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Unter dem Marsch auf Rom italienisch Marcia su Roma versteht man die Machtubernahme Mussolinis und der von ihm gefuhrten faschistischen Bewegung in Italien im Oktober 1922 Faschisten auf dem Weg nach Rom 28 Oktober 1922 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte Italien 1919 bis 1922 2 Marsch auf Rom 27 31 Oktober 1922 3 Folgen und Auswirkungen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorgeschichte Italien 1919 bis 1922 BearbeitenBereits in der Antike fuhrten spatere Diktatoren wie Sulla 1 oder Caesar 2 ihr Heer als machtpolitisches Druckmittel gegenuber dem Senat nach Rom Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Italien von einer tiefen wirtschaftlichen politischen und kulturell moralischen Krise erschuttert Das Land gehorte zwar 1918 zu den Siegermachten aber schon bald setzte sich die Meinung durch die italienischen Politiker hatten auf den Friedenskonferenzen die italienischen Interessen nicht ausreichend vertreten das Schlagwort der vittoria mutilata des verstummelten Sieges das der Dichter Soldat Gabriele D Annunzio gepragt hatte verbreitete sich Zusatzlich machte sich die Agitation der Dritten Internationale bemerkbar die angefeuert durch den Sieg der Oktoberrevolution von 1917 in Russland eine revolutionare Umgestaltung Europas propagierte Im Biennio rosso den zwei Jahren revolutionarer Agitation in Italien erhoben sich zahlreiche Pachter und Landarbeiter mit ihren Ligen und Kooperativen gegen die Grundbesitzer agrari die teilweise gewaltsam vertrieben und de facto enteignet wurden Ab Mitte 1920 begannen auch die Industriearbeiter mit Fabriksbesetzungen und Enteignungen von Industriellen Die 1919 gegrundete aber zunachst erfolglose faschistische Bewegung trat gegen diese Ansatze einer bolschewistischen Revolution auf und setzten den Arditi del Popolo der Sozialisten ihre Fasci di combattimento entgegen Sie vertrieben die Fabriksbesetzer unter Anwendung von Gewalt und drangen in der Folgezeit aufs Land vor wo sie auch die Landbesetzer vertrieben und die Organisationen und Einrichtungen der revolutionaren Arbeiterbewegung zerstorten Selbst sozialistisch dominierte Gemeindeverwaltungen wurden angegriffen Die Regierung und die Exekutive liessen die Faschisten meist gewahren weil sie in ihnen zunachst nur Verbundete zur Wahrung der Ordnung sahen In den Jahren 1921 und 1922 breitete sich die faschistische Bewegung sowohl geographisch als auch zahlenmassig aus und wurde 1922 mit uber 300 000 Mitgliedern zur starksten Massenbewegung des liberalen italienischen Staats Schon Ende 1921 hatte Mussolini der immer mehr zum unbestrittenen Kopf dem Duce des Faschismus avancierte die bis dahin lose zusammengehaltene Bewegung lokaler Squadren und Fasci di Combattimento in eine Partei den Partito Nazionale Fascista Nationale Faschistische Partei PNF umgewandelt Als entscheidende Niederlage der Sozialisten deren Partei sich in dieser Zeit uberdies zweimal spaltete kann der gescheiterte Generalstreik vom Juli August 1922 gelten den die faschistischen Trupps in den grossen Stadten mit Gewalt auflosten Die Faschisten forderten nach diesem Sieg Neuwahlen und drohten mit einem Marsch auf Rom falls dieses Anliegen nicht erfullt wurde Der Konig gab diesem Drangen schliesslich nach Am 1 2 Oktober 1922 organisierten die Faschisten den Marsch auf Bozen der gegen die deutsche Volksgruppe in Sudtirol gerichtet war Die Untatigkeit der italienischen Sicherheitskrafte bestarkte die Faschisten in der Uberzeugung dass bei einem Staatsstreich kaum Widerstand von Seiten des demokratischen Italien zu erwarten ware Historikern gilt diese Aktion deshalb als Generalprobe fur den Marsch auf Rom Marsch auf Rom 27 31 Oktober 1922 Bearbeiten nbsp Emilio De Bono Benito Mussolini Italo Balbo und Cesare Maria De Vecchi v l n r Bei mehreren grossen Veranstaltungen im September und Oktober 1922 versammelte Mussolini die Krafte des Squadrismus und kundigte den Marsch auf Rom seiner Anhanger an um die italienische Regierung notfalls auch gewaltsam zu ubernehmen Als sich immer deutlicher abzeichnete dass Mussolini seine Androhung wahrmachen wurde erhoben sich allerdings auch warnende Stimmen Der romische Militarkommandant Emanuele Pugliese beispielsweise drangte den Ministerprasidenten Luigi Facta den Notstand auszurufen aber der unentschlossene Facta weigerte sich Erst in der Nacht vom 27 zum 28 Oktober kurz nach Mitternacht als sich bereits Tausende zum Marsch bereitmachten und aus den Provinzen Nachrichten uber Besetzungen von staatlichen Einrichtungen eintrafen berief Facta das Kabinett ein Die faschistischen squadre hatten am 27 Oktober damit begonnen die lokalen Verwaltungsgebaude Prafekturen und Quasturen also Polizeidienststellen Verkehrsknotenpunkte und Kasernen zu besetzen und versuchten sich Zugang zu staatlichen Waffenlagern zu verschaffen Diese Versuche waren allerdings nur in einigen Teilen Norditaliens vor allem im Veneto und in Friaul erfolgreich in einem grossen Teil Nord und Mittelitaliens scheiterte dieser militarische Teil des Aufstandes jedoch bereits im Ansatz Im Suden fand eine Erhebung oft gar nicht erst statt Die in Permanenz tagende Regierung Facta beschloss in der Nacht den Belagerungszustand auszurufen Das Notstandsdekret das der Armee das sofortige Losschlagen gegen die Faschisten ermoglichen sollte wurde vorbereitet und Facta brachte es am nachsten Morgen zu Konig Viktor Emanuel III dessen Unterschrift zu seiner Inkraftsetzung notig war Einige der konservativen Vertrauten des Konigs wie Antonio Salandra der ehemalige italienische Premier hatten ihm von der Unterzeichnung abgeraten teils weil sie sich dann den Rucktritt des unbeliebten liberalen Facta erhofften teils weil sie glaubten in einer Koalition mit den Faschisten hohe Amter zu erhalten Sie vertraten die Ansicht die Faschisten seien der Armee zahlenmassig weit uberlegen Mailand sei schon in ihrer Hand und Rom konne nicht mehr gehalten werden es gabe nur unnotiges Blutvergiessen im Falle der Unterzeichnung des Dekretes Als Vittorio Emanuele den Marschall Armando Diaz den Oberbefehlshaber des italienischen Heeres 1917 18 nach der Verlasslichkeit des Heeres fragte antwortete dieser Majestat die Armee wird ihre Pflicht tun aber es ware besser sie nicht auf die Probe zu stellen Vittorio Emanuele verweigerte daraufhin am Morgen des 28 Oktober 1922 die Unterzeichnung des Dekrets Die Grunde fur diese plotzliche Entscheidung sind bis heute umstritten Sicher wollte der Konig keinen Burgerkrieg riskieren aber auch die Furcht vor einer Usurpation seines Vetters des als Sympathisant der Faschisten bekannten Herzogs von Aosta durfte eine Rolle gespielt haben Facta trat daraufhin zuruck und schlug Salandra als neuen Regierungschef vor Salandra selbst uberredete nach diesem gescheiterten Versuch den Konig Mussolini zum neuen Ministerprasidenten zu ernennen Vittorio Emanuele III bestellte daraufhin am Abend des 29 Oktober Mussolini aus Mailand nach Rom ein Der Duce der faschistischen Bewegung bestieg noch am gleichen Abend einen Nachtzug von Mailand nach Rom und kam am Morgen des 30 Oktober 1922 am Bahnhof Roma Termini an Er begab sich daraufhin zunachst ins Hotel und dann im Schwarzhemd der squadristischen Uniform zum Konig an den er als erstes die Worte gerichtet haben soll Majestat ich komme vom Schlachtfeld was nicht ganz den Fakten entsprochen hatte Das Schlachtfeld waren die vom Herbstregen aufgeweichten Felder einige Dutzend Kilometer vor den Toren Roms auf denen mittlerweile mehrere Zehntausend Faschisten in drei grossen Gruppen eingetroffen waren Zeitgenossische Angaben schwanken zwischen 50 000 und uber 70 000 wahrscheinlich durften es schliesslich zwischen 40 000 und 50 000 Mann gewesen sein die zu Fuss oder in zum Teil gekaperten Sonderzugen in der Nahe der Hauptstadt eingetroffen waren Nach der Ernennung Mussolinis zum Regierungschef gab dieser die Weisung die faschistischen Verbande in Marsch zu setzen die dann am 31 Oktober 1922 in Rom eine Parade abhielten Anschliessend kam es wie schon in den Tagen zuvor zu Uberfallen auf sozialistische und kommunistische Presseburos und Gewalttaten gegen deren Anhanger Folgen und Auswirkungen BearbeitenDie Faschisten hatten die Gunst der Stunde genutzt und durch ein entsprechendes Auftreten den Eindruck ausserster Entschlossenheit erweckt hatten jedoch aufgrund der schlechten Ausrustung der Squadristen einem entschlossenen Einschreiten seitens der Armee kaum standgehalten In den folgenden Jahren besonders ab 1925 errichteten die Faschisten mit Mussolini an der Spitze eine totalitare Diktatur Die Nationale Faschistische Partei Partito Nazionale Fascista gegrundet im November 1921 wurde zur Einheitspartei regimekritische Zeitungen wurden verboten Gegner der Faschisten mit den Repressionsmassnahmen eines ausgebauten Polizeistaats verfolgt Schon bald nach 1922 sah Adolf Hitler Fuhrer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei NSDAP in Mussolini ein Vorbild und plante einen Marsch auf Berlin der ihn an die Macht bringen sollte Allerdings scheiterte der als Hitlerputsch bekannt gewordene Umsturz bereits in seinen Anfangen namlich in Munchen mit dem Marsch zur Munchner Feldherrnhalle am 9 November 1923 Hitler gab daraufhin die Strategie der gewaltsamen Machteroberung auf und begann nach der Neugrundung der NSDAP den legalen Aufstieg seiner Bewegung der schliesslich am 30 Januar 1933 mit seiner Ernennung zum Reichskanzler zum Erfolg fuhrte Der von Mussolini gegrundete und gepragte Faschismus erreichte sehr schnell in ganz Europa Vorbildcharakter Italien avancierte schnell zum Modell faschistischer Herrschaft und zum Gravitationszentrum Hans Woller derjenigen Bewegungen in Europa die sich auf das Vorbild des italienischen Faschismus beriefen selbst aber nicht imstande waren die Macht zu erobern Siehe auch BearbeitenItalienischer Faschismus Achsenmachte Geschichte des Konigreichs Italien 1861 1946Literatur BearbeitenFaschistische Darstellungen Italo Balbo Der Marsch auf Rom Tagebuch der Revolution 1922 Mit einem Geleitwort von Ministerprasident Hermann Goring Leipzig o J 1933 Giorgio Alberto Chiurco Storia della Rivoluzione fascista 5 Bande Firenze 1929 Roberto Farinacci Storia della Rivoluzione fascista 3 Bande Cremona 1939 Wissenschaftliche Werke Giulia Albanese Mussolinis Marsch auf Rom die Kapitulation des liberalen Staates vor dem Faschismus Schoningh Paderborn 2015 ISBN 978 3 506 78142 0 Marcia su Roma In Dizionario di Storia Rom 2010 Roger Eatwell Fascism A history New York u a 1995 Mario Isnenghi La marcia su Roma In ders Hrsg I luoghi della memoria Band III Strutture ed eventi dell Italia unita Roma Bari 1997 S 311 329 Emilio Lussu Marsch auf Rom und Umgebung Europaverlag Wien Zurich 1991 ISBN 3 203 51123 1 Marcia su Roma e dintorni introduzione di Giovanni De Luna Torino Einaudi 2023 Original 1932 ISBN 978 88 06 22141 6 Adrian Lyttelton The seizure of power Fascism in Italy 1919 1929 London 1973 Antonino Repaci La Marcia su Roma Nuova edizione riveduta e accresciuta con altri documenti inediti Milano 1972 Angelo Tasca Glauben Kampfen Gehorchen Aufstieg des Faschismus in Italien Wien 2001 ISBN 3 900478 12 0 Hans Ulrich Thamer Der Marsch auf Rom ein Modell fur die nationalsozialistische Machtergreifung In Wolfgang Michalka Hrsg Die nationalsozialistische Machtergreifung Paderborn u a 1984 S 245 260 Uni Taschenbucher 1329 Hans Woller Rom 28 Oktober 1922 Die faschistische Herausforderung Munchen 1999 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Marsch auf Rom Sammlung von Bildern March on Rome In Encyclopaedia Britannica Abgerufen am 30 Oktober 2022 englisch Einzelnachweise Bearbeiten 1 2 Normdaten Sachbegriff GND 4168973 2 lobid OGND AKS LCCN sh85068977 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Marsch auf Rom amp oldid 235035937