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Geoidbestimmung bezeichnet in der Geodasie Verfahren zur Definition des Geoids Potsdamer Kartoffel dreidimensionales Modell einer funfzehntausendfach uberhohten Darstellung des Geoids 2017 Deutsches GeoForschungsZentrum Das Geoid ist diejenige Niveauflache des Schwerefelds der Erde die mit dem mittleren Meeresspiegel der Weltmeere zusammenfallt und sich auf Meereshohe unter den Kontinenten fortsetzt Es stellt als idealisierte Form der Erdoberflache fur die Geowissenschaften die Erdfigur theoretisch dar und dient als Bezugsflache fur fast alle gebrauchlichen Hohensysteme Daher ist die genaue Bestimmung des Geoids auch praktisch von grundlegender Bedeutung fur die Landesvermessung und fur die Transformation verschiedener Hohensysteme Diese Aufgabe ist eng mit der Bestimmung von Details des Erdschwerefeldes verbunden Die Methoden zur Messung der benotigten physikalischen Parameter des Erdschwerefelds wie auch die mathematischen Modelle zur Auswertung der erfassten Daten werden laufend weiterentwickelt und sind Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte Die erreichbaren Genauigkeiten haben sich in den letzten funf Jahrzehnten nahezu verzehnfacht Das um 1990 postulierte Zentimeter Geoid wurde noch nicht erreicht in den Industriestaaten liegt die Genauigkeit bei 3 5 cm Stand 2017 Erdschwerefeld Lotlinie durch P senkrecht darauf das Geoid Potential V Vo und weitere Aquipotenzialflachen Vi Inhaltsverzeichnis 1 Globale und regionale Geoidbestimmung 2 Geoidbestimmung als interdisziplinare Aufgabe 3 Physikalisch geometrische und historische Aspekte 4 Methodengruppen zur Geoidbestimmung 4 1 Messungen der Schwerkraft 4 2 Messungen von Lotabweichungen 4 3 Messungen mittels Erdsatelliten 4 4 Kombination einiger obgenannter Verfahren bzw Daten 5 Literatur 6 WeblinksGlobale und regionale Geoidbestimmung BearbeitenJede konkrete Geoidbestimmung bezieht sich ublicherweise auf eine mathematisch klar definierte Referenzflache wofur entweder das mittlere Erdellipsoid oder das Referenzellipsoid der jeweiligen Landesvermessung dient Die Distanz zu dem gewahlten Ellipsoid gemessen langs der Ellipsoidnormalen bezeichnet man als Geoidhohe Die Referenzellipsoide von denen weltweit etwa 200 in Gebrauch sind wurden in den Industriestaaten vor etwa 100 Jahren festgelegt und schmiegen sich dem Geoid des jeweiligen Staatsgebietes moglichst gut an Von einem global gemittelten Erdellipsoid konnen sie je nach Lage ihrer Fundamentalpunkte um Betrage zwischen 10 und 100 Meter in der Hohe abweichen Das globale Erdellipsoid kann heute auf wenige Zentimeter genau berechnet werden wozu die Satellitengeodasie wesentlich beitragt Um 1960 waren dessen Halbachsen auf etwa 30 Meter bekannt was bei einem mittleren Erdradius von 6 370 km immerhin einer relativen Genauigkeit von funf Millionstel entspricht 0 0005 Prozent oder 5 mm km Lokale Vermessungen kommen auch heute meist mit dieser Prazision aus etwa 1 mm bei technischen Bauwerken doch bei regionalen und globalen Projekten steigen die Anforderungen inzwischen deutlich Sie konnen mit dem Global Positioning System GPS oder der Very Long Baseline Interferometry VLBI bereits im Bereich von 10 8 bis 10 9 liegen wenige Milliardstel was in den letzten Jahrzehnten nach hochprazisen Methoden der Geoidbestimmung verlangt Die Form des Geoids als einer besonderen Niveauflache des Schwerepotentials wird einerseits von der globalen Erdfigur und dem Aufbau des Erdinneren gepragt andrerseits von allen Unregelmassigkeiten der Erdkruste Dementsprechend unterscheidet man zwischen langwelligen Strukturen die am besten durch Auswertung von Satellitenbahnen zu bestimmen sind und den kurzwelligen Anteilen die von der Landschaft und Geologie der jeweiligen Region gepragt werden Letztere sind insbesondere im Gebirge nur durch lokale terrestrische Messungen bestimmbar Die langwelligen Geoidundulationen der verschiedenen Kontinente betragen etwa 20 bis 50 Meter die regional lokalen Effekte einige Meter Sie konnen sich jedoch z B im steilen Gelande eines Gebirgslandes um einige Dezimeter pro Kilometer andern Zur Berechnung solcher variabler Einflusse benotigt man neben einem guten Vermessungsnetz auch ein genaues Gelandemodell und ein digitales Modell der ortlichen Gesteinsdichte Geoidbestimmung als interdisziplinare Aufgabe BearbeitenZu den modernen Methoden der Geoidbestimmung mussen daher die verschiedensten Wissensgebiete beitragen Mathematische Geodasie und Netzausgleichung Gravimetrie und astronomisch geodatische Messtechnik Radartechnik und Telemetrie die Analyse von Satellitenbahnen siehe auch Satellitentechnik und Bahnstorungen genaue Grundlagen fur die erforderlichen Bezugsysteme sowie Daten aus der Geologie und Ozeanografie Wahrend das Geoid auf den Ozeanen durch den als ruhend gedachten mittleren Meeresspiegel reprasentiert wird muss man es sich unter den Kontinenten als dessen Fortsetzung etwa als Wasserstand in einem gedachten System von Kanalen vorstellen Es ist hier der Messung nur indirekt zuganglich sodass die genaue Geoidbestimmung schon seit langem zu den anspruchsvollsten Aufgaben der Hoheren Geodasie zahlt In den 1990er Jahren wurde fur diese Herausforderung der Begriff des Zentimeter Geoids gepragt Demgegenuber ist das ozeanische Geoid zwar weniger genau messbar aber einer direkten Bestimmung zuganglich z B durch Radar Hohenmessung von Satelliten uber dem Meeresspiegel Allein die Entwicklung dieser Satellitenaltimetrie und ihrer mathematischen Auswertung unter dem Einfluss von Gezeiten hat in den 1970er und 1980er Jahren weltweit an die tausend Wissenschaftler verschiedenster Gebiete beschaftigt Physikalisch geometrische und historische Aspekte BearbeitenDie Ermittlung des Geoids als der Flache gleichen Schwerepotentials in mittlerer Meereshohe und seiner Abweichungen vom international vereinbarten Bezugsellipsoid sowie dessen Verbesserung ist das Programm der klassischen Geodasie Obwohl das Geoid eine physikalisch definierte Bezugsflache ist die aus der variablen Gravitationskraft und der Erdrotation resultiert lasst es sich am genauesten geometrisch bestimmen namlich durch Messung der Lotrichtung auf welcher es uberall senkrecht steht Die klassische Geoidbestimmung deren Theorie Friedrich Robert Helmert bereits vor 120 Jahren entwickelt hat sucht jene Flache die von allen gemessenen Lotrichtungen senkrecht durchstossen wird siehe Potsdamer Schweresystem Da die Messung der sogenannten Lotabweichungen im Koordinatensystem der Sterne erfolgt wird diese alteste Methode der Geoidbestimmung auch astro geodatisch genannt und ein damit berechnetes regionales Geoid als Astrogeoid bezeichnet In den 1940er Jahren wurde die Geoidbestimmung durch physikalische Methoden erganzt insbesondere durch die Entwicklung genauer Gravimeter zur relativen Schweremessung und die Eotvos sche Drehwaage die auch zur unterirdischen Exploration von Erdolfeldern diente Gleichzeitig entwickelten nordeuropaische Geodaten die Theorie der Isostasie Schwimmgleichgewicht der Gebirge und Kontinente wodurch erstmals weltweite Berechnungen moglich wurden Durch Kombination der Bestimmungsverfahren von gravimetrischem Geoid und Astro Geoid konnte man zur Mitte des 20 Jahrhunderts das globale Geoid auf 5 10 Meter genau berechnen auf dem Festland regional je nach messtechnischem Aufwand auf 20 bis 100 Zentimeter Weil sich die Unregelmassigkeiten von Schwerefeld und Geoid auch in der Bewegung von Erdsatelliten widerspiegeln entstanden seit den 1960er Jahren eine Reihe von Methoden der Satellitengeodasie sowie zugehorige mathematische Verfahren zur sogenannten Feldfortsetzung nach unten vom Niveau der Satellitenbahn herab auf das Meeresniveau Sie erforderten auch die Etablierung neuer interdisziplinarer Forschungsfelder beispielsweise die Kollokation gemeinsame Behandlung geometrisch physikalischer Effekte oder die Physikalische Geodasie Zusammenfassung Da das Geoid eine Folge sowohl der physikalischen Massenverteilung im Erdinnern wie auch der Topografie des Gelandes ist und zugleich die geometrische Bezugsflache unserer Hohensysteme darstellt konnen sehr verschiedene Verfahren zur Geoidbestimmung herangezogen werden Sie entfallen methodisch auf die folgenden vier Gruppen Methodengruppen zur Geoidbestimmung Bearbeiten nbsp Lotabweichung Differenz zwischen wahrer Lotrichtung und einem theoretischen Erdellipsoid sie entspricht der Neigung zwischen Geoid und Ellipsoid und verzerrt terresterische VermessungsnetzeMessungen der Schwerkraft Bearbeiten siehe auch Gravimetrie terrestrische Messungen mit Gravimetern Schweremessungen im Flugzeug Messung von Schweregradienten Drehwaagen Messungen Messprinzip nach Eotvos u a Hohendifferenz Messungen mit hochprazisen GravimeternMessungen von Lotabweichungen Bearbeiten siehe auch Astrogeoid und astronomisches Nivellement Messung von astro geodatischen Lotabweichungen mit Astrolabien Danjon Ni2 Zirkumzenital mit Theodoliten oder Durchgangs Instrumenten mit einer Zenitkamera oder an festen Stationen mit einem PZT terrestrisch Tachymetrie oder trigonometrische Hohenmessung aus astronomischen Azimuten in Vermessungsnetzen nur bis etwa 1970 von Bedeutung nbsp Prinzip der SatellitenaltimetrieMessungen mittels Erdsatelliten Bearbeiten durch Analyse von Bahnstorungen siehe auch Bahnbestimmung mittels Schwerepotential und Kugelfunktionen mittels Potential der einfachen Schicht Methode H R Koch ca 1970 1990 durch Gradiometrie und SST Satellitengradiometrie siehe Forschungssatellit GOCE Satellite to Satellite Tracking Distanzanderungen zweier Satelliten siehe z B GRACE mit Satelliten Altimetrie Radarechos uber dem Meer kunftig auch uber grosseren Eisflachen Kombination einiger obgenannter Verfahren bzw Daten Bearbeiten astro gravimetrische Geoidbestimmung TU Munchen amp Wien z B Prof Hein W Daxinger Kollokation von geometrischen und physikalischen Schwerefelddaten Storpotential mittels Kugelfunktions Entwicklung plus terrestrische GravimetrieLiteratur BearbeitenKarl Ledersteger Astronomische und Physikalische Geodasie Erdmessung JEK Band V Kapitel 4 Lotabweichung und Geoidbestimmung 7 Kugelfunktionen und 12 13 Geoidundulationen Molodenskij Weltsystem J B Metzler Verlag Stuttgart 1968 Fernando Sanso Michael Sideris Hrsg Geoid Determination Theory and Methods Vorausinfo Springer Verlag November 2007 ISBN 0 387 46386 0 300 Seiten Jean Jacques Levallois Geodesie generale IAG Paris 1969 Gottfried Gerstbach Regionale Geoidbestimmung Geowiss Mitt Band 11 TU Wien 1975 Siegfried Heitz Geoidbestimmung durch Interpolation nach kleinsten Quadraten aufgrund gemessener und interpolierter Lotabweichungen DGK Reihe C Heft 124 Munchen Frankfurt 1968 39 Seiten Albrecht Preusser Ein dreidimensionales Berechnungsmodell fur geodatische Punkt und Geoidbestimmungen DGK Reihe C Heft 238 Munchen 1977 102 Seiten Volker Bialas Erdgestalt Kosmologie und Weltanschauung Die Geschichte der Geodasie als Teil der Kulturgeschichte der Menschheit Verlag Konrad Wittwer Stuttgart 1982 ISBN 9783879191352 Karl Eugen Kurrer Besprechung des Buches von Bialas in Das Argument Nr 154 1985 S 885 887 PDFWeblinks BearbeitenHigh precision Geoid determination using heterogeneous Data N Kuhtreiber TU Graz Memento vom 21 August 2010 im Internet Archive PDF Datei 1 56 MB Lokale Bestimmung des Geoids aus terrestr Gradiometermessungen TU Freiberg PDF Datei Geoid computations based on Torsion balance measurements TU Budapest PDF Datei 589 kB Torben Schuler Berechnung der topografischen Anteile von Lotabweichungen Archiviert vom Original am 30 September 2007 abgerufen am 15 Juli 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geoidbestimmung amp oldid 206108332