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Hans Martin Otto Lennings 6 Dezember 1904 in Schwelm 19 September 1962 in Koln 1 war ein deutscher SA Angehoriger Lennings erlangte im Jahr 2019 postume Bekanntheit aufgrund der Auffindung einer von ihm im Jahr 1955 abgegebenen eidesstattlichen Erklarung in der er sich selbst der Mitwirkung an der Inbrandsetzung des Berliner Reichstagsgebaudes am 27 Februar 1933 bezichtigte Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Angaben zu seiner Involvierung in den Reichstagsbrand 2 Offentliche Rezeption 2 1 Vor der Prufung des Sachverhalts 2 2 Nach der Prufung des Sachverhalts 3 Archivische Uberlieferung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben und Angaben zu seiner Involvierung in den Reichstagsbrand BearbeitenLennings stammte aus dem heutigen Wuppertal und wuchs in Hannover auf 2 Sein Vater Heinrich Lennings 1871 1923 der das erste und zweite Examen in evangelischer Theologie absolviert hatte unterrichtete seit 1902 am Progymnasium mit Realschule in Schwelm und ab 1907 an der Oberrealschule an der Lutherkirche in Hannover 3 4 Lennings alterer Bruder Heinrich jun wurde Pastor Wie Lennings eidesstattlich versicherte habe er sich seit 1924 in der deutsch volkischen Bewegung laut dem Historiker Rainer Orth bei den Artamanen 5 betatigt und sei 1926 Mitglied der NSDAP geworden Er sei mit Ernst Rohm befreundet gewesen und von diesem kurz vor dem 30 Januar 1933 als einfacher Truppfuhrer in die SA den Strassenkampfverband der NSDAP aufgenommen worden nachdem er zuvor 1930 ein Angebot von Rohm abgelehnt habe in die Fuhrung der SA einzutreten 6 Auch laut seinem 1948 abgeschlossenen Entnazifizierungsverfahren hatte er beste Kontakte zur NSDAP Fuhrung zum Beispiel habe er im Sommer 1930 nach einer Schlagerei mit Kommunisten Besuch von Adolf Hitler im Krankenhaus bekommen und Rohm mehrfach auf Reisen begleitet 2 Im Februar 1933 habe er einem Berliner SA Sondertrupp zur besonderen Verwendung angehort und in Zivilkleidung einen Arbeitsdienst der sogenannten Christlichen Kampfschar in der General Pape Strasse bespitzelt Am Abend des 27 Februar 1933 will Lennings als Angehoriger seines SA Trupps in die Vorgange um die Inbrandsetzung des Reichstagsgebaudes verwickelt worden sein 6 Im Jahr 1955 gab Lennings der als Beruf Kaufmann angab und bei seinem Bruder dem Pastor Heinrich Lennings in Bad Pyrmont wohnte vor dem Notar Paul Siegel in Hannover eine auf den 8 November 1955 datierte eidesstattliche Erklarung ab die anschliessend in die Urkundenrolle des Notars beim Amtsgericht Hannover mit der Urkundenrollennummer 501 genommen wurde und folgende Angaben enthielt Am Abend des 27 Februar 1933 habe er Lennings vom Fuhrer der SA Untergruppe Berlin Ost Karl Ernst den Befehl erhalten einen jungeren Mann von einem SA Lazarett in der Lutzowstrasse im Berliner Tiergarten mit einem Automobil zum Reichstagsgebaude zu fahren Der Auftrag erfolgte nicht direkt sondern uber einen Polizeispitzel in einer Gastwirtschaft in Berlin Mahlsdorf 6 7 Wahrscheinlich handelte es sich um die Gastwirtschaft Zum strammen Kater in der Honower Strasse 147 8 Diesen Befehl hatten er und zwei weitere SA Angehorige in Zivil gekleidet zwischen 20 00 und 21 00 Uhr ausgefuhrt und den jungen Mann zum Reichstag transportiert Wahrend der Fahrt habe der Mann kein Wort gesprochen und einen benommenen Eindruck gemacht Am Reichstag hatten er und die anderen beiden SA Manner so Lennings den ihm unbekannten Mann an einem Nebeneingang an einen dort wartenden ebenfalls in burgerlicher Kleidung auftretenden SA Mann ubergeben der sie angewiesen habe sich schnell wieder zu entfernen wobei Lennings bemerkt habe dass ein eigenartiger Brandgeruch herrschte und dass auch schwache Rauchschwaden durch die Zimmer hindurchzogen In den folgenden Tagen habe er so Lennings in seiner Erklarung weiter aufgrund der in den Zeitungen abgebildeten Fotografien des im brennenden Reichstagsgebaude verhafteten niederlandischen Anarchosyndikalisten Marinus van der Lubbe in diesem jenen Mann erkannt den er und die anderen zwei SA Manner am Abend des 27 Februar 1933 vom Berliner Tiergarten zum Reichstagsgebaude gebracht hatten Nachdem Lubbe in der Presse als Brandstifter hingestellt wurde obwohl er Lennings und seine Kameraden gewusst hatten dass dieser nicht der Brandstifter gewesen sein konnte da das Gebaude ja bereits gebrannt habe als sie Lubbe dort abgeliefert hatten hatten sie sich beschwerdefuhrend an seine Vorgesetzten gewandt Weil nach unserer Uberzeugung van der Lubbe unmoglich der Brandstifter gewesen sein konnte da ja nach unseren Feststellungen der Reichstag schon in Brand gesetzt sein musste als wir van der Lubbe dort ablieferten 6 Er und andere SA Manner hatten aus diesem Grund gegen die Verhaftung und angeblich wahrheitswidrige offentliche Hinstellung Lubbes als Brandstifter protestiert Sie seien daraufhin in Schutzhaft genommen worden und hatten Reverse unterschreiben mussen in denen sie erklarten dass wir von nichts etwas wissen Nach einer Woche seien sie auf Befehl von Rohm wieder entlassen worden Lubbe als einziger offiziell uberfuhrter Tatverdachtiger wurde derweil im Reichstagsbrandprozess vor dem Leipziger Reichsgericht im Dezember 1933 zum Tode verurteilt und im Januar 1934 hingerichtet Lennings zufolge seien spater fast alle zum engeren Kreis der am Reichstagsbrand beteiligten Personen gehorende SA Angehorigen wahrend der Rohm Affare erschossen worden und er vermutete auch dass das der Grund fur die Ermordung von Karl Ernst gewesen war 6 Er selbst so Lennings sei jedoch gewarnt worden und in die Tschechoslowakei gefluchtet Nach seiner Ausweisung aus der Tschechoslowakei und einer zwischenzeitlich erfolgten Amnestie kehrte er nach eigenen Angaben 1934 wieder nach Deutschland zuruck Wegen Ausserungen gegen das Regime sei er Ende 1934 kurz in Schutzhaft genommen worden und 1936 in das Gestapo Gefangnis Hotel Silber in Stuttgart nachdem er das Grab eines beim Rohm Putsch Erschossenen in Rudolstadt besucht habe Nach Haft in verschiedenen Schutzhaftlagern sei er dann 1937 in Stuttgart entlassen worden 6 Lennings meldete sich 1940 als Freiwilliger zur Wehrmacht wurde bei den Besatzungstruppen in Danemark eingesetzt aber schon 1941 wieder aus ihr entlassen Danach arbeitete er als Dienstverpflichteter in der Rustungsindustrie bevor er 1943 eine Anstellung in der grossen Staudengartnerei von Karl Foerster in der Nahe von Potsdam erhielt Dort habe er auch die Not verfolgter Juden gesehen die ihn erschuttert habe Einigen judischen Menschen habe er helfen konnen eine Beschaftigung zu erhalten oder unterzukommen Diese Behauptung Lennings spielte auch in seinem spateren Entnazifizierungsverfahren eine Rolle 9 Bei der Verteidigung Potsdams wurde er nochmals zum Militardienst herangezogen und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft Im Fruhjahr 1946 wurde er daraus entlassen hielt sich zunachst in Stuttgart auf und war ab Februar 1947 in einem Genesungsheim des evangelischen Hilfswerks fur entlassene Kriegsgefangene im wurttembergischen Sachsenheim untergebracht 10 In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde Lennings am 29 April 1948 durch die Spruchkammer Ludwigsburg als entlastet eingestuft Dazu wurde ausgefuhrt dass Lennings zu den alten Kampfern der NS Bewegung gehort und anfanglich den Aufbau der NS Gewaltherrschaft gefordert aber schnell seinen Irrtum erkannt und schliesslich gegen den Nationalsozialismus gearbeitet habe 11 Die Angaben Lennings judische Personen in Potsdam wahrend der letzten Kriegsjahre unterstutzt zu haben wurden durch Erklarungen vertrauenswurdiger Personen bestatigt an erster Stelle des Kunstschriftstellers Oskar Beyer dessen judische Frau Margarete 1945 im KZ Auschwitz starb und der selbst ein erklarter NS Gegner war 12 Seine Beweggrunde die ihn selbst belastenden Angaben vor einem Notar eidlich zu Protokoll zu geben erklarte Lennings selbst in seiner Erklarung 1955 damit dass er glaubiger Katholik sei und die Aussage auf Anraten seines Beichtvaters mache 6 Anlass fur den Entschluss Lennings ausgerechnet 1955 seine Erklarung abzugeben war nach eigener Aussage die Verwendung in einem damals diskutierten Wiederaufnahmeverfahren des Reichstagsbrandprozesses von 1933 6 Er selbst habe vor in Kurze das Land zu verlassen 6 Er ermachtigte den Anwalt im Wiederaufnahmeprozess Arthur Brandt in seiner eidesstattlichen Versicherung diese im Prozess zu verwenden Dem Artikel von Meding 2 zufolge gibt es Abschriften von Briefen von Lennings an seinen Bruder aus den 1950er Jahren im Bundesarchiv Danach verschwieg Lennings in seiner eidesstattlichen Erklarung einige Fakten die ihn noch hatten selbst belasten konnen So soll es einige Tage vor dem Reichstagsbrand im Trompeterschlosschen in Dresden ein Treffen von Mitgliedern der SA darunter Edmund Heines gegeben haben bei dem uber den bevorstehenden Brand gesprochen und die Manner dafur ausgewahlt worden seien Uber Lennings Leben nach seiner Entnazifizierung ist wenig bekannt Ab 1951 war er in Leonberg in der Nahe von Stuttgart als wohnhaft registriert Im Jahr seines Todes 1962 bewohnte er als Untermieter ein mobliertes Zimmer im sauerlandischen Meschede Er starb am 19 September 1962 in Koln als er einen Bekannten besuchen wollte und einen diabetischen Anfall erlitt 13 Offentliche Rezeption BearbeitenVor der Prufung des Sachverhalts Bearbeiten Bereits Alexander Bahar und Wilfried Kugel haben in ihrer im Jahr 2001 erschienenen Dokumentation Der Reichstagsbrand Wie Geschichte gemacht wird edition q Berlin 2001 Der Zeuge des Rechtsanwalts Arthur Brandt S 588 591 detailliert uber die Aussagen des seinerzeit von dem Berliner Rechtsanwalt Arthur Brandt im Urteilsaufhebungsverfahren Marinus van der Lubbe angefuhrten jedoch anonym gehaltenen Zeugen berichtet Dessen 1955 abgelegte eidesstattliche Erklarung lag den Autoren seinerzeit nur in Auszugen vor Eine Abschrift von Lennings eidesstattlicher Erklarung wurde erst in Zusammenhang mit Nachforschungen des niedersachsischen Landeskriminalamts zur eigenen Geschichte 2 im Nachlass des Verfassungsschutzbeamten und Reichstagsbrandforschers Fritz Tobias im Bundesarchiv Koblenz entdeckt und daraufhin die Suche nach dem Original der Erklarung angestossen Unterstutzt wurden die weiteren Nachforschungen durch Hersch Fischler Durch die Auffindung des Originals im Archiv des Amtsgerichts Hannover im Juli 2019 wurden der amtliche Charakter und die Authentizitat des Dokumentes als solchem nicht aber zwangslaufig die Akkuratheit der in ihm enthaltenen Behauptungen bestatigt Die Echtheit des Dokuments wurde zudem durch das Landeskriminalamt bestatigt Die Existenz des Dokuments wurde am 26 Juli in einem Artikel des Journalisten und Redakteurs Conrad von Meding in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zuerst veroffentlicht Die Erklarung Lennings wurde Ende Juli 2019 in amtlich beglaubigten Kopien der Deutschen Presse Agentur dpa zur Verfugung gestellt Die Folge war dass zahlreiche Zeitungen und andere Medien in den Folgetagen uber die Auffindung des brisanten oder scheinbar brisanten Lennings Dokuments seinen Inhalt und die mogliche Bedeutung fur die Aufklarung des Ratsels wer den Reichstag in Brand gesetzt habe berichteten so zum Beispiel die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Frankfurter Rundschau die Suddeutsche Zeitung die Tageszeitung taz und Die Welt Die Bewertung des neuen Dokuments und seines Quellenwertes gingen weit auseinander So wertete Conrad von Meding die Erklarung Lennings als Beleg dafur dass die jahrzehntelang in der Fachforschung dominierende Auffassung dass Marinus van der Lubbe den Reichstag als Einzeltater in Brand gesetzt habe eine Schutzbehauptung gewesen sei Gewicht kame ihr besonders deshalb zu da Lennings sich mit dieser Behauptung nicht wie es in den Nachkriegsjahren verbreitete Praxis gewesen sei zu entlasten versucht habe sondern dass er sich im Gegenteil selbst belastet habe Meding meinte aus diesem Grund die Prognose wagen zu konnen dass die Forschung zum Reichstagsbrand aufgrund von Lennings Erklarung neu losgehe Nach Hersch Fischler 2 wird Lennings durch die 1933 protokollierte Aussage eines Polizeioberwachtmeisters bestatigt Dieser hatte einen grau grunen Wagen um 21 Uhr 15 am zur Krolloper gelegenen Nebeneingang des Reichstags damals Simonsstrasse gesehen war jedoch im Prozess nicht als Zeuge geladen worden Van der Lubbe sagte nach Fischler auch aus er sei im Reichstag an Ritterrustungen vorbeigekommen Die gab es nach Fischler nur am Eingang Simonsstrasse und nicht auf dem Weg auf dem er laut Ermittlungsprotokoll in den Reichstag gekommen sein soll Auch bestehen Zweifel an der Aussage von van der Lubbe der geh und stark sehbehindert war er hatte um in den Reichstag zu kommen eine funf Meter hohe Balustrade erklettert die zusatzlich von einem zwei Meter tiefen Graben umgeben war der mit Stacheldraht gesichert war Skeptisch gegenuber den protokollierten Aussagen van der Lubbes ausserten sich nach dem Krieg auch verschiedene Brandexperten Nach Fischler waren die Verhorprotokolle und Ermittlungsakten nachweislich mehrfach manipuliert und Teile entfernt worden Nach Fischler war van der Lubbe mit seiner Selbstbelastung vor allem vom Willen getrieben als Alleintater bekannt zu werden und ein Zeichen gegen die Nationalsozialisten zu setzen Der amerikanische Historiker Benjamin Carter Hett erklarte in einem Interview mit Conrad von Meding dass es sich hier vorbehaltlich einer genaueren Prufung um das erste Dokument zu handeln scheine in dem ein Mittater davon berichte auf Befehl der Nazis selbst an den Vorbereitungen beteiligt gewesen zu sein Davor aufgetauchte Dokumente hatten sich alle als Falschungen erwiesen Lennings Erklarung unterstutze eine Aussage des Rechtsanwalts des Wiederaufnahmeverfahrens Arthur Brandt dass er von einem ehemaligen SA Mann kontaktiert worden sei der zu Gunsten van der Lubbes auspacken habe wollen 2 Der ehemalige SA Mann habe zwar so zitiert Hett Brandt in seinem 2014 auf Englisch erschienenen Buch Der Reichstagsbrand Wiederaufnahme eines Verfahrens nicht vor Gericht aus Angst um sein Leben aussagen wollen Brandt habe aber dessen Aussage ohne Namensnennung im Prozess verwendet und fest an deren Wahrheitsgehalt geglaubt In seinem Buch war Hett noch skeptisch gegenuber dieser Aussage merkte aber an dass Brandt eine hohe Reputation unter Kollegen genossen habe und die Begegnung durch dessen Tochter und Hans Bernd Gisevius der eine Tonbandaufnahme von dessen Aussage gehort habe bestatigt worden sei 14 Der Verfassungsschutzmitarbeiter Fritz Tobias habe in seiner elfteiligen Artikelserie im Magazin Spiegel 1959 60 mittels Manipulation und Unterdruckung von Quellen sowie Erpressung von Historikern den Grundstein fur die seit den 1960er Jahren unter Historikern in Deutschland vorherrschende These der Alleintaterschaft van der Lubbes gelegt um ehemalige NS belastete Ermittler beim Reichstagsbrand die um die Fortsetzung ihrer Karriere in der Bundesrepublik Deutschland furchteten zu schutzen Walter Zirpins ab 1951 Leiter des Landeskriminalpolizeiamts Niedersachsen hatte van der Lubbe verhort und war einer der Verfasser der Ermittlungsprotokolle Hett sieht es als trauriges Kapitel dass sich der Spiegel bis heute nicht von der Artikelreihe von Tobias distanziert habe 2 Nach der Prufung des Sachverhalts Bearbeiten Ende November 2019 berichtete der Spiegel Redakteur und Historiker Klaus Wiegrefe Recherchen des Historikers Rainer Orth wurden zeigen dass 1936 37 zwei Mediziner im Auftrag des Erbgesundheitsgerichts beim Amtsgericht Leipzig psychiatrische Gutachten uber Lennings angefertigt hatten wonach dieser ein Psychopath sei der u a an Angststorungen epileptischen Anfallen und Erinnerungsverlust leide 15 Es sei damals um eine mogliche Sterilisation Lennings wegen psychischer Erkrankung gegangen die aber deshalb nicht erfolgte weil er wohl zeugungsunfahig gewesen sei Um zu klaren was von psychiatrischen Gutachten aus der Nazizeit zu halten sei habe der Spiegel so Wiegrefe die Gutachten einem heutigen Psychiatrie Experten zur Einschatzung vorgelegt dem Psychiater Frank Schneider Man konne so Schneider Lennings Aussagen nicht grundsatzlich als Lugen abtun es gebe aber sehr viele Indizien dass er sich einer Tat bezichtigt habe an der er nicht beteiligt gewesen sei 5 Dass Fritz Tobias in den 1950er Jahren die eidesstattliche Aussage Lennings nicht an die Offentlichkeit gebracht habe habe nichts mit Informationsunterdruckung zu tun folgert Wiegrefe sondern mit dem Umstand dass Lennings Bruder Tobias gewarnt habe dieser sei ein grosser Fabulierer und erzahle gerne Rauberpistolen 16 Der Journalist und Historiker Sven Felix Kellerhoff stellte die Authentizitat von Lennings Erklarung soweit es ihren Inhalt betrifft demgegenuber nachdrucklich in Abrede Unter Verweis auf die von ihm selbst ausgewerteten Akten der den Brand 1933 untersuchenden Sonderkommission der Berliner Politischen Polizei die verschiedene Aussagen von Personen enthalten die Marinus van der Lubbe am 27 Februar 1933 in Berlin gesehen zu haben behaupteten insistierte Kellerhoff dass Lennings Lubbe unmoglich wie er es in seiner Erklarung behauptet mit einem Automobil am Abend des 27 Februar zum Reichstag gefahren haben konnte da aufgrund der vorliegenden Zeugnisse feststehe dass Lubbe sich bereits mittags zu Fuss in die Gegend des Reichstags begeben habe und sich anschliessend fur einige Stunden im umliegenden Gebiet des Bezirks Mitte aufgehalten habe um dort auf das Anbrechen der Abenddunkelheit zu warten in deren Schutz er die von ihm geplante Brandstiftung begehen habe wollen Kellerhoff war daher uberzeugt dass Lennings Erklarung nicht der Wahrheit entspricht sondern es sich bei dieser um eine Falschaussage gehandelt habe Kellerhoff fand seine Vermutungen durch die Recherche von Rainer Orth und Klaus Wiegrafe bestatigt so in seinem Artikel in der Welt vom 29 November 2019 17 Der britische Historiker Richard J Evans folgt Kellerhoffs Argumentation und glaubt dass Lennings sich die ganze Geschichte ausgedacht hatte sie sei daher wertlos Das habe auch Tobias erkannt Dass er sie in seinem Buch ignoriert habe sei mithin nicht auf Vertuschungsabsichten zuruckzufuhren 18 Im Herbst 2021 legte der Historiker Rainer Orth auf dessen Recherchen sich die oben erwahnten Journalisten Wiegrefe und Kellerhoff bezogen seine Untersuchung zu Martin Lennings vor in der er die Aussagen Lennings zu dessen Rolle beim Reichstagsbrand einer quellenkritischen Prufung unterzieht Orth kommt zu einem differenzierten Fazit Einerseits hatten sich die uberprufbaren Angaben Lennings grundsatzlich als korrekt erwiesen Es sei zu konstatieren dass in der eidesstattlichen Erklarung Martin Lennings aus dem Jahre 1955 keine wesentliche Angabe gefunden werden konnte die nachweislich inkorrekt ist Andererseits seien seine psychischen Auffalligkeiten derart gravierend und sowohl von Fachleuten mehrfach diagnostiziert als auch von Familienangehorigen bestatigt dass der Teil seiner nicht uberprufbaren Aussagen zum Reichstagsbrand mit einem gehorigen Mass an Reserviertheit behandelt werden sollte 19 Orth zufolge liegt der Wert von Lennings Erklarung als historische Quelle hauptsachlich darin sie als Indiz dafur zu sehen die bislang unzureichend erhellten Aktivitaten der Berliner SA im Zusammenhang mit dem Brand mehr in den Fokus der einschlagigen Forschung zu rucken 20 Archivische Uberlieferung BearbeitenLennings Spruchkammerakten haben sich im Staatsarchiv Ludwigsburg unter den Signaturen EL 902 20 Bu 18246 und EL 902 15 Bu 13880 erhalten 21 Die eidesstattliche Erklarung aus dem Jahr 1955 beim Amtsgericht Hannover wurde im November 2019 dem Niedersachsischen Landesarchiv Abteilung Hannover ubergeben und dort unter der Signatur NLA HA Nds 725 Hannover Acc 2019 125 Nr 1 verzeichnet 22 Literatur BearbeitenRainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 ISBN 978 3 17 040941 5 Klaus Wallbaum Reichstagsbrand Geschichte muss nicht neu geschrieben werden In Rundblick Politikjournal fur Niedersachsen 26 Februar 2020 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Martin Lennings im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Lennings eidesstattliche Erklarung PDF 5 6 MB Website des Niedersachsischen Landesarchivs Sven Felix Kellerhoff Was die neue Eidesstattliche Erklarung eines SA Manns bedeutet Welt Online 26 Juli 2019 Neues zum Reichstagsbrand Die Legende vom Einzeltater wackelt erheblich Conrad von Meding im Gesprach mit Axel Rahmlow Deutschlandfunk 26 Juli 2019 Einzelnachweise Bearbeiten Sterberegister des Standesamtes Koln Altstadt Nr 1656 1962 Sterbeurkunde Martin Lennings Online Abgerufen am 23 Juni 2021 a b c d e f g Conrad von Meding Wer war der wahre Brandstifter In Hannoversche Allgemeine Zeitung 26 Juli 2019 S 2 3 mit Abdruck der eidesstattlichen Erklarung als Fotokopie Personalbogen von Heinrich Lennings In opac bbf dipf de Bibliothek fur Bildungsgeschichtliche Forschung 13 Dezember 2010 abgerufen am 24 August 2019 Franz Kossler Lennings Heinrich In Personenlexikon von Lehrern des 19 Jahrhunderts Berufsbiographien aus Schul Jahresberichten und Schulprogrammen 1825 1918 mit Veroffentlichungsverzeichnissen Band Labs Lyon PDF 5 5 MB In geb uni giessen de Elektronische Bibliothek der Universitat Giessen 18 Dezember 2007 abgerufen am 24 August 2019 S 138 a b Klaus Wiegrefe Zeugnis eines Psychopathen In Der Spiegel Nr 49 2019 S 42 44 hier S 43 online a b c d e f g h i Eidesstattliche Versicherung von Lennings 1955 abgedruckt in HAZ 26 Juli 2019 S 3 Nach Lennings ein gewisser Max Becker ehemaliges Mitglied des Rotfrontkampferbundes Er wies sich mit einem schriftlichen Sonderausweis aus Reichstagsbrand 1933 Eine Spur fuhrt nach Mahlsdorf In tagesspiegel de 6 August 2019 Honower Strasse 147 In Berliner Adressbuch 1933 Teil 4 Mahlsdorf S 2131 Als Eigentumer wird ein Gastwirt F Gruhn genannt Rainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 S 99f Rainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 S 103 Rainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 S 100 106 Zitat S 106 Rainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 S 100f Rainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 S 106 Benjamin Carter Hett Burning the Reichstag An Investigation into the Third Reich s Enduring Mystery Oxford University Press Oxford 2014 ISBN 978 0 19 932232 9 S 253 englisch Klaus Wiegrefe Zeugnis eines Psychopathen In Der Spiegel Nr 49 2019 S 42 44 hier S 42 f online Klaus Wiegrefe Zeugnis eines Psychopathen In Der Spiegel Nr 49 2019 S 42 44 hier S 44 online Sven Felix Kellerhoff Der Kronzeuge gegen die Nazis war ein lugnerischer Mensch Welt Online 29 November 2019 Richard J Evans Das Dritte Reich und seine Verschworungstheorien Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzen DVA Munchen 2021 S 166 f Rainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 S 116 125 Zitat S 123 zu den psychiatrischen Gutachten siehe S 82 97 Rainer Orth Martin Lennings und das Ratsel des Reichstagsbrandes Kohlhammer Stuttgart 2021 S 124 Eintrag Archivdatenbank des Staatsarchivs Ludwigsburg Erklarung zum Reichstagsbrand und Testamente von Klara Berliner Nicht mehr online verfugbar Nds Landesarchiv archiviert vom Original am 5 Dezember 2019 abgerufen am 5 Dezember 2019 nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot nla niedersachsen de Normdaten Person GND 1246387468 lobid OGND AKS VIAF 2309163813716239110008 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lennings MartinALTERNATIVNAMEN Lennings Hans Martin Otto vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher SA AngehorigerGEBURTSDATUM 6 Dezember 1904GEBURTSORT SchwelmSTERBEDATUM 19 September 1962STERBEORT Koln 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