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Jozef Jakubowski auch Josef Jakubowski oder Osip Jakubowski 8 September 1895 in Dubnai Rajongemeinde Utena damals Gouvernement Kowno Kaiserreich Russland heute Litauen 15 Februar 1926 in Strelitz Mecklenburg Strelitz Deutsches Reich wurde wegen eines Mordes den er nicht begangen hatte zum Tod verurteilt und enthauptet Sein Fall gehort zu den bedeutendsten Justizirrtumern in der deutschen Rechtsgeschichte des 20 Jahrhunderts 1 und wurde bis heute formal nicht korrigiert Im Fall spielte eine gegen Jakubowski gerichtete Auslanderfeindlichkeit eine bedeutende Rolle Inhaltsverzeichnis 1 Leben bis 1924 2 Mord Prozess und Hinrichtung 3 Spatere Entwicklungen 4 Verfilmungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben bis 1924 BearbeitenJozef Jakubowski wurde im damaligen Gouvernement Kowno des Russischen Kaiserreiches heute Litauen geboren war allerdings polnischer Nationalitat In der Literatur wird er bisweilen im eigentlichen Sinne nicht zutreffend als Russe bezeichnet Als Soldat der russischen Armee geriet er im Ersten Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft und verbrachte zwei Jahre in einem Gefangenenlager Nach Kriegsende blieb er in Deutschland und verdingte sich als Landarbeiter in dem westmecklenburgischen Dorf Palingen Dort lernte er Ida Nogens 21 Dezember 1901 kennen die bereits den unehelichen Sohn Ewald 24 April 1921 hatte Von Jakubowski bekam sie die Tochter Anna Das Paar wollte heiraten doch Ida Nogens starb am 15 Mai 1923 an Lungenentzundung 2 Die Kinder wurden darauf von Ida Nogens verwitweter Mutter Elisabeth Nogens geb Treumann aufgenommen und Jakubowski zahlte Unterhalt was er jedoch einstellte als er bemerkte dass die Kinder bei ihrer Grossmutter verwahrlosten 1 Mord Prozess und Hinrichtung BearbeitenAm 9 November 1924 verschwand der dreijahrige Ewald am 24 November 1924 wurde er erdrosselt in der Nahe von Palingen aufgefunden Auf Hinweise der Familie Nogens hin nahm man am Tag darauf Jozef Jakubowski als Verdachtigten fest 1 Im Marz 1925 begann vor der Strafkammer des Landgerichts Neustrelitz die beim Amtsgericht Schonberg angesiedelt war der Mordprozess gegen ihn Die Verteidigung ubernahm der Schonberger Rechtsanwalt Carl Koch Der Angeklagte hatte am Tattag lediglich kein Alibi fur die Zeit von 5 45 bis 6 15 Uhr Als Hauptbelastungszeuge trat der geistig schwer behinderte Jugendliche Hannes Nogens auf ein Onkel des Kindes der Jakubowski zu dieser Zeit auf dem Weg zum Tatort gesehen haben wollte Einerseits verzichtete das Gericht wegen des Geisteszustands des Zeugen auf eine Vereidigung andererseits wurde seiner Aussage genug Gewicht beigemessen um Jakubowski entscheidend zu belasten 1 3 Eine Zeugin gab an um 5 45 Uhr Schreie des Kindes gehort zu haben Zu diesem Zeitpunkt konnte Jakubowski sollte er zum Tatort gegangen sein jedoch noch nicht dort gewesen sein Daher erklarte die Staatsanwaltschaft kurzerhand die Zeugin musse sich bezuglich ihrer Zeitangabe geirrt haben und sie habe die Schreie in Wirklichkeit wohl kurz nach sechs Uhr gehort August und Fritz Nogens die Bruder von Ina Nogens ruckten Jozef Jakubowski in ein schlechtes Licht Auf ihre Aussagen hin unterstellte das Gericht als Tatmotiv einen fehlenden Willen zur Unterhaltszahlung 1 Jakubowski bezeichnete sich stets als unschuldig Obwohl er Deutsch schlecht verstand und der Verhandlung nur unzureichend folgen konnte wurde ihm ein Dolmetscher verweigert Ein von ihm geausserter Verdacht gegen die Familie Nogens wurde vom Vorsitzenden Richter Johannes von Buchka 1865 1938 4 ohne Uberprufung als dreiste Luge abgetan und verschlimmerte seine Situation eher Am 26 Marz 1925 folgten trotz durftiger Indizienlage Schuldspruch und Todesurteil Der Neustrelitzer Ministerialrat Ulrich Pagel der als Prozessbeobachter anwesend war erwartete anfanglich wie er dem Verteidiger sagte eine Aufhebung oder eine Begnadigung da der Indizienbeweis nicht ein vollkommener sei 5 Eine Revision wurde jedoch abgelehnt und der Erste Staatsminister Roderich Hustaedt Regierungschef des Freistaats Mecklenburg Strelitz verweigerte die Begnadigung Am 15 Februar 1926 wurde Jozef Jakubowski in der Landesanstalt Neustrelitz Strelitz von dem Scharfrichter Carl Gropler 6 mit dem Handbeil hingerichtet Noch zwei Tage zuvor hatte sein Verteidiger brieflich an Hustaedt appelliert die Vollstreckung auszusetzen da er von der Unschuld seines Mandanten uberzeugt sei 1 Spatere Entwicklungen Bearbeiten nbsp Gedenkstein fur Jozef Jakubowski am Verwaltungsgebaude des Gefangnisses in Strelitz Alt Die Deutsche Liga fur Menschenrechte setzte sich fur ein Wiederaufnahme des Verfahrens ein Nach weiteren Ermittlungen des Leiters des Landeskriminalamts Regierungsrat Steuding und des Kriminalpsychologen Hans von Hentig gestanden 1928 die Witwe Nogens und ihre beiden Sohne August 1905 und Fritz ein Mordkomplott gegen den kleinen Ewald Nogens geschmiedet und die Tat Jakubowski in die Schuhe geschoben zu haben So wollten sie auf einen Streich das unerwunschte Kind wie auch Jozef Jakubowski als einzigen Auslander im Dorf loswerden 1 August Nogens wurde im Juli 1929 wegen Mordes an seinem Neffen und Meineids zunachst zum Tod verurteilt spater allerdings durch den seinerzeit amtierenden Ersten Staatsminister Kurt Freiherr von Reibnitz zu lebenslangem Zuchthaus begnadigt August starb am 3 November 1943 im KZ Neuengamme offiziell an offener Lungentuberkulose 7 Sein Bruder und seine Mutter erhielten wegen Beihilfe zum Mord zeitliche Zuchthausstrafen Eine von der Deutschen Liga fur Menschenrechte unter Mitwirkung von Arthur Brandt gegen Staatsanwalt Muller und Landgerichtsprasident Johannes von Buchka gestellte Strafanzeige wegen Rechtsbeugung wurde abgewiesen Ebenso wurde ein von Jakubowskis Eltern angestrengtes Wiederaufnahmeverfahren zum nachtraglichen Freispruch ihres Sohnes eingestellt 1 So ist der Schuldspruch gegen Jozef Jakubowski bis heute noch nicht formal aufgehoben obwohl andere die Tat gestanden haben und dafur verurteilt worden sind Der Fall Jakubowski verunsicherte die Justiz der Weimarer Republik so stark dass von Sommer 1929 bis zu Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 nur noch wenige Todesurteile vollstreckt wurden 1 Bereits zeitgenossische Journalisten wie Rudolf Olden und Max Barth sahen in auslanderfeindlicher Voreingenommenheit der Justizbehorden und des Gerichts den Hauptgrund fur den unfairen Prozess So zitierte Barth in der Sonntags Zeitung 1928 Nr 3 zwei Gefangnisgeistliche die davon uberzeugt waren dass diese Hinrichtung niemals stattgefunden hatte ware der Angeklagte ein Deutscher gewesen 8 Der Fall Jakubowski wurde in zahlreichen Buchern und Aufsatzen behandelt und dreimal fur Fernsehen und Kino verfilmt In Strelitz Alt gibt es eine Josef Jakubowski Strasse Dort und in Palingen erinnern Gedenksteine aus den 1960er Jahren an Jakubowski auf denen er im Sinn der damaligen DDR Ideologie als ein Opfer der Klassenjustiz bezeichnet wird Verfilmungen Bearbeiten1959 Fernsehpitaval Der Fall Jakubowski Fernsehreihe Deutscher Fernsehfunk Regie Wolfgang Luderer 1962 Mord ohne Suhne Spielfilm DDR Regie Carl Balhaus mit Wojciech Siemion als Jakubowski 1 1964 Der Fall Jakubowski Rekonstruktion eines Justizirrtums Fernsehfilm Bundesrepublik Deutschland Regie Robert A Stemmle mit Friedrich G Beckhaus als JakubowskiLiteratur BearbeitenRudolf Olden Josef Bornstein Der Justizmord an Jakubowski Tagebuchverlag Berlin 1928 Digitalisat Eleonore Kalkowska Josef Eine Zeittragodie in 22 Bildern Berlin 1929 Friedrich Karl Kaul Justiz wird zum Verbrechen Der Pitaval der Weimarer Republik Das Neue Berlin Berlin 1953 Theo Harych Im Namen des Volkes Der Fall Jakubowski Verlag Volk und Welt Berlin 1958 3 Aufl 1962 Hermann Mostar Unschuldig verurteilt Aus der Chronik der Justizmorde Ullstein Frankfurt 1961 Ungekurzter Neudruck 1990 ISBN 3 548 34670 7 Gerhart Hermann Mostar Robert Adolf Stemmle Hrsg Todesurteil Neun Kriminalfalle Anna Bockler Charley Ross Madame Steinheil Hugo Schenk Helene Gillet Franz Salesius Riembauer Peter Kurten Josef Jakubowski Wilhelmine Krautz Desch Munchen 1964 Arthur Brandt Unschuldig verurteilt Richter sind nicht unfehlbar Econ Dusseldorf 1982 ISBN 3 430 11509 4 Weblinks BearbeitenLiteratur uber Jozef Jakubowski in der Landesbibliographie MVEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i Informationen und Links zum Mordfall Jakubowski auf der Homepage von Palingen Rudolf Olden Josef Bornstein Der Justizmord an Jakubowski Tagebuchverlag Berlin 1928 Digitalisat S 10 Beerdigungsregister Herrnburg abgerufen uber ancestry com am 23 Juni 2023 Hannes Nogens wurde nach dem Prozess in die Landesirrenanstalt Domjuch eingewiesen und starb dort am 3 Oktober 1926 siehe Rudolf Olden Josef Bornstein Der Justizmord an Jakubowski Tagebuchverlag Berlin 1928 Digitalisat S 32 Universitat Rostock Immatrikulation von Johannes Buchka Abgerufen am 21 Juni 2018 Koch an Pagel 23 Marz 1926 zitiert nach Rudolf Olden Josef Bornstein Der Justizmord an Jakubowski Tagebuchverlag Berlin 1928 Digitalisat S 52 Matthias Blazek Scharfrichter in Preussen und im Deutschen Reich 1866 1945 Ibidem Verlag Stuttgart 2010 ISBN 3 8382 0107 8 S 71 Sterbeurkunde abgerufen uber ancestry com am 23 Juni 2023 erich schairer de Memento des Originals vom 17 Oktober 2007 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www erich schairer de Abgerufen am 7 Dezember 2007 Normdaten Person GND 1044123249 lobid OGND AKS VIAF 305347375 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Jakubowski JozefALTERNATIVNAMEN Jakubowski Josef Jakubowski OsipKURZBESCHREIBUNG Justizopfer im Deutschen ReichGEBURTSDATUM 8 September 1895GEBURTSORT Utena RusslandSTERBEDATUM 15 Februar 1926STERBEORT Strelitz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jozef Jakubowski amp oldid 239222919