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Die freireligiose Bewegung bezeichnet eine uneinheitliche religiose Weltanschauung die auf konfessionsgebundene Lehren Dogmen und Bekenntnisse verzichtet Organisatorisch entstand sie aus reformorientierten Kreisen der katholischen und evangelischen Kirche im Zuge des Vormarz Sie fuhlten sich im Zuge der Aufklarung den Menschenrechten der gegenseitigen Toleranz und den Werten des Humanismus verbunden Ihre Positionen gelten als liberal freidenkerisch und sakular bisweilen auch als pantheistisch naturalistisch agnostizistisch und atheistisch vgl Religioser Atheismus Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Lehre 3 Bekannte Personen der freireligiosen Bewegung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie freireligiose Bewegung entstand Mitte des 19 Jahrhunderts in der Zeit des politischen Vormarz aus dem Deutschkatholizismus und den ursprunglich protestantischen Lichtfreunden Unmittelbarer Ausloser war 1844 ein offener Brief des katholischen Priesters Johannes Ronge an Wilhelm Arnoldi den Bischof von Trier gegen die Ausstellung des Rocks Christi einer Reliquie die er als Gotzenfest anprangerte Dieser offene Brief wurde vielfach nachgedruckt und gelesen In der Folge grundeten kritische Geistliche beider Kirchen neue freie Gemeinden wohl im Geiste der burgerlichen Emanzipationsbewegung in der Zeit der Marzrevolution Die freireligiose Bewegung wurde von der Philosophie der Aufklarung aber auch von der Mystik und christlichen liberalen Stromungen beeinflusst Im Wesentlichen speiste sich die freireligiose Bewegung aus drei Quellen reformorientierte Kreise der katholischen Kirche Deutschkatholiken reformorientierte rationalistische Kreise der protestantischen Kirche Lichtfreunde die demokratisch politische Bewegung der Revolution von 1848 49Aus diesem Spektrum entwickelten sich Positionen die eine grosse Bandbreite religioser weltanschaulicher und philosophischer Ansichten abdeckt Der Religionsbegriff reicht von urchristlichen uber pantheistische bis hin zu atheistischen Positionen Am 17 Juni 1859 schlossen sich 40 000 Glaubige von 53 somit den meisten freien Gemeinden zum Bund Freireligioser Gemeinden Deutschlands zusammen Dieser wurde spater in Bund freier religioser Gemeinden Deutschlands umbenannt Daneben entstanden weitere Zusammenschlusse freier Gemeinden so auch der bereits 1845 gegrundete Verband der deutschkatholischen und freireligiosen Gemeinden Suddeutschlands der mehr als andere auch fur traditionelle Christen offen blieb Neben einem Flugel der eher eine freie Religion propagierte entstanden in Berlin Breslau Chemnitz Leipzig Nurnberg Stettin auch freireligiose Gemeinden die starker freidenkerisch orientiert waren Die naturalistisch orientierte Breslauer Gemeinde des Predigers Gustav Tschirn war in besonderem Masse am Materialismus und der Religionskritik Ludwig Feuerbachs orientiert Aus dieser Richtung entstand spater die organisierte Freidenkerbewegung vor allem durch die Grundung des Deutschen Freidenker Verbandes am 10 April 1881 in Frankfurt am Main 1 2 nbsp Freireligiose Erbauungshalle in Ingelheim am Rhein errichtet 1910 fur die deutschkatholische GemeindeDem 1907 entstandenen Weimarer Kartell trat der Bund Freireligioser Gemeinden Deutschlands zwar nicht bei stand ihm aber nahe Gemeinsam mit dem Weimarer Kartell traten die Freireligiosen vor allem fur die Trennung von Schule und Kirche und generell fur die Verweltlichung des Staates ein Einzelne Freireligiose waren haufig auch Mitglied in anderen freigeistigen und freidenkerischen Verbanden wie dem 1906 gegrundeten Deutschen Monistenbund oder dem 1908 gegrundeten marxistischen Zentralverband proletarischer Freidenker als Ausgangspunkt der proletarischen Freidenkerbewegung 1922 schlossen sich der Bund Freireligioser Gemeinden Deutschlands und der burgerliche Freidenker Verband im Volksbund fur Geistesfreiheit zusammen Dem Volksbund fern blieb der Verband Freireligioser Gemeinden Sud und Westdeutschlands der sich nicht mit den Freidenkern zusammenschliessen wollte und das Religiose starker betonte Der Volksbund hatte 1927 156 Ortsgemeinden und beteiligte sich an der Reichsarbeitsgemeinschaft freigeistiger Verbande der deutschen Republik die in ihrer Funktion dem Weimarer Kartell vor dem Ersten Weltkrieg entsprach In der Zeit des Nationalsozialismus wurden viele freireligiose Gemeinden ab 1933 verboten oder losten sich auf Zudem wurde vielfach freireligioser Religionsunterricht zugunsten des kirchlichen Religionsunterrichts und die Durchfuhrung von Jugendweihen verboten Einige Mitglieder wurden verhaftet Der Volksbund fur Geistesfreiheit der Mitgliedsgemeinden mit damals 60 000 bis 90 000 Mitglieder hatte versuchte durch Umbenennung einem Verbot zu entgehen Zuerst erfolgte die Umbenennung in Deutscher Freireligioser Bund am 4 Juni 1933 letztlich in Bund Freireligioser Gemeinden Deutschlands 3 4 Dieser schloss sich 1934 als forderndes Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung ADG an aus der die Deutsche Glaubensbewegung hervorgegangen ist Der Bund freireligioser Gemeinden wurde am 20 November 1934 durch Hermann Goring verboten veroffentlicht wurde dies am 27 November 1934 im Volkischen Beobachter Ein weiteres auf korrekt amtlichem Wege ergangenes Verbot folgte am 20 Mai 1935 was letztlich zur Auflosung fuhrte 4 Die Freie Religionsgemeinschaft Deutschlands der vor allem sudwestdeutsche freireligiose Gemeinden angehorten blieb bestehen musste sich aber an das NS Regime anpassen Im Unterschied zum Volksbund fur Geistesfreiheit war sie von Anfang an religioser ausgerichtet Freireligiose bezeichnen sich oft als Humanisten und einige Gemeinden mithin als Freie Humanisten Eine Reihe von fruheren freireligiosen Gemeinden sind heute im Humanistischen Verband Deutschlands zusammengeschlossen Lehre Bearbeiten nbsp Das Motto der Freireligiosen im Garten der Religionen in KarlsruheDie Betonung von Werten wie Freiheit Vernunft und Duldsamkeit bilden die Grundsatze der Freireligiosen Unter dem Motto Frei sei der Geist und ohne Zwang der Glaube verwerfen Freireligiose jede Art von dogmatischer Bindung und Hierarchie Dementsprechend gelten die von dem Kirchenhistoriker E M Wilbur entwickelten Grundsatze vollige geistige Freiheit in der Religion statt Bindung an Dogmen und Bekenntnisse uneingeschrankter Gebrauch der Vernunft in der Religion statt Berufung auf aussere Autoritat und Uberlieferung grosszugige Duldsamkeit verschiedener Religionsansichten und Gebrauche statt Beharren auf Einheitlichkeit in Lehre Brauchtum und Verwaltung Losten sich Freireligiose von kirchlichen Dogmen und Bekenntnissen so trennten sich die meisten aber nicht von der Religion In ihrem Religionsverstandnis folgen sie Friedrich Schleiermacher wenn Religion definiert wird als etwas was den Menschen im Innersten bewegt was ihn zutiefst angeht was ihm wesentlich ist 5 Freie Religion wird demnach begriffen als eine innerliche Angelegenheit des Menschen die so der Religionsphilosoph Arthur Drews nicht an eine bestimmte Lehre oder Offenbarung an heilige Bucher oder Religionsstifter gebunden ist sondern sich im Einzelnen selbst ereignet als das Innerlichste was sich denken lasst Als Religion ohne Kirche und ohne bestimmte Gottesvorstellung sehen Freireligiose die Welt als Einheit ohne sie in Diesseits und Jenseits zu spalten Monismus Sie bestreiten den Geltungsanspruch heiliger Bucher wie auch der vielen sich als einzigartig verstehenden Religionen Vielmehr werden die Urkunden der Weltreligionen als Zeugnisse des religiosen Bedurfnisses des Menschen geschatzt Es gibt Freireligiose die sich als frei in der Religion verstehen also ohne dogmatische Bindungen und solche die sich als frei von Religion verstehen und sich zu humanistischen und freigeistigen Uberzeugungen bekennen 4 Bekannte Personen der freireligiosen Bewegung BearbeitenLudwig Ankenbrand Eduard Baltzer Karl Theodor Bayrhoffer Walter A Berendsohn Robert Blum Wilhelm Bolsche Lily Braun Lorenz Diefenbach Louise Dittmar Arthur Drews Eduard Duller Julius Frobel Georg Gottfried Gervinus Ernst Haeckel Friedrich Hecker Hermann Heimerich Wilhelm Hieronymi Kathe Kollwitz Waldeck Manasse Ludwig Marum Max Maurenbrecher Theodor Meentzen Malwida von Meysenbug Martin Mohr Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck Louise Otto Peters Bertha Ronge Johannes Ronge Emil Adolf Rossmassler Carl Scholl Carl Schurz Amalie Struve Gustav von Struve Leberecht Uhlich Bruno WilleLiteratur BearbeitenGeorg Gottfried Gervinus Die Mission der Deutsch Katholiken Heidelberg 1845 2 Auflage Mannheim 1982 Ferdinand Kampe Geschichte der religiosen Bewegung der neueren Zeit 4 Bande Leipzig 1852 1860 Standardwerk downloadbar Franz Bohl Die freireligiose Bewegung in Bayern Werden und Wirken Hrsg von der Freireligiosen Bewegung in Bayern o Ort o Jahr 83 Seiten Elke Gensler Freie Religion fur Einsteiger Hrsg von der Freireligiosen Gemeinde Mainz 2000 Lothar Geis Quellensammlung freireligioser Thesen Hrsg von der Freireligiosen Gemeinde Mainz 1989 Lothar Geis Freireligioses Quellenbuch Bd 1 1844 1926 und Bd 2 1926 2000 Eine Sammlung grundlegender Texte uber Inhalt und Ziele Freier Religion Selbstverlag Freireligiose Gemeinde Mainz 2006 Bd 1 und 2010 Bd 2 Eckhart Pilick Hrsg Lexikon freireligioser Personen Peter Guhl Rohrbach Pfalz 1997 ISBN 3 930760 11 8 Uwe Sporl Gottlose Mystik in der deutschen Literatur um die Jahrhundertwende Dissertation Erlangen 1995 Schoningh Paderborn 1997 ISBN 3 506 78610 5 Friedrich Heyer und Volker Pitzer Religion ohne Kirche Die Bewegung der Freireligiosen Quell Verlag Stuttgart 1977 ISBN 3 7918 6003 8 Karl Becker Freigeistige Bibliographie Ein Verzeichnis freigeistiger humanistischer und religionskritischer Literatur Verlag der Freireligiosen Landesgemeinde Wurttemberg Korperschaft des offentlichen Rechts Stuttgart 1974 Thomas Lasi und Helmut Manteuffel Freie Religion eine Alternative Freireligiose Verlagsbuchhandlung Mannheim Friedrich Wilhelm Graf Die Politisierung des religiosen Bewusstseins Die burgerlichen Religionsparteien im deutschen Vormarz Das Beispiel des Deutschkatholizismus Stuttgart 1978 Karl Weiss 125 Jahre Kampf um freie Religion Dargestellt an der geschichtlichen Entwicklung der Freireligiosen Landesgemeinde Baden Mannheim 1970 Die Freireligiose Bewegung 1859 1959 Wesen und Auftrag Mainz o J 1959 Horst Groschopp Dissidenten Freidenkerei und Kultur in Deutschland Dietz Berlin 1997 ISBN 3 320 01936 8 2 verb Aufl Marburg 2011 ISBN 978 3 8288 2771 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Freireligiose Bewegung Sammlung von Bildern nbsp Wiktionary freireligios Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen freireligios de Aufsatz Die freigeistigen Bewegungen und der Nationalsozialismus des Bundes fur Geistesfreiheit Bayern Memento vom 1 Mai 2003 im Internet Archive Quellenbuch 1844 1926 tabularium f bplaced net Freireligiose SchriftenEinzelnachweise Bearbeiten Manfred Botzenhart Reform Restauration Krise S 133 f Horst Groschopp Dissidenten S 93 ff Ulrich Nanko Die Deutsche Glaubensbewegung Marburg 1993 S 121 ff a b c Archiv Freireligiose Landesgemeinde Pfalz Carl Peter Der Bund Freireligioser Gemeinden Deutschlands 1956 unveroff Manuskript siehe Grundgedanken der Freireligiosen Gemeinde Mainz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Freireligiose Bewegung amp oldid 237203156