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Auf dem Oberleiser Berg befand sich vom 4 bis 5 Jahrhundert n Chr eine befestigte germanische Hohensiedlung praesidiaria castra und Herrscherresidenz Der 457 m hohe Bergrucken zahlt geologisch zum Massiv der Leiser Berge im Weinviertel Niederosterreich Sudsudostansicht des Oberleiser BergesZur Zeit der Volkerwanderung durfte die gesamte ca 6 5 ha grosse und Hochflache mit Gebauden uberbaut gewesen sein Ihre Rander fallen im Norden Westen und Osten steil ab im Suden geht sie allmahlich in tiefer gelegenes Gelande uber Die Zugange befanden sich im Suden und Sudosten Der Herrschersitz lag nahe der Grenze zum Romischen Reich der Donaulimes verlief etwa 25 30 km entfernt und wurde nach romischem Vorbild errichtet Direkt uber dem Hauptgebaude befindet sich heute ein Aussichtsturm Im ostlichen heute bewaldeten Bereich standen im 5 Jahrhundert noch mehrere Werkstattengebaude und Backofen Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Entwicklung 3 Spatantike Bebauung 3 1 Phase 1 3 2 Phase 2 3 3 Phase 3 3 4 Phase 4 4 Steinbau II 5 Befestigung 6 Schmiede 7 Denkmalschutz 8 Hinweise 9 Siehe auch 10 Literatur 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseForschungsgeschichte BearbeitenAls Fundort romischer Ziegel ist der Oberleiser Berg schon seit dem 19 Jahrhundert bekannt Um 1872 untersuchte Matthaus Much die Wallanlagen Eduard Novotny und Ernst Nischer Falkenhof erkannten in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg die antiken Baureste als vorgeschobenen romischen Stutzpunkt Seit 1925 werden auch vom Institut fur Ur und Fruhgeschichte der Universitat Wien Grabungen am Berg durchgefuhrt Herbert Mitscha Marheim vermutete auf dem Oberleiser Berg noch ein Kastell aus der Zeit der Markomannenkriege diese Ansicht konnte jedoch archaologisch nicht bewiesen werden Von 1976 bis 1990 fuhrte Herwig Friesinger die Grabungen am Oberleiserberg durch Hierbei wurden die Altbefunde die Befestigungen und die zeitliche Abfolge der Besiedlung neu interpretiert Es gibt Hinweise auf Textil und Metallhandwerk Die Einzelfunde darunter z B Geschossspitzen Gewandfibeln glasierte und einglattverzierte Keramik waren mehrheitlich germanischer und romischer Herkunft und lassen auf enge Handelskontakte mit dem Romischen Reich schliessen Die Munzfunde reichen von Marc Aurel 161 180 bis zu Theodosius I 379 395 1 Entwicklung BearbeitenSeit jeher waren die aus dem flachen Hugelland des Weinviertels aufragenden Berge in Krisenzeiten Ruckzugspunkte fur die in ihrem Umland lebende Bevolkerung Gegen Mitte des 5 Jahrhunderts n Chr veranderte sich das Siedlungsgefuge nordlich der mittleren Donau Um 375 uberquerten die Hunnen den Don stiessen bis zur Schwarzmeerkuste vor und losten damit Wanderungswellen nach Westen aus Die mehrheitlich suebische Bevolkerung im heutigen Marchfeld und Weinviertel begann naturlich geschutzte Hohenlagen zu befestigen und zog sich entweder in Krisenzeiten dorthin zuruck oder siedelte sich auf Dauer an Grund hierfur waren die von den Hunnen aus ihren Siedlungsgebieten vertriebenen ostgermanischen Stamme die versuchten ins Romische Reich zu gelangen um dort Schutz vor den immer weiter vordringenden Hunnen zu finden Einzelne Funde lassen annehmen dass der Berg moglicherweise schon im 2 oder 3 Jahrhundert von Germanen besiedelt wurde gesichert ist ihre Anwesenheit aber erst seit dem spaten 4 Jahrhundert Am Oberleiserberg kreuzten sich auch einige Handelsrouten Vorganger der Siedlung auf dem Oberleiser Berg konnte die Germanensiedlung im 3 3 km entfernten Niederlais gewesen sein die im 4 Jahrhundert errichtet worden war Vermutlich zogen sich deren Bewohner in Krisenzeiten auf den Oberleiser Berg zuruck Ab dieser Zeit liessen sich auf der Anhohe offensichtlich Germanenfursten mit ihrem Gefolge nieder Die befestigte Siedlung durfte um 380 n Chr entstanden sein Ammianus Marcellinus berichtet dass Valentinian I im Stammland der Quaden nordlich der Donau ein Kastell errichten liess Vermutlich handelte es sich dabei aber um mehrere Befestigungsbauten Bruckenkopfe Vielleicht war die spatantike Anlage am Oberleiser Berg eine davon Es ist moglich dass es sich bei der Anlage um eines der praesidiaria castra handelt die beim Chronisten Ammianus Marcellinus als Sitz germanischer Klientelkonige erwahnt werden 2 Vermutlich residierte zur Zeit der Bauphase 4 hier ein suebischer Heerfuhrer In der westlichen Notitia Dignitatum scheint in der Truppenliste des Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis auch ein Tribunus gentis Marcommannorum als Garnisonskommandant auf 3 Die Ortsangabe fehlt jedoch seine Residenz wird im Nahebereich des Legionslagers Vindobona bzw auf dem Oberleiser Berg vermutet In diesem Zusammenhang ist auch ein Briefwechsel der Markomannin Fritigil mit Ambrosius von Mailand erwahnenswert in dem er ihr empfiehlt dass ihr Gatte besser daran tate sich zu unterwerfen und in den Dienst Roms zu stellen Vielleicht handelte es sich bei ihm um den o e Offizier Der Herrschersitz ging entweder im Zuge des Feldzuges des Gotenkonigs Thiudimir gegen den Suawenkonig Hunimund 469 470 oder bei der Zerstorung des Rugierreiches durch Odoaker um 488 zugrunde 4 Spatantike Bebauung Bearbeiten nbsp Befundskizze 4 bis 5 JahrhundertDie Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen lassen annehmen dass die gesamte Hochebene mit einer Mauer umgeben war Das insgesamt vier Bauphasen umfassende Hauptgebaude des lag knapp vor dem Gelandeabbruch am Westrand des Plateaus und bildete das Zentrum des Praesidias Zu ihm zahlten auch einige aus Holz errichtete Wirtschaftsbauten 5 Phase 1 Bearbeiten Der Herrenhof war an drei Seiten von einer schmalen Hofmauer aus Bruchstein und Lehm umgeben Das von Nord nach Sud ausgerichtete langrechteckige Hauptgebaude Steinbau I war im Inneren in zwei Raume unterteilt Die Boden bestanden aus Stampflehm oder einen Kies Mortelestrich die sudliche Halle verfugte auch uber eine typische spatantike Fussbodenheizung mit aus Lehm und Stein bestehenden y formigen Heizkanalen Schlauchheizung Das Fundament war in gemortelter opus incertum Technik aufgebaut worden Phase 2 Bearbeiten nbsp Ziegelstempel des UrsicinusIm fruhen 5 Jahrhundert wurde Steinbau I in eine reprasentative Portikusvilla mit Steinfundament und Holzfachwerkwanden umgebaut Der Westfassade wurde ein Korridor und vorkragende Risalite hinzugefugt Die 35 m lange und 17 m breite Villa konnte nun uber die nordlichen und sudlichen Risalite betreten werden Der Bau gliederte sich in einen Nord und einen Sudflugel sowie einen Eckrisalit Das Innere war in sieben bis acht Wohn bzw Wirtschaftsraume und eine Halle unterteilt Im Nordflugel befanden sich die Wirtschaftsraume im Sudflugel die Raume fur reprasentative Zwecke Die bauliche Gestaltung des Sudflugels wurde bis zur Zerstorung der Villa beibehalten Der Hofbereich und Steinbau II blieben ebenfalls unverandert Zum Bau des Hauptgebaudes wurde u a ortlicher Kalktuff verwendet In den Uberresten der Villa befanden sich auch Plattenziegel zur Abdeckung der y formigen Heizkanale mit dem Stempel des Ursicinus des Heerfuhrers der romischen Limestruppen an der mittleren Donau unter Valentinian I Die Dachziegel tegulae und imbrices wurden vermutlich vor Ort hergestellt Moglicherweise waren am Dach noch turmchenartige Aufsatze aus Ton angebracht 6 Phase 3 Bearbeiten Ab der ersten Halfte des 5 Jahrhunderts wurden der Korridor und die Risaliten mit neuen Fussbodenestrichen versehen In Raum 3 wurde eine Herdstelle eingebaut Im Hofbereich errichtete man ein Grubenhaus mehrere Backofen sowie einen Holzstanderbau Die ostliche Hofmauer wurde durch einen einschiffigen Torbau durchbrochen der aber schon in einer fruheren Bauphase entstanden sein konnte Nordostlich des Villengebaudes wurden weitere zehn Backofen mit Beschickungsgrube und einige leicht in den Boden eingetiefte Pfostengebaude nachgewiesen Phase 4 Bearbeiten Um die Mitte des 5 Jahrhunderts wird der Herrenhof baulich massiv umgestaltet so wurde die Sudmauer vollig neu aufgebaut Die Hofmauer wurde abgebrochen an ihrer Stelle entstanden mehrere neue Holzbauten Mittelpunkt des Komplexes war nun ein 35 m 33 m grosser Platz der durch einen monumental gestalteten auf die Villa ausgerichteten Torbau betreten werden konnte der wiederum von einer Halle an der Ostseite und rechteckigen Gebauden an der Nord und Sudseite gesaumt wurde Das Torensemble bestand durchwegs aus Holz und war teilweise mit einem Portikus umgeben Raum 2 der Villa wurde zusatzlich mit einer Fussbodenheizung ausgestattet im ruckwartigen Bereich Raum 7a entstand ein neuer etwa einen Meter tief in den Felsen gegrabener Keller Vermutlich diente er zur Aufbewahrung von Wertsachen An der Hinterwand des Eckrisalits wurde ein weiterer Eingang eingebaut Die Holzbauten erinnern an die Beschreibung von Attilas Residenz durch Priscus der diese 449 in seiner Funktion als Gesandter des ostromischen Kaisers aufsuchte Sie sollten wohl die Architektur spatromischer Villen und Palaste nachahmen Vermutlich wurden sie auch durch im romischen Reich ausgebildete Handwerker errichtet 7 Steinbau II Bearbeiten nbsp Konservierte Reste der Fundamente von Steinbau II und der mittelalterlichen KircheNordlich der Villa stand ein grosseres zweiraumiges Gebaude der mehrphasige Steinbau II 8 15 m 8 26 m dessen Substanz aber wegen Uberbauung durch eine Wallfahrtskirche im 12 Jahrhundert die 1787 wieder abgetragen wurde erheblich zerstort worden war Die Fundamente wurden ebenfalls in opus incertum Technik hochgezogen Die aufgehenden Wande bestanden aus Fachwerk Seine Zeitstellung und Funktion sind unklar Moglicherweise stand es noch bis zum Fruhmittelalter in Verwendung Befestigung BearbeitenDas Plateau war von einem mehrphasigen Wall umgeben der dem Verlauf des alten keltischen Ringwalles folgte Reste einer Palisade konnten sudwestlich der Villa lokalisiert werden Der Graben durfte noch in der ersten Halfte des 5 Jahrhunderts einplaniert worden sein Insgesamt konnten vier Bauphasen unterschieden werden Phase 1 Erdwall und Graben Phase 2 und 3 Palisade Phase 4 zweischalige Trockenmauer 8 Schmiede Bearbeiten nbsp Befundskizze der Feinschmiede160 m ostlich des Herrenhofes stand ein dreiraumiger 12 40 m langer und neun Meter breiter Holzbau der mit einer T formigen Schlauchheizung ausgestattet war Im Heizkanal fand man ebenfalls Ziegel mit der Stempelung ARN URSICINUS MG Das Gebaude war vermutlich fur Wohnzwecke vorgesehen Etwas sudlich davon befand sich ein teilweise eingetiefter 5 m 6 m quadratischer Pfostenbau der vermutlich als Schmiedewerkstatte diente Sie stand von der Mitte bis Ende des 5 Jahrhunderts in Verwendung 9 Denkmalschutz BearbeitenDie Anlagen sind Bodendenkmaler im Sinne des osterreichischen Denkmalschutzgesetzes Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden ohne Genehmigung des Bundesdenkmalamtes stellen eine strafbare Handlung dar Zufallige Funde archaologischer Objekte Keramik Metall Knochen etc sowie alle in den Boden eingreifenden Massnahmen sind dem Bundesdenkmalamt Abteilung fur Bodendenkmale zu melden Hinweise BearbeitenIm Aussichtsturm ist eine kleine Dauerausstellung mit Grabungsdokumentation und Fundauswahl eingerichtet worden Die Grundmauern von Steinbau I und II wurden konserviert die Befestigungen sind ebenfalls noch gut im Gelande zu erkennen Die ubrigen Funde vom Oberleiserberg befinden sich im Museum fur Fruhgeschichte in Traismauer im Museum Mistelbach im Naturhistorischen Museum Wien und im Institut fur Ur und Fruhgeschichte der Universitat Wien Siehe auch BearbeitenListe der Kastelle in Noricum und OberpannonienLiteratur BearbeitenAlois Stuppner Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn eine Hohensiedlung des 4 und 5 Jahrhunderts In Heiko Steuer Volker Bierbrauer Hrsg Hohensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Erganzungsband 58 de Gruyter Berlin 2008 S 427 456 Manfred Kandler Hermann Vetters Hrsg Der romische Limes in Osterreich Ein Fuhrer Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1989 ISBN 3 7001 0785 4 S 282 287 Alois Stuppner Romer und Germanen am norisch pannonischen Limes In Verena Gassner Andreas Pulz Hrsg Der romische Limes in Osterreich Fuhrer zu den archaologischen Denkmalern Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 2015 ISBN 978 3 7001 7787 6 S 120 123 Weblinks BearbeitenLage auf Vici org Der romische Limes in Osterreich Oberleiserberg Archaologiepark Oberleiserberg Literaturliste zum OberleiserbergEinzelnachweise Bearbeiten Friesinger Krinzinger 2002 S 282 res gestae 29 6 2 Alois Stuppner 2008 S 452 454 Notitia Dignitatum occ 34 24 Alois Stuppner 2008 S 454 455 Friesinger Krinzinger 2002 S 284 Friesinger Krinzinger 2002 S 283 Friesinger Krinzinger 2002 S 283 Alois Stuppner 2008 S 432 443 Friesinger Krinzinger 2002 S 286 Alois Stuppner 2008 S 444 Der Limes in Oberpannonien Kastell Klosterneuburg Legionslager Vindobona Oberleiser Berg Praesidia Kastell Ala Nova Kastell Aequinoctium Kleinkastell Hoflein Legionslager Alenkastell Carnuntum Heidentor Carnuntum Kleinkastell Stopfenreuth Kastell Gerulata 48 55904 16 3721 Koordinaten 48 33 32 5 N 16 22 19 6 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Oberleiser Berg Praesidia amp oldid 228482042