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Die Erbgesundheitsgerichte E G G auch Sterilisierungsgerichte genannt wurden am 1 Januar 1934 im Deutschen Reich auf der Grundlage des Gesetzes zur Verhutung erbkranken Nachwuchses vom 14 Juli 1933 1 eingefuhrt Sie entschieden in ausserlich rechtsformig gestalteten Verfahren uber Antrage zur Zwangssterilisation geistig und korperlich behinderter Menschen Patienten psychiatrischer Heil und Pflegeanstalten sowie Alkoholkranker Damit wurden sie zum Werkzeug zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Rassenhygiene die den Menschen zum blossen Objekt staatlicher Verfugungsgewalt herabwurdigte 2 Bis Mai 1945 wurden aufgrund der Beschlusse der Erbgesundheitsgerichte etwa 350 000 Menschen zwangssterilisiert 3 Nach dem Anschluss Osterreichs wurden 1939 auch dort Erbgesundheitsgerichte eingerichtet 4 Inhaltsverzeichnis 1 Verfahren vor den Erbgesundheitsgerichten 2 Aufhebung der Gerichtsbeschlusse 1998 und Achtung des Gesetzes 2007 3 Literatur 4 Weblinks 4 1 Gesetzestext im Reichsgesetzblatt 4 2 Bundestagsdrucksachen 5 EinzelnachweiseVerfahren vor den Erbgesundheitsgerichten BearbeitenDas Erbgesundheitsgericht wurde auf Antrag des Unfruchtbarzumachenden seines Pflegers oder mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts seines gesetzlichen Vertreters tatig 2 Zur Antragstellung waren gesetzessystematisch nachrangig in der Praxis allerdings in erster Linie auch beamtete Arzte sowie bei Insassen einer Kranken Heil Pflege oder Strafanstalt auch der Anstaltsleiter berechtigt 3 Organisatorisch war das Erbgesundheitsgericht einem Amtsgericht angegliedert oftmals fur den Bezirk eines Landgerichts 5 Es musste mit einem Amtsrichter als Vorsitzenden einem beamteten Arzt und einem weiteren fur das Deutsche Reich approbierten Arzt besetzt sein der mit der Erbgesundheitslehre besonders vertraut zu sein hatte 6 Abs 1 Fur die Zustandigkeit des Gerichts war der allgemeine Gerichtsstand des Unfruchtbarzumachenden entscheidend 5 Die Offentlichkeit war bei den Verfahren der Erbgesundheitsgerichte nicht zugelassen 7 Abs 1 Fur das Verfahren vor den Erbgesundheitsgerichten galt der Amtsermittlungsgrundsatz 7 Abs 2 Das Gericht entschied nach freier Uberzeugung mit Stimmenmehrheit aufgrund mundlicher Beratung 8 Rechtsmittelgericht fur die Beschlusse des Erbgesundheitsgerichts war das bei den Oberlandesgerichten zu bildende Erbgesundheitsobergericht E G O G Es entschied endgultig 10 Abs 3 uber die Beschwerden des Antragstellers des beamteten Arztes oder des Unfruchtbarzumachenden 9 und wurde neben dem Mitglied des Oberlandesgerichtes wie das Instanzgericht besetzt Beim Erbgesundheitsobergericht Munchen etwa war Ernst Rudin der Gutachten nur anhand von Akten verfasste von 1934 bis 1943 6 Beisitzer Die Erbgesundheitsgerichte entschieden von 1935 bis 1939 auch uber die Versagung oder Zurucknahme des Ehetauglichkeitszeugnisses nach dem Ehegesundheitsgesetz 7 Gegenstand der Erbgesundheitsverfahren waren etwa Schwachsinn Schizophrenie Erbliche Fallsucht und Manisch depressives Irresein sowie schwerer Alkoholismus seltener Erbliche Taubheit Schwere Missbildungen Erbliche Blindheit und Chorea Huntington 8 Aufhebung der Gerichtsbeschlusse 1998 und Achtung des Gesetzes 2007 BearbeitenDurch 1 des Gesetzes zur Aufhebung von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte vom 25 August 1998 Artikel 2 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte vom 25 August 1998 BGBl I S 2501 ff wurden samtliche Beschlusse der Erbgesundheitsgerichte die eine Unfruchtbarmachung angeordnet hatten aufgehoben 9 Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 24 Mai 2007 das Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses vom 14 Juli 1933 geachtet 10 Literatur BearbeitenAnnette Hinz Wessels NS Erbgesundheitsgerichte und Zwangssterilisation in der Provinz Brandenburg be bra Berlin 2004 ISBN 3 937233 11 3 Paul Nicolai Ehlers Die Praxis der Sterilisierungsprozesse in den Jahren 1934 1945 im Regierungsbezirk Dusseldorf unter besonderer Berucksichtigung der Erbgesundheitsgerichte Duisburg und Wuppertal Munchen 1994 ISBN 3 89481 066 1 Justizministerium des Landes Nordrhein Westfalen Hrsg Justiz und Erbgesundheit Juristische Zeitgeschichte Band 17 Recklinghausen 2009 ISSN 1615 5718 Franz Werner Kersting Anstaltsarzte zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik Das Beispiel Westfalen Schoningh Paderborn 1996 ISBN 3 506 79589 9 David Koser u a Erbgesundheitsgericht Berlin In Hauptstadt des Holocaust Orte nationalsozialistischer Rassenpolitik in Berlin Stadtagentur Berlin 2009 Ort 44 S 163 ISBN 978 3 9813154 0 0 Volltext PDF 1 3 MB Andreas Scheulen Der Zuchtgedanke ist Kerngehalt des Rassengedankens Das Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses und die Ausgrenzung der Opfer In Betrifft JUSTIZ Nr 94 2008 S 285 289 Andreas Scheulen Zur Rechtslage und Rechtsentwicklung des Erbgesundheitsgesetzes 1934 in Margret Hamm Lebensunwert zerstorte Leben Zwangssterilisation und Euthanasie 2006 ISBN 978 3888643910 Jurgen Simon Die Erbgesundheitsgerichtsbarkeit im OLG Bezirk Hamm In Justizministerium des Landes Nordrhein Westfalen Hrsg Justiz und Nationalsozialismus Juristische Zeitgeschichte Band 1 Dusseldorf 1993 S 131 167 Klaus Wiesenberg Die Rechtsprechung der Erbgesundheitsgerichte Hanau und Giessen zu dem Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses vom 14 Juli 1933 erganzt durch eine Darstellung der heutigen Rechtslage zur Unfruchtbarmachung Dissertation jur Universitat Frankfurt am Main 1986 Harry Seipolt Kann der Gnadentod gewahrt werden Zwangssterilisation und NS Euthanasie in der Region Aachen Alano Herodot Verlag 1995 ISBN 3 893992 17 0 Weblinks BearbeitenGesetzestext im Reichsgesetzblatt Bearbeiten Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses vom 14 Juli 1933 RGBl I S 529Bundestagsdrucksachen Bearbeiten Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Aufhebung von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte BT Drs 13 10708 vom 13 Mai 1998 PDF Datei 89 kB Antrag der Bundestagsfraktion Bundnis 90 Die Grunen zur Nichtigerklarung des Erbgesundheitsgesetzes BT Drs 16 1171 vom 5 April 2006 PDF Datei 53 kB Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke zur Nichtigerklarung des Erbgesundheitsgesetzes BT Drs 16 2384 vom 10 August 2006 PDF Datei 60 kB Antrag der Bundestagsfraktionen der CDU CSU und SPD zur Achtung des Gesetzes zur Verhutung erbkranken Nachwuchses BT Drs 16 3811 vom 13 Dezember 2006 PDF Datei 74 kB Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zu Antragen zur Nichtigkeitserklarung des Erbgesundheitsgesetzes BT Drs 16 5450 vom 23 Mai 2007 PDF Datei 116 kB Einzelnachweise Bearbeiten RGBl 1933 I S 529 Inkrafttreten 1 Januar 1934 Antrag der Bundestagsfraktionen der CDU CSU und SPD zur Achtung des Gesetzes zur Verhutung erbkranken Nachwuchses BT Drs 16 3811 PDF 76 kB Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Aufhebung von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte BT Drs 13 10708 PDF 461 kB Verordnung uber die Einfuhrung des Gesetzes zur Verhutung erbkranken Nachwuchses und des Gesetzes zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes in der Ostmark vom 14 November 1939 RGBl I S 2230 2232 auch GBlfdLO Nr 1438 1939 In Kraft Treten 1 Januar 1940 Preussen Ausfuhrungsverordnung vom 29 Januar 1934 GS S 52 Bayern Vollzugsverordnung vom 21 Dezember 1933 GVBl S 522 Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 68 Erste Verordnung zur Durchfuhrung des Ehegesundheitsgesetzes vom 29 November 1935 RGBl I S 1419 Ute Felbor Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultat der Universitat Wurzburg 1937 1945 Wurzburger medizinhistorische Forschungen Beiheft 3 Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1995 ISBN 3 88479 932 0 Zugleich Dissertation Wurzburg 1995 S 125 132 zur Erbgesundheitsgerichtsbarkeit Mainfrankens von 1933 bis 1940 BGBl 1998 I S 2501 In Kraft Treten 1 September 1998 Plenarprotokoll 16 100 des Deutschen Bundestages vom 24 Mai 2007 Tagesordnungspunkt 27 S 10285 PDF 2 5 MB Das Parlament Ausgabe 22 23 2007 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erbgesundheitsgericht amp oldid 227100936