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Das Parallelenaxiom ist ein viel diskutiertes Axiom der euklidischen Geometrie In einer haufig gebrauchten auf John Playfair zuruckgehenden Formulierung besagt es Parallelenaxiom In einer Ebene a displaystyle alpha gibt es zu jeder Geraden g displaystyle g und jedem Punkt P displaystyle P ausserhalb von g displaystyle g genau eine Gerade die zu g displaystyle g parallel ist und durch den Punkt P displaystyle P geht Parallel bedeutet dabei dass die Geraden in einer Ebene liegen aber keinen gemeinsamen Punkt haben Diese eindeutig bestimmte Gerade heisst die Parallele zu g displaystyle g durch den Punkt P displaystyle P Schnittpunkt S von h und k wenn a b lt 180 In den Elementen des Euklid findet sich dieser Satz als das funfte Postulat Parallelenpostulat in folgender Formulierung Gefordert soll sein dass wenn eine gerade Linie g displaystyle g beim Schnitt mit zwei geraden Linien h displaystyle h und k displaystyle k bewirkt dass innen auf derselben Seite entstehende Winkel a displaystyle alpha und b displaystyle beta zusammen kleiner als zwei Rechte werden dann die zwei geraden Linien h displaystyle h und k displaystyle k bei Verlangerung ins Unendliche sich treffen auf der Seite von g displaystyle g auf der die Winkel a displaystyle alpha und b displaystyle beta liegen die zusammen kleiner als zwei Rechte sind Dies besagt in moderner Formulierung dass es zu jeder Geraden g displaystyle g und jedem Punkt P displaystyle P nicht mehr als eine Parallele zu g displaystyle g durch P displaystyle P geben kann Dass es mindestens eine solche Parallele gibt lasst sich aber aus den ubrigen Postulaten und Axiomen des Euklid beweisen sodass die eingangs angegebene Formulierung gerechtfertigt ist Die Benennung des Parallelenpostulats schwankt in der Literatur Haufig wird es das Funfte Postulat von Euklid Elemente Buch 1 genannt manchmal wurde es aber auch 11 Axiom oder 13 Axiom genannt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Aquivalente Formulierungen 3 Nichteuklidische Geometrie 3 1 Elliptisches Parallelenaxiom 3 2 Hyperbolisches Parallelenaxiom nach Hilbert 4 Weblinks 5 Literatur 6 Einzelnachweise und AnmerkungenGeschichte BearbeitenDieses Postulat sticht durch seine Lange und Kompliziertheit aus den anderen Postulaten und Axiomen deutlich hervor Es wurde schon im Altertum als Makel unschones Merkmal in der Theorie des Euklid empfunden Immer wieder gab es Versuche es aus den anderen herzuleiten und damit zu zeigen dass es fur die Definition der euklidischen Geometrie entbehrlich ist Historisch ist diese Aufgabe als das Parallelenproblem bekannt und blieb uber 2000 Jahre lang ungelost Erfolglose Versuche gab es zum Beispiel von Archimedes 3 Jahrhundert v Chr 2 Poseidonius 2 1 Jahrhundert v Chr Ptolemaus 2 Jahrhundert Proklos 5 Jahrhundert Agapius 5 6 Jahrhundert n Chr Schuler von Proklos zitiert von Al Nayrizi Simplikios al Abbas ibn Said al Dschauhari Thabit ibn Qurra 9 Jahrhundert Alhazen Omar Chayyam Nasir Al din al Tusi 13 Jahrhundert Giovanni Alfonso Borelli 17 Jahrhundert John Wallis 17 Jahrhundert Giovanni Girolamo Saccheri 18 Jahrhundert siehe dazu Saccheri Viereck Johann Heinrich Lambert 18 Jahrhundert Adrien Marie Legendre 18 19 Jahrhundert Carl Friedrich Gauss erkannte als erster dass das Parallelenproblem grundsatzlich unlosbar ist er veroffentlichte seine Erkenntnisse aber nicht Er korrespondierte aber mit verschiedenen Mathematikern die ahnliche Ideen verfolgten Friedrich Ludwig Wachter Franz Taurinus Wolfgang Bolyai Aquivalente Formulierungen BearbeitenEs wurden auch eine Reihe von Aussagen gefunden die unter der Voraussetzung der ubrigen Axiome der ebenen euklidischen Geometrie aquivalent zum euklidischen Parallelenpostulat sind Die zugrunde gelegten Axiome sind dabei die ebenen Inzidenzaxiome I 1 bis I 3 die Axiome der Anordnung Gruppe II die Axiome der Kongruenz Gruppe III und die Axiome der Stetigkeit V 1 und V 2 in Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie Die Winkelsumme im Dreieck betragt zwei Rechte 180 vgl Giovanni Girolamo Saccheri Es gibt Rechtecke Zu jedem Dreieck gibt es ein ahnliches Dreieck beliebiger Grosse John Wallis Stufenwinkel an Parallelen sind gleich gross Wechselwinkel an Parallelen sind gleich gross Durch einen Punkt im Inneren eines Winkels gibt es stets eine Gerade die die beiden Schenkel schneidet Durch drei nicht auf einer Geraden liegende Punkte gibt es einen Kreis Farkas Bolyai Drei Punkte die auf ein und derselben Seite einer Geraden liegen und zu dieser Geraden kongruente Abstande haben liegen stets auf einer gemeinsamen Geraden Nichteuklidische Geometrie BearbeitenNikolai Lobatschewski stellte als erster 1826 eine neuartige Geometrie vor in der alle ubrigen Axiome der euklidischen Geometrie gelten das Parallelenaxiom jedoch nicht die lobatschewskische oder hyperbolische Geometrie Damit war bewiesen dass das Parallelenaxiom sich nicht aus den ubrigen Axiomen der euklidischen Geometrie herleiten lasst Janos Bolyai gelangte unabhangig davon fast gleichzeitig zu ahnlichen Resultaten So kam es zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrien bei denen das Postulat entweder ganz gestrichen oder durch andere ersetzt wurde Zum Teil verletzen nichteuklidische Geometrien ausser dem Parallelenaxiom auch noch andere Axiome der euklidischen Geometrie Elliptisches Parallelenaxiom Bearbeiten nbsp Zum Unterschied zwischen affiner und projektiver Anordnung So ist es in einer elliptischen Ebene nicht moglich dass gleichzeitig Hilberts Anordnungsaxiome Gruppe II und die Kongruenzaxiome fur Strecken III 1 III 2 und III 3 erfullt sind 3 Hier kann man im Sinne der Kongruenz sinnvoll nur eine Anordnung Trennungsbeziehung durch vier statt drei Punkte bei einer hilbertschen Zwischenbeziehung wie fur projektive Ebenen einfuhren 3 denn elliptische Ebenen im Sinne der metrischen absoluten Geometrie sind auch projektive Ebenen ihr elliptisches eigentlich projektives Parallelenaxiom lautet einfach Es gibt keine Nichtschneidenden zwei verschiedene Geraden der Ebene schneiden sich stets in genau einem Punkt siehe dazu Elliptische Geometrie Kennzeichnung Die Abbildung rechts oben veranschaulicht den Unterschied zwischen einer Anordnung auf einer affinen Geraden g displaystyle g nbsp oben im Bild und einer projektiven Geraden dargestellt durch den Kreis h displaystyle h nbsp unten im Bild Auf einer affinen Geraden g displaystyle g nbsp ist eine Hilbertsche Zwischenbeziehung definierbar wenn der Koordinatenbereich sich anordnen lasst Jede Affinitat die die ungeordnete Paarmenge G 1 G 2 displaystyle G 1 G 2 nbsp auf sich selbst abbildet bildet auch die Strecke g 1 displaystyle g 1 nbsp das ist die Menge der Zwischenpunkte von G 1 G 2 displaystyle G 1 G 2 nbsp auf sich selbst ab Tatsachlich existieren genau vier solche Affinitaten Zwei davon Identitat und senkrechte Achsenspiegelung an G 1 G 2 displaystyle G 1 G 2 nbsp halten die Gerade als Ganzes fest die zwei anderen die senkrechte Achsenspiegelung und die Punktspiegelung an der affinen Streckenmitte von G 1 G 2 displaystyle G 1 G 2 nbsp vertauschen die Punkte G 1 G 2 displaystyle G 1 G 2 nbsp und die Halbgeraden g 2 g 3 displaystyle g 2 g 3 nbsp Auf einem affinen Kreis und einer projektiven Geraden ist die Situation anders Zwei Punkte teilen die affine Kreislinie in zwei Kreisbogen auf Affinitaten der Ebene die H 1 H 2 displaystyle H 1 H 2 nbsp und die Kreislinie auf sich abbilden bilden auch die zwei Bogen je auf sich ab es sei denn H 1 H 2 displaystyle H 1 H 2 nbsp liegen auf dem gleichen Durchmesser dann konnen h 1 displaystyle h 1 nbsp und h 2 displaystyle h 2 nbsp auch vertauscht werden und zwar durch die Punktspiegelung am Kreismittelpunkt und durch die senkrechte Achsenspiegelung am Durchmesser H 1 H 2 displaystyle H 1 H 2 nbsp Man kann die Kreislinie als Modell einer projektiven Geraden uber einem angeordneten Korper K displaystyle K nbsp auffassen indem man sie von einem Punkt P H displaystyle P H infty nbsp dieser Kreislinie aus zentral auf die dem Punkt gegenuberliegende Kreistangente t displaystyle t nbsp projiziert Der Punkt P displaystyle P nbsp wird damit dem Fernpunkt von t displaystyle t nbsp zugeordnet Fur eine projektive Ebene uber K displaystyle K nbsp existieren fur zwei beliebige Punkte T 1 T 2 t displaystyle T 1 T 2 in t nbsp die im Bild den Punkten H 1 H 2 displaystyle H 1 H 2 nbsp auf der Kreislinie zugeordnet sind Projektivitaten der Ebene die die Punktmenge T 1 T 2 displaystyle T 1 T 2 nbsp auf sich abbilden aber Punktmengen t 1 t 2 t displaystyle t 1 t 2 subset t nbsp die h 1 displaystyle h 1 nbsp bzw h 2 displaystyle h 2 nbsp entsprechen miteinander vertauschen Kurz gesagt Auf einer angeordneten projektiven Geraden kann man innen und aussen nicht projektiv invariant unterscheiden Man beachte dass auch bei der Geraden g displaystyle g nbsp oben im Bild wenn man sie als reelle projektive Gerade auffasst die Komplementarmenge c g s displaystyle c g setminus s nbsp der abgeschlossenen affinen Strecke s g 1 G 1 G 2 displaystyle s g 1 cup G 1 G 2 nbsp die dann auch den Fernpunkt von g displaystyle g nbsp enthalt bezuglich der Ordnungstopologie eine zusammenhangende Teilmenge von g displaystyle g nbsp ist Hyperbolisches Parallelenaxiom nach Hilbert Bearbeiten nbsp Hilberts hyperbolisches Parallelenaxiom im Kleinschen Kreisscheibenmodell der reellen hyperbolischen Geometrie Die Formulierung des Axioms von Hilbert mit Halbgeraden setzt eine Anordnung der hyperbolischen Ebene im Sinn der hilbertschen Axiome voraus Man beachte dass nur die Punkte innerhalb der Kreislinie grau Punkte der hyperbolischen Ebene sind David Hilbert hat 1903 die folgende Formulierung fur ein Parallelenaxiom der hyperbolischen Geometrie gegeben 4 vergleiche auch die Abbildung rechts Ist b displaystyle b nbsp eine beliebige Gerade und A displaystyle A nbsp ein nicht auf ihr gelegener Punkt so gibt es stets durch A displaystyle A nbsp zwei Halbgerade a 1 a 2 displaystyle a 1 a 2 nbsp die nicht ein und dieselbe Gerade ausmachen und die Gerade b displaystyle b nbsp nicht schneiden wahrend jede in dem durch a 1 a 2 displaystyle a 1 a 2 nbsp gebildeten Winkelraum a 1 a 2 displaystyle angle a 1 a 2 nbsp gelegene von A displaystyle A nbsp ausgehende Halbgerade die Gerade b displaystyle b nbsp schneidet Der Winkelraum a 1 a 2 displaystyle angle a 1 a 2 nbsp ist in der Abbildung rechts durch einen Kreisbogen hellblau gekennzeichnet Alle Halbgeraden mit Startpunkt A displaystyle A nbsp die nicht in diesem Winkelraum liegen schneiden die Gerade b displaystyle b nbsp nicht Im oben genannten Axiomensystem von Hilbert kann man das euklidische Parallelenaxiom IV von Hilbert durch Hilberts hyperbolisches Parallelenaxiom ersetzen Damit erhalt man fur die Ebene auf die sich Hilbert hier beschrankt das heisst von der Gruppe der Inzidenzaxiome werden nur I 1 bis I 3 benotigt ein widerspruchsfreies Axiomensystem fur das es bis auf Isomorphie genau ein Modell gibt Die reelle hyperbolische Ebene die zum Beispiel durch das reelle Kleinsche Kreisscheibenmodell innerhalb der reellen euklidischen Ebene modelliert werden kann Den Beweis skizziert er selbst in seinen Grundlagen 4 Ein vollstandiger Beweis wurde 1907 von Johannes Hjelmslev gegeben 5 Weblinks BearbeitenEric W Weisstein Parallel Postulate In MathWorld englisch Fifth Postulate in der Encyclopaedia of Mathematics Geschichte des Parallelenaxioms Vorlesung von Klaus Volkert Herausgabe des Buchs Dissertation von Georg Simon Kluegel von 1763 durch Klaus Volkert Deutsch Latein Literatur BearbeitenDavid Hilbert Grundlagen der Geometrie 14 Auflage Teubner Stuttgart Leipzig 1899 ISBN 3 519 00237 X Ausgabe von 1903 Internet Archive Das in dieser Schrift formulierte Axiomensystem der reell euklidischen Geometrie und der reell hyperbolischen Geometrie Anhang III stellt fur das 20 Jahrhundert die wichtigste Grundlage fur die Diskussion des Parallelenaxioms und der nichteuklidischen Geometrien dar Paul Stackel Friedrich Engel Die Theorie der Parallellinien von Euklid bis auf Gauss Teubner Leipzig 1895 Zur vormodernen Geschichte des Begriffs Heinz Luneburg Die euklidische Ebene und ihre Verwandten Birkhauser Basel Boston Berlin 1999 ISBN 3 7643 5685 5 google books abgerufen am 26 Juli 2013 Sibylla Priess Crampe Angeordnete Strukturen Gruppen Korper projektive Ebenen Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete Band 98 Springer Berlin Heidelberg New York 1983 ISBN 3 540 11646 X Ausfuhrliche Diskussion der Anordnungsmoglichkeiten fur projektive Ebenen vom algebraischen angeordneter Koordinatenbereich synthetischen Trennungsbeziehung auf Geraden und ordnungs topologischen Standpunkt aus Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Stackel und Engel 1896 S 21 Im dort wiedergegebenen Text von John Wallis von 1663 Auch Janos Bolyai nennt es in seinem Hauptwerk dem Anhang zum Tentamen seines Vaters das 11 Axiom Die einzige Information daruber ist eine Erwahnung eines verlorenen Buches von Archimedes Uber Parallellinien in der arabischen Bibliographie von Ibn al Nadim Da Thabit Ibn Qurra ein Ubersetzer von Archimedes war wird spekuliert dass dessen Abhandlung daruber moglicherweise von einer Kenntnis des verlorenen Archimedes Manuskripts beeinflusst war Boris Rosenfeld A history of non euclidean geometry Springer Verlag 1988 S 40f a b Priess Crampe 1983 a b Hilbert Neue Begrundung der Bolyai Lobatschefskyschen Geometrie In Math Ann Band 57 1903 Abgedruckt als Anhang III in Hilbert 1899 Johannes Hjelmslev Neue Begrundung der ebenen Geometrie In Mathematische Annalen Band 64 1907 S 449 484 Normdaten Sachbegriff GND 4173277 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Parallelenaxiom amp oldid 231863337