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Der Hessische Landbote ist ein ursprunglich von dem Medizinstudenten Georg Buchner im Jahr 1834 verfasstes achtseitiges Pamphlet das von dem Theologen Friedrich Ludwig Weidig erganzt uberarbeitet und herausgegeben wurde Es wandte sich gegen die sozialen Missstande der Zeit Die ersten Exemplare der Flugschrift wurden nach dem 31 Juli 1834 heimlich im Grossherzogtum Hessen Darmstadt verteilt 1 Die Streitschrift ist bekannt fur ihren Aufruf Friede den Hutten Krieg den Palasten Erste Seite des Hessischen Landboten Erste Botschaft Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Entstehung und Verbreitung der Flugschrift 3 Folgen 4 Bewertung 5 Literatur und Quellen 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie Flugschrift beginnt nach einem kurzen Vorbericht mit Verhaltensanweisungen an die Leser wie sie den illegalen Text am besten handhaben mit dem Aufruf Friede den Hutten Krieg den Palasten einem Wahlspruch der franzosischen Revolution 2 3 4 Die Autoren vergleichen die gesellschaftlichen Zustande in Hessen jener Zeit mit einem abgewandelten Beispiel aus der Schopfungsgeschichte der Bibel indem sie provokativ fragen ob anders als in der Genesis berichtet die Bauern und Handwerker wohl am funften statt am sechsten Tage geschaffen worden und demzufolge den Tieren zuzurechnen seien die von den am sechsten Tage erschaffenen Menschen den Fursten und Vornehmen beliebig beherrscht werden konnten Ausserdem prangern die Autoren die Justiz als Hure der Fursten an sie sei nur ein Mittel euch in Ordnung zu halten damit man euch besser schinde Das Grundmotiv dieser Streitschrift das sich als roter Faden durch den gesamten Text zieht ist die Verbindung dieses biblischen Duktus mit der Auflistung von Zahlen uber die hohen Steuereinnahmen und sinnlosen Ausgaben des Grossherzogtums Hessen So versuchten Buchner und Weidig das glaubige Volk von der Dringlichkeit einer Revolution und der Berechtigung eines Aufstandes gegen den Grossherzog und die Staatsordnung nach damaliger Auffassung von Gottes Gnaden gegeben und damit unantastbar zu uberzeugen Entstehung und Verbreitung der Flugschrift BearbeitenEs wird vermutet dass der Entwurf zur Flugschrift von Georg Buchner in der zweiten Marzhalfte 1834 auf der Giessener Badenburg verfasst und im Mai durch Friedrich Ludwig Weidig uberarbeitet wurde In der Zeit zwischen dem 5 und 9 Juli brachten Georg Buchner und ein Begleiter den uberarbeiteten Text zur Druckerei in Offenbach am Main Am 31 Juli holten Karl Minnigerode Friedrich Jacob Schutz und Karl Zeuner die gedruckten Exemplare des Landboten in der Druckerei von Carl Preller 5 6 in Offenbach ab um sie zu verteilen Ein Spitzel namens Johann Konrad Kuhl informierte die Polizei uber die brisante Schrift Bereits am nachsten Tag dem 1 August wurde Karl Minnigerode mit 139 in seinem Besitz befindlichen Exemplaren des Landboten verhaftet Buchner warnte Schutz Zeuner und Weidig vor polizeilichen Aktivitaten Nichtkonfiszierte Exemplare wurden in der Folge weiterverbreitet Die Flugschrift deren erste Druckfassung in Offenbach erstellt wurde ist von Leopold Eichelberg ein weiteres Mal uberarbeitet und im November in Marburg nachgedruckt worden 7 8 Bei den Uberarbeitungen wurden teilweise ganze Passagen entfernt bzw hinzugefugt Vergleicht man beispielsweise die Fassungen vom Juli und November 1834 miteinander fehlt in der Novemberfassung oben genannter Einleitungstext und die Flugschrift beginnt direkt mit dem Aufruf Friede den Hutten Buchners Urtext ist nicht uberliefert Ausgangspunkt fur Forschungen ist die zuerst von Weidig umgearbeitete Form Berichten zufolge war Buchner ausser sich uber die von Weidig vorgenommenen Anderungen und nicht mehr bereit den Text als seinen anzuerkennen Dies lasst vermuten dass die Anderungen relativ massiv waren Insbesondere im zweiten Teil vermutet die Buchner Forschung die meisten Eingriffe Weidigs ohne dessen Hilfe die Flugschrift nicht hatte erscheinen konnen Die Auflagenhohe der Flugschrift ist nicht bekannt Die Marburger November Ausgabe war in 400 Exemplaren gedruckt worden Hauschild legt sich in seiner Buchner Biographie fest dass von beiden Ausgaben wohl rund 1150 Exemplare verbreitet wurden was aber womoglich nur die Spitze des Eisbergs darstellen konnte 9 Folgen BearbeitenDie angegriffene Obrigkeit reagierte heftig auf das Erscheinen der Flugschrift Buchner wurde steckbrieflich gesucht konnte aber 1835 uber die franzosische Grenze nach Strassburg fliehen Weidig nach Zwangsversetzung mittlerweile Pfarrer in Ober Gleen wurde mit anderen Oppositionellen verhaftet Zunachst wurde er in Friedberg dann in Darmstadt inhaftiert Dort wurde er unmenschlichen Haftbedingungen unterzogen gefoltert und kam 1837 unter nie vollig geklarten Umstanden ums Leben Die offizielle Untersuchung stellte Selbstmord durch Offnung der Pulsadern fest Ein 1975 von der Universitat Heidelberg erstelltes rechtsmedizinisches Gutachten das naturgemass nur eine Neubewertung der beschriebenen Befunde sein konnte bestatigte dies und verwies darauf dass der Tod durch unterlassene Hilfeleistung mit herbeigefuhrt wurde Fall und Tod des Pfarrers Weidig wurden in den 1840er Jahren ein politisches Kampfmittel insbesondere in liberalen Kampagnen gegen die sogenannte geheime Inquisition und fur Schwurgerichte Dabei wurden auch Fremdeinwirkung bis hin zu Mordbehauptungen kolportiert was weder bewiesen noch widerlegt werden kann Sogenannte Neuuntersuchungen entbehren der wesentlichen Grundlage namlich der Verfugbarkeit unabhangiger Quellen Bewertung BearbeitenDer Hessische Landbote ist als Revolutionsaufruf an die Landbevolkerung sowohl gegen die adelige Oberschicht als auch zumindest in Buchners Original gegen das reiche liberale Burgertum zu verstehen wobei Weidig spater Buchners Begriff die Reichen durch die Vornehmen ersetzt haben soll um gerade letztere Kritik abzuschwachen die liberalen Bundnispartner nicht zu verprellen Historisch voraus ging das Hambacher Fest auf dem sich zwar Oppositionelle aller Bevolkerungsschichten trafen aber sich nicht zu einem gemeinsamen Handeln gegen die herrschende Klasse einigen konnten Deutlich wurde dies im schlecht organisierten und deshalb schnell niedergeschlagenen Frankfurter Wachensturm Eine Einigung auf breiter Ebene konnte insbesondere deshalb nicht erzielt werden da das liberale Burgertum sich immer wieder mit kleinen Zugestandnissen und Versprechungen des Adels abspeisen liess Dies war aber fur die arme und hungerleidende hessische Landbevolkerung nutzlos die zwar durch gelegentliche Proteste auf sich aufmerksam machte die aber wie beim Blutbad von Sodel im Jahre 1830 gewaltsam niedergeschlagen wurden Deshalb wurden die Bauern im Landboten aufgefordert eine Revolution sowohl gegen die herrschende als auch gegen die besitzende Klasse zu fuhren Laut Buchner kann nur das notwendige Bedurfnis der grossen Masse Umanderungen herbeifuhren 10 In spateren Schriften druckt sich Buchner noch deutlicher vielleicht resignierter aus so verleiht er beispielsweise in einem Brief an Gutzkow 11 seinem Glauben Ausdruck dass das Volk nicht durch Idealismus zur Revolution zu bewegen ist Und die grosse Klasse selbst Fur die gibt es nur zwei Hebel materielles Elend und religioser Fanatismus Auch ohne den religiosen Fanatismus bedienen sich Buchner und Weidig im Hessischen Landboten dieser beiden Hebel um die grosse Klasse fur ihre Ziele zu gewinnen Die Autoren fuhren den Bauern deren materielles Elend insbesondere im Kontrast zu den Vornehmen vor Augen und liefern zugleich eine religiose Rechtfertigung des angestrebten Aufstandes Der Hessische Landbote gilt als eines der wichtigsten Werke des Vormarz Thomas Nipperdey bezeichnete sie als das erste grosse Manifest einer sozialen Revolution 12 Literatur und Quellen BearbeitenGeorg Buchner Samtliche Werke und Schriften historisch kritische Ausgabe mit Quellendokumentation und Kommentar Marburger Ausgabe Band 2 Der Hessische Landbote Teilband 1 Text Editionsbericht Erlauterungen Teilband 2 Dokumente und Quellen Hrsg Burghard Dedner Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2013 ISBN 978 3 534 15599 6 Georg Buchner Schriften Briefe Dokumente Hrsg von Henri Poschmann unter Mitarbeit von Rosemarie Poschmann Frankfurt am Main Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch Bd 13 2006 ISBN 978 3 618 68013 0 ISBN 3 618 68013 9 Georg Buchner Werke und Briefe Munchener Ausgabe Hrsg v Karl Pornbacher u a 8 Auflage Hanser Munchen 2001 ISBN 3 446 12883 2 als Taschenbuch dtv Munchen 2008 ISBN 978 3 423 12374 7 Georg Buchner Ludwig Weidig Der Hessische Landbote Texte Briefe Prozessakten Kommentiert von Hans Magnus Enzensberger Insel Frankfurt am Main 1965 Slg Insel 3 Markus May Udo Roth Gideon Stiening Hrsg Friede den Hutten Krieg den Pallasten Der Hessische Landbote in interdisziplinarer Perspektive Universitatsverlag Winter Heidelberg 2015 ISBN 978 3 8253 6456 4 Gerhard P Knapp Georg Buchner 3 vollst uberarbeitete Auflage Stuttgart Metzler 2000 ISBN 3 476 13159 9 Thomas Michael Mayer u a Bearb Georg Buchner Leben Werk Zeit Eine Ausstellung zum 150 Jahrestag des Hessischen Landboten Katalog unter Mitwirkung von Bettina Bischoff u a bearb von Thomas Michael Mayer Marburg 1985 2 wesentlich verbesserte u vermehrte Aufl 1986 3 Aufl 1987 Thomas Michael Mayer Buchner und Weidig Fruhkommunismus und revolutionare Demokratie Zur Textverteilung des Hessischen Landboten In Heinz Ludwig Arnold Hrsg Georg Buchner I II Munchen 1979 Text Kritik Sonderband S 16 298 ISBN 3 921402 63 8 in der 2 verbesserten und um ein Register vermehrten Auflage 1982 S 16 298 u 463 Gerhard Schaub Georg Buchner Friedrich Ludwig Weidig Der Hessische Landbote Texte Materialien Kommentar Hanser Munchen 1976 ISBN 3 446 12196 X Reihe Hanser Literatur Kommentare Band 1 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiquote Der Hessische Landbote Zitate nbsp Wikisource Der Hessische Landbote Quellen und Volltexte Der Hessische Landbote Georg Buchner Portal Abteilung Werke Einleitung zu Der Hessische Landbote Georg Buchner Portal Abteilung Aufsatze Dokumente zum Hessischen Landboten HL DOK 7 1 bis 6 3 18 Georg Buchner Portal Abteilung Dokumente Der Hessische Landbote bei Zeno org Manfred Koch Georg Buchners 200 Geburtstag Der Schweiss der Armen NZZ 19 Oktober 2013 Inhalt Entstehung Bedeutung Wirkung Xlibris Interpretation Der Hessische Landbote Visuelle Interpretation von ARBOS Gesellschaft fur Musik und Theater Video uber den Hessischen LandbotenEinzelnachweise Bearbeiten Georg Buchner Portal Aufsatze 3 2 Einleitung zu Der Hessische Landbote 5 Verteilung Der Text folgt der Marburger Buchner Ausgabe II 1 2013 S 5 13 In der Marburger Ausgabe wird die Zeile Friede den Hutten Krieg den Pallasten so kommentiert verbreitete Formel seit dem Revolutionsjahr 1792 Der franzosische Schriftsteller Nicolas Chamfort 1741 1794 fand dann die Formel Paix aux chaumieres guerre aux chateaux Friede den Hutten Krieg den Schlossern Sie ist belegt im Januar 1792 im Journal politique ou gazette des gazettes Im Vorwort der Ausgabe der Werke von Chamfort 1794 I S LVIII wurde sie diesem zugeschrieben In Deutschland ist die Formel zwischen 1792 und 1834 ebenfalls vielfach belegt zuerst im Februar 1792 in Minerva in der Form Friede den Hutten Krieg den Pallasten Oelsner 1792 330 Georg Buchner Samtliche Werke und Schriften historisch kritische Ausgabe mit Quellendokumentation und Kommentar Marburger Ausgabe Band 2 Der Hessische Landbote Teilband 1 Text Editionsbericht Erlauterungen Hrsg Burghard Dedner Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2013 ISBN 978 3 534 15599 6 S 219 f Einer der altesten Belege fur den Wahlspruch Paix aux chaumieres guerre aux chateaux ist ein Druck mit einem Soldaten der Revolutionsarmee bei dem dieser Wahlspruch auf der Bauchbinde steht Im Antrag zum Dekret vom 15 Dezember 1792 des Nationalkonvents uber die Haltung franzosischer Truppen in besetzten Gebieten wurde vom Antragsteller Joseph Cambon der Wahlspruch in der Form Guerre aux chateaux paix aux chaumieres als Teil der Begrundung verwendet Der Buchhandler und Druckereibesitzer Johann Gustav Carl Preller 1803 1877 war der altere Bruder des Weimarer Malers Friedrich Preller d A und Vater des Landschaftsmalers Julius Preller zur Biografie Carl Prellers und zu seiner Verbindung zu den sozialrevolutionaren Bestrebungen im Grossherzogtum Hessen Darmstadt vgl u a Gerd Lautner und Jurgen Eichenauer Hrsg Hessischer Landbote und Offenbach Dokumentation der Ausstellung Friede den Hutten Krieg den Palasten Riedstadt 2018 Carl Georg Buchner Jahr Memento vom 17 Dezember 2013 im Internet Archive Helmut Preller nahm an der Lesung in Offenbach teil Portrat Georg Buchners In hoerspielhelden de abgefragt am 2 Juli 2009 Karl Pornbacher Herausgeber Georg Buchner Werke und Briefe Munchner Ausgabe ISBN 3 423 02202 7 S 408 409 Jan Christoph Hauschild Georg Buchner Biographie Metzler Stuttgart Weimar 1993 ISBN 3 476 00925 4 S 412 ff Brief an die Familie Juni 1833 Aus Georg Buchner Werke und Briefe Munchner Ausgabe Karl Pornbacher u a Hgg 8 Auflage Munchen 2001 dtv S 280 Juni 1836 ebd S 319 Thomas Nipperdey Deutsche Geschichte 1800 1866 Burgerwelt und starker Staat C H Beck Munchen 1983 ISBN 340609354X S 373 Werke von Georg Buchner Der Hessische Landbote Dantons Tod Lenz Leonce und Lena Woyzeck Fragment Pietro Aretino verschollen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Hessische Landbote amp oldid 236705668