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Die Hauptstadtfrage der Bundesrepublik Deutschland war die 1948 49 notig gewordene Suche nach einem Regierungssitz des westdeutschen Teilstaats Der Begriff Hauptstadt wurde bewusst vermieden und der vorlaufige Charakter durch den Begriff Regierungssitz unterstrichen dennoch wurde das Problem meist als Hauptstadtfrage bezeichnet Bei der Hauptstadt sollte es sich um ein Provisorium handeln was in der Praambel des Grundgesetzes fur die Bundesrepublik Deutschland deutlich zum Ausdruck kam Der deutsche Staatsrechtler und Politiker Adolf Susterhenn CDU betonte spater dass von allen Parteien mit Recht der fragmentarische der provisorische Charakter dieses von uns zu schaffenden Gebildes mit unerhorter Scharfe und Deutlichkeit herausgestellt und betont worden sei Den offiziellen Titel Bundeshauptstadt trug Bonn erstmals im Bonn Vertrag von 1970 welcher die Forderung Bonns aus dem Bundeshaushalt regelte 1 Inhaltsverzeichnis 1 Frankfurt oder Bonn 1 1 Neue Kandidaten 1 2 Diskussion im Parlamentarischen Rat 1 3 Benutztes Gerucht 1 4 Geheime Abstimmung 1 5 Bonns Triumph 2 Bestechung 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseFrankfurt oder Bonn BearbeitenDie alte Reichshauptstadt Berlin kam wegen des Viermachtestatus rechtlich nicht in Frage und war ausserdem wegen der Insellage West Berlins innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik unzweckmassig Deshalb musste eine andere Stadt gefunden werden Zunachst bewarben sich zwei westdeutsche Stadte Bonn und Frankfurt am Main Bonn wurde stark durch die britische Militarregierung unterstutzt wahrend Frankfurt am Main aufgrund der grossdeutschen Frankfurter Nationalversammlung geschatzt wurde ausserdem beherbergte sie den Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und wichtige Dienststellen der amerikanischen Militarregierung 2 Am 27 Oktober 1948 konnte Hermann Wandersleb dem Altestenrat die Vorzuge Bonns erlautern Am 5 November 1948 warben Vertreter der Hessischen Landesregierung und der Stadt Frankfurt fur ihre Alternative General Walter M Robertson sprach sich gegenuber Konrad Adenauer noch am 18 November 1948 fur Frankfurt als Sitz der Bundesorgane aus Einige Tage spater erlauterte Adenauer dem amerikanischen Berater Robert Murphy die Vorzuge Bonns als linksrheinische Stadt wurde es den fortbestehenden Planen der Vierten Franzosischen Republik entgegenwirken die Grenzen der Lander neu zu ziehen 2 Sie zielten auf eine besondere Regelung fur das linke Rheinufer das als Rheinstaat gegenuber dem Donaustaat Bayern und dem Elbestaat Norddeutschland Hamburg abgetrennt werden sollte 3 Siehe auch Deutschland 1945 bis 1949 Neue Kandidaten Bearbeiten Als auch Kassel und Stuttgart ihre Kandidaturen angemeldet hatten wurde am 27 Januar 1949 die Kommission zur Prufung der Angaben der Stadte Bonn Frankfurt a M Kassel und Stuttgart betr vorlaufiger Sitz des Bundes gebildet Ihre Mitglieder waren Konrad Adenauer CDU Johannes Brockmann Zentrum Paul de Chapeaurouge CDU Otto Heinrich Greve SPD Wilhelm Heile DP Karl Sigmund Mayr CSU Hermann Schafer FDP und Fritz Hoch SPD der Anfang Marz 1949 durch Friedrich Wolff SPD abgelost wurde 2 Nachdem die Kommission die vier Stadte vom 3 bis 9 Februar 1949 besichtigt hatte wurde es wieder still um die Hauptstadtfrage Erst als am 3 Marz 1949 im Altestenrat die Frage aufgeworfen wurde ob der Parlamentarische Rat uberhaupt entscheidungsbefugt sei drangte Franz Josef Strauss CSU auf eine Entscheidung denn sonst ware die Bundesrepublik wie eine Dame ohne Unterleib 4 In das Grundgesetz sollte die Entscheidung uber den Bundessitz wenigstens nicht aufgenommen werden weil bei einer spateren Verlegung eine Grundgesetzanderung notig wurde 5 Die Kommission schloss ihre Arbeit im Marz 1949 mit einem neutralen Bericht ab und wies die Entscheidung ohne Votum an den Parlamentarischen Rat zuruck 2 Aufgrund der zu starken Kriegszerstorungen und seiner exponierten Lage unweit der Innerdeutschen Grenze schied Kassel als moglicher Regierungssitz aus Stuttgart scheiterte in erster Linie an seinen finanziellen Problemen Die Stadt hatte 1948 allein fur Mietzahlungen eine Million Deutsche Mark aufzubringen Diskussion im Parlamentarischen Rat Bearbeiten nbsp Bau des Plenarsaals in FrankfurtFrankfurt am Main war Favorit der SPD Bonn wurde von dem Kolner Adenauer und den meisten Abgeordneten der CDU CSU Bundestagsfraktion favorisiert Bereits am 5 Juli 1948 initiierte Walter Menzel die vorbereitenden Sitzungen des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee im Bonner Museum Koenig und in der Padagogischen Akademie Fur den Verfassungskonvent kamen Frankfurt Karlsruhe und Celle als weitere Kandidaten in Betracht Noch kurz vor der Abstimmung im Parlamentarischen Rat am 10 Mai 1949 sah es nicht gut aus fur Bonn Die SPD hielt an Frankfurt fest die hessischen CDU Abgeordneten waren ebenfalls fur ihre heimische Metropole Bei einer geheimen Probeabstimmung der 27 kopfigen Unionsfraktion erhielt Bonn nur 21 von 27 Stimmen Der Frankfurter Oberburgermeister Walter Kolb liess bereits eine Dankesrede bei Radio Frankfurt aufnehmen Benutztes Gerucht Bearbeiten Wenige Stunden vor der Abstimmung prasentierte Konrad Adenauer jedoch den CDU Abgeordneten eine durch den Deutschen Pressedienst verbreitete vertrauliche Meldung Sie besagte dass bei einer Vorstandssitzung der SPD in Koln am Vormittag der SPD Vorsitzende Kurt Schumacher sich daruber erfreut gezeigt habe dass es eine sichere Niederlage der Konservativen beim Hauptstadtvotum geben werde 6 Dieses Gerucht reichte fur einen Stimmungsumschwung bei den hessischen CDU Abgeordneten Adenauer hatte seinen Abgeordneten allerdings verschwiegen dass die von ihm verlesene angebliche Agenturmeldung nie veroffentlicht worden war Der CDU nahe Journalist Franz Hange hatte die Nachricht gemeinsam mit dem Kollegen Heinrich Box in den Fernschreiber getippt sie jedoch nicht an die dpd Zentrale geschickt Wohl aber gelangte sie an Adenauer der sie fur seine Zwecke benutzte und damit die von ihm gewunschte Mehrheit fur Bonn erzielte 7 Geheime Abstimmung Bearbeiten Zwei Tage nach Verabschiedung des Grundgesetzes am 10 Mai 1949 stellte MdB Greve im Namen der SPD Fraktion an das Plenum einen Antrag auf Anderung der Geschaftsordnung Er wollte einen Paragraphen eingefugt wissen der entgegen den Gepflogenheiten des Parlamentarischen Rates eine geheime Abstimmung ermoglichen sollte wenn sie von zehn Abgeordneten beantragt wurde Dem widersprach allein Max Reimann KPD Die Parlamentarier hatten vor der Offentlichkeit die Verantwortung fur ihre Arbeit am Grundgesetz ubernommen und wollten sich nun in die Anonymitat zuruckziehen jeder Abgeordnete solle frei vor der Offentlichkeit zeigen wie er steht Bei Ablehnung durch die Kommunistische Partei Deutschlands wurde Greves Antrag angenommen 8 Die abschliessende Plenumsdiskussion ist dokumentiert 9 Bonns Triumph Bearbeiten Mit 33 von 62 gultigen Stimmen in geheimer Abstimmung fiel die Entscheidung fur Bonn als vorlaufigen Sitz der Bundesorgane Sie war in der Offentlichkeit mit grosster Spannung erwartet worden und fand beim uberwiegend Bonner Publikum auf der Tribune tosenden Beifall was nach parlamentarischen Gepflogenheiten verpont war 2 Auf Frankfurt entfielen 29 Stimmen 2 Der siegessichere Frankfurter Oberburgermeister Kolb hatte bereits ein Regierungsviertel an der Bertramstrasse ausweisen und um Fakten zu schaffen sogar einen Plenarsaal fur das Parlament bauen lassen Das Gebaude Funkhaus am Dornbusch beherbergt heute den Hessischen Rundfunk Offizielle Hauptgrunde der Entscheidung gegen Frankfurt war zum einen der Buro und Wohnraummangel durch die Luftangriffe auf Frankfurt am Main Zum anderen war es fraglich ob man die Amerikaner dazu bewegen konnte ihr militarisches Hauptquartier im I G Farben Haus zu verlegen denn der neue Regierungssitz sollte besatzungsfrei sein 10 Auf Grund eines Antrags der SPD Fraktion vom 3 September 1949 erorterte der 1 Deutsche Bundestag am 3 November 1949 erneut die Hauptstadtfrage Frankfurt unterlag wiederum mit 176 gegen 200 Stimmen bei drei Enthaltungen Fur Bonn ausschlaggebend waren auch die unzerstorten und reprasentativen Bauten und die von den Alliierten sofort veranlasste Raumung der belgischen Garnison in Duisdorf 11 In derselben Sitzung wurde auch der Status Berlins als deutsche Hauptstadt mit uberwaltigender Mehrheit bekraftigt Die leitenden Bundesorgane verlegen ihren Sitz in die Hauptstadt Deutschlands Berlin sobald allgemeine freie gleiche geheime und direkte Wahlen in ganz Berlin und in der Sowjetischen Besatzungszone durchgefuhrt sind 12 13 Gleichzeitig wurde von den alliierten Militargouverneuren das Statut zur Einsetzung der Hohen Kommissare erlassen nach welchem die besatzungsfreie Enklave Bonn sog Bundeszone Bonn geschaffen und dafur auch aus der britischen Zone herausgenommen wurde Diese den Hohen Kommissaren direkt unterstellte Sonderzone reichte weitraumig um das Stadtgebiet herum und war dem US amerikanischen District of Columbia nachempfunden der ebenfalls keinem Bundesstaat angehort und selbst auch kein solcher ist 14 Bestechung BearbeitenDie in diesem Zusammenhang laut gewordenen Korruptionsvorwurfe zwei Millionen D Mark sollen an Abgeordnete fur eine Stimmabgabe zugunsten Bonns geflossen sein veroffentlichte das Magazin Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 27 September 1950 15 Er zitierte dabei aus einer Befragung des Abgeordneten Hermann Aumer im Spiegel Untersuchungsausschuss der sich von 1950 bis 1951 mit den Korruptionsvorwurfen im Zusammenhang mit der Hauptstadtfrage Bonn Frankfurt befasste Es ist an Abgeordnete aller Fraktionen ein Betrag von insgesamt etwa zwei Millionen DM bezahlt worden Etwa hundert Abgeordnete seien bestochen worden mit Betragen zwischen 20 000 10 000 und 1 000 DM erklarte Aumer 20 000 DM fur diejenigen die mitzureden haben 10 000 DM fur diejenigen die ein Gewicht haben und 1 000 DM fur diejenigen die nur ihre Stimme hergegeben haben Der Ausschuss stellte fest dass Geld fur das Abstimmungsverhalten einzelner Parlamentarier gezahlt wurde Wie das die Abstimmung tatsachlich beeinflusste ist nicht bekannt Siehe auch BearbeitenHistorischer Wortlaut der Praambel des Grundgesetzes Bundeshauptstadt Hauptstadtbeschluss 1991 Literatur BearbeitenNikolas Dorr Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands im Parlamentarischen Rat 1948 1949 WVB Berlin 2007 ISBN 978 3 86573 265 1 S 78 81 Andreas Salz Bonn Berlin Die Debatte um Parlaments und Regierungssitz im Deutschen Bundestag und die Folgen Monsenstein und Vannerdat Munster 2006 ISBN 3 86582 342 4 Zugleich Bonn Univ Magisterarbeit Gunter Puttner Verwaltungslehre Ein Studienbuch 4 Auflage Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 56674 5 8 IV 2 Weblinks BearbeitenWeg der Demokratie Zeithistorische Orte im ehemaligen Regierungsviertel in Bonn Als Frankfurt Hauptstadt werden wollte hr online de Einzelnachweise Bearbeiten Horst Ulrich Red Hauptstadt in Berlin Handbuch Das Lexikon der Bundeshauptstadt FAB Verlag Berlin 1992 ISBN 978 3 927551 27 5 S 535 541 hier S 539 f zum Bonn Vertrag bzw zur Bonn Vereinbarung von 1970 siehe Jens Kruger Die Finanzierung der Bundeshauptstadt Bonn De Gruyter ISBN 978 3 11 915926 5 S 135 153 a b c d e f Michael F Feldkamp Der Parlamentarische Rat 1948 1949 die Entstehung des Grundgesetzes Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1998 ISBN 3 525 01366 3 Uberarbeitete Neuausgabe mit einem Geleitwort von Bundestagsprasident Norbert Lammert Gottingen 2008 ISBN 978 3 525 36755 1 Der Parlamentarische Rat Bd 8 S 52 Anm 7 Der Parlamentarische Rat Bd 10 S 94 Adenauer 30 Marz 1949 in Rainer Salzmann Bearb Die CDU CSU im Parlamentarischen Rat Sitzungsprotokolle der Unionsfraktion Stuttgart 1981 S 446 Nino Galetti Residenz am Rhein Die Wahl von Bonn zur Bundeshauptstadt PDF In Die Politische Meinung 473 2009 S 25 29 abgerufen am 4 Juni 2023 Sehr wahrscheinlich nutzte es den Bonn Befurwortern auch dass die SPD Fraktion geheime Abstimmung beantragt hatte Das ermoglichte einigen Abgeordneten denen es schwergefallen ware von der Vorgabe ihrer Fraktion abzuweichen wirklich frei und ohne Rucksicht auf regionale Zugehorigkeiten zu entscheiden Thomas Thiel Kampf der Mochtegern Metropolen Spiegel Artikel vom 9 Februar 2009 einestages Der Parlamentarische Rat Bd 9 S 631 ff Deutscher Bundestag Bundesarchiv Hg Der Parlamentarische Rat 1948 1949 Akten und Protokolle Band 9 Plenum Boldt Munchen 1996 S 677 683 Edith Ennen Dietrich Horoldt Kleine Geschichte der Stadt Bonn Stollfuss Verlag Bonn 1967 S 278 ff Rudolf Portner Kinderjahre der Bundesrepublik von der Trummerzeit zum Wirtschaftswunder ECON Verlag Dusseldorf 1989 ISBN 3 430 17515 1 S 16 82 Plenarprotokoll 01 14 des deutschen Bundestages vom 3 November 1949 Drucksache 01 135 und 01 143 des Deutschen Bundestages Paul Zurnieden Drei Stadte und zwei Dutzend Dorfer Die Entstehung der Bundeszone in Rudolf Portner Kinderjahre der Bundesrepublik Econ Verlag Dusseldorf 1989 ISBN 3 430 17515 1 S 50 53 Bundeshauptstadt Klug sein und mundhalten Der Spiegel Nr 39 1950 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hauptstadtfrage der Bundesrepublik Deutschland amp oldid 235006336