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Die Bezeichnung Kinderlandverschickung KLV wurde vor dem Zweiten Weltkrieg ausschliesslich fur die Erholungsverschickung von Kindern verwendet Heute wird unter diesem Stichwort auch an die Erweiterte Kinderlandverschickung gedacht bei der ab Oktober 1940 Schulkinder sowie Mutter mit Kleinkindern aus den vom Luftkrieg bedrohten deutschen Stadten langerfristig in weniger gefahrdeten Gebieten untergebracht wurden Die Reichsdienststelle KLV evakuierte bis Kriegsende insgesamt wahrscheinlich uber 2 000 000 Kinder und versorgte dabei vermutlich 850 000 Schuler im Alter zwischen 10 und 14 Jahren aber auch altere in KLV Lagern 1 Es gibt zahlreiche und ausfuhrliche Zeitzeugenberichte uber das Leben in KLV Lagern Berichte uber die Mutter und Kind Verschickung uber die Unterbringung in Pflegefamilien oder bei Verwandten in luftsicheren Gebieten sind selten Die Forschungsliteratur zur Evakuierungsmassnahme mit der Bezeichnung Erweiterte Kinderlandverschickung war in ihrer Vielfalt insbesondere hinsichtlich der psychischen Kriegsfolgen im Jahr 2004 noch erganzungsbedurftig 2 KLV Lager Berliner Kinder in Hassitz bei Glatz wahrend der Geographiestunde in einem der Klassenraume Oktober 1940 Inhaltsverzeichnis 1 Kinderlandverschickung als Sozialfursorge 2 Erweiterte Kinderlandverschickung 2 1 Einfuhrung der Erweiterten KLV 3 Organisation und Aufnahmegebiete 4 KLV Lager 4 1 Auswahl der Teilnehmer 4 2 Teilnehmerzahlen 4 3 Aufenthaltsdauer 4 4 Aufnahmekapazitaten 4 5 Organisation der Lager 4 6 Tagesablauf 4 7 Das Lager als Erziehungsform 4 8 Kirchlicher Widerstand 4 9 Widerstand von Eltern 4 10 Ruckfuhrung am Ende des Krieges 5 Unterbringung in Familien 5 1 Mutter und Kind Verschickung 5 2 Verschickung in Pflegefamilien 5 3 Verschickung zu Verwandten 6 Deutungen 7 Kinder Evakuierung in anderen Landern 7 1 Vereinigtes Konigreich 7 2 Japan 8 Literatur 8 1 Weiterfuhrende Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseKinderlandverschickung als Sozialfursorge BearbeitenBereits seit Ende des 19 Jahrhunderts wurden bedurftige und gesundheitlich gefahrdete Stadtkinder zu Erholungsaufenthalten in Pflegestellen aufs Land geschickt 3 Regional taucht schon damals vereinzelt die Bezeichnung Kinderlandverschickung auf 4 Ab 1916 koordinierte eine Reichszentrale Landaufenthalt fur Stadtkinder mehrwochige Ferienaufenthalte 1923 wurden 488 000 Kinder verschickt Durch das Hilfswerk Mutter und Kinder der Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV wurden solche Kinderlandverschickungen zum Beispiel ab 1933 in Wurzburg durchgefuhrt wobei vor allem Kinder aus den Raumen Dusseldorf Koln und Saarland nach Unterfranken kamen 5 Ab 1934 nahmen jahrlich etwa 650 000 Kinder bis 14 Jahren an der nun allgemein so genannten Kinderlandverschickung teil 6 Derartige Erholungsverschickungen die meist nicht langer als drei Wochen dauerten wurden auch wahrend des Zweiten Weltkrieges in verringertem Umfang weiter angeboten Ab Mai 1933 schaltete sich die NSV als neu gegrundeter Verein in der Funktion eines Staatsorgans neben einigen verbliebenen Wohlfahrtsorganisationen in die Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe sowie Volksgesundheit ein Ab 1940 organisierte sie die Kinderlandverschickung fur Kinder unter zehn Jahren Erweiterte Kinderlandverschickung BearbeitenAls man eine Evakuierung von Schulkindern aus luftgefahrdeten Gebieten vorbereitete griff man auf die Erfahrungen zuruck die man bei der Erholungsverschickung gemacht hatte Die Quellen geben keine Auskunft daruber wer die Plane fur eine Evakuierungsaktion entwickelte und vorantrieb 7 Belegbar ist dass Adolf Hitler selbst eingriff und die Aktion ausloste Zu diesem Zeitpunkt wurde klar dass die britische Regierung nicht zur Kapitulation bereit war und wie ein erster schwerer Luftangriff vom 24 September 1940 zeigte 8 selbst Berlin von Bombern der Royal Air Force erreicht wurde Uberwiegend wird beim Stichwort Erweiterte Kinderlandverschickung an die Evakuierung von zehn bis vierzehnjahrigen Schulern gedacht Organisatorisch und personell war die Hitlerjugend HJ dafur zustandig Die Schuler lebten oftmals gemeinsam mit ihren Klassenkameraden mehrere Monate lang von ihren Familien getrennt und verbrachten eine wichtige Phase ihrer Entwicklung in einem KLV Lager Unter derselben Bezeichnung liefen aber auch drei weitere Evakuierungsaktionen die einen grosseren Personenkreis erfassten Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV war zustandig fur eine Mutter und Kind Verschickung bei der Mutter mit Kleinkindern zusammen mit alteren Geschwistern in sicheren Gebieten bei Gastfamilien aufgenommen wurden Ebenfalls von der NSV organisiert und staatlich finanziert wurde eine Aktion bei der eine grosse Anzahl von Grundschulern im Alter bis zu zehn Jahren in Pflegefamilien untergebracht wurden Ferner wurde bei Kindern jeden Alters die langfristige private Verschickung zu Verwandten gefordert dabei sorgte die NSV fur Transportmoglichkeiten und trug die Fahrtkosten Einfuhrung der Erweiterten KLV Bearbeiten Am 27 September 1940 schrieb Reichsleiter Martin Bormann in einem vertraulichen Rundschreiben Auf Anordnung des Fuhrers werden Kinder aus Gebieten die immer wieder nachtliche Luftalarme haben zunachst insbesondere aus Hamburg und Berlin auf Grund freier Entschliessung der Erziehungsberechtigten in die ubrigen Gebiete des Reiches verschickt Mit der Durchfuhrung dieser Massnahmen hat der Fuhrer Reichsleiter Baldur von Schirach beauftragt Die NSV ubernimmt die Verschickung der noch nicht schulpflichtigen Kinder und der Kinder der ersten vier Schuljahrgange die HJ ubernimmt die Unterbringung vom 5 Schuljahre an Die Unterbringungsaktion beginnt am Donnerstag den 3 Oktober 1940 9 Die Bezeichnung Evakuierung wurde vermieden beschonigend wurde nur von Unterbringungsaktion und spater von Erweiterter Kinderlandverschickung gesprochen Die Bevolkerung aber durchschaute diese verschleiernde Sprachregelung Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS die sogenannten Meldungen aus dem Reich stellten zusammenfassend fest es werde in der Bevolkerung von der Evakuierung luftgefahrdeter Grossstadte und einer getarnten Zwangsevakuierung gesprochen Die Fuhrung erwarte offenbar noch sehr schwere Schlage Insgesamt hatten die Geruchte eine ausserordentlich abtragliche Psychose erzeugt 10 Martin Bormann legte daraufhin im Auftrag Hitlers dar dass keine heftigeren Luftangriffe zu erwarten seien Verschickt werden sollten auf freiwilliger Basis vordringlich Kinder aus Laubenkolonien die nachts in ungeheizten Luftschutzraumen oder weit entfernten Bunkern Schutz suchen mussten 11 Wenig spater wurden Stadte wie Dortmund 12 Essen Koln und Dusseldorf in das Programm einbezogen und auch aus Schleswig Holstein Niedersachsen und Westfalen wurden Kinder nach Baden Wurttemberg 13 Bayern Sachsen und Ostpreussen in Sicherheit gebracht Nach Schatzungen waren Anfang 1941 schon bis zu 300 000 Kinder evakuiert mehr als die Halfte von ihnen befand sich in einem von rund 2 000 KLV Lagern 14 Organisation und Aufnahmegebiete BearbeitenOberste Verantwortung besass die Reichsdienststelle Kinderlandverschickung eine Dienststelle der Reichsjugendfuhrung in Berlin Baldur von Schirach ernannte Helmut Mockel zum Leiter der bis 1943 amtierte Entsprechend der ublichen polykratischen Organisationsstruktur von nationalsozialistischen Institutionen uberlappten sich die Kompetenzbereiche Beteiligt waren neben der Hitlerjugend mit der Reichsjugendfuhrung das Reichsministerium fur Wissenschaft Erziehung und Volksbildung mit Bernhard Rust an der Spitze die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV unter Erich Hilgenfeldt und bis 1943 der Nationalsozialistische Lehrerbund mit Fritz Wachtler 15 Als Aufnahmegebiete werden fur das Jahr 1941 unter anderem die Bayrische Ostmark Salzburg die Steiermark ferner Westpreussen Pommern Schlesien sowie das Sudetenland die Slowakei und das Wartheland aufgefuhrt Auch sichere Lander wie Ungarn das damalige Protektorat Bohmen und Mahren oder Danemark waren Zielorte fur eine Auslese der nach Haltung und Leistung einwandfreien Jugendlichen damit diese das deutsche Ansehen im Ausland wurdig vertraten 16 Manche dieser Aufnahmegebiete lagen spater selbst in Reichweite fortentwickelter Bombenflugzeuge Verstarkt wurden nun auch landliche Unterkunfte im Nahbereich gefahrdeter Grossstadte genutzt fur 1943 werden als Aufnahmegebiete auch die Mark Brandenburg Schleswig Holstein sowie der Harz fur Schuler aus Braunschweig genannt 17 Dies kam offenbar den Wunschen der Eltern entgegen die ihre Kinder lieber in erreichbarer Nahe wissen wollten KLV Lager BearbeitenAuswahl der Teilnehmer Bearbeiten In ein KLV Lager sollten nur Kinder aufgenommen werden die nicht an Infektionskrankheiten litten Epileptiker chronische Bettnasser und schwer erziehbare asoziale Jugendliche wurden zuruckgewiesen 18 Ab 1941 fanden daher in der Regel vor der Abfahrt eine schularztliche Untersuchung sowie eine Befragung der Lehrer statt Judische Mischlinge zweiten Grades die nach den Ausfuhrungsbestimmungen der Nurnberger Gesetze vielfach den Deutschblutigen gleichgestellt waren und sogar der Hitler Jugend beitreten konnten waren nicht zugelassen 19 Erst im November 1943 wurde diese Vorschrift aufgehoben 20 Teilnehmerzahlen Bearbeiten Die statistischen Unterlagen der Berliner Reichsdienststelle KLV sind vernichtet worden Aus anderen Quellen lassen sich Zahlen bis zum Jahre 1942 ablesen weitere Teilnehmerzahlen konnen nur mittelbar uber Angaben aus dem Reichsfinanzministerium oder der Schulbehorden rekonstruiert werden Die in der Literatur genannten Schatzwerte fur die Zahl der in KLV Lagern untergebrachten Kinder gehen weit auseinander und reichen von 850 000 bis 2 800 000 Viele Argumente sprechen fur den niedrigsten Wert 21 Die Auswertung zeigt einen steilen Anstieg der Zahl der in KLV Lager verschickten Kinder bis zum Hohepunkt im Juli 1941 In diesem Monat hielten sich 171 079 Schuler in einem Lager auf Bis Ende 1941 halbierte sich diese Zahl nahezu Im Jahre 1942 hielten sich kaum mehr als 50 000 Kinder in KLV Lagern auf Fur das Jahr 1943 ist wieder ein Anstieg der Verschickungszahlen anzunehmen da nun Schulen mit allen Klassen verlegt werden sollten Fur die beiden letzten Kriegsjahre zeigen regionale Zahlen ubereinstimmend eine sinkende Tendenz an Gerhard Kock stellt als Ergebnis seiner Forschungen heraus Entgegen der naheliegenden Vermutung dass die Eltern ihre Kinder in der physischen Sicherheit der KLV Lager wissen wollten sank die Bereitschaft zur Teilnahme an der Verschickung mit zunehmender Kriegsdauer 22 In den letzten Kriegsjahren waren viele Aufnahmegebiete die vordem Sicherheit vor den Bombenangriffen geboten hatten nunmehr auch vom Luftkrieg betroffen Randlagen von Grossstadten und nahegelegene Gemeinden boten vergleichbaren Schutz Viele Eltern wollten in diesen unsicheren Zeiten ihr Kind nicht in die Ferne schicken 23 zumal die eingeschrankten Verkehrsverbindungen einen regelmassigen Kontakt kaum zuliessen Aufenthaltsdauer Bearbeiten Die nationalsozialistische Fuhrung rechnete mit einem baldigen siegreichen Ende des Krieges und glaubte die Evakuierung in wenigen Wochen beenden zu konnen Tatsachlich dauerte es aber sechs Monate bis die ersten Kinder aus dem Lager zu ihren Eltern zuruckkehrten Ab Mitte 1941 wurden bei anstehenden Transporten die Eltern darauf hingewiesen dass die Verschickung sechs bis neun Monate dauere und eine vorzeitige Ruckholung grundsatzlich verboten sei 24 Falls die Eltern nicht ausdrucklich widersprachen konnte sich ein weiterer KLV Lageraufenthalt anschliessen Zumal in den letzten Kriegsjahren verbrachten manche Kinder mehr als 18 Monate ununterbrochen im Lager Beurlaubungen waren an bestimmte Ereignisse wie zum Beispiel einen Fronturlaub des Vaters gebunden Heimreisen zu Weihnachten sollten unterbleiben diese Anordnung wurde aber offenbar nicht immer befolgt 25 Besuche der Eltern waren anfangs offiziell nicht erlaubt Manche Eltern nannten dieses Verbot als Grund fur die Entscheidung ihr Kind nicht mitzuschicken Daher wurden ab 1943 Elternbesuchstage eingerichtet und Sonderzuge bereitgestellt Aufnahmekapazitaten Bearbeiten Die einzelnen KLV Lager deren Zahl sich nach Schatzungen im Laufe der Kriegsjahre auf rund 5000 erhohte waren hochst unterschiedlich Es gab KLV Hauptlager der Erweiterten Kinderlandverschickung mit uber 1000 Teilnehmern und Lager mit nur 18 Schulern Die Aufnahmekapazitaten richteten sich nach den jeweiligen Orten der Unterbringung Ein KLV Lager konnte im Luxushotel in einer Jugendherberge in einem Kloster in einer unbeheizbaren Gaststatte oder in einer abgelegenen Dorfschule ohne fliessendes Wasser untergebracht sein In seltenen Fallen gab es offene KLV Lager in denen Schuler bei Familien untergebracht und in der Freizeit von der ortlichen HJ betreut wurden Anfangs wurde nur darauf geachtet gleichaltrige Schuler in einem KLV Lager zusammenzufassen Spater wurde angestrebt ganze Schulgemeinschaften zu evakuieren oder zumindest vollstandige Klassen zusammen mit ihrem Klassenleiter zu verschicken Organisation der Lager Bearbeiten Einheitlich war die Organisationsstruktur der KLV Lager Die Lagergemeinschaften waren nach Geschlechtern getrennt Der Lagerleiter war ein Lehrer der auch fur den Unterricht im Lager verantwortlich war Fur 30 bis 45 Schuler wurde von der HJ Fuhrung ein Lagermannschaftsfuhrer bzw eine Lagermadelfuhrerin zugeteilt Diese regelten den Tagesablauf vom Flaggenappell bis zum auch hier so genannten Zapfenstreich sowie den Hitlerjugend Dienst Der Lehrer hatte zwar als Lagerleiter die oberste Befehlsgewalt in allen Lagerangelegenheiten das Lagerleben selbst aber war stark von jugendlichen Lagermannschaftsfuhrern bestimmt Diese waren haufig Oberschuler im Alter von 17 oder 18 Jahren welche fur drei bis vier Monate von ihrer Stammschule abgeordnet und in einem zweiwochigen Kurs auf ihre Aufgabe vorbereitet wurden Nach sechs Wochen Einsatz war eine zweitagige Nachschulung vorgesehen 26 Uberwacht wurden die KLV Lager durch Inspektoren Standortbeauftragte und Bannbeauftragte der HJ Fuhrung Tagesablauf Bearbeiten Die Reichsdienststelle KLV gab den Rahmen fur den Tagesablauf vor Danach begann der Tag im Sommer um 6 30 Uhr mit Wecken Waschen Bettenluften Stubendienst und Gesundheitsappell Um 7 30 Uhr folgten Begrussungsspruch und Fruhstuck Fur den Unterricht waren vier Zeitstunden vorgesehen Sonntags standen ein Flaggenappell und eine Morgenfeier auf dem Plan Nach dem Mittagessen und einer Ruhestunde begann ein zeitlich straff durchorganisiertes Programm das nur durch das Abendessen unterbrochen wurde Je nach Altersgruppe sollte die Nachtruhe zwischen 21 00 und 21 30 Uhr eintreten 27 28 Die Qualitat des Unterrichts war von der Zahl der mitverschickten Fachlehrer und damit von der Grosse des Lagers abhangig Am Ende des mehrmonatigen Aufenthaltes stellten die Lehrer Leistungsbescheinigungen aus in denen eine Versetzung befurwortet werden konnte Anstelle von Ferien und einer Heimreise zu den Eltern gab es eine dreiwochige unterrichtsfreie Zeit im Lager Das Lager als Erziehungsform Bearbeiten nbsp Flaggenappell in einem KLV LagerZiel der gesamten Evakuierungsaktion war es die Sorgen der Bevolkerung vor Luftangriffen zu zerstreuen und verschickte Kinder und Jugendliche vor Bomben zu bewahren Als Nebeneffekt konnten nun zuruckbleibende Mutter fur kriegswichtige Arbeiten freigestellt werden Zum ideologischen Konzept der Nationalsozialisten passte aber auch die Lagererziehung die eine individuelle Erziehung durch Elternhaus und Halbtagsschule ablosen sollte Der Reichsminister fur Wissenschaft Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust erklarte 1934 zum Nationalsozialisten werde man durch Lager und Kolonne 29 Rudolf Benze Ministerialrat im selben Ministerium benannte 1936 als wesentliches Ziel einer nationalpolitischen Formationserziehung das gefuhlsmassig verinnerlichte Gebot die individuellen Bedurfnisse zugunsten einer Volksgemeinschaft unterzuordnen 30 Neben dem Gemeinschaftserlebnis bei Massenveranstaltungen Fackelzugen und Kundgebungen dienten die Schulungslager der verschiedenen NS Gliederungen diesem Ziel Die Vielzahl von Lagern war kaum uberschaubar Reichsarbeitsdienstlager Landjahrlager Lehrerschulungslager Wehrertuchtigungslager Lager fur Gerichtsreferendare und Hochschullehrer Lager fur die Umsiedlerjugend und Gemeinschaftslager der Hitlerjugend 31 Ein streng geregelter Tagesablauf Uniformierung ausgepragte Kommandostrukturen und Unterwerfungsrituale Sport als Leibesertuchtigung Gelandeubungen Marschkolonnen und symboltrachtige Feierstunden waren wichtige Elemente dieser nationalsozialistisch ausgerichteten Erziehung Im Amtlichen Organ des Jugendfuhrers des deutschen Reiches wurde 1943 unverhohlen ausgesprochen welche Einflussmoglichkeiten sich eroffneten Die Einrichtung der KLV Lager bietet die Moglichkeit Jugendlichen in grossem Rahmen und fur langere Zeit total zu erziehen Schulische Arbeit HJ Dienst und Freizeit lassen sich hier erzieherisch gleichmassig beeinflussen 32 Es sind nur Bruchstucke des Schulungsmaterials fur KLV Leiter als Quelle erhalten geblieben Danach war die Lagererziehung auf Ordnung und Disziplin Befehl und Gehorsam aufzubauen als sprachliches Vorbild galt ein militarischer Jargon 33 Fur das Ziel die jungen Menschen zu begeisterten und zu bedingungslosen Nationalsozialisten zu formen wurden Fahnenappelle weihevolle Feierstunden das Singen nationalsozialistischer Kampflieder und der Gemeinschaftsbesuch von Kino Wochenschauen instrumentalisiert Hartetraining Kampfsport Gelandespiele Marschieren und Schiessen dienten in Jungenlagern der Wehrertuchtigung Kirchlicher Widerstand Bearbeiten Schon im Februar 1941 sprachen die geheimen SD Berichte von einer kirchlichen Gegenpropaganda und Geruchten Bei der kostenlosen Erweiterten Kinderlandverschickung kame es dem Staat nicht darauf an die Kinder in Sicherheit zu bringen sondern sie ihren Eltern zu entfremden und im Lager eine religionslose Erziehung zu schaffen 34 Auch der warnende Hirtenbrief des Bischofs Clemens August Graf von Galen dass die Kinder in den Lagern ohne jede kirchlich religiose Betreuung blieben habe einen deutlichen Ruckgang der Meldungen zur erweiterten Kinderlandverschickung zur Folge gehabt 35 Formal gab es fur Teilnehmer im KLV Lager die Moglichkeit sonntags einen Gottesdienst zu besuchen Auch durfte in einigen Klassenstufen nach geltender Stundentafel Religionsunterricht erteilt werden Ein kirchenfeindlich eingestellter Nationalsozialist konnte diese Bestimmungen leicht unterlaufen Kein Lehrer war gezwungen Religionsunterricht zu erteilen am Sonntagmorgen konnte der Lagermannschaftsfuhrer ein attraktives Freizeitvergnugen anbieten Widerstand von Eltern Bearbeiten Als Vorteile der KLV stellte die Propaganda den Erholungswert heraus die gute Ernahrung den unbeeintrachtigten Nachtschlaf einen ungestorten Unterrichtsbetrieb und die Gemeinschaftserziehung im Lager Die Unterbringung war kostenlos und entlastete die Haushaltskasse der Eltern Trotzdem traf die Verschickung in KLV Lager auf Vorbehalte und blieb gar bis zum Ende des Krieges eine unpopulare Massnahme 36 In einem SD Bericht vom 25 Oktober 1943 also nach den verheerenden Luftangriffen auf Hamburg wurde festgestellt Trotz aller Werbeaktionen besteht bei dem weitaus uberwiegenden Teil der Elternschaft eine starke Ablehnung gegen die Kinderlandverschickung unter Trennung vom Elternhaus Von den z Zt etwa 70 000 in Hamburg anwesenden Schulkindern haben sich nur 1 400 fur eine Verschickung bereit erklart Es macht sich uberall eine starke Tendenz bemerkbar die Kinder in die Heimatorte zuruckzuholen 37 Die Eltern begrundeten demnach ihre ablehnende Haltung mit Befurchtungen die Kinder wurden ihnen entfremdet man rechne nunmehr mit jahrelanger Trennung ein Besuch in weit entfernten Gebieten sei schwierig und man habe auch von mangelhafter Verpflegung schlechter Unterbringung und Behandlung gehort Der Grundsatz der Freiwilligkeit wurde formal nicht eingeschrankt Dies war jedoch unvereinbar mit einem Erlass Schirachs vom 15 Juni 1943 der die geschlossene Verlegung von Schulen anordnete um keine zuruckbleibenden Schuler auf andere Klassen verteilen oder in Sammelschulen unterrichten zu mussen Zunehmend gerieten Eltern unter Erklarungszwang und Druck wenn sie ihr Kind nicht mitschicken wollten Lokale Instanzen behaupteten falschlich eine Beschulung im Ort sei nicht vorgesehen oder drohten mit einer Abschulung aus weiterfuhrenden Schulen 38 Ruckfuhrung am Ende des Krieges Bearbeiten Zeitzeugen berichten von verspateten und uberhastet durchgefuhrten Auflosungen ihres KLV Lagers Manchmal war eine geordnete Ruckfuhrung nicht mehr moglich weil Transportmittel fehlten manchmal verhinderten Kampfhandlungen die Heimfahrt In einigen Fallen mussten sich Schuler alleine oder in kleinen Gruppen selbst zu ihren Eltern durchschlagen Die verallgemeinernde Behauptung dass die Organisation bei Kriegsende ganzlich zusammengebrochen war und Millionen von Kindern in den Lagern festsassen 39 wird von anderen Historikern bestritten 40 In der Forschungsliteratur ist dieser Teil bislang unzureichend aufgearbeitet Regionalgeschichtliche Quellen sind nur ausnahmsweise wissenschaftlich ausgewertet und nicht ohne Weiteres ubertragbar In Hamburg das von der Operation Gomorrha betroffen war kam es zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Verantwortlichen der Schulbehorde und HJ Vertretern die eine Ruckfuhrung ablehnten Zumindest die Vierzehnjahrigen sollten beim Nahen des Feindes weiter in andere Lager marschieren 41 Bei diesem Konflikt setzte sich die Schulbehorde schliesslich durch und konnte fast alle Schuler aus den KLV Lagern in Schleswig Holstein und Mecklenburg rechtzeitig vor der kampflosen Ubergabe der Stadt heimholen Die geordnete Ruckfuhrung von Schulern aus 26 KLV Lagern im tschechischen Grenzgebiet und im Gau Bayreuth war nicht mehr moglich Am 3 Mai 1945 wurde die Verwaltung der Hamburger KLV dem Jugendamt ubertragen alsbald aber von der Schulverwaltung ubernommen Diese sah sich Vorwurfen Drohungen und Verzweiflungsausbruchen von Eltern gegenuber Eine fruhe Inspektionsfahrt brachte als Ergebnis Im grossen und ganzen war die Lage zufriedenstellend bis auf das tschechische Grenzgebiet im Bohmerwald wo die Lager zum Teil ausgewiesen oder gefluchtet und auf den Treck gegangen waren Viele geschlossene Lager waren durch Verteilung der Kinder bei Bauern aufgelockert worden Leider waren einige Jungen vor oder nach der Feindbesetzung aus den Lagern eigenmachtig entwichen und hatten sich auf den Trampweg nach Hamburg gemacht 42 Insgesamt wurden durch die nach kurzem Zwischenspiel wieder eingesetzte KLV Dienststelle in der Schulbehorde von Juli bis Dezember 1945 schatzungsweise 4 000 Hamburger Schuler mit ihren Lehrern zuruckgefuhrt Die Mehrheit der jungeren Kinder die noch in Familienpflegestellen untergebracht waren blieb bis zum Fruhjahr 1946 bei den Gastfamilien 43 Unterbringung in Familien BearbeitenIm Rahmen der Kinderlandverschickung war die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV zustandig fur alle Kinder unter zehn Jahren Bis Mitte 1942 liegen zuverlassige Zahlen vor Demnach sind rund 202 000 Mutter mit 347 000 Kindern in Sonderzugen aus den luftgefahrdeten Gebieten abtransportiert worden Nach Schatzungen wurden bis Kriegsende insgesamt etwa 850 000 Kinder im Grundschulalter evakuiert Bei dieser Zahlenangabe sind jedoch Doppelzahlungen nicht auszuschliessen moglicherweise sind auch Kinder einbezogen die langfristig bei Verwandten untergebracht wurden und fur die Reise einen Sonderzug der NSV benutzten 44 Mutter und Kind Verschickung Bearbeiten Die Mutter und Kind Verschickung richtete sich an Mutter mit Kleinkindern bis zu drei Jahren Diese Altersbegrenzung wurde spater auf sechs Jahre angehoben altere Geschwister konnten mitgenommen werden Die meisten Mutter wurden bei Gastfamilien untergebracht die dafur eine staatliche Aufenthaltsentschadigung sowie erhohte Lebensmittelzuteilung erhielten Das Angebot der Mutter und Kind Verschickung wurde gerne in Anspruch genommen so dass die Organisatoren eine zeitliche Begrenzung auf sechs Monate erwogen Es erschien bald jedoch widersinnig die Evakuierten in die von Luftangriffen immer starker betroffenen Gebiete zuruckzuschicken Die unterschiedlichen Lebensgewohnheiten von Stadtern und landlichen Gastfamilien erschwerten das Zusammenleben Klagen gab es uber mangelnde Mithilfe im Haushalt oder in der Landwirtschaft Die Grossstadter wurden als zu anspruchsvoll wahrgenommen und konnten sich angeblich finanziell alles leisten Ein Kostenbeitrag wurde den gastweise aufgenommenen Muttern erst ab 1943 abverlangt 45 Derartige Schwierigkeiten traten nicht in NSV eigenen Heimen auf die jedoch nicht annahernd uber die erforderlichen Platze verfugten und werdenden Muttern sowie Muttern mit Sauglingen vorbehalten wurden Durch die Mutter und Kind Verschickung wurde nicht nur erreicht dass die Kinder durch nachtliche Luftangriffe unbeeintrachtigt blieben und die im Krieg stehenden Vater beruhigt sein konnten Der stadtische Wohnraum den die verschickten Familien freigemacht hatten wurde zunehmend von kriegswichtigen Betrieben als Ausweichquartier fur ausgebombte Facharbeiter beansprucht 46 Verschickung in Pflegefamilien Bearbeiten Schulpflichtige Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren brachte die NSV in Familienpflegestellen unter Ab 1943 wurde gelegentlich auch altere Schuler in Pflegefamilien aufgenommen 47 Die Verschickungsdauer war fur ein halbes Jahr geplant konnte aber nach einem Heimaturlaub mehrfach verlangert werden Die Gastfamilien erhielten neben den Lebensmittelkarten einen Kostenbeitrag von taglich zwei Reichsmark von der NSV Viele Eltern sahen die Verschickung zu Pflegefamilien als verlangerte Erholungsverschickung an Das Angebot wurde bereitwillig genutzt zumal anfangs der Glaube an einen raschen Endsieg eine kurze Trennungszeit in Aussicht zu stellen schien Die Schuler besuchten die offentliche Schule des Aufnahmeortes Falls die Kapazitat nicht ausreichte wurden eigene Klassen eingerichtet und im Schichtbetrieb unterrichtet aus dem Entsendegebiet wurden dann Lehrer dorthin abgeordnet Schwierigkeiten ergaben sich wenn eine Landschule nur ein oder zweiklassig gefuhrt wurde also Kinder unterschiedlicher Klassenstufen in einem Raum unterrichtet wurden Vielfach gab es Widerstande von Eltern die befurchteten ihr Kind konne dort nicht genug lernen Deshalb versuchten die Organisatoren moglichst gleichaltrige Kinder gemeinsam an einen Ort zu schicken um daraus eine eigene Klasse zu bilden Verschickung zu Verwandten Bearbeiten Eine grosse Anzahl von Kindern wurde privat zu Verwandten verschickt Oft fuhren Mutter mit Die NSV stellte Sonderzuge zusammen bei deren Nutzung die Fahrkosten entfielen Die Unterbringung bei Verwandten wurde offenbar in den letzten Kriegsjahren rege genutzt Eltern mussten nicht Gegner des Regimes sein oder treue Kirchganger die die ideologische Beeinflussung im KLV Lager ablehnten um es als Vorteil einzuschatzen ihr Kind bei Verwandten in guten Handen zu wissen Sie konnten ihr Kind nach Belieben besuchen oder es kurzfristig zuruckholen wenn die Lage sich anderte Offenbar wurde eine Verwandtschaftsverschickung gegenuber den Behorden vielfach nur vorgetauscht um die Kinder bei sich zu behalten Carsten Kressel deutet das Zusammenrucken der Familien bei gleichzeitiger Ablehnung staatlicher Evakuierungsangebote als einen Emanzipationsvorgang der Bevolkerung der angesichts der traditionellen Obrigkeitsglaubigkeit und Machtfulle der Partei besonders hervorzuheben sei 48 Uber das Ausmass dieser privaten Evakuierungsmassnahmen gibt es bislang keine gesicherten Erkenntnisse Die NSV konnte nur die Kinder und Jugendlichen in ihrer Statistik erfassen fur die sie Platze in Sondertransporten bereitstellte Deutungen BearbeitenUberwiegend schildern Zeitzeugen die einen Teil ihrer Kindheit in einem KLV Lager verbrachten diese Zeit als heiteres und unbeschwertes Zusammenleben in der Gemeinschaft Gleichaltriger uberschattet lediglich vom Heimweh Lobend werden eine intensiv erlebte Kameradschaft grossere Selbstverantwortung und enge Bindungen an die Lehrer erwahnt 49 Eine politische Indoktrination hatten sie nicht verspurt und auch in der Ruckschau verdichtet sich diese damals empfundene Wahrnehmung meist zum festgefugten Urteil Seltener berichten Zeitzeugen hingegen von Demutigungen und Schikanen denen sie selbst oder andere als unsportliche Schwachlinge als Kirchganger oder gehemmte Aussenseiter ausgesetzt waren Jost Hermand beklagt strapazenreiche Wehrsportubungen standigen Drill eine permanente aufdringliche Indoktrination und die Verrohung in der Horde 50 mit einer Hackordnung in der Schwachere schonungslos niedergemacht worden seien Ehemalige Funktionare beteiligte Lehrer und Lagermannschaftsfuhrer loben die Erweiterte Kinderlandverschickung uberwiegend als umfangreiches humanitares und soziales Werk 51 bescheinigen sich selbst Opferbereitschaft und ein grosses padagogisches Engagement und bestreiten eine ideologische Beeinflussung der ihnen anvertrauten Jugendlichen 52 Viele ehemalige Teilnehmer an KLV Lagern bestatigen diese Behauptung und beteuern in ihrem Lager habe es eine ideologische Beeinflussung nicht gegeben Politische Schulungen wurden fast gar nicht durchgefuhrt Gepflegt wurde hauptsachlich Kameradschaft und das Zusammengehorigkeitsgefuhl fur jemanden dasein 53 Ich erinnere mich nicht dass man uns bewusst auf Politik getrimmt hat Vielleicht hat man es ja so geschickt gemacht dass wir das gar nicht so schnell gemerkt haben Wir haben ja nie etwas anderes gekannt 54 Im Einzelfall werden solche Urteile zutreffen als Verallgemeinerung widersprechen sie jedoch den erklarten Absichten der Machthaber und stellen die vom Nationalsozialismus begeisterten HJ Fuhrer als einflusslos dar Eva Gehrken weist darauf hin dass die Zeitzeugen schon vor ihrem Lagerleben systemkonforme Einstellungen Wertvorstellungen und Normen unreflektiert ubernommen hatten Daher sei den meisten von ihnen eine ideologische Ausrichtung nicht als etwas Aussergewohnliches aufgefallen und spiegele lediglich eine subjektive Realitatsauffassung 55 Das verbreitete Meinungsbild zur Kinderlandverschickung stellt die humanitaren Aspekte in den Vordergrund hebt die Fursorge um das Leben der Kinder sowie die Opferbereitschaft von Eltern und Betreuern hervor und mundet im Urteil Die KLV war eine gute Tat 56 Es wird darauf verwiesen dass schatzungsweise 74 000 Kinder bei Bombenangriffen ums Leben kamen 57 Uberlebende Kinder die an der vom Krieg weniger betroffenen Kinderlandverschickung nicht teilnahmen seien von den kriegstraumatischen Erlebnissen mit Spatfolgen nachhaltiger belastet als KLV Kinder 58 Ausgeblendet wird bei dieser positiven Bewertung jedoch dass die Schuler im KLV Lager wahrend einer pragenden Lebensphase abgeschirmt einer nationalsozialistisch bestimmten Erziehung ausgesetzt waren Kock urteilt als Luftschutzmassnahme habe die KLV ihr Ziel nicht erreicht da es den Verantwortlichen nicht gelungen sei alle Eltern dafur zu gewinnen Hatte die Erweiterte Kinderlandverschickung einen ahnlichen Charakter gehabt wie die erst 1943 installierte Verwandtenverschickung dann waren mit der Aktion mehr Kinder aus den Stadten in sichere Reichsteile gebracht und damit vor feindlichen Bomben bewahrt worden 59 Kinder Evakuierung in anderen Landern BearbeitenAuch die anderen vom Bombenkrieg betroffenen Lander fuhrten staatliche Evakuierungsprogramme fur Kinder durch Vereinigtes Konigreich Bearbeiten Schon wahrend der Sudetenkrise 1938 waren Evakuierungsmassnahmen angelaufen die Kinder wurden aber alsbald wieder zuruckgeholt Zwei Tage vor Kriegsausbruch lief im Vereinigten Konigreich eine gross angelegte Evakuierung von Schulkindern an Sie wurden mit ihren Lehrern verschickt Die Regierung gestand ein dass die Luftabwehrmassnahmen keinen zuverlassigen Schutz boten anders als in Deutschland wo verkundet wurde die eigene Luftabwehr sei undurchdringbar Unausgesprochen diente die rasch organisierte Evakuierung auch dem Nebenzweck einer unkontrollierten Fluchtbewegung entgegenzuwirken die eine Landesverteidigung bei einer befurchteten Invasion stark behindert hatte 60 Eine fruhe Bedarfsschatzung der Verwaltung belief sich auf Platze fur vier Millionen Evakuierte tatsachlich uberstieg die Zahl der gleichzeitig evakuierten Personen jedoch niemals die Grenze von zwei Millionen Im September 1939 waren 827 000 Schulkinder und 525 000 Mutter samt Kleinkindern aus bedrohten Stadten evakuiert worden Sofern keine Verwandten eine Zufluchtsmoglichkeit bieten konnten wurden sie bei Gastfamilien auf dem Lande untergebracht Die Zahlen schwankten stark und hingen vom tatsachlichen Verlauf des Luftkrieges wie auch von der allgemeinen Einschatzung der Gefahrdungslage ab Im August 1940 war die Anzahl der Evakuierten auf 438 000 bzw 64 000 gesunken stieg dann im Februar 1941 auf 492 000 und 586 000 an und erreichte nach deutlichem Ruckgang im Juni 1944 beim Einsetzen der V2 Angriffe wieder einen Hohepunkt Anders als in Deutschland wurde die Evakuierung im Vereinigten Konigreich lediglich als vorubergehende Schutzmassnahme angesehen 61 Die angebotene Fluchtmoglichkeit schaffte Beruhigung und war eine freiwillig wahlbare Option die nicht auf langere Dauer angelegt war und flexibel genutzt wurde Die Gastfamilien erhielten eine Entschadigung deren Hohe staatlich festgelegt wurde Zwangseinweisungen waren moglich mussten aber selten durchgesetzt werden Eine Evakuierung von Kindern nach Ubersee wurde erwogen und als Children s Overseas Reception Board eingeleitet Diese Aktion wurde abgebrochen nachdem am 18 September 1940 ein deutsches U Boot das Transportschiff City of Benares versenkt hatte Mehrere sozialstaatliche Reformvorhaben wurden in England wahrend des Krieges entwickelt und nach dem Krieg von der Labour Regierung unter Clement Attlee umgesetzt Bis in die 1980er Jahre herrschte die These vor in erster Linie habe die erste Evakuierungswelle diese Planungen ausgelost weil sie das soziale Elend der Kinder aus den Grossstadt Slums drastisch sichtbar gemacht habe 62 Japan Bearbeiten Aufgrund der immer massiveren amerikanischen Luftangriffe beschloss die Regierung des japanischen Kaiserreiches im Juni 1944 Schuler der dritten bis sechsten Schulklassen aus den grossen Stadten zu evakuieren Wer keine Verwandten auf dem Land hatte wurde auf Antrag der Erziehungsberechtigten in Unterkunfte gebracht die vom Staat in Tempeln Landgaststatten und ahnlichen Orten eingerichtet wurden In der ersten Phase des Evakuierungsprogramms wurden etwa 360 000 Kinder zusammen mit ihren Lehrern aus den 13 Stadtgebieten Tokio Yokohama Kawasaki Yokosuka Osaka Kōbe Amagasaki Nagoya Moji Kokura Tobata Wakamatsu und Yahata letztere funf heute Kitakyushu in uber 7000 Unterkunfte verbracht Im Marz 1945 wurde das Programm auf jungere Kinder ausgeweitet 63 Das staatliche Budget fur das Evakuierungsprogramm betrug 1944 100 Millionen Yen 1945 wurde es auf 140 Millionen erhoht Diese Betrage waren jedoch fur die Versorgung und Unterbringung so vieler Kinder unzureichend Es wurde von den Eltern erwartet ihre Kinder finanziell oder mit Lebensmitteln zu unterstutzen Ausserdem mussten viele der Kinder fur ihre Gastgeber arbeiten Literatur BearbeitenHeinz Boberach Jugend unter Hitler Droste Dusseldorf 1982 ISBN 3 8112 0660 5 Eine aus Archivunterlagen objektivierte Berichterstattung u a uber die KLV weitere Ausgabe Gondrom 1993 Gerhard Dabel Hrsg KLV Die erweiterte Kinder Land Verschickung KLV Lager 1940 1945 Dokumentation uber den Grossten soziologischen Versuch aller Zeiten Schillinger Freiburg 1981 ISBN 3 921340 60 8 zur Zuverlassigkeit Kock S 19 ff Gehrken S 149 ff Eva Gehrken Nationalsozialistische Erziehung in den Lagern der Erweiterten Kinderlandverschickung 1940 1945 Forschungsstelle fur Schulgeschichte und regionale Schulentwicklung Gifhorn 1997 Zugleich Dissertation an der technischen Universitat Braunschweig 1996 Jost Hermand Als Pimpf in Polen Erweiterte Kinderlandverschickung 1940 1945 Fischer Taschenbuch fiTb 11321 Frankfurt am Main 1993 ISBN 3 596 11321 0 Gerhard Kock Der Fuhrer sorgt fur unsere Kinder Die Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg Schoningh Paderborn Munchen 1997 ISBN 3 506 74663 4 Zugleich Dissertation an der Universitat Koln unter dem Titel Die erweiterte Kinderlandverschickung 1996 Carsten Kressel Evakuierungen und erweiterte Kinderlandverschickung im Vergleich Das Beispiel der Stadte Liverpool und Hamburg In Europaische Hochschulschriften Reihe III Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Band 715 Lang Frankfurt am Main u a 1996 ISBN 3 631 30532 X Zugleich Dissertation an der Universitat Hamburg 1996 Claus Larass Der Zug der Kinder KLV Die Evakuierung 5 Millionen deutscher Kinder im 2 Weltkrieg Ullstein Frankfurt am Main 1992 ISBN 3 548 33165 3 Erich Maylahn Auflistung der KLV Lager In Dokumente und Berichte zur Erweiterten Kinderlandverschickung 1940 1945 Band 1 Projekt Bochum 2004 ISBN 978 3 89733 116 7 6000 KLV Lager nach Lagerorten Lagernamen Aufnahmegebieten und Lagernummern Martin Ruther Eva Maria Martinsdorf Hrsg KLV Erweiterte Kinderlandverschickung 1940 bis 1945 Eine Dokumentation auf zwei CD ROMs SH Verlag Koln 2000 ISBN 3 89498 091 5 Dazu Rezensionen Fritz Bauer Institut Kritik S 77 Memento vom 28 September 2007 im Internet Archive PDF 538 kB sowie Rezension hsozkult 2003Weiterfuhrende Literatur Bearbeiten Oliver Kersten Die erweiterte Kinderlandverschickung KLV In Ders Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt insbesondere im Zweiten Weltkrieg Magisterarbeit am Friedrich Meinecke Institut der Freien Universitat Berlin 1993 160 Bl S 49 54 Standorte SAPMO Bundesarchiv Bibliothek Berlin und Friedrich Meinecke Institut der Freien Universitat Berlin nicht eingesehen Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kinderlandverschickung Album mit Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Kinderlandverschickung Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Jugend in Deutschland 1918 bis 1945 Kinderlandverschickung NS Dokumentationszentrum der Stadt Koln Kinderlandverschickung KLV LeMO DHM Rundschreiben des Reichsleiters M Bormann vom 27 September 1940 Memento vom 5 August 2013 im Internet Archive LeMO DHM Shoa Kinderlandverschickung Aus dem Bombenkrieg in die Kinderlandverschickung Die Erweiterte Kinderlandverschickung KLV im Ruhrgebiet wahrend des Zweiten Weltkriegs Memento vom 19 Juli 2011 im Internet Archive Forschungsprojekt Uni Dortmund Kriegskinder Licht in dunklen Tagen Memento vom 19 Juli 2011 im Internet Archive PDF 1 32 MB 4 S Der Zweite Weltkrieg Duisburg Bohmen und Tuttlingen Quellen zum Leben wahrend der KLV und weiterfuhrende Informationen Forschungsprojekt zur Kinderlandverschickung in Niederosterreich Markus Holzweber Vortrag uber die KLV in Niederdonau gehalten am Symposium des NO Instituts fur Landeskunde am 7 Juli 2015 in Laa ThayaEinzelnachweise Bearbeiten Gerhard Kock Der Fuhrer sorgt fur unsere Kinder Die Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg Paderborn 1997 ISBN 3 506 74663 4 S 143 Zur Zahlenproblematik siehe auch Carsten Kressel Evakuierungen und Erweiterte Kinderlandverschickung im Vergleich Frankfurt am Main u a 1996 ISBN 3 631 30532 X S 102 111 Hartmut Radebold Abwesende Vater und Kriegskindheit Fortbestehende Folgen in Psychoanalysen Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 2004 Kindheiten im Zweiten Weltkrieg Kriegserfahrungen und deren Folgen aus psychohistorischer Perspektive Juventa Verlag Weinheim Munchen 2006 Wolfgang Keim Erziehung unter der Nazi Diktatur Bd 2 Darmstadt 1997 ISBN 3 89678 036 0 S 394 Eva Gehrken Nationalsozialistische Erziehung in den Lagern der Erweiterten Kinderlandverschickung 1940 1945 Forschungsstelle fur Schulgeschichte und regionale Schulentwicklung Gifhorn 1997 S 139 166 Anm 1 Peter Weidisch Wurzburg im Dritten Reich In Ulrich Wagner Hrsg Geschichte der Stadt Wurzburg 4 Bande Band I III 2 Theiss Stuttgart 2001 2007 III 1 2 Vom Ubergang an Bayern bis zum 21 Jahrhundert 2007 ISBN 978 3 8062 1478 9 S 196 289 und 1271 1290 hier S 267 Cornelia Schmitz Berning Vokabular des Nationalsozialismus Berlin 1998 ISBN 3 11 013379 2 S 352 Wolfgang Keim Der Fuhrer S 71 Gerhard Kock Der Fuhrer S 76 Gerhard Kock Der Fuhrer S 82 Gerhard Kock Der Fuhrer S 69 70 Heinz Boberach Meldungen aus dem Reich dtv 477 Munchen 1968 S 117 7 Okt 1940 Gerhard Kock Der Fuhrer S 74 Wilhelm Georg Heckmann Aus der Geschichte des alten Dortmunder Gymnasiums In Konrad Delers Hrsg Stadtgymnasium Dortmund 1543 1959 Festschrift zur Fertigstellung des neuen Schulgebaudes Dortmund 1959 S 31 34 Die Schule im Exil in Johannes Kruse und Werner Kirstein 1858 1958 Bismark Realgymnasium Max Planck Gymnasium Dortmund Selbstverlag 1958 S 57 62 Eva Gehrken Nationalsozialistische Erziehung S 16 Gerhard Kock Der Fuhrer S 14 Volker Boge Jutta Deide Luchow Bunkerleben und Kinderlandverschickung Eimsbuttler Jugend im Krieg Hamburg 1992 ISBN 3 926174 46 3 S 172 Auflistung weiterer Lander bei Hans Jurgen Feuerhake Die Erweiterte Kinderlandverschickung in Hannover 1940 1945 Bochum 2006 ISBN 3 89733 139 X S 21 Liste bei Gerhard Kock Der Fuhrer S 97 Boge Deide Luchow Bunkerleben S 171 Eva Gehrken Nationalsozialistische Erziehung S 188 Carsten Kressel Evakuierungen und erweiterte Kinderlandverschickung im Vergleich das Beispiel der Stadte Liverpool und Hamburg Frankfurt am Main 1996 ISBN 3 631 30532 X S 190 Gerhard Kock Der Fuhrer S 138 Zu diesen Ergebnissen kommt auch Carsten Kressel Evakuierungen S 102 111 Gerhard Kock Der Fuhrer S 140 belegt bei Reiner Lehberger Kinderlandverschickung Fursorgliche Aktion oder Formationserziehung In Reiner Lehberger Hans Peter de Lorent Hrsg Die Fahne hoch Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz Hamburg 1986 ISBN 3 925622 18 7 S 371 Gerhard Kock Der Fuhrer S 172 Sylvelin Wissmann Es war eben unsere Schulzeit Bremen 1993 ISBN 3 925729 15 1 S 303 Eva Gehrken Nationalsozialistische Erziehung S 170 f Gerhard Kock Der Fuhrer S 158 Tagesdienstplan als Originaldokument Harald Scholtz Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz Gottingen 1985 ISBN 3 525 33512 1 S 119 Gerhard Kock Der Fuhrer S 56 mit Verweis auf Rudolf Benze Nationalpolitische Erziehung im Dritten Reich Berlin 1936 Wolfgang Keim Erziehung unter der Nazi Diktatur Bd 2 2 Aufl Darmstadt 2005 ISBN 3 534 18802 0 S 56ff vermutlich hat fast jeder Deutsche mindestens einmal an einem Lager teilnehmen mussen S 58 zitiert nach Cornelia Schmitz Berning Vokabular des Nationalsozialismus 2 uberarb Aufl Berlin New York 2007 ISBN 978 3 11 019549 1 S 352 Eva Gehrken Nationalsozialistische Erziehung S 172 Heinz Boberach Meldungen aus dem Reich Bd 9 S 2154 Heinz Boberach Meldungen aus dem Reich dtv Munchen 1968 S 215 216 12 Marz 1942 so das Urteil von Gerhard Kock Der Fuhrer S 75 Heinz Boberach Hrsg Meldungen aus dem Reich 1938 1945 SD Berichte zu Inlandsfragen Herrsching 1984 Bd 14 S 5917f 25 Oktober 1943 Hans Jurgen Feuerhake Die Erweiterte Kinderlandverschickung S 53 Sylvelin Wissmann Es war eben unsere Schulzeit S 277 so Wolfgang Benz Ute Benz Sozialisation und Traumatisierung Kinder in der Zeit des Nationalsozialismus Frankfurt 1992 S 22 Gerhard Kock Der Fuhrer S 18 Volker Boge Jutta Deide Luchow Bunkerleben und Kinderlandverschickung S 212 Volker Boge Jutta Deide Luchow Bunkerleben und Kinderlandverschickung S 214 Volker Boge Jutta Deide Luchow Bunkerleben und Kinderlandverschickung S 218 Gerhard Kock Der Fuhrer S 138 143 Gerhard Kock Der Fuhrer S 111 Gerhard Kock Der Fuhrer S 108 Hans Jurgen Feuerhake Die Erweiterte Kinderlandverschickung S 16 Carsten Kressel Evakuierungen S 225 226 Wolfgang Keim Erziehung unter der Nazi Diktatur S 154 Jost Hermand Als Pimpf in Polen FiTb 11321 Frankfurt am Main 1993 ISBN 3 596 11321 0 S 13 Gerhard Dabel KLV Die erweiterte Kinder Land Verschickung KLV Lager 1940 1945 Dokumentation uber den Grossten soziologischen Versuch aller Zeiten Freiburg 1981 ISBN 3 921340 60 8 kritischer bei Wolfgang Keim Erziehung unter der Nazi Diktatur Bd 2 Darmstadt 1997 ISBN 3 89678 036 0 Zitat S 154 Bruno Schonig Krisenerfahrung und padagogisches Engagement Lebens und berufsgeschichtliche Erfahrungen Berliner Lehrerinnen und Lehrer Frankfurt M 1994 ISBN 3 631 42842 1 S 132 Gerhard Dabel KLV S 172 Volker Boge Jutta Deide Luchow Bunkerleben und Kinderlandverschickung Eimsbuttler Jugend im Krieg Hamburg 1992 ISBN 3 926174 46 3 S 213 214 Eva Gehrken Nationalsozialistische Erziehung S 82 f Gerhard Dabel Hrsg KLV S 297 Hilke Lorenz Kriegskinder Das Schicksal einer Generation List Verlag Munchen 2003 ISBN 3 471 78095 5 Kindheiten Memento vom 29 Januar 2009 im Internet Archive Forschungsgruppe Zweiter Weltkrieg Gerhard Kock Der Fuhrer S 340 Carsten Kressel Evakuierungen S 43 Gerhard Kock Der Fuhrer S 13 Anm 5 und S 343 Carsten Kressel Evakuierungen S 187 Evakuierung in Japan Memento vom 20 Februar 2012 im Internet Archive Abruf am 27 Marz 2007 englischsprachige Informationen des MEXT Normdaten Sachbegriff GND 4163842 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kinderlandverschickung amp oldid 237913677