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Lenz ist eine Erzahlung von Georg Buchner deren Titel jedoch nicht vom Autor stammt Sie erschien posthum 1839 in der Zeitschrift Telegraph fur Deutschland 1 Ihre genaue Entstehungszeit ist unbekannt Buchner hat sich aber nachweislich spatestens seit dem Fruhjahr 1835 mit dem Stoff beschaftigt und hat die Arbeit daran vor Januar 1836 beendet Die Behauptung es handele sich bei dem Text um ein Fragment ist ebenso umstritten wie seine Kategorisierung als Novelle Die Erzahlung beschreibt den sich verschlechternden Geisteszustand des Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz und basiert einerseits auf einigen Briefen von Lenz andererseits auf den schriftlichen Beobachtungen des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin deren Umfang ungefahr die Halfte des Novellentextes ausmacht und die von Buchner grosstenteils wortlich ubernommen worden sind 2 sodass gegen Buchner immer wieder der Vorwurf des Plagiats erhoben wurde 3 Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Buchners Fundamentalrealismus 3 Horbuch 4 Vertonung 5 Comicadaption 6 Literatur 7 Verfilmungen 8 Weblinks 9 BelegeHandlung BearbeitenLenz ist auf der Reise in das Bergdorf Waldbach in Wirklichkeit das elsassische Waldersbach zum Pfarrer Oberlin Seine Wanderung fuhrt ihn durch das winterliche Gebirge dessen Unwirtlichkeit und Kalte er nicht spurt vgl Derealisation Das Gefuhl fur Raum und Zeit geht Lenz verloren er hort die Stimmen der Felsen sieht die Wolken jagen und in der Sonne ein gleissend Schwert das die Landschaft schneidet Die eigene vollige Erschopfung dringt nicht mehr in sein Bewusstsein sondern wird Teil des Weltalls Ausgangspunkt kurzester Augenblicke hochster Glucksgefuhle und langer Phasen der Gleichgultigkeit vgl Bipolare Storung Der Abend bringt ihm Einsamkeit und Angst seine Schritte werden ihm wie Donnergrollen es ist ihm als jage der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm Im Dorf angekommen heisst ihn Oberlin Pfarrer und Kenner der lenzschen Dramen bei sich willkommen Im Pfarrhause geniesst der aufgewuhlte Wanderer das ruhige Miteinander der Familie das ihn an seine eigene Kindheit erinnert Als er jedoch sein kaltes und kahles Zimmer im gegenuberliegenden Schulgebaude bezieht wo ihm Oberlin ein Quartier bereiten lasst erlebt er einen Ruckfall und die Erinnerungen an den schonen Abend weichen schnell wieder einer Unruhe und unnennbaren Angst Erst als er sich selbst Schmerzen zufugt vgl Borderline Storung und schliesslich einem instinktiven Trieb folgend in den kalten Brunnen taucht stabilisiert sich sein Zustand vorubergehend wieder Die folgenden Nachte werden ihm zur Qual Seine Wahrnehmung lost sich von der Realitat macht sie zum Traum der Alp des Wahnsinns setzt sich zu seinen Fussen Doch Lenz versucht sich einzuleben erinnert sich an die Erlebnisse der Tage schopft Hoffnung Seine Mitmenschen und deren Alltag erscheinen ihm wie ein Theaterspiel Als Begleiter Oberlins wird er zwar selbst zum Akteur kann aber letztlich in dieses Leben nicht wirklich eintauchen Tagsuber ist sein Zustand ertraglich doch mit einsetzender Dunkelheit uberfallen ihn immer wieder Angstzustande Die Ahnung einer unabwendbaren Erkrankung verstarkt sich bei ihm Lenz versucht sich Oberlin als Vorbild zu nehmen die Natur als Geschenk Gottes anzusehen und die aufkommenden Angste mit Hilfe der Bibel abzuwenden Er erkennt dass dies eine letzte Moglichkeit zur Selbsttherapie seiner manisch depressiven Gemutsverfassung und seiner beginnenden Schizophrenie ist Doch das susse unendliche Gefuhl des Wohls ist jeweils nur von kurzer Dauer die Verzweiflung und das Leid seiner Einsamkeit dagegen nehmen zu und schliesslich uberhand Ein zentraler Moment der Erzahlung ist der Besuch seines Freundes Christof Kaufmann Im Gesprach uber Kunst in der leidenschaftlichen Aussprache gegen die idealistische Literatur siehe unten Buchners Fundamentalrealismus spricht Lenz wieder konzentriert und gelost Auf Kaufmanns Einwande reagiert er schroff aber erst als Kaufmann ihn schliesslich auffordert zu seinem Vater zuruckzukehren bricht er das Gesprach ab Er empfindet den Aufenthalt in diesem kleinen Bergdorf als einzige Moglichkeit sich vor seiner Tollheit zu retten in die ihn das burgerliche Leben treiben wurde Als Oberlin und Kaufmann am nachsten Tag zu einer Reise in die Schweiz aufbrechen leitet dies den endgultigen kritischen Wendepunkt seiner Krankengeschichte ein Er bleibt allein zuruck begleitet die Freunde aber zuvor noch ein Stuck des Wegs bis auf die andere Seite des Gebirges dorthin wo die Taler sich in die Ebene ausliefen Auf seinem Heimweg kreuz und quer durch die menschenleere Bergwelt gelangt er bei einbrechender Dunkelheit ins Steintal nach Fouday und findet schliesslich Unterschlupf in einer armseligen Hutte wo ein todkrankes Madchen im Fieber liegt und ein altes halbtaubes Weib mit schnarrender Stimme unablassig Lieder aus dem Gesangbuch singt Als er einige Tage spater vom Tod eines kleinen Madchens erfahrt packt ihn die fixe Idee wie ein Bussender mit aschebeschmiertem Gesicht nach Fouday pilgern und wie Jesus von Nazareth das Madchen wie Lazarus wiederbeleben zu mussen Doch dort angesichts der kalten Glieder und halbgeoffneten glasernen Augen der Toten erfahrt er nur seine eigene Ohnmacht was ihn zu wilden Gotteslasterungen treibt und vorubergehend zum Atheisten werden lasst Lenz musste laut lachen und mit dem Lachen griff der Atheismus in ihn und fasste ihn ganz sicher und ruhig und fest Als Oberlin aus der Schweiz zuruckkehrt erkennt er Lenz desolaten Geisteszustand seine religiosen Gewissensbisse und seine Scham Er verweist ihn an Jesus der fur die Vergebung der Abgefallenen gestorben sei Lenz fragt Oberlin nach dem Zustand des Frauenzimmers Doch der antwortet er wisse nicht was Lenz meine Da deutet ihm Lenz an seine Geliebte wegen eines anderen Liebhabers getotet zu haben Verfluchte Eifersucht ich habe sie aufgeopfert sie liebte noch einen anderen ich liebte sie sie war s wurdig o gute Mutter auch die liebte mich Ich bin ein Morder Nach diesem Gestandnis eines Mordes der nur ein Produkt seiner Wahnvorstellungen ist gibt es nur noch wenige kurze Momente in denen Lenz bei klarem Verstand ist Die Ruhe die er aus der Stille des Tales und der Nahe Oberlins geschopft hat wirkt nicht mehr Nachdem sich Lenz wiederholt nachts aus dem Fenster gesturzt und umzubringen versucht hat lasst Oberlin ihn nach Strassburg transportieren Lenz reagiert nur noch apathisch Die Abendlandschaft beruhrt ihn nicht mehr Bei einer Zwischenstation in einer Herberge machte er wieder mehrere Versuche Hand an sich zu legen war aber zu scharf bewacht Als sie am nachsten Tag bei trubem Wetter in Strassburg ankommen scheint er ganz vernunftig sprach mit den Leuten er tat Alles wie es die Anderen taten es war aber eine entsetzliche Leere in ihm er fuhlte keine Angst mehr kein Verlangen sein Dasein war ihm eine notwendige Last So lebte er hin Buchners Fundamentalrealismus BearbeitenBuchstablich im Zentrum der Erzahlung verpackt als Streitgesprach zwischen Lenz und seinem alten Freund Kaufmann findet sich Buchners kunsttheoretisches Credo Anders als Kaufmann und die meisten seiner Zeitgenossen wendet sich Lenz hier ganz das Sprachrohr seines Autors vehement gegen die Harmonisierungstendenzen der klassischen und romantischen Poesie Deren Idealismus sei fragwurdig weil unnaturlich und inhuman die schmahlichste Verachtung der menschlichen Natur Er attackiert zugleich aber auch die Realisten Die Dichter von denen man sage sie geben die Wirklichkeit hatten keine Ahnung davon doch seien sie immer noch ertraglicher als die welche die Wirklichkeit verklaren wollten Der liebe Gott hat die Welt wohl gemacht wie sie sein soll und wir konnen wohl nicht was Besseres klecksen unser einziges Bestreben soll sein ihm ein wenig nachzuschaffen Ich verlange in allem Leben Moglichkeit des Daseins und dann ist s gut wir haben dann nicht zu fragen ob es schon ob es hasslich ist Das Gefuhl dass was geschaffen sei Leben habe stehe uber diesen beiden und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen Ubrigens begegne es uns nur selten In Shakespeare finden wir es und in den Volksliedern tont es einem ganz in Goethe manchmal entgegen alles ubrige kann man ins Feuer werfen Die hier zum Ausdruck kommende Radikalisierung des Mimesisbegriffs nennt Jochen Schmidt in seiner Untersuchung der Geschichte des Geniegedankens Fundamentalrealismus 4 Allerdings bleibt die von Lenz proklamierte Hinwendung zur Lebenswirklichkeit nur theoretisch Praktisch scheitert Lenz Programm und Existenz Sein Wollen und Sein Konnen treten schroff auseinander Dies ergibt die Kontrapunktik der Erzahlung um derentwillen Buchner das Kunstgesprach in die Mitte geruckt hat Der konkret erlebende Lenz leidet am Zusammenbruch des idealistischen Horizonts Er ist ein metaphysisch Entwurzelter und deshalb zerfallt ihm die Welt 4 Horbuch Bearbeiten2008 Lenz Mit Philipp Hochmair Produktion und Regie Herzrasen Andrea Gerk Komposition Michael Maierhof Vertonung BearbeitenWolfgang Rihm Jakob Lenz 1977 78 Kammeroper Libretto Michael Frohling UA 8 Marz 1979 HamburgComicadaption BearbeitenAndreas Eikenroth Lenz Eine grafische Novelle Edition 52 2021 ISBN 978 3 948755 05 8 Literatur BearbeitenGeorg Buchner Lenz Hg amp Komm von Burghard Dedner Suhrkamp 1998 ISBN 3 518 18804 6 Roland Kroemer Georg Buchner Lenz EinFach Deutsch verstehen Interpretationshilfe Schoningh Paderborn 2016 ISBN 978 3 14 022573 1 Gunter Kunert Fiebernacht In Ortsangaben Aufbau Berlin Weimar 1970 Peter Schneider Lenz Eine Erzahlung Rotbuch 104 Rotbuch Berlin 1973 u o Gert Hofmann Die Ruckkehr des verlorenen Michael Reinhold Lenz nach Riga 1981 Jochen Schmidt Buchners Lenz In Die Geschichte des Genie Gedankens in der deutschen Literatur Philosophie und Politik 1750 1945 Band 2 Darmstadt 1985 S 48 ff Clemens Hillebrand Labyrinthe Arbeiten zu Georg Buchners Lenz Scherrer amp Schmidt Koln 1996 ISBN 3 927753 10 6 Christian Neuhuber Lenz Bilder Bildlichkeit in Buchners Erzahlung und ihre Rezeption in der bildenden Kunst Bohlau Wien Koln Weimar 2009 ISBN 978 3 205 78380 0 Jean Firges Buchner Lenz Celan Der Gang durchs Gebirg Gesprach im Gebirg Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie 29 Sonnenberg Annweiler 2010 ISBN 978 3 933264 58 9 Eduard Habsburg Lena in Waldersbach Eine Erzahlung C H Beck 2013 ISBN 978 3 406 64494 8 Sigrid Damm Vogel die verkunden Land Das Leben des Michael Rheinhold Lenz Insel Taschen Buch 1992 ISBN 3 458 33099 2 Barbara Neymeyr Asthetik als Therapeutikum Zur Funktion der realistischen Programmatik in Buchners Lenz In Barbara Neymeyr Hrsg Georg Buchner Neue Wege der Forschung Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2013 S 210 230 ISBN 978 3 534 24527 7 Barbara Neymeyr Intertextuelle Transformationen Goethes Werther Buchners Lenz und Hauptmanns Apostel als produktives Spannungsfeld Beitrage zur neueren Literaturgeschichte Bd 300 Universitatsverlag Winter Heidelberg 2012 ISBN 978 3 8253 6044 3 Verfilmungen BearbeitenLenz Regie George Moorse Deutschland 1971 130 Minuten Lenz Regie Alexandre Rockwell USA 1981 Lenz Von Oliver Hockenhull Kurzfilm Deutschland 1985 Lenz Regie Andras Szirtes Ungarn 1987 100 Minuten Im Steintal von Jurgen Lodemann Deutschland 1988 SWR 43 Minuten Lenz Ich aber werde dunkel sein Regie Egon Gunther Deutschland 1992 90 Minuten Lenz echape Regie Dominique Marchais Frankreich 2003 Lenz Regie Marco Franchini Italien 2004 Lenz Regie Thomas Imbach Darsteller Milan Peschel Barbara Maurer Noah Gsell Barbara Heynen Schweiz 2006 95 Minuten Lenz Regie Andreas Morell Darsteller Barnaby Metschurat Karoline Teska Deutschland 2009 89 Minuten Buchner Lenz Leben Regie Isabelle Krotsch Deutschland 2013 Experimenteller Dokumentarfilm mit Hans KremerWeblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Lenz Quellen und Volltexte Lenz bei Zeno org Georg Buchner Lenz im Projekt Gutenberg DE Figurenlexikon zu Lenz von David Thies im Portal Literaturlexikon online Horbuch bei LibriVox Forschungsliteratur zum Verhaltnis von J M R Lenz Werk Biographie und Georg Buchners Novelle Jakob Lenz Archiv HeidelbergBelege Bearbeiten Lenz Eine Reliquie von Georg Buchner Mit einem Vor und Nachwort hg von Karl Gutzkow In Telegraph fur Deutschland Januar 1839 Nrn 5 7 11 13 14 S 34 40 52 56 59 62 69 72 77 78 84 87 100 104 108 11 Buchners Braut Minna Jaegle fertigte eine Abschrift an die sie im September 1837 an Karl Gutzkow sandte Da das handschriftliche Original des Textes verschollen ist bleibt Gutzkows Erstdruck der einzige authentische Textzeuge Gersch Hellmuth Karasek Der Ehrabschreiber In Der Spiegel Nr 3 1990 online 15 Januar 1990 Hubert Gersch Quellenmaterialien und reproduktive Phantasie In Georg Buchner Jahrbuch 8 1990 94 1995 S 69 a b Jochen Schmidt Buchners Lenz In Die Geschichte des Genie Gedankens in der deutschen Literatur Philosophie und Politik 1750 1945 Band 2 Darmstadt 1985 S 49 Werke von Georg Buchner Der Hessische Landbote Dantons Tod Lenz Leonce und Lena Woyzeck Fragment Pietro Aretino verschollen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lenz Buchner amp oldid 232225043