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Mythen des Alltags Mythologies ist ein kultursemiotisches Werk des franzosischen Poststrukturalisten und Semiotikers Roland Barthes aus dem Jahr 1957 Eine deutsche Ubersetzung von Helmut Scheffel erschien erstmals 1964 stark gekurzt im Suhrkamp Verlag mit nur 19 anstatt der ursprunglich 53 Essays im ersten Teil der zweite theoretische Teil blieb unverandert Im Jahr 2010 erschienen die Mythologies vollstandig in deutscher Ubersetzung von Horst Bruhmann Anmerkung 1 Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau 2 Inhalt 2 1 Der erweiterte Begriff des Mythos 2 2 Der Mythos ist eine Aussage 2 3 Der Mythos als Teil der Gesellschaft 2 4 Der Mythos als semiologisches Zeichen 2 5 Das semiologische System 2 6 Der Mythos als sekundares semiologisches System 2 7 Ethische Gesichtspunkte 3 Siehe auch 4 Ausgaben 5 Literatur 6 Weblinks 7 FussnotenAufbau BearbeitenBarthes versammelt in Mythen des Alltags Essays uber damals zeitgenossische kulturelle Phanomene deren Gemeinsamkeit darin besteht ahnlichen Mustern folgend moderne Alltagsmythen zu reprasentieren Barthes schreibt etwa uber Wrestling den neuen Citroen Striptease oder das Gehirn von Albert Einstein Die Essays erschienen zuerst in der Literaturzeitschrift Les Lettres nouvelles 1 Im zweiten Teil des Buches legt Barthes sein Mythenkonzept dar Inhalt BearbeitenDer erweiterte Begriff des Mythos Bearbeiten Der erweiterte Begriff des Mythos der nicht nur eine vielen bekannte Erzahlung meint sondern auch die fur eine Gesellschaft unbewussten und kollektiven Bedeutungen die sie von einem semiotischen Prozess ableitet wird in den Wissenschaften Barthes zugeschrieben Anmerkung 2 So gelingt es Barthes in Mythen des Alltags moderne und alte Mythen wie die der conditio humana am Beispiel der Ausstellung The Family of Man als eine Form der Naturalisierung und Essentialisierung zu analysieren Der Mythos von der conditio humana stutzt sich auf eine sehr alte Mystifikation die seit jeher darin besteht auf den Grund der Geschichte die Natur zu setzen 2 Der Analyse zahlreicher Alltagsbeispiele fur den Mythos in der Form kurzer Essays schliesst Barthes die Begrundung fur eine wissenschaftliche Vorgehensweise der Analyse der Mythen an und entwickelt hier die Grundlagen fur eine kritische Semiotik Der Mythos ist eine Aussage Bearbeiten Entsprechend der Etymologie des Wortes stellt Barthes fest der Mythos ist eine Aussage genauer ein Mitteilungssystem eine Botschaft Man sieht daraus dass der Mythos kein Objekt kein Begriff oder eine Idee sein kann er ist eine Weise des Bedeutens eine Form 3 Fur eine Definition was der Mythos ist seien die unterschiedlichen Wortbedeutungen von Mythos irrelevant Man kann mir hundert andere Bedeutungen des Wortes Mythos entgegenhalten Ich habe versucht Dinge zu definieren nicht Worter Barthes beschreibt zunachst die Form und spater fur eben diese Form die historischen Grenzen die Bedingungen ihrer Verwendung in der auch die Gesellschaft wieder in sie eingefuhrt werden musse 3 Um den Mythos zu erkennen ist es nicht notwendig zwischen den mythischen Objekten eine substantielle Unterscheidung treffen zu wollen denn nicht die Objekte bestimmen was der Mythos ist sondern die Art und Weise wie die Objekte angesprochen werden da der Mythos eine Aussage ist kann alles wovon ein Diskurs Rechenschaft ablegen kann Mythos werden Der Mythos wird nicht durch das Objekt seiner Botschaft definiert sondern durch die Art und Weise wie er diese ausspricht 3 Der Mythos kennt keine inhaltlichen Beschrankungen Fast alles kann mit einer Aussage mit einem Mythos versehen und dabei gesellschaftlich angeeignet werden Es gibt formale Grenzen des Mythos aber keine inhaltlichen Jeder Gegenstand der Welt kann von einer geschlossenen stummen Existenz zu einem besprochenen fur die Aneignung durch die Gesellschaft offenen Zustand ubergehen denn kein naturliches oder nichtnaturliches Gesetz verbietet von den Dingen zu sprechen 3 Der Mythos als Teil der Gesellschaft Bearbeiten Damit Dinge eine Bedeutung bekommen und nicht mehr allein Materie sind bedarf es der Gesellschaft Neben der rein materiellen Seite der Dinge tritt durch die Aussage uber die Dinge ein gesellschaftlicher Gebrauch zu den Dingen hinzu Ein Baum ist ein Baum Gewiss Aber ein Baum der von Minou Drouet ausgesprochen wird ist schon nicht mehr ganz ein Baum er ist ein geschmuckter Baum der einem bestimmten Verbrauch angepasst ist der mit literarischen Wohlgefalligkeiten mit Auflehnungen mit Bildern versehen ist kurz mit einem gesellschaftlichen Gebrauch der zu der reinen Materie hinzutritt Erst das gesellschaftliche Ansprechen der Dinge macht sie zu Objekten des Mythos Selbstverstandlich wird nicht alles zur gleichen Zeit ausgesprochen Manche Objekte werden nur fur einen Augenblick Beute des mythischen Wortes dann verschwinden sie wieder andere treten an ihre Stelle und gelangen zum Mythos 3 Der Mythos verwandelt das Wirkliche in den Stand der Aussage Eine grundlegende Bedingung fur den Mythos ist dabei seine zeitliche und geschichtliche Bestimmtheit denn Mythen entstehen nicht zwangslaufig und erwachsen nicht aus dem was sich die Gesellschaft als Natur vorstellt Gibt es zwangslaufig suggestive Objekte Sicher nicht man kann sich sehr alte Mythen denken aber es gibt keine ewigen denn nur die menschliche Geschichte lasst das Wirkliche in den Stand der Aussage ubergehen und sie allein bestimmt uber Leben und Tod der mythischen Sprache Ob weit zuruckliegend oder nicht die Mythologie kann nur eine geschichtliche Grundlage haben denn der Mythos ist eine von der Geschichte gewahlte Aussage aus der Natur der Dinge vermochte er nicht hervorzugehen 3 Der Mythos als semiologisches Zeichen Bearbeiten Der Mythos als Botschaft kann in unterschiedlichster Form uber unterschiedlichste Medien ubermittelt werden Sie kann deshalb sehr wohl auch anders als mundlich sein sie kann aus Geschriebenem oder aus Darstellungen bestehen Der geschriebene Diskurs der Sport aber auch die Photographie der Film die Reportage Schauspiele und Reklame all das kann Trager der mythischen Aussage sein Entsprechend kann der Mythos nicht durch sein Objekt und die Materie des Objekts bestimmt werden denn jede beliebige Materie kann willkurlich mit Bedeutung ausgestattet werden Als Beispiel nennt Barthes den Pfeil der uberreicht wird und Herausforderung bedeutet Dieses Ubergeben ist unabhangig von der materiellen Gestalt des Gegenstands ebenfalls eine Aussage 4 Diese verallgemeinerte Konzeption von Sprache die sich nicht nur auf alphabetische Schriftzeichen bezieht sieht Barthes durch die Geschichte der Schriften selbst gerechtfertigt denn lange vor der Erfindung unseres Alphabets waren Objekte wie das Kipu der Inkas oder Zeichnungen wie die Bilderschriften regelrechte Aussagen gewesen An diesem Punkt behandelt Barthes die Frage nach der wissenschaftlichen Vorgehensweise fur die Analyse der Mythen und ob die Analyse von Mythen Gegenstand der Linguistik sein kann Das soll jedoch nicht heissen dass die mythische Aussage wie die Sprache behandelt werden musse Der Mythos gehort in eine Wissenschaft die uber die Linguistik hinausgeht er gehort in die Semiologie 5 Das semiologische System Bearbeiten Ein semiologisches System besteht fur Barthes anders als etwa fur Ferdinand de Saussure aus drei verschiedenen Termini dem Bedeutenden dem Signifikanten bei Saussure dem Bedeuteten dem Signifikat und dem Zeichen das die assoziative Gesamtheit der ersten beiden Termini ist 6 Barthes erlautert diese Dreistelligkeit am Beispiel der Rose Man denke an einen Rosenstrauss ich lasse ihn meine Leidenschaft bedeuten Gibt es hier nicht doch nur ein Bedeutendes und ein Bedeutetes die Rose und meine Leidenschaft Nicht einmal das in Wahrheit gibt es hier nur die verleidenschaftlichten Rosen Aber im Bereich der Analyse gibt es sehr wohl drei Begriffe denn diese mit Leidenschaft besetzten Rosen lassen sich durchaus und zu Recht in Rosen und Leidenschaft zerlegen Die einen ebenso wie die andere existierten bevor sie sich verbanden und dieses dritte Objekt das Zeichen bildeten So wenig ich im Bereich des Erlebens die Rosen von der Botschaft trennen kann die sie tragen so wenig kann ich im Bereich der Analyse die Rosen als Bedeutende den Rosen als Zeichen gleichsetzen das Bedeutende ist leer das Zeichen ist erfullt es ist ein Sinn 7 Der Mythos als sekundares semiologisches System Bearbeiten Der Mythos besteht aus einer Verkettung von semiologischen Systemen Ein einfaches System bildet analytisch betrachtet aus dem Bedeutenden und das Bedeutete das Zeichen wobei das Zeichen als assoziatives Ganzes sich ergibt Der Mythos beinhaltet bereits das erste Zeichen eines semiologischen Systems nur fungiert es hier als Bedeutendes im zweiten System So lautet die zentrale Definition in Mythen des Alltags Im Mythos findet man das dreidimensionale Schema wieder das Bedeutende das Bedeutete und das Zeichen Aber der Mythos ist insofern ein besonderes System als er auf einer semiologischen Kette aufbaut die bereits vor ihm existiert er ist ein sekundares semiologisches System Was im ersten System Zeichen ist das heisst assoziatives Ganzes eines Begriffs und eines Bildes ist einfaches Bedeutendes im zweiten Ob es sich um eigentliches oder um bildliches Schreiben handelt der Mythos erblickt darin eine Ganzheit von Zeichen ein globales Zeichen den Endterminus einer ersten semiologischen Kette Und gerade dieser Endterminus wird zum ersten oder Teilterminus des vergrosserten Systems das er errichtet Alles vollzieht sich so als ob der Mythos das formale System der ersten Bedeutung um eine Raste verstellte 8 Wie bereits erwahnt ist es fur den Mythos nicht wichtig ob seine Aussage schriftlich fotografisch kunstlerisch oder in der materiellen Form eines Gebaudes einer Pflanze oder eines Ritus zum Ausdruck gebracht wird Man muss hier daran erinnern dass die Materialien der mythischen Aussage Sprache Photographie Gemalde Plakat Ritus Objekt usw so verschieden sie auch zunachst sein mogen sich auf die reine Funktion des Bedeutens reduzieren sobald der Mythos sie erfasst Der Mythos sieht in ihnen ein und denselben Rohstoff Ihre Einheit besteht darin dass sie alle auf den einfachen Status einer Ausdrucksweise zuruckgefuhrt sind 9 Ethische Gesichtspunkte Bearbeiten Am Rande seiner Untersuchung des Mythos gleichsam in einer Fussnote formuliert Barthes seine ethischen Aspekte auf den Mythos Danach ist das Storende im Mythos gerade dass seine Form motiviert ist Gabe es so etwas wie eine Gesundheit der Sprache begrunde sich diese durch die Willkurlichkeit des Zeichens Jeder Mythos jedoch besitzt eine motivierende Form Sinn wird in Form verwandelt deformiert seiner Geschichte beraubt Das Widerwartige im Mythos ist seine Zuflucht zu einer falschen Natur ist der Luxus der bedeutungsvollen Formen wie bei jenen Objekten die ihre Nutzlichkeit durch einen naturlichen ausseren Schein dekorieren Der Wille die Bedeutung durch die ganze Burgschaft der Natur schwerer zu machen ruft eine Art von Ekel hervor der Mythos ist zu reich und gerade seine Motivierung ist zuviel an ihm Fur diese Abneigung die der Mythos fur Barthes erzeugt bringt er eine Entsprechung aus dem Bereich der Kunst die zwischen Natur und der Anti Natur changiert Diese Angewidertheit ist dieselbe die ich angesichts von Kunsten empfinde die nicht zwischen der Natur und der Anti Natur wahlen wollen und die erste als Ideal und die zweite als Ersparnis benutzen Ethisch gesehen zeugt es von Niedrigkeit gleichzeitig in beiden Bereichen spielen zu wollen 10 Siehe auch BearbeitenSemiologie Strukturalismus Poststrukturalismus Das semiologische Abenteuer Die Lust am Text Der Tod des AutorsAusgaben BearbeitenMythologies Seuil Paris 1957 Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt am Main 1964 u 2003 ISBN 3 518 12425 0 Mythen des Alltags Erste vollstandige deutsche Ausgabe Aus dem Franzosischen ubersetzt von Horst Bruhmann Suhrkamp Berlin 2010 ISBN 3 518 41969 2 2012 als Taschenbuch erschienen Literatur BearbeitenUmberto Eco Isabella Pezzini La semiologie des Mythologies In Communications 36 1982 S 19 42 Mona Korte Anne Kathrin Reulecke Hrsg Mythologies Mythen des Alltags Roland Barthes Klassiker der Kulturwissenschaften Kulturverlag Kadmos Berlin 2014 ISBN 978 3 86599 243 7 Bjorn Weyand KulturKlassiker Roland Barthes 1915 1980 Mythologies 1957 In KulturPoetik 12 2012 2 S 258 271 Weblinks BearbeitenTorsten Pflugmacher Betrachtungen zum Werk von Roland Barthes unter besonderer Berucksichtigung des linguistischen Paradigmas nach Saussure Memento vom 11 August 2010 im Internet Archive Milo Rau Er liest uns weiter Essay zur vollstandigen Neuausgabe der Mythen des Alltags WOZ vom 19 August 2010Fussnoten BearbeitenEinzelnachweise Mythen des Alltags Interpretationen einer Welt der Zeichen oe1 orf at 8 April 2017 abgerufen am 1 Februar 2023 Roland Barthes Die grosse Familie der Menschen In Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 17 a b c d e f Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 85 Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 86 f Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 87 f Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 90 Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 90 f Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 92 f Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 93 Barthes Mythen des Alltags Suhrkamp Frankfurt a M 1964 S 108Anmerkungen Die Neuausgabe war Anlass fur den kulturwissenschaftlichen Band von Mona Korte und Anne Kathrin Reulecke Hrsg Mythologies Mythen des Alltags Roland Barthes Klassiker der Kulturwissenschaften Kulturverlag Kadmos Berlin 2014 Vgl www mediamanual at inhaltlich lasst sich Barthes Mythosbegriff auch in der Essener Studienenzyklopadie Linguistik verfolgen besonders in Kapitel 3 3 Memento des Originals vom 11 Juli 2010 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www linse uni due deWerke von Roland Barthes in deutscher Ubersetzung Essays Literaturtheorie Am Nullpunkt der Literatur Cy Twombly Das Rauschen der Sprache Das Reich der Zeichen Das semiologische Abenteuer Der Tod des Autors Die helle Kammer Die Lust am Text Die Sprache der Mode Elemente der Semiologie Fragmente einer Sprache der Liebe Literatur oder Geschichte Kritik und Wahrheit Mythen des Alltags Rhetorik des Bildes Sade Fourier Loyola S Z Uber mich selbst Interviews Die Kornung der Stimme Vorlesungen aus dem Nachlass Das Neutrum Die Vorbereitung des Romans Wie zusammen leben Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mythen des Alltags amp oldid 230634068