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Dieser Artikel behandelt den Gefangnispfarrer Harald Poelchau zum Hamburger Rechtsanwalt siehe Harald Poelchau Jurist Harald Poelchau 5 Oktober 1903 in Potsdam 29 April 1972 in West Berlin war ein deutscher Gefangnispfarrer religioser Sozialist und Widerstandskampfer gegen den Nationalsozialismus 1 Dorothee und Harald PoelchauBerliner Gedenktafel am Haus Afrikanische Strasse 140b in Berlin WeddingGedenktafel an der Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin Tegel Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ehrungen 3 Werke 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHarald Poelchau wuchs als Sohn von Harald 1866 1938 und Elisabeth Poelchau geb Riem 1871 1945 im schlesischen Brauchitschdorf heute Ortsteil Chrostnik von Luben auf In dem kleinen Ort war sein Vater evangelischer Pfarrer Durch den Besuch des Gymnasiums Liegnitz wo er an Schulerbibelkreisen teilnahm und sich in der freideutschen bundischen Jugend engagierte wandte er sich von einer dorflich konservativen Frommigkeit ab Nach dem Abitur 1921 studierte er ab 1922 evangelische Theologie in Bethel Tubingen und Marburg In Tubingen war er Sekretar des Kongener Bundes Der 1924 in Marburg lehrende Paul Tillich pragte ihn nachhaltig in Richtung Religioser Sozialismus und wurde ein lebenslanger Freund Als Werkstudent bei Bosch in Stuttgart erhielt er Einblick in die industrielle Arbeitswelt Nach dem ersten theologischen Examen 1927 in Breslau studierte er Wohlfahrtspflege und staatliche Fursorgepolitik an der Deutschen Hochschule fur Politik in Berlin 1 2 3 4 In Tubingen lernte Harald Poelchau die Bibliothekarin Dorothee Ziegele 1902 1977 kennen Das Paar heiratete 1928 lebte in Berlin und pflegte einen grossen Bekanntenkreis der sich auch nach der Machtubergabe an die Nationalsozialisten bewahren sollte Poelchau war als Geschaftsfuhrer der Deutschen Vereinigung fur Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe in Berlin und Assistent von Paul Tillich in Frankfurt Main tatig 1931 absolvierte er in Berlin sein zweites Staatsexamen und promovierte bei Tillich in Frankfurt Main mit dem Thema Die sozialphilosophischen Anschauungen der deutschen Wohlfahrtsgesetzgebung Die Schrift erschien 1932 als Buch Das Menschenbild des Fursorgerechts Eine ethisch soziologische Untersuchung 1 2 3 5 6 Harald Poelchau bewarb sich Ende 1932 um eine Stelle als Gefangnisseelsorger und trat am 1 April 1933 seine Stelle als erster vom NS Regime eingesetzter Geistlicher in einer Strafanstalt an Der Justizbeamte arbeitete am Berliner Gefangnis Tegel sowie an verschiedenen anderen Gefangnissen wie Plotzensee und Moabit Von Beginn an gegen die Nazis eingestellt schloss er sich jedoch nicht der Bekennenden Kirche an 1938 kam sein ebenfalls auf den Namen Harald getaufter Sohn zur Welt und 1945 seine Tochter Andrea Siemsen Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 hauften sich die Todesstrafen gegen Oppositionelle Bis 1945 sollte Poelchau etwa eintausend Menschen zur Hinrichtung begleiten 1 2 3 5 7 Der Pfarrer schmuggelte heimlich Briefe und Nachrichten aus bzw ins Gefangnis Im Oktober 1941 begann die Deportation von Juden aus Deutschland Harald Poelchau wusste schon fruh dass nur eine Flucht in den Untergrund Rettung bringen wurde Die Fluchtlinge sollten ihn in seinem Tegeler Buro anrufen und nur reden wenn er sich mit dem Codewort Tegel meldete Das eigentliche Gesprach fand aber in seinem Dienstzimmer statt das nur durch etliche verriegelte Turen erreichbar war Unterstutzt von seiner Ehefrau Dorothee Poelchau vermittelte er Unterkunfte in seinem grossen Bekanntenkreis Dazu zahlten Gertie Siemsen eine langjahrige Freundin aus Studienzeiten Willi Kranz Kantinenpachter der Gefangnisse Tegel und Plotzensee und dessen Lebensgefahrtin Auguste Leissner Hermann Sietmann und Otto Horstmeier zwei ehemalige politische Haftlinge das Ehepaar Hans Reinhold Schneider und Hildegard Schneider Eltern der spateren Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan die im Fursorge bzw Schulbereich arbeiteten die Pfarrfrau Agnes Wendland und ihre Tochter Ruth die Gefangnisarztin Hilde Westrick sowie der Physiker Carl Friedrich Weiss und seine Frau Hildegard 2 5 7 Von den Unterstutzten sind nur einige namentlich bekannt Das Breslauer Ehepaar Manfred und Margarete Latte mit ihrem Sohn Konrad wandte sich im Marz 1943 an Harald Poelchau Fur alle drei fand er Unterkunfte Uber Konrad Latte kam der Kontakt zu Ruth Andreas Friedrich zustande Die Mitgrunderin der Widerstandsgruppe Onkel Emil und der Gefangnispfarrer arbeiteten nun zusammen Die Gestapo fasste die Familie Latte im Oktober 1943 Manfred und Margarete Latte wurden ins KZ Auschwitz deportiert Konrad Latte floh aus dem Sammellager Grosse Hamburger Strasse und verbarg sich erneut Die seit Mitte 1943 bei Agnes Wendland untergetauchten Geschwister Rita und Ralph Neumann betatigen sich als Fahrradkuriere fur Poelchau Den im Februar 1945 Verhafteten gelang die Flucht aus dem Deportationssammellager Grosse Hamburger Strasse zu Poelchau 2 7 Weitere Menschen denen Harald Poelchau half sind Leontine Cohn und ihre Tochter Rita Ilse Schwarz und ihre Tochter Evelyne Ursula Reuber Anna Drach Edith Bruck Charlotte Paech und Charlotte Bischoff Seit 1941 gehorte er zum Kreis um Helmuth James Graf von Moltke und nahm auch an der ersten Tagung der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis teil Nach dem Umsturzversuch vom 20 Juli 1944 betreute der Gefangnisseelsorger viele der am Attentat Beteiligten Die umfangreiche oppositionelle Arbeit von Harald Poelchau blieb bis Kriegsende unentdeckt 2 5 nbsp Grabstatte auf dem Friedhof ZehlendorfGemeinsam mit Eugen Gerstenmaier baute er 1945 in Stuttgart das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen auf und wurde dessen Generalsekretar Ab 1946 wieder in Berlin engagierte sich Poelchau in der Sowjetischen Besatzungszone im Gefangniswesen der Zentralen Justizverwaltung Dies war mit einem Lehrauftrag fur Kriminologie und Gefangniskunde an der Humboldt Universitat verbunden Neben Ottomar Geschke und Heinrich Gruber sass er im Zentralvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes fur die SBZ Als Poelchau seine Vorstellungen nicht durchsetzen konnte ging er in den Westen Von 1949 bis 1951 war er erneut Gefangnispfarrer in Berlin Tegel 1951 ernannte ihn Bischof Otto Dibelius zum ersten Sozial und Industriepfarrer der Evangelischen Kirche in Berlin Brandenburg Dieser Aufgabe widmete sich Harald Poelchau bis zu seinem Tod im Jahr 1972 1 8 Er wurde auf dem Friedhof Berlin Zehlendorf bestattet Ehrungen Bearbeiten nbsp S Bahnhof PoelchaustrasseAm 30 November 1971 wurden Harald und Dorothee Poelchau von der Gedenkstatte Yad Vashem als Gerechte unter den Volkern anerkannt 9 Die 1973 eroffnete Poelchau Oberschule Eliteschule des Sports im Ortsteil Berlin Charlottenburg Nord tragt seinen Namen 10 11 Mit Beschluss des Berliner Senats vom 6 Oktober 1987 wurde seine Begrabnisstatte auf dem Friedhof Zehlendorf in ein Ehrengrab des Landes Berlin umgewandelt 12 Am 17 November 1988 wurde am Haus Afrikanische Strasse 140b in Berlin Wedding in dem er 1933 bis 1945 wohnte eine Berliner Gedenktafel angebracht 3 Am 31 Januar 1992 erhielt in Berlin Marzahn die Karl Maron Strasse den Namen Poelchaustrasse ebenso der nach der Strasse benannte S Bahnhof 3 nbsp Poelchaustrasse Berlin Marzahn Der am 29 April 1992 von F Borngen an der Sternwarte Tautenburg entdeckte Asteroid 10348 Poelchau wurde nach ihm benannt 13 2007 Dr Rainer Hildebrandt Medaille postum 14 Am 18 September 2017 wurde an der Ecke Poelchaustrasse Markische Allee in Berlin Marzahn eine Erinnerungsstele fur Harald und Dorothee Poelchau ubergeben 15 16 Am 5 Oktober 2018 wurde in der Justizvollzugsanstalt Tegel ein Denkmal geschaffen von der Kunstlerin Katrin Hattenhauer und Inhaftierten der JVA Tegel fur den fruheren Gefangnisseelsorger und Widerstandskampfer Harald Poelchau eingeweiht 17 Werke BearbeitenDie letzten Stunden Erinnerungen eines Gefangnispfarrers Aufgezeichnet von Alexander Graf Stenbock Fermor 3 Auflage Verlag Volk und Welt Berlin 1987 ISBN 3 353 00096 8 Erstausgabe 1949 Mit Werner Maser Der Mann der tausend Tode starb Pabel Moewig Verlag Rastatt 1986 ISBN 3 8118 4361 3 Mit Werner Maser Pfarrer am Schafott der Nazis Der authentische Bericht des Mannes der uber 1000 Opfer des Hitler Regimes auf ihrem Gang zum Henker begleitete 1 Auflage Pabel Moewig Verlag Rastatt 1982 ISBN 3 8118 3155 0 Originalausgabe Die Ordnung der Bedrangten Autobiographisches und Zeitgeschichtliches seit den zwanziger Jahren Hentrich und Hentrich Berlin 1963 ISBN 3 933471 50 8 Neuauflage Das Menschenbild des Fursorgerechts Eine ethisch soziologische Untersuchung Protte Verlag Potsdam 1932 Buchausgabe seiner Dissertation von 1931 Siehe auch BearbeitenGefangniskirche TegelLiteratur BearbeitenStephan Bitter Kritische Seelsorge Harald Poelchau als Theologe des 20 Jahrhunderts in Ostseeprovinzen Baltische Staaten und das Nationale Festschrift fur Gert von Pistohlkors zum 70 Geburtstag hg von Norbert Angermann Michael Garleff und Wilhelm Lenz LIT Verlag Munster 2005 Schriften der Baltischen Historischen Kommission Band 14 S 513 534 Franz v Hammerstein Poelchau Harald In Neue Deutsche Biographie NDB Band 20 Duncker amp Humblot Berlin 2001 ISBN 3 428 00201 6 S 561 f Digitalisat Klaus Harpprecht Ein stiller Kampfer In Die Zeit Nr 41 2003 Klaus Harpprecht Harald Poelchau ein Leben im Widerstand Rowohlt Reinbek 2004 ISBN 3 498 02969 X Ludwig Mehlhorn Hrsg Ohr der Kirche Mund der Stummen Harald Poelchau eine Tagung zu seinem 100 Geburtstag Wichern Berlin 2004 ISBN 3 88981 166 3 Siegfried Mielke unter Mitarbeit von Marion Goers Stefan Heinz Matthias Oden Sebastian Bodecker Hrsg Einzigartig Dozenten Studierende und Reprasentanten der Deutschen Hochschule fur Politik 1920 1933 im Widerstand gegen den Nationalsozialismus Berlin 2008 ISBN 978 3 86732 032 0 S 302 309 Peter Noss Poelchau Harald In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 7 Bautz Herzberg 1994 ISBN 3 88309 048 4 Sp 769 775 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Henriette Schuppener Nichts war umsonst Harald Poelchau und der deutsche Widerstand LIT Berlin 2006 ISBN 3 8258 9315 4 Auszug bei Google Books hier Erinnerung Poelchaus an Arvid Harnack Freundeskreis der evangelischen Akademie Berlin West Hrsg Kommunitat 1988 Grenzganger Wegbegleiter Fursprecher 1988 Walter Thorun Poelchau Harald in Hugo Maier Hrsg Who is who der Sozialen Arbeit Freiburg Lambertus 1998 ISBN 3 7841 1036 3 S 473 475Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Harald Poelchau Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Harald Poelchau im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kurzbiografie der Gedenkstatte Deutscher Widerstand Kurzbiografie der Gedenkstatte Stille Helden Kurzbiografie bei Kreisau Initiative Harald Poelchau in der Datenbank Find a Grave englisch Vorlage Findagrave Wartung Gleiche Kenner im Quelltext und in Wikidata Vorlage Findagrave Wartung Wirkungslose Verwendung von Parameter 2Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Franz v Hammerstein Poelchau Harald In Neue Deutsche Biographie NDB Band 20 Duncker amp Humblot Berlin 2001 ISBN 3 428 00201 6 S 561 f Digitalisat a b c d e f Harald Poelchau geb 1903 gest 1972 In Gedenkstatte Stille Helden Gedenkstatte Deutscher Widerstand abgerufen am 19 Februar 2014 a b c d e Poelchaustrasse In Strassennamenlexikon des Luisenstadtischen Bildungsvereins beim Kaupert Wer war Harald Poelchau Memento vom 1 Juli 2009 im Internet Archive a b c d GDW Harald Poelchau GND 118595318 Deutsche Nationalbibliothek a b c Johannes Tuchel Redakteur Verlangen sie Tegel In Gedenkstatte Stille Helden Widerstand gegen die Judenverfolgung 1933 1945 2 Auflage Gedenkstatte Stille Helden in der Stiftung Gedenkstatte Deutscher Widerstand Berlin 2009 ISBN 978 3 926082 36 7 Hardcover S 17 18 Digitale Ausgabe in Gedenkstatte Stille Helden URL Verlangen sie Tegel Ulrich Schneider Was wollte und was tat die Grundungsgeneration der VVN In vvn bda de Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e V abgerufen am 24 Februar 2014 Poelchau Harald amp Dorothee Yad Vashem Die Behorde zum Gedenken an die Martyrer und Helden des Holocaust 30 November 1971 abgerufen am 8 April 2021 englisch Poelchau Oberschule Bezirksamt Charlottenburg Wilmersdorf von Berlin abgerufen am 24 Februar 2014 Sportschule im Olympiapark Poelchau Schule Ehrengrabstatten des Landes Berlin Stand August 2013 PDF 445 kB Poelchau Dr Harald Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung und Umwelt 1 August 2013 S 65 abgerufen am 24 Februar 2014 Discovery Circumstances Numbered Minor Planets 10001 15000 10348 Poelchau In minorplanetcenter net Internationale Astronomische Union 18 Februar 2014 abgerufen am 24 Februar 2014 englisch Verleihung des Internationalen Menschenrechtspreises Dr Rainer Hildebrandt Medaille Nicht mehr online verfugbar Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte archiviert vom Original am 14 Oktober 2016 abgerufen am 25 Januar 2019 Ubergabe der Poelchau Erinnerungsstele in Marzahn Pressemitteilung des Bezirksamts Marzahn Hellersdorf vom 28 August 2017 Stele erinnert an Eheleute Poelchau Neues Deutschland 19 September 2017 Denkmal fur Widerstandskampfer Harald Poelchau eingeweiht PressemitteilungNormdaten Person GND 118595318 lobid OGND AKS LCCN n82212450 VIAF 249122978 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Poelchau HaraldKURZBESCHREIBUNG deutscher Geistlicher deutscher WiderstandskampferGEBURTSDATUM 5 Oktober 1903GEBURTSORT PotsdamSTERBEDATUM 29 April 1972STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Harald Poelchau amp oldid 238552878