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Bei der Grundung des schweizerischen Bundesstaates entstand eine Kontroverse daruber ob die Schweiz eine Hauptstadt anstelle der bis damals wechselnden Vororte haben solle und wenn ja welche Sie endete in einem Kompromiss Am 28 November 1848 wahlten der National und Standerat die Stadt Bern als Bundessitz der Schweiz wogegen Lausanne Luzern und Zurich Standort fur andere hohe Institutionen des Bundes sein sollten Die Festschreibung Berns als Sitz des Bundesrates Exekutive und als Sitz der Bundesversammlung Legislative geschieht heute im Regierungs und Verwaltungsorganisationsgesetz beziehungsweise im Parlamentsgesetz Aus foderaler Rucksichtnahme wird Bern jedoch nicht Hauptstadt oder Bundeshauptstadt sondern Bundesstadt genannt In keiner der drei Bundesverfassungen wurde je eine Bundesstadt Bundeshauptstadt oder Hauptstadt festgeschrieben Weil Bern in einem modernen Staatsverstandnis alle Zentrumsfunktionen einer Hauptstadt erfullt verwendet der Gemeinderat der Stadt Bern Stadtregierung in jungster Zeit vermehrt den Begriff Hauptstadt In der franzosischsprachigen und in der italienischsprachigen Schweiz wird Bern umgangssprachlich ebenfalls als Capitale sprich Hauptstadt bezeichnet Die amtliche Bezeichnung lautet in diesen Sprachen Ville federale bzw Citta federale 1 Inhaltsverzeichnis 1 Alte Eidgenossenschaft bis 1798 2 Helvetische Republik 1798 1803 3 Mediation 1803 1813 4 Restauration 1813 1830 und Regeneration 1830 1848 5 Bundesstaat ab 1848 5 1 Die Wahl der Bundesstadt 5 2 Geltende Regelung 5 2 1 Leistungen der Stadt Bern an den Bundessitz 5 2 2 Regierungs und Verwaltungsorganisationsgesetz und Parlamentsgesetz 5 2 3 Dezentralisierung 5 2 4 Neuregelung zwischen Bund und Stadt Bern 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseAlte Eidgenossenschaft bis 1798 Bearbeiten Tagsatzung von 1531 in Baden Bis 1798 war die Schweiz ein Bundnis souveraner Kantone Die Tagsatzung diente als Versammlung der Gesandten der einzelnen Kantone Als Tagungsort war nicht eine bestimmte Ortschaft festgelegt Die Tagsatzung fand an verschiedenen Orten statt wie zum Beispiel Frauenfeld 2 am haufigsten und zwischen 1528 und 1712 fast ausschliesslich in Baden dessen Bader die Gesandte anzogen 3 Ab 1712 wurde Frauenfeld erneut zum Tagungsort der Gesandten 4 Diese Abwechslung auch unter Berucksichtigung dass die franzosische Botschaft in der Schweiz ihren Sitz in Solothurn hatte stellt ein Bild des alteidgenossichen Polyzentrismus dar 5 Helvetische Republik 1798 1803 Bearbeiten1798 wurde die Helvetische Republik als zentralistischer Staat nach franzosischem Muster proklamiert Die erste helvetische Verfassung legte in Artikel 17 fest dass Luzern als provisorische Hauptstadt dienen soll und dass die definitive Entscheidung uber den Sitz der zentralen Behorden von den gesetzgebenden Raten Grosser Rat und Senat gefallt werden muss Der Basler Politiker und Revolutionar Peter Ochs warb in der Zwischenzeit fur seine Heimatstadt weil sie mit Paris besser vernetzt sei als Luzern und weniger unter dem negativen Einfluss des Priestertums stehe Die konstituierende Sitzung der gesetzgebenden Rate wurde aber fur den 12 April 1798 nach Aarau einberufen welche Aarau als provisorische Hauptstadt erklarten dort installierte sich auch die Regierung Direktorium Da die fur die helvetischen Behorden in Aarau zur Verfugung stehenden Lokalitaten als ungeeignet erachtet wurden widerriefen die gesetzgebenden Rate anfangs August 1798 die Einsetzung von Aarau als provisorische Hauptstadt Zur Wahl stellten sich Zurich Basel Luzern Bern Solothurn und Freiburg im letzten Wahlgang obsiegte Luzern mit 61 zu 57 Stimmen uber Bern Ab dem 4 Oktober 1799 diente Luzern als Hauptstadt Weil die Stadt im Zweiten Koalitionskrieg in den Frontbereich geriet wurde die Hauptstadt am 28 Mai 1799 nach Bern verlegt Im Sommer 1802 zerfiel die Helvetische Republik infolge des Abzuges der franzosischen Interventionstruppen die helvetischen Behorden mussten daher ihren Amtssitz im September 1802 nach Lausanne verlegen 6 Mediation 1803 1813 BearbeitenDie von Napoleon personlich diktierte Mediationsakte begrundete eine Neuordnung des nun erstmals als Schweizerische Eidgenossenschaft bezeichneten Staates Gemass der Mediationsakte waren die Kantone Freiburg Bern Solothurn Basel Zurich und Luzern rotierend fur je ein Jahr Directorial Kanton Der Schultheiss oder Burgermeister dieses Kantons wurde als Landammann der Schweiz bezeichnet Es wurde eine eidgenossische Kanzlei gebildet welches jedes Jahr mit allen Akten umzuziehen hatte Die Tagsatzung wurde in die Hauptstadt des jeweiligen Directorial Kantons einberufen Der Turnus begann mit Freiburg im Marz 1803 7 Restauration 1813 1830 und Regeneration 1830 1848 BearbeitenDie Restauration nach dem Zerfall des napoleonischen Kaiserreiches und damit auch dem Ausserkrafttreten der Mediationsakte brachte eine teilweise Ruckkehr zu den Verhaltnissen der Alten Eidgenossenschaft In der Ubergangsperiode ab Ende 1813 ubernahm zuerst Zurich die Rolle des Bundessitzes Der Bundesvertrag vom 8 September 1814 in Kraft ab 7 August 1815 legte fest dass die Leitung der Bundesangelegenheiten wenn die Tagsatzung nicht versammelt ist einem Vororte mit den bis zum Jahr 1798 ausgeubten Befugnissen ubertragen wird Der Vorort wechselt unter den Kantonen Zurich Bern und Luzern je zu zwei Jahren Die Tagsatzung bestehend aus den Gesandten der Kantone versammelt sich in der Hauptstadt des jeweiligen Vororts der im Amt stehende Burgermeister oder Schultheiss des Vororts fuhrt den Vorsitz Dem Vorort ist eine eidgenossische Kanzlei beigeordnet welche folglich alle zwei Jahre ihren Amtssitz wechselt Die Regeneration als liberale Erneuerung vermochte sich ab 1830 in vielen Kantonen durchzusetzen der Bundesvertrag von 1815 mit seiner Regelung des rotierenden Bundessitzes blieb aber bis 1848 in Kraft Im Entwurf der Bundesurkunde von 1832 fand sich die Idee einer zentralen Hauptstadt in der die Bundesversammlung der Bundesrat und die wesentlichen Bundesbehorden angesiedelt werden sollten Dieser Entwurf scheiterte aber am Widerstand sowohl zentralistischer als auch radikal foderalistischer Kreise Bundesstaat ab 1848 Bearbeiten Hauptstadtfrage der Schweiz Schweiz Zurich Luzern BernLage der kandidierenden StadteDie Bestimmung der Hauptstadt der Schweiz wurde in der Bundesverfassung von 1848 an den Gesetzgeber delegiert In Art 108 wurde festgehalten dass der Sitz der Bundesbehorden Bundesversammlung Bundesrat und Bundesverwaltung der Gesetzgebung durch die Bundesversammlung unterstehe Fur den Rechtswissenschaftler Alfred Kolz ist diese Wortwahl Sitz der Bundesbehorden kein Zufall Man wollte keine Hauptstadt als politisches oder kulturelles Zentrum wie London Paris oder Wien in der Schweiz 8 Im November 1848 einigten sich die Rate darauf das Rotationsprinzip abzuschaffen Offen blieb welche Stadt oder welcher Ort zur Hauptstadt werden sollte Auch die Frage ob eine Kantonshauptstadt gleichzeitig Bundesstadt werden konnte wurde diskutiert Sogar die Neugrundung einer Stadt als Regierungs und Parlamentssitz eine sogenannte Planhauptstadt wie beispielsweise Washington in den Vereinigten Staaten wurde in Betracht gezogen Fur die Wahl der Bundesstadt durch die Bundesversammlung vom 28 November 1848 standen als ernsthafte Kandidaten die drei ehemaligen Vororte Zurich Bern und Luzern zur Wahl Luzern wurde als ehemaliges Haupt des Sonderbundes angesehen was gegen eine glaubwurdige Kandidatur sprach Der Wettbewerb zwischen Bern und Zurich bereits vorhanden in der alten Eidgenossenschaft wurde zum Kampf um die Hegemonie im neuen Bundesstaat 9 Die Wahl der Bundesstadt Bearbeiten Vor der Wahl gab es eine Diskussion in der dafur zustandigen Kommission des Nationalrates ob der Nationalrat und der Standerat in zwei unterschiedlichen Stadten tagen konnten Diese Moglichkeit wurde aber von der Kommission als unzweckmassig verworfen Die Kommission beantragte dass die Wahl des kunftigen Bundesorts in der Vereinigten Bundesversammlung das heisst in gemeinsamer Sitzung beider Rate getroffen werden sollte 10 Die Rate entschieden sich aber dafur die Wahl mit in beiden Rathen getrennt vorzunehmender Abstimmung vorzunehmen 11 Die Wahl fiel am 28 November 1848 in beiden Raten bereits im ersten Wahlgang auf Bern Im Nationalrat stimmten 58 Abgeordnete fur Bern 35 fur Zurich 6 fur Luzern und ein Einzelganger fur Zofingen Im Standerat fielen 21 Stimmen auf Bern 13 auf Zurich und 3 auf Luzern Die Abgeordneten aus den franzosischsprachigen Kantonen Genf Waadt Wallis und Neuenburg sprachen sich fur Bern aus ebenfalls diejenigen aus Freiburg Solothurn sowie den beiden Basel Stadt und Landschaft Demgegenuber vermochte Zurich nicht die ganze Ostschweiz fur sich zu gewinnen insbesondere die Mehrheit der Abgeordneten aus St Gallen stimmte fur Bern 12 Die Wahl von Bern nach Hans Schneider das Bindeglied zwischen Deutsch und Welsch 13 diente der nationalen Einheit des Landes insbesondere unmittelbar nach dem Sonderbundskrieg Bereits wahrend der Kampagne zur Wahl wurde ein Ausgleich fur die nichtgewahlte Stadt in Aussicht gestellt 14 Zurich erhielt die Eidgenossische Technische Hochschule und Lausanne das Schweizerische Bundesgericht Luzern erhielt erst 1917 das weniger bedeutende Eidgenossische Versicherungsgericht das heute Teil des Bundesgerichts ist Geltende Regelung Bearbeiten Ein Bundesgesetz das den Status der Stadt Bern als Bundesstadt verankert und das Verhaltnis des Bundes zur Stadt Bern regelt gibt es nicht und die geltende Bundesverfassung enthalt keine Bestimmungen zur Bundesstadt Bern um 1858 mit dem von der Stadt Bern gebauten Bundes Rathaus rechts im Bild mit Fahne Leistungen der Stadt Bern an den Bundessitz Bearbeiten Bei den kantonalen Wahlen im Jahr 1850 fand im Kanton Bern ein konservativer Umschwung statt In der Folge verlangte die Eidgenossenschaft Bestimmungen zum Schutz der Bundesbehorden und erliess 1851 das sogenannte Garantiegesetz 15 Art 108 der Bundesverfassung von 1848 wurde in der revidierten Verfassung von 1874 in Art 115 ubernommen 1875 wurden in einer Ubereinkunft zwischen Bundesrat und Berner Gemeinderat die Leistungen der Stadt Bern an den Bundessitz schriftlich festgelegt 16 Im Bereich Sicherheit bestehen zwei Vereinbarungen uber Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit von Marz 1997 Regierungs und Verwaltungsorganisationsgesetz und Parlamentsgesetz Bearbeiten Im geltenden Regierungs und Verwaltungsorganisationsgesetz RVOG vom 21 Marz 1997 wurde in Art 58 Bern als Amtssitz des Bundesrats seiner sieben Departemente sowie der Bundeskanzlei bestatigt Bern als Sitz der Bundesversammlung ist im Parlamentsgesetz vom 13 Dezember 2002 in Art 32 festgelegt Die Bundesversammlung kann mit einfachem Bundesbeschluss beschliessen ausnahmsweise an einem anderen Ort zu tagen Sessionen extra muros was sie in den Jahren 1993 2001 und 2006 getan hat Dezentralisierung Bearbeiten Im Rahmen der Regionalisierung seit den 1990er Jahren wurden die Bundesbehorden teilweise dezentralisiert und mehrere Bundesamter von Bern in andere Stadte und Regionen verlegt so namentlich das Bundesamt fur Statistik BFS nach Neuenburg das Bundesamt fur Kommunikation BAKOM nach Biel Bienne und das Bundesamt fur Wohnungswesen BWO nach Grenchen letzteres befindet sich seit Dezember 2021 wieder in Bern Auch die Justiz ist dezentralisiert Das oberste Gericht das Schweizerische Bundesgericht hat seinen Sitz in Lausanne Die sozialrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts sind seit langem in Luzern angesiedelt 1917 bis 2006 unter dem Namen Eidgenossisches Versicherungsgericht Der Sitz des Bundesverwaltungsgerichts befindet sich seit 2012 in St Gallen Vorher befand es sich seit der Aufnahme seiner Tatigkeit im Jahre 2007 provisorisch in Bern Das Bundesstrafgericht hat 2004 seine Tatigkeit in Bellinzona im Kanton Tessin aufgenommen Neuregelung zwischen Bund und Stadt Bern Bearbeiten Im Jahre 2002 wandten sich der Regierungsrat des Kantons Bern und der Gemeinderat der Stadt Bern an die Bundesbehorden mit dem Wunsch die bestehenden partnerschaftlichen Beziehungen zwischen dem Bund und der Stadt Bern rechtlich zu verankern In der Folge wurde eine tripartite Arbeitsgruppe Bundesstadtstatus eingesetzt welche die bundesstadtspezifischen Fragen klaren sollte Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss eine Neuregelung des Bundesstadtstatus sei notwendig und sollte in einem neuen Bundesstadtgesetz erfolgen Nach Prufung eines Vorentwurfs zum Bundesstadtgesetz verneinte der Bundesrat jedoch die Notwendigkeit einer Neuregelung der Beziehungen zwischen dem Bund und der Stadt Bern und befand im Oktober 2004 dass die bisherigen Regelungen vollauf genugen Die Ausarbeitung eines Bundesstadtgesetzes wird deswegen von den Bundesbehorden nicht mehr weiterverfolgt 17 Literatur BearbeitenGeorg Kreis Bundesstadt In Historisches Lexikon der Schweiz Peter Stadler Die Hauptstadtfrage in der Schweiz 1798 1848 In Schweizerische Zeitschrift fur Geschichte Band 21 Nr 4 1971 S 526 582 doi 10 5169 SEALS 80667 Walter Laedrach Bern die Bundesstadt 5 Auflage Haupt Bern 1969 Weblinks BearbeitenBundeskanzlei zum Bundesstadtstatus der Stadt Bern Memento Einzelnachweise Bearbeiten Chancellerie federale ChF Creation d une loi federale sur le statut de Berne en tant que ville federale admin ch abgerufen am 27 August 2018 Erwin Eugster Frauenfeld In Historisches Lexikon der Schweiz Stadler 1971 S 526 528 Andreas Steigmeier Baden AG Gemeinde In Historisches Lexikon der Schweiz Stadler 1971 S 526 528 Stadler 1971 S 529 Stadler 1971 S 530 552 Stadler 1971 S 552 553 Alfred Kolz Neue schweizerische Verfassungsgeschichte Band 2 Stampfli Bern 2004 ISBN 978 3 7272 9455 6 S 480 Hans Schneider Geschichte des Schweizerischen Bundesstaates 1848 1918 1 Halbband 1848 1874 Ernst Waldmann Verlag Zurich 1931 S 50 Gallus Jakob Baumgartner Die Schweiz in ihren Kampfen und Umgestaltungen von 1830 bis 1850 Hrsg Schulthess Zurich 1866 S 358 Verhandlungen der Bundesversammlung des National und Standerathes In Schweizerisches Bundesblatt Nr 5 14 Marz 1849 S 138 f abgerufen am 15 Dezember 2011 Schneider 1931 S 50 Stadler 1971 S 576 578 Schneider 1931 S 50 Schneider 1931 S 51 Handbuch fur die Schweizerische Bundesversammlung PDF Bundeskanzlei 1929 S 307 311 abgerufen am 13 Januar 2022 Ubereinkunft zwischen dem Schweizerischen Bundesrate und dem Einwohnergemeinderate der Stadt Bern betreffend die Leistungen der Stadt Bern an den Bundessitz Abgeschlossen am 22 Juni 1875 PDF 30 kB Schweizerische Eidgenossenschaft abgerufen am 15 Dezember 2011 Bundeskanzlei BK Bundesstadtstatus Stadt Bern PDF Abgerufen am 13 Juni 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hauptstadtfrage der Schweiz amp oldid 234993930