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Der spater so genannte Nacht und Nebel Erlass war ein Fuhrererlass Adolf Hitlers wahrend des Zweiten Weltkrieges verordnet am 7 Dezember 1941 als geheime Richtlinien fur die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten Danach wurden rund 7 000 des Widerstands verdachtige Personen aus Frankreich Belgien Luxemburg den Niederlanden und Norwegen nach Deutschland verschleppt und dort heimlich abgeurteilt oder bei erwiesener Unschuld in Haft behalten ohne dass die Angehorigen irgendwelche Auskunfte erhielten Ihr spurloses Verschwinden sollte der Abschreckung dienen Der Erlass wurde vom Oberkommando der Wehrmacht OKW unter Wilhelm Keitel in Kraft gesetzt und nach Kriegsende als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft Tafel zur Erinnerung an die aus Frankreich Deportierten im KZ HinzertInhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Entstehungsgeschichte 3 Inhalt der Richtlinien 4 Geheimverfahren und Haft 5 Juristische Aufarbeitung 6 Film 7 Literatur 8 Siehe auch 9 Weblinks 10 EinzelbelegeBegriff BearbeitenDer Nacht und Nebel Erlass ist erst seit dem Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher und dem Prozess gegen das Oberkommando der Wehrmacht unter dieser Bezeichnung bekannt geworden Im dienstlichen Schriftgebrauch des Reichsjustizministeriums taucht der Begriff nur selten und nur abgekurzt als NN Sache NN Gefangener und NN Haftling auf 1 Diese Abkurzung kann auch als nullum nomen ohne Namen namenlos gedeutet werden Entstehungsgeschichte BearbeitenWahrend im Krieg gegen die Sowjetunion durch den Kriegsgerichtsbarkeitserlass vom Mai 1941 2 die Wehrmachtsgerichtsbarkeit ausgeschlossen war blieben in den westeuropaischen Landern die Wehrmachtsgerichte bis August 1944 zustandig fur alle Sabotageakte und Straftaten die Einwohner gegen die deutsche Wehrmacht verubt hatten Im Sommer 1941 war eine Franzosin von einem deutschen Militargericht zum Tode verurteilt worden Adolf Hitler selbst der sich die Bestatigung von Todesurteilen gegen Frauen vorbehalten hatte begnadigte die Frau bestimmte jedoch zugleich dass diese heimlich nach Deutschland verbracht und vollig isoliert in Haft bleiben sollte Im September 1941 beschloss Hitler diese Massnahme des spurlosen Verschwindens generell anzuwenden Wilhelm Keitel beauftragte daraufhin Rudolf Lehmann als Leiter der Rechtsabteilung im OKW Hitlers Wunsche umzusetzen Das Militargericht solle nur zustandig sein wenn sofort ein Todesurteil gefallt werden konne andernfalls solle der Tater von der Gestapo oder Geheimen Feldpolizei heimlich uber die Grenze geschafft und an geheimem Ort festgehalten und abgeurteilt werden Lehmann wollte ein Mindestmass an gerichtlicher Kontrolle gewahrleisten und konnte neben Keitel und Wilhelm Canaris auch Roland Freisler fur diesen Gedanken gewinnen Freisler wollte sein Ressort nicht beschneiden lassen und erklarte einige Sondergerichte fur zustandig Hitler selbst der aus seiner Abneigung besonders gegenuber der umstandlichen Wehrmachtsjustiz keinen Hehl machte wollte die Zustandigkeit ursprunglich der Sicherheitspolizei zuschlagen Inhalt der Richtlinien BearbeitenIn einer Praambel von Keitels Richtlinien fur die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten 3 wird festgestellt dass es der lange erwogene Wille des Fuhrers sei Tatern mit neuen Massnahmen zu begegnen Hitlers Ansicht sei dass selbst lebenslange Zuchthausstrafen als Zeichen von Schwache gewertet wurden Eine nachhaltige Abschreckung sei nur durch Todesstrafen oder Ungewissheit uber das Schicksal des Taters zu erwarten Mit Beginn des russischen Feldzuges hatten sich die Angriffe auf die Besatzungsmacht verstarkt In einer Ersten Verordnung vom 12 Dezember 1941 4 werden die Delikte aufgefuhrt die zur Todesstrafe fuhren sollten Anschlage gegen Leib und Leben Spionage Sabotage kommunistische Umtriebe unerlaubter Waffenbesitz Feindbegunstigung sowie Taten die Unruhe stiften Grundsatzlich sei bei zivilen nichtdeutschen Tatern die Todesstrafe angebracht Straftaten seien nur dann im Besatzungsgebiet selbst abzuurteilen wenn mit einem Todesurteil zu rechnen sei und die Vollstreckung schnellstens durchgefuhrt wurde Diese Vorschrift wurde bereits am 2 Februar 1942 prazisiert Ein Verfahren sei nur einzuleiten wenn das Urteil auf Todesstrafe lautete und innerhalb von acht Tagen nach Festnahme verkundet werden konne 5 Alle anderen Tater seien nach Deutschland zu schaffen und nur im Ausnahmefall von Militargerichten abzuurteilen Nach dem spurlosen Verschwinden so die nachgeschobene Prazisierung in der Durchfuhrungsverordnung solle keinerlei Auskunft uber Verbleib und Schicksal der Tater gegeben werden Die Haftunterbringung sowie den Transport nach Deutschland solle die Geheime Feldpolizei bzw die Gestapo ubernehmen Der Erlass sei vorlaufig nur in Norwegen Belgien den Niederlanden und Nordfrankreich anzuwenden 6 Geheimverfahren und Haft BearbeitenAls zustandige Sondergerichte wurden Kiel fur Norwegen Koln spater auch Breslau fur das besetzte Frankreich Dortmund spater auch Hamm und Essen fur Belgien und die Niederlande sowie Berlin Sonderfalle bestimmt Die Gerichte in Hamm und Essen wurden im Marz 1944 nach Oppeln verlegt Ab September 1942 wurde wegen der Vielzahl der Falle auch vor dem Volksgerichtshof verhandelt Selbst die Gerichte wussten oftmals nicht wo der Verhaftete wochenlang von der Gestapo festgehalten wurde Die Verfahren fanden unter Ausschluss der Offentlichkeit statt Herr des Verfahrens war der Staatsanwalt Die Ladung von auslandischen Zeugen und die Bestellung eines Verteidigers bedurften seiner Zustimmung er konnte Einleitung oder Aussetzung des Verfahrens bestimmen und jeden Freispruch verhindern 7 Auch im Reichsjustizministerium kam man nicht um die Erkenntnis herum dass sich aus den fur NN Sachen geltenden Verfahrensvorschriften oft Schwierigkeiten bei der Beweiswurdigung und der Urteilsfindung ergeben 8 Die Einschaltung der Gerichte erwies sich als Farce Selbst nach Verbussung einer geringen Haftstrafe oder gar einem Freispruch wurde der Verhaftete auf Kriegsdauer unter dem Stichwort Verneblung von der allgemeinen Justiz zur Schutzhaft in ein Konzentrationslager uberstellt Die Nacht und Nebel Haftlinge wurden anfangs haufig in Einzelhaft in verschiedenen Zuchthausern untergebracht Zwischen Mai 1943 und dem 14 April 1944 trafen insgesamt 66 Transporte mit 2696 NN Gefangenen im Strafgefangenenlager Esterwegen ein 9 Die Gefangenen wurden dort im abgeschirmten Lager Sud eingesperrt im Februar 1944 wurden mehr als 500 wegen Uberfullung ins Emslandlager Borgermoor deportiert 10 Bis zum Mai 1944 wurden alle NN Gefangenen nach Schlesien verlegt u a Gross Strehlitz in Oberschlesien im September wurde ihre Verlegung in Konzentrationslager angeordnet 11 Nachweisbar waren solche Haftlinge auch in den Konzentrationslagern Hinzert Natzweiler und Gross Rosen inhaftiert Die Kontaktsperre wurde ausnahmslos durchgesetzt Die Angehorigen erhielten auch keinerlei Nachricht uber Hinrichtung oder Sterbefall eines NN Haftlings Abschiedsbriefe und Testamente wurden zuruckgehalten Bis zum 30 April 1944 wurden nachweislich 6 639 Menschen durch den Nacht und Nebel Erlass an die allgemeine Justiz in Deutschland ubergeben 12 Vermutlich gab es 340 Todesurteile Ausserdem gab es eine Dunkelziffer von NN Haftlingen die die Gestapo an der allgemeinen Justiz vorbei in Schutzhaft hielt Rainer Huhle schrieb 2014 es seien vielleicht 10 000 Gefangene gewesen Juristische Aufarbeitung BearbeitenDie Praxis des heimlichen Verschwindenlassens im Rahmen des von Keitel angeordneten Nacht und Nebel Erlasses nahm innerhalb des Universums der Konzentrationslager und terroristischen Praktiken des NS Regimes nur eine relativ kleine Rolle ein Beim Nurnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde er dennoch ausgiebig behandelt weil er im Gegensatz zur weitgehend ungeregelten Mordpraxis in den Konzentrationslagern die nur gelegentlich und schlaglichtartig zum Vorschein kam Ursprung und Durchfuhrung des Erlasses klar dokumentiert war Der angeklagte Keitel gab im Verlauf auch zu erkennen dass er den Erlass fur rechtswidrig hielt Der Erlass wurde ebenfalls im Juristenprozess und Prozess Oberkommando der Wehrmacht behandelt und als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft 13 Film BearbeitenNacht und Nebel franzosischer Dokumentarfilm von Alain Resnais aus dem Jahr 1956 Literatur BearbeitenKai Cornelius Vom spurlosen Verschwindenlassen zur Benachrichtigungspflicht bei Festnahmen Berliner Wissenschafts Verlag 2006 ISBN 3 8305 1165 5 Lothar Gruchmann Nacht und Nebel Justiz Die Mitwirkung der Strafgerichte an der Bekampfung des Widerstandes in den besetzten westeuropaischen Landern 1942 1944 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 29 1981 H 3 S 342 396 online PDF 7 7 MB Rainer Huhle Nacht und Nebel Mythos und Bedeutung PDF 0 5 MB In Zeitschrift fur Menschenrechte Nr 8 2014 S 120 135 Lore Maria Peschel Gutzeit Hrsg Das Nurnberger Juristen Urteil von 1947 Historischer Zusammenhang und aktuelle Bezuge 1 Auflage Nomos Verlag Baden Baden 1996 ISBN 3 7890 4528 4 darin Besonderer Teil Verbrechen unter dem Nacht und Nebel Gesetz S 101 111 sowie das Urteil zu Wilhelm von Ammon S 185 187 Siehe auch BearbeitenNacht und Nebel Polenstrafrechtsverordnung Schmutziger Krieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verschwindenlassen Extraordinary rendition Terror und SabotageerlassWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Night and Fog program Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Der Nacht und Nebel Erlass Memento vom 18 Juni 2009 im Internet Archive Thomas Pfaff 7 Dezember 1941 Hitlers Nacht und Nebel Erlass tritt in Kraft WDR ZeitZeichen vom 7 Dezember 2021 Podcast Einzelbelege Bearbeiten Lothar Gruchmann Nacht und Nebel Justiz Die Mitwirkung deutscher Strafgerichte an der Bekampfung des Widerstands in den besetzten westeuropaischen Landern In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 29 Jahrgang 1981 3 Heft S 342 ff 356 367 368 PDF Ausubung der Gerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa vom 14 Mai 1941 abgedr in Hans Adolf Jacobsen Kommissarbefehl S 181 Anatomie des SS Staates Band 2 dtv 463 Munchen 1967 Als Dokument 090L abgedruckt in IMT Der Nurnberger Prozess Band 37 Dok Bd 13 S 571 f Abgedruckt als Dokument 669 PS in IMT Der Nurnberger Prozess Band 26 Dok Bd 2 S 245 ff Dok 090L S 575 Dok 090L S 576 Lothar Gruchmann Nacht und Nebel Justiz In VfZ 29 1981 S 346 Schreiben des RJM s Lothar Gruchmann Nacht und Nebel Justiz In VfZ 29 1981 S 356 Eine vollstandige Namensliste fand der Historiker Sebastian Weitkamp 2014 im Geheimen Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz Pressemitteilung des Landkreises Emsland vom 17 Juni 2014 Namensliste von Widerstandskampfern aufgetaucht Memento des Originals vom 24 Juni 2014 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www emsland de abgerufen am 20 Juni 2014 diz emslandlager abgerufen am 4 Februar 2007 Habbo Knoch Die Emslandlager 1933 1945 In Wolfgang Benz Barbara Distel Hrsg Der Ort des Terrors Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Band 2 Fruhe Lager Dachau Emslandlager C H Beck Munchen 2005 ISBN 3 406 52962 3 S 560 Lothar Gruchmann Nacht und Nebel Justiz In VfZ 29 1981 S 395 Rainer Huhle Nacht und Nebel Mythos und Bedeutung S 15 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nacht und Nebel Erlass amp oldid 234866457