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Die Lust am Text franzosisch Le plaisir du texte ist ein 1973 dt 1974 erschienener Essay von Roland Barthes Er gilt als einer der paradigmatischen Texte des Poststrukturalismus und als Klassiker der neuen franzosischen Textkritik Ruckblickend hat Barthes selbst diesen Text als Beginn einer neuen Phase seines Denkens bezeichnet Mit diesem Essay wendet er sich von seinem strengen semiologisch orientierten Systemdenken des Strukturalismus ab Zugleich werden Einflusse durch die Psychoanalyse Kristeva Derrida und Nietzsche den er mehrfach zitiert deutlich Inhaltsverzeichnis 1 Form 2 Inhalt 3 Kritik 4 Ausgabe 5 LiteraturForm BearbeitenDer Essay besteht aus einer unsystematisch zueinander in Bezug gesetzten Reihe von Aphorismen und Sentenzen Inhaltlich vermittelt das Buch kein eindeutiges Ergebnis seine Aussagen stehen oft in Widerspruch zueinander Auch unterscheiden die Abschnitte sich in ihrem Charakter Wir finden kleine Erzahlungen politische Traktate feuilletonistische Abhandlungen philosophische Uberlegungen spielerisches Brainstorming Es ist dies eine Form die an die Moralistik d h an philosophische Texte die sich mit dem guten und dem bosen dem moralisch richtigen oder falschen Leben auseinandersetzen anknupft Damit steht er in der Tradition von Abaelards Sic et Non Dies geht so weit dass er identische Begriffe in unterschiedlichen und sich teilweise ausschliessenden Bedeutungen verwendet Damit fordert er in diesem Text selbst die Herangehensweise ein die er in den Aphorismen beschreibt Eine Leseform die sich zunachst von Bedeutung Sinn und Verstehen verabschieden muss Inhalt BearbeitenDie Lust am Text beschreibt den Leseakt Dabei greift Barthes nicht auf klassische Texte zuruck wie andere Literaturtheoretiker wie z B Wolfgang Iser dies in ihren Theorien tun sondern beschaftigt sich mit modernistischen Texten die bereits eine bestimmte Lekture form hervorrufen Er sucht sich Texte aus die keine feste Bedeutung vermitteln sondern diese im freien Spiel der Worter auflosen Feste Denksysteme von Barthes als ideologisch und repressiv begriffen sollen in diesen Texten durch ein endloses Gleiten und Vermischen von Sprache zerstort werden Die Herangehensweise an diese Texte ist so Barthes weniger von einer Hermeneutik also von einem Verstehen wollen gepragt als vielmehr von einer Erotik Es ist unmoglich die Zeichen auf eine bestimmte Bedeutung festzulegen Dem Leser bleibt im qualend verlockenden Treiben und kurzzeitigen provozierenden Aufblitzen von Sinn und Bedeutung zu schwelgen Der Leser muss sich dem Text hingeben eine andere Moglichkeit der Annaherung an den Text hat er nicht Barthes unterscheidet dabei zwei Formen von Lust Die erste plaisir ist die herkommliche Form Der Leser geniesst es Sinn herzustellen und ein koharentes System aus den vorliegenden Textelementen aufzubauen Er versteht den Text innerhalb seiner personlichen Denkstruktur und geniesst es sich seines Selbst zu versichern Sie steht zum einen im Widerspruch zur zweiten ist aber andererseits auch ihre Voraussetzung Diese zweite jouissance ist mit Wollust zu ubersetzen Nicht nur der Text sondern auch das menschliche Selbst bricht zusammen Texte dieser Art verunsichern lenken dabei das Augenmerk auf die Sprache selbst und nicht mehr auf den Inhalt In einem masochistischen Akt sprengt der modernistische Text die festgefugte kulturelle Identitat des Lesers Der gibt sich ganz dem auflosenden Zeichentreiben hin Dies bedeutet eine neue Gluckseligkeit des Lesers die dem sexuellen Orgasmus gleichzusetzen ist Damit ist eine bestimmte Voraussetzung des zu lesenden Textes gegeben Er muss als Korper verstanden werden Zunehmend begreift Barthes den Leseakt als Akt der Hingabe und der Disziplinuberschreitung Der Leser lost sich im Text auf wird zu dessen Anagramm und von diesem sinnlich aufgenommen Fluchtpunkt von Barthes Gedanken ist eine konsequente Asthetik der Lust die den Text zu einer zum Korper gehorenden und gleichzeitig den Leser verkorpernden Stimme macht und durch die die bisherige Spaltung von Logos und Eros aufgehoben werden soll Kritik BearbeitenEine Kritik an dieser Technik der Literaturaneignung formuliert Terry Eagleton Die inhaltliche Kritik an diesem System muss an der privatistischen Herangehensweise aufgebaut werden So verrat diese Theorie ein generelles Unbehagen am systematischen Denken und ignoriert dass der Leser in einen historischen Prozess eingeordnet ist Jeder Leser trifft eingebunden in ein soziales und historisches System auf einen Text Der Dialog mit dem Text der die Sprache auflost und absolute Hingabe mit sich bringt setzt so Eagleton eine Existenz im rein asthetischen Vakuum und somit eine Laboratmosphare voraus das auf diese Weise nie in einem Leseakt existiert Ausgabe BearbeitenRoland Barthes Die Lust am Text Ubersetzt Von Traugott Konig Suhrkamp Frankfurt am Main 1974 ISBN 3 518 01378 5 Literatur BearbeitenTerry Eagleton Einfuhrung in die Literaturtheorie 2 Auflage Metzler Stuttgart 1992 ISBN 3 476 12246 8 Le plaisir du texte In Kindlers neues Literaturlexikon Band 2 Ba Bo Studienausgabe Kindler Munchen 1996 DNB 947244158 S 281f Werke von Roland Barthes in deutscher Ubersetzung Essays Literaturtheorie Am Nullpunkt der Literatur Cy Twombly Das Rauschen der Sprache Das Reich der Zeichen Das semiologische Abenteuer Der Tod des Autors Die helle Kammer Die Lust am Text Die Sprache der Mode Elemente der Semiologie Fragmente einer Sprache der Liebe Literatur oder Geschichte Kritik und Wahrheit Mythen des Alltags Rhetorik des Bildes Sade Fourier Loyola S Z Uber mich selbst Interviews Die Kornung der Stimme Vorlesungen aus dem Nachlass Das Neutrum Die Vorbereitung des Romans Wie zusammen leben Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Lust am Text amp oldid 212730544