www.wikidata.de-de.nina.az
Das Manover H nach anderen Quellen als dem Bonjourbericht auch Plan H oder Operation Helvetie genannt war eine geplante franzosisch schweizerische Militarkooperation wahrend des Zweiten Weltkrieges Unter dem Namen Plan H gab es bereits im Ersten Weltkrieg franzosische Plane zur Invasion in die Schweiz 1 Das Manover H war fur einen deutschen Umgehungsversuch der Maginot Linie uber schweizerisches Staatsgebiet vorgesehen Der Operationsplan der einen Einmarsch franzosischer Truppen in die Schweiz die Besetzung von durch die Schweiz vorbereiteten Verteidigungsstellungen und einen gemeinsamen Kampf gegen die Wehrmacht beinhaltete war mit der Schweiz abgesprochen und ware innerhalb von Stunden nach einem Angriff der Wehrmacht auf die Schweiz umgesetzt worden Da der deutsche Angriff auf Frankreich im Mai 1940 an anderer Stelle erfolgte wurde Manover H nicht umgesetzt Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 1 1 Politische Ausgangslage 1 2 Strategische Ausgangslage 1 3 Strategische Bedeutung des Gempenplateaus 2 Ausarbeitung des Planes 3 Umsetzung des Plans 3 1 Befestigungsarbeiten in der Schweiz 3 2 Division Gempen 3 3 Artilleriewerk Plainbois 4 Weitere Kriegsentwicklung 4 1 Frankreichfeldzug 4 2 Bekanntwerden des Plans 4 3 Unmittelbare politische Folgen in der Schweiz 5 Nachkriegszeit 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseAusgangslage BearbeitenPolitische Ausgangslage Bearbeiten Die Schweiz war ab 1933 Machtergreifung in Deutschland Selbstausschaltung des Parlaments in Osterreich mehrheitlich von Nachbarlandern mit autoritaren Regierungsformen umgeben Italien wurde bereits seit 1922 autoritar regiert Einzige Ausnahmen waren Frankreich parlamentarische Demokratie und Liechtenstein konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch parlamentarischer Grundlage Die Gleichstellung der Begriffe Volk und Nation sowohl der deutschen wie auch der italienischen Faschisten bedeutete dass die deutschsprachigen und italienischsprachigen Teile der Schweiz dem jeweiligen Volk zugerechnet wurden Die Gefahr fur die Integritat der Schweiz bestatigte sich mit dem Anschluss Osterreichs und der Sudetenkrise Ab September 1938 war die deutschsprachige Schweiz neben dem franzosischen Elsass das einzige grossere Gebiet im Westen mit einem mehrheitlich deutschsprachigen Bevolkerungsanteil das nicht Teil des nationalsozialistischen Deutschlands war Fur die Schweiz konnte Frankreich spatestens ab 1938 als einzige noch an sie grenzende grosse Demokratie und aufgrund ahnlicher Interessen Gefahrdung der Integritat bei Abspaltung des deutschsprachigen Gebietes als De facto Verbundeter angesehen werden Strategische Ausgangslage Bearbeiten nbsp Karte der Maginot Linie im ElsassDie Befestigungen der Maginot Linie deckten die franzosische Ostgrenze bis zur Schweizer Grenze Ein direkter Angriff auf die Stellungen dieser Linie ware mit den 1939 vorhandenen Mitteln zum Scheitern verurteilt gewesen Ein Angriff auf Frankreich musste somit die Maginot Linie umgehen Eine sudliche Umgehung der Maginot Linie war nur uber schweizerisches Gebiet moglich Sie hatte kleinraumig via Birstal Col des Rangiers Ajoie oder grossraumig via Mittelland Passe des Jura erfolgen konnen Die im Herbst Winter 1939 40 errichteten Befestigungen der Limmatstellung Linie Sargans Walensee Zurichsee Limmat Bozberg Farnsburg Gempen waren darauf ausgerichtet einen Vorstoss der Wehrmacht durch das Mittelland zu bremsen Der hohe Zeitdruck beim Bau fuhrte dazu dass die Soldaten den Stellungen den Spitznamen Mag I No Ko Linie sinngemass Kann ich sie noch rechtzeitig beenden verpassten Die Fuhrung der Schweizer Armee rechnete damit die Limmatstellung circa eine Woche lang halten zu konnen bevor allenfalls erhoffte alliierte Hilfe eintraf Einer kleinraumigen Umgehung in der Nordwestschweiz hatte sie jedoch im Vorweg nicht viel entgegenzusetzen da diese das schweizerische Mittelland nicht beruhrte Es lag im beidseitigen strategischen Interesse diese kleinraumige Umgehung zu verhindern Strategische Bedeutung des Gempenplateaus Bearbeiten Fur die kleinraumige Umgehung war der Rhein das Haupthindernis Fur mechanisierte Verbande geeignete Brucken gab es in Basel und in Rheinfelden Der Ubergang beim Wasserkraftwerk Augst war nur fur Fusstruppen geeignet Beide Bruckenkopfe der Basler Brucken liegen auf schweizerischem Gebiet und innerhalb der Stadt Basel eine handstreichartige Besetzung der Brucken vor ihrer Sprengung ware nur schwer moglich gewesen In Rheinfelden verlauft die Staatsgrenze hingegen in der Flussmitte hier hatte ein solches Vorgehen leichter zum Erfolg gefuhrt Wahrend die franzosische Artillerie des Secteur fortifie d Altkirch das ganze Basler Stadtgebiet abdeckte lagen die weiteren am Hochrhein gelegenen Ubergange ausserhalb ihrer Reichweite Auch eine ab Birsfelden rheinaufwarts errichtete Pontonbrucke hatte von Frankreich aus nicht mehr beschossen werden konnen Eine Abdeckung dieser Bereiche war durch auf dem Gempenplateau errichtete Artilleriestellungen moglich Zudem konnten die Batterien auf dem Gempenplateau sowohl die Eingange ins Tal der Birs als auch jene ins Tal der Ergolz abdecken Es mangelte der Schweiz jedoch an Truppen und Geschutzen um diese auch zu besetzen Ausarbeitung des Planes BearbeitenNach Hans Senn fanden erste informelle Kontakte zwischen schweizerischen und franzosischen Offizieren ab 1936 statt An diesen Kontakten war der Korpskommandant und spatere General Henri Guisan mitbeteiligt Spatestens ab Oktober 1939 waren die Kontakte und Abmachungen formell Dies zeigt auch der Operationsbefehl 2 Fall Nord der Schweizer Armee der grosse Truppenkontingente von der Grenze mit Frankreich zur Grenze mit Deutschland und in die zu bauende Limmatstellung verschob Ende Marz 1940 war das Manover H vollstandig ausgearbeitet und umsetzungsbereit 2 Der Plan sah neben der Verstarkung der Division Gempen der Schweizer Armee durch die 8 franzosische Armee auch den Einsatz der 6 franzosischen Armee im Raum Olten Zofingen vor 3 Der Plan selbst war nur innerhalb der Armeefuhrung und beim fur das Militardepartement zustandigen Bundesrat Rudolf Minger bekannt wodurch eine glaubhafte Abstreitbarkeit zumindest bis zum spateren Aktenfund durch die Deutschen gegeben war 4 Umsetzung des Plans BearbeitenBefestigungsarbeiten in der Schweiz Bearbeiten Hauptartikel Artilleriestellungen Gempenplateau 1939 begann der Bau von verbunkerten Feldartilleriestellungen Die Bunker waren so gebaut dass sie sowohl fur schweizerische als auch fur franzosische Artilleriegeschutze geeignet waren 5 Zusatzlich zu den Artilleriebunkern wurden auch zahlreiche Gelandepanzerhindernisse Toblerone Sperren Infanteriebunker und Artilleriebeobachtungsbunker erstellt Gut erhaltene und heute denkmalgeschutzte Beispiele fur Toblerone Sperren und Infanteriebunker finden sich im Gebiet der Sperrstelle Hulftenschanze im unteren Ergolztal sowie im Gebiet Mayenfels bei Pratteln Division Gempen Bearbeiten Die ad hoc aufgestellte Division Gempen unter Oberst Du Pasquier hatte gemass Operationsbefehl 4 folgenden Auftrag Sicherung des Rheinabschnitts zwischen Pratteln inkl und Basel inkl Verlegung des Schwergewichts auf das Gempenplateau welches unter allen Umstanden zu halten ist Halten der westlichen Frontlinie Munchenstein Binningen Allschwil Sperrung der Eingange ins Birs und Birsigtal auf dieser Front Verriegelung der Engstelle Klus von Angenstein bei Aesch mit einem Bataillon Hauptaufgabe der Division Gempen war es den Gegner so lange wie moglich aufzuhalten und so den franzosischen Einmarsch hinter der Linie Munchenstein Binningen Allschwil zu decken An der Grenze standen Verbindungsoffiziere bereit welche die franzosischen Truppenteile zu ihren vorbereiteten Stellungen geleitet hatten Bemerkenswerterweise verfugte die Division Gempen bei einem Bestand von ca 20 000 Mann Mai 1940 uber keinerlei schwere Artillerie 6 Die vorbereiteten verbunkerten Artilleriestellungen in den Bereichen Reinach Bruderholz und Reinacherheide Arlesheim Ermitage Liestal Sichtern und Nuglar St Pantaleon waren somit leer und fur die Belegung mit franzosischen 15 und 7 5 cm Geschutzen und Bedienmannschaften bereit Ausser im Divisionsstab war der Truppe die vorgesehene Zusammenarbeit mit der franzosischen Armee nicht bekannt Artilleriewerk Plainbois Bearbeiten Eine Besonderheit im Festungsbau der Schweiz ist das Artilleriewerk Plainbois beim Col des Rangiers Dieses Werk wurde angelegt um Truppen daran zu hindern das Delsberger Becken in Richtung Ajoie also nach Norden in Richtung der franzosischen Grenze zu verlassen Ebenfalls im Schussfeld des Werkes lag die internationale Strasse entlang der Lutzel Gebaut ab 1939 und fertiggestellt 1941 kann es ebenfalls Plan H zugerechnet werden 7 Die angesprochene Besonderheit liegt darin dass das Werk nicht den Einmarsch in die Schweiz sondern das Verlassen derselben verhindern sollte Weitere Kriegsentwicklung BearbeitenFrankreichfeldzug Bearbeiten nbsp Der Verlauf von Fall Gelb Die fur Manover H bereitstehenden franzosischen Einheiten sind als Swiss Group gekennzeichnet Der tatsachliche deutsche Angriff auf Frankreich vollzog sich ab dem 10 Mai 1940 nicht durch Umgehung der Maginot Linie im Suden sondern im Norden Fall Gelb Die in Suddeutschland fur einen Entlastungsangriff Fall Braun bereitstehende Heeresgruppe C konnte der schweizerischen und der franzosischen Militarfuhrung jedoch weiterhin erfolgreich eine Angriffsgefahr am Sudende der Maginotlinie vortauschen und so die franzosischen Truppen noch fur eine volle Woche binden Am 20 Mai 1940 erwahnte General Andre Gaston Pretelat Kommandant der 2 Armeegruppe GA2 in einem geheimen franzosischen Militarabkommen dem Manover H mit der Schweiz das aus der 13 und 27 Infanteriedivision sowie der 2 Spahi Brigade des 7 Armeekorps der 8 Armee gebildete Detachement das mit der Kontaktaufnahme mit dem linken Flugel der Schweizer Armee in Richtung Basel in der Gempenplateau beauftragt wurde Erst nach Durchbruch der deutschen Truppen bei Sedan am 17 Mai 1940 wurden grossere Teile der fur Manover H bereitstehenden franzosischen Truppen aus ihrem Bereitschaftsraum nahe der Schweizer Grenze abgezogen und in Richtung Somme verschoben Das XLV franzosische Armeekorps unter General Marius Daille verblieb im Jura und wurde nach dem Zusammenbruch Frankreichs in der Schweiz interniert 3 Bekanntwerden des Plans Bearbeiten Der Schweizer Generalstab vernichtete seine Planungsunterlagen zum Manover H nach dem Fall Frankreichs Die franzosischen Dokumente wurden am 16 Juni 1940 in einem auf einem Nebengleis des Bahnhofs La Charite sur Loire abgestellten Zug zusammen mit anderen Ministerialdokumenten gefunden Weitere Dokumente fanden sich in der Kaserne von Dampierre bei Dijon 8 Wesentliche Auszuge aus den Akten waren spatestens im Juli 1940 im Fuhrerhauptquartier bekannt 9 Wegen ihres hohen propagandistischen Werts Verletzung der Absoluten Neutralitat der Schweiz wurden sie von Deutschland nicht publik gemacht und als Kriegsgrund fur die Umsetzung von Unternehmen im Rahmen des Operationsentwurfs gegen die Schweiz in Reserve behalten Sie dienten zudem durchaus erfolgreich als Druckmittel gegenuber der Schweizer Regierung und Militarfuhrung um diese in den folgenden Kriegsjahren auf einen deutschlandfreundlicheren Kurs zu zwingen 10 Unmittelbare politische Folgen in der Schweiz Bearbeiten Nach Analyse von Edgar Bonjour war die Existenz des Planes bis zum Sommer 1940 im Bundesrat einzig dem Vorsteher des Militardepartements Rudolf Minger bekannt Bundesrat Minger reichte am 8 November 1940 unter Angabe anderer Grunde 11 seinen Rucktritt zum Ende des Jahres ein Auch General Guisan geriet durch deutschlandfreundliche Offiziere unter anderem Ulrich Wille junior unter Druck seine Popularitat bei der Bevolkerung und der Schritt zur Reduitstrategie Rutlirapport verhinderten jedoch eine Absetzung Nachkriegszeit Bearbeiten1961 erfolgte die Publikation der Beuteakten Die Publikation veranlasste den Bundesrat nachdem die Echtheit der Dokumente zunachst angezweifelt worden war 1962 Edgar Bonjour mit der Verfassung des ab 1965 veroffentlichten mehrbandigen Berichtes zur Neutralitatspolitik der Schweiz zu beauftragen Das Abkommen war insofern neutralitatsrechtlich korrekt weil kein Automatismus bestand und die franzosischen Truppen erst nach einem deutschen Angriff und einem bundesratlichen Hilfsgesuch in Marsch gesetzt worden waren 12 Mit der Armeereform 95 wurden grosse Teile der Schweizer Befestigungswerke ausser Betrieb gesetzt und deklassifiziert Nun war eine Kartografierung der bisher geheimen Stellungen und Auflistung ihrer Waffenwirkung moglich und der tatsachliche Umfang der baulichen Vorbereitungen wurde ersichtlich Literatur BearbeitenEdgar Bonjour Geschichte der schweizerischen Neutralitat Band 5 Helbing amp Lichterhahn Basel 1970 ISBN 3 7965 1171 6 Weblinks BearbeitenEidgenossisches Departement fur Verteidigung Bevolkerungsschutz und Sport Hrsg Militarische Denkmaler in den Kantonen Solothurn Basel Stadt und Basel Landschaft PDF Datei 7 11 MB Karte der Stellungen und Feuerbereiche der Artilleriebatterien Einzelnachweise Bearbeiten Plan H Die franzosischen Plane zur Invasion der Schweiz 17 November 1915 Edgar Bonjour Geschichte der schweizerischen Neutralitat Band 5 Seite 31 a b Edgar Bonjour Geschichte der schweizerischen Neutralitat Band 5 Seite 29 Edgar Bonjour Geschichte der schweizerischen Neutralitat Band 5 Seite 31f Eidgenossisches Departement fur Verteidigung Bevolkerungsschutz und Sport Hrsg Archivierte Kopie Memento des Originals vom 28 September 2020 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www ar admin ch Militarische Denkmaler in den Kantonen Solothurn Basel Stadt und Basel Landschaft PDF 7 5 MB Archivierte Kopie Memento vom 26 Marz 2016 im Internet Archive Aufstellung Gefechtsordnung und Auftrage der Division Gempen gemass Operationsbefehl 4 https www festung oberland ch sperren grenzbrigade 3 a1433 art wk plainbois Edgar Bonjour Geschichte der schweizerischen Neutralitat Band 5 Seite 13 Jean Jacques Langendorf Deutschland Das Dritte Reich Der Zweite Weltkrieg In Historisches Lexikon der Schweiz Edgar Bonjour Geschichte der schweizerischen Neutralitat Band 5 Seite 24ff www mingerruedi ch mit vollstandigem Rucktrittsschreiben Jurg Stussi Lauterburg Freier Fels in brauner Brandung Rede zum 70 Jahrestag der Kriegsmobilmachung Jegenstorf 2 September 2009 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Manover H amp oldid 232764004