESTIS Stoffdatenbank des IFA abgerufen am 8 Januar 2021 JavaScript erforderlich a b c d e CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification 3 Auflage 1984 ISBN 0 8493 0303 6 a b c A Koffler M Brandstatter Zur isomorphen Vertretbarkeit von H OH Cl s Trinitrobenzol Pikrinsaure Pikrylchlorid In Monatshefte Chem 78 1948 S 65 70 doi 10 1007 BF00942489 Henry Watts A Dictionary of Chemistry and the Allied Branches of Other Sciences Longmans 1883 S 402 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche a b Eintrag zu Pikrinsaure trocken oder mit weniger als 30 Wasser angefeuchtet in der GESTIS Stoffdatenbank des IFA abgerufen am 15 Januar 2021 JavaScript erforderlich Eintrag zu Picric acid im Classification and Labelling Inventory der Europaischen Chemikalienagentur ECHA abgerufen am 1 August 2016 Hersteller bzw Inverkehrbringer konnen die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern Datenblatt Picric acid bei Sigma Aldrich abgerufen am 11 Mai 2011 PDF Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Suva Grenzwerte Aktuelle MAK und BAT Werte Suche nach 88 89 1 bzw Pikrinsaure abgerufen am 2 November 2015 P Woulfe Experiments to shew the nature of aurum mosaicum in Philosophical Transactions of the Royal Society of London 61 1771 114 130 Rolf Werner Soukup Chemiegeschichtliche Daten organischer Substanzen Version 2020 S 135 pdf a b c d Eintrag zu Pikrinsaure In Rompp Online Georg Thieme Verlag abgerufen am 14 Juni 2014 W Erb Die physiologischen und therapeutischen Wirkungen der Pikrinsaure In Archiv Pharm 181 1867 S 123 124 doi 10 1002 ardp 18671810180 Jay White Exploding Myths The Halifax Explosion in Historical Context In Alan Ruffman Colin D Howell Hrsg Ground Zero A Reassessment of the 1917 explosion in Halifax Nimbus Publishing 1994 ISBN 1 55109 095 3 S 266 Arbeitshilfe fur die Untersuchung von Sprengplatzen PDF Datei auf www lfu bayern de Hans Beyer Wolfgang Walter Organische Chemie 22 Auflage S Hirzel Verlag Stuttgart 1984 ISBN 3 7776 0485 2 S 504 505 V Bertolasi P Gilli G Gilli Hydrogen Bonding and Electron Donor Acceptor EDA Interactions Controlling the Crystal Packing of Picric Acid and Its Adducts with Nitrogen Bases Their Rationalization in Terms of the pKa Equalization and Electron Pair Saturation Concepts In Cryst Growth Des 2011 11 2724 2735 doi 10 1021 cg101007a a b c d e f g h i j k J Kohler R Meyer A Homburg Explosivstoffe 10 vollstandig uberarbeitete Auflage Wiley VCH Weinheim 2008 ISBN 978 3 527 32009 7 S 234 Quantification Of Total Cyanide Content In Kernels Of Stone Fruits In lernvorsprung at Abgerufen am 6 Januar 2021 Altstoffliste im Bundesanzeiger Nr 233 a vom 16 Dezember 1986 nebst Berichtigung BAnz Nr 51 S 2635 vom 14 Marz 1987 Bundesanstalt fur Materialprufung Lagergruppenzuordnung von anderen explosiven Stoffen Berlin Hommel Handbuch der gefahrlichen Guter Springer Verlag a b c Eintrag zu Pikrinsaure angefeuchtet mit mindestens 30 Masse Wasser in der GESTIS Stoffdatenbank des IFA abgerufen am 15 Januar 2021 JavaScript erforderlich Normdaten Sachbegriff GND 4271180 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pikrinsaure amp oldid 239187471