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Der Gott und die Bajadere Indische Legende ist der Titel einer Ballade von Johann Wolfgang von Goethe die er zwischen dem 6 und 9 Juni 1797 in Jena schrieb Er veroffentlichte sie in Friedrich Schillers Musen Almanach fur das Jahr 1798 der auch als Balladen Almanach bezeichnet wurde und eigene Werke des Herausgebers umfasste Goethe in der Campagna Detail aus dem Gemalde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein 1787Neben Gedichten wie Der Zauberlehrling oder Die Braut von Korinth zahlt sie zu den bedeutenden klassischen Werken dieser Gattung die Goethe im Balladenjahr in kurzem zeitlichen Abstand schrieb Mit ihrer ausgemalten Sinnlichkeit und den religiosen Bezugen ist sie vielfaltig und kontrovers rezipiert worden Auffallend ist das Motiv der gefallenen Frau die in Goethes poetischer Gestaltung mit ihrer Menschlichkeit und Sehnsucht nach dem Wahren und Echten die Liebe entdeckt und auch ohne Reue und Busse erlost wird 1 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt und Form 2 Hintergrund und Entstehung 2 1 Goethes Balladen 2 2 Indische Legende 3 Bedeutung und Rezeption 4 Literatur 5 Musik 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseInhalt und Form BearbeitenDer Gott Mahadoh ein Beiname Shivas will die Menschen erneut prufen und besucht als Wanderer eine Stadt Als er sie eben verlassen will trifft er auf eine schone Bajadere die ihn in ihr Haus lockt fur ihn tanzt und ihm eine Liebesnacht verspricht Wahrend sie seine geheuchelten Leiden lindert erkennt er mit Freuden Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz 2 Sie gibt sich ihm hin weint und fuhlt erstmals wirkliche Liebe Am nachsten Morgen stellt Mahadoh sich tot In ihrer Verzweiflung ist die Tanzerin bereit sich trotz der Erklarungen der Priester mit ihm verbrennen zu lassen Sie springt ins Feuer der Gott hebt sich aus den Flammen und schwebt mit ihr in den Himmel empor Fur seine indische Legende wahlte Goethe eine ungewohnlich kontrastreiche metrische Struktur Der erste Teil der insgesamt neun Strophen besteht aus jeweils acht vierhebigen und kreuzweise gereimten Trochaen mit abwechselnd weiblichen und mannlichen Endungen der zweite hingegen aus rhythmisch bewegteren vierhebigen Daktylen Bis auf die vierte Strophe beginnen die langeren Verse mit einem Auftakt die ersten zwei sind paargereimt und enden weiblich der dritte reimt sich mit dem letzten Vers der Trochaen und endet mannlich Der auf diese Weise erzeugte Gegensatz zwischen dem getragenen ersten und dem gleichsam tanzenden zweiten Teil erzeugt eine Spannung die uber das ganze Gedicht spurbar ist und den Inhalt widerspiegelt 3 Hintergrund und Entstehung BearbeitenGoethes Balladen Bearbeiten Eine bestimmte Thematik lasst sich in Goethes Balladen ebenso wenig ausmachen wie eine einheitliche Stilebene Die uber einen langen Zeitraum entstandenen Werke richteten sich an breitere Leserkreise so dass die Sprache trotz aller Gewahltheit volksmassig blieb Bei weitgehend flussiger Erzahlweise spielte er haufig virtuos mit der Versgestalt und setzte klangmalerische Mittel ein Die Stimmung seiner Balladen reicht von der dusteren ja grausigen bis zur humorvollen Sphare In seinem Alterswerk Paria dessen Stoff ihn lange beschaftigte fuhrte Goethe die Ballade noch einmal uber die Grenzen der Gattung hinaus 4 Angeregt von Johann Gottfried Herder sammelte er bereits 1771 mundlich uberlieferte Volksballaden aus dem Elsass und wurde anfangs zu sangbaren volkstumlich einfachen Werken angeregt Er umschrieb uberschaubare lyrische Situationen in denen es haufig um Liebe jenseits der Standeszuordnung ging das mit ihr verbundene Leid indes nicht verschwiegen und haufig in sagenhafter Einbettung geschildert wurde Zu ihnen zahlen so unterschiedliche Werke wie Heideroslein Das Veilchen Der untreue Knabe und Der Konig in Thule wahrend sich in seiner fruhen Weimarer Zeit zunehmend Motive des Unheimlichen Gespenstischen und Magischen in den Vordergrund schoben verfuhrerischer ja todlicher Zauber von Natur und Elementargeistern denen der Mensch ausgeliefert ist wie in den beruhmten Balladen Der Fischer und Erlkonig geschildert Nach einer langen Unterbrechung von etwa 14 Jahren kam es im Mai und Juni 1797 zu Gesprachen und Briefwechseln mit seinem Freund Friedrich Schiller in denen sie Gattungs und Wesensfragen der Balladen erorterten ein Austausch der im sog Balladenjahr 1797 in eine Kaskade bedeutender Werke der beiden mundete die im Musen Almanach prasentiert wurden Ging es Schiller vornehmlich um philosophische Fragen der freien sittlichen Entscheidung bei welcher der Mensch von sich aus tatig wird konzentrierte Goethe sich in seinen oft sehr handlungsstarken Werken auf geheimnisvolle Beziehungen oder Einflusse hoherer Krafte auf den Menschen 5 Indische Legende Bearbeiten nbsp Pierre SonneratWie in der kurz zuvor vollendeten Ballade Die Braut von Korinth entstammt das Thema nicht seiner Phantasie sondern hat legendare Wurzeln Die wichtigste Quelle war vermutlich die 1783 erschienene deutsche Ubersetzung der Reisebeschreibung Voyage aux Indes orientales et a la Chine Reise nach Ostindien und China von Pierre Sonnerat In ihr findet sich die Legende des Gottes der eine Liebesnacht mit einem Tempelmadchen verbringt eine Vorlage die Goethe an einigen Stellen entscheidend veranderte und verscharfte Wahrend in Sonnerats Darstellung der Gott seinen Tod lediglich vortauscht wird er in der Ballade deutlich herausgestellt Findet sie an ihrem Herzen Tot den vielgeliebten Gast In Goethes Gedicht springt das Madchen ins Feuer geht also bei der ihr auferlegten Prufung bis zum Aussersten bei Sonnerat hingegen erwacht der Gott und gesteht die Tauschung als sie sich eben opfern will 6 Goethe hatte sich lange Zeit mit der Kultur Indiens beschaftigt bevor er das Gedicht zu Papier brachte In seinem Aufsatz Bedeutende Fordernis durch ein einziges geistreiches Wort aus dem Jahre 1823 ging er auf die Anthropologie des Mediziners Johann Christian August Heinroth ein und erwahnte neben der Braut von Korinth und anderen Gedichten ausdrucklich Der Gott und die Bajadere als Beispiele dafur wie sich ihm gewisse grosse Motive Legenden uraltgeschichtlich Uberliefertes so tief in den Sinn drucken dass er sie vierzig bis funfzig Jahre lebendig und wirksam im Innern mit sich herumtrage ehe sie Gestalt annehmen 7 Bedeutung und Rezeption BearbeitenInnerhalb der Forschung wurde haufig gefragt wie sich die beiden sinnlich ausgemalten Balladen Die Braut von Korinth und Der Gott und die Bajadere in das Umfeld der Weimarer Klassik einordnen lassen Die in der Vampir Ballade spurbare Kritik an leibfeindlichen Tendenzen bestimmter Zweige des verfassten Christentums Unsichtbar wird Einer nur im Himmel Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt schien ebenso erklarungsbedurftig wie die Neigung eines Gottes zu einer Prostituierten Wie das Vampir Gedicht fand somit auch dieses Werk bei den Zeitgenossen ein durchaus geteiltes Echo Lobte Wilhelm von Humboldt dessen hohe kunstlerische Qualitat fuhrten die religionskritischen Passagen des Textes bei anderen Lesern zu Irritationen und Ablehnung So schrieb Johann Gottfried Herder an Goethes Freund Karl Ludwig von Knebel polemisch Priapos spiele in beiden Gedichten eine grosse Rolle einmal als Gott mit einer Bajadere das zweite Mal als ein Heidenjungling mit seiner christlichen Braut die als Gespenst zu ihm kommt und die er eine kalte Leiche ohne Herz zum warmen Leben priapisiret das sind Heldenballaden 8 Die britische Germanistin Eliza Marian Butler wollte die Interpretation des Werkes aus der Perspektive gerade der Kultur ermitteln auf die Goethe mit seiner Stoffwahl zuruckgegriffen hatte Wahrend ihrer Studienreisen durch Indien sprach sie mit Gelehrten und erfuhr wie sehr das Gedicht aus indischer Sicht von abendlandisch christlichem Geist durchdrungen ist 9 Nach Auffassung Karl Vietors hat Goethe kaum je schoner in Versen erzahlt so dass man sich frage ob man die poetische Meisterschaft oder die Hohe der Anschauung hoher bewundern soll Er habe der Legende eine Gestalt gegeben die sie zum herrlichen Beispiel des Glaubens an das dem Menschen eingeborene Verlangen zum Guten und Echten macht Die Vereinigung wecke in der Verlorenen den verborgenen Funken die Fahigkeit zu wahrer Liebe hell und stark brennt das Licht in der Geschandeten Ihrer Treue im freiwilligen Opfertod wegen hebt der Gott die Gelauterte zu sich empor Die Liebesvereinigung von Gott und Geschopf von Ich und All ist hier verherrlicht als das Mysterium das den Kern aller grossen Erlosungsreligionen bildet 10 Seit einiger Zeit wird die Bedeutung der Geschlechterrollen fur das Gedicht untersucht und kritisch hinterfragt geht es doch um eine ausserst schwere ja ubermenschliche Prufung einer Frau durch den mannlichen Gott nbsp Bertolt Brecht 1954 So reagierte bereits Bertolt Brecht mit seinem Sonett Uber Goethes Gedicht Der Gott und die Bajadere Das Gedicht gehort zu einer Reihe sozialkritischer Studien die Brecht Literarische Sonette nannte und in denen er sich auch auf Werke von Dante und Shakespeare Schiller Kleist und Friedrich Nietzsche bezog Wie er ausfuhrte sollten sie den Genuss an den klassischen Werken nicht vereiteln sondern reiner machen 11 Die erste Strophe lautet O bittrer Argwohn unsrer Mahadohs Die Huren mochten in den Freudenhausern Wenn sie die vorgeschriebne Wonne aussern Nicht ehrlich sein Das ware aber bos 12 Brecht schrieb in seiner Erlauterung zwar Goethes Gedicht bezeichne die freie Vereinigung von Liebenden als etwas Gottliches das heisst Schones und Naturliches und wendet sich gegen die formelle von Standes und Besitzinteressen bestimmte Vereinigung der Ehe Mit seinen Versen wendet er sich aber deutlich gegen das Opfer das hier verlangt wird bevor der Preis zuerteilt werden soll 13 Karl Otto Conrady will nicht verschweigen wie dubios in Goethes Ballade Mann und Frau einander zugeordnet sind vielmehr wie sie ihm untergeordnet ist Der Mann erscheine auch in der intimen Begegnung noch als der Herrschende der Sklavendienste fordere wahrend sich die Liebe des Madchens in der Unterwerfung vollziehe 14 Wie Reiner Wild erlautert verhinderte ein verengter allein auf die Antike bezogene Begriff der Klassik eine angemessene Interpretation und fuhrte dazu dass die besonderen Qualitaten des Werkes nicht erkannt wurden Das Gedicht umschreibt einen Mythos den der Erzahler im Hohenpriesterstil und mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit vortragt Die damit verbundene spielerisch ironische Distanz stelle den Ernst der Ereignisse nicht in Frage und ermogliche so Traditionen und Glaubensvorstellungen kritisch zu betrachten 15 Der philanthropisch christliche Hintergrund ist zwar erkennbar aber vielschichtig ambivalent und nicht einfach einzuordnen Zwar spielt Goethe mit der Herabkunft Shivas zu Beginn auf die Menschwerdung Gottes an und bereichert dies mit Liebe und Sinnlichkeit die zur Humanitas gehoren Die Figur der Bajadere erinnert deutlich an die heilige Sunderin Maria Magdalena die Himmelfahrt am Ende des Gedichts hingegen hat eine unchristliche Note indem nicht die Busse des Madchen sondern seine durchaus sinnliche Liebe belohnt wird Diese Neigung widersetzt sich der ausserlichen Pflicht die der Chor der Priester reklamiert und unterstreicht dass Humanitat der Sinnlichkeit bedarf die zu verdrangen der menschlichen Natur widersprechen wurde Es zeigt wie sich Menschlichkeit innerhalb einer Randgruppe bewahren kann und gibt der Sexualitat noch eine gleichsam gottliche Legitimation 16 Literatur BearbeitenKarl Otto Conrady Balladen Experimente mit dem erzahlenden Gedicht In Goethe Leben und Werk Patmos Dusseldorf 2006 ISBN 3 491 69136 2 S 672 673 Reiner Wild Der Gott und die Bajadere In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte u a Band 1 Gedichte Metzler Stuttgart 1996 ISBN 3 476 01443 6 S 291 293 Musik BearbeitenHeinrich Sthamer Melodram op 6Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Der Gott und die Bajadere Quellen und VolltexteEinzelnachweise Bearbeiten So Gero von Wilpert Der Gott und die Bajadere In ders Goethe Lexikon Kroners Taschenausgabe Band 407 Kroner Stuttgart 1998 ISBN 3 520 40701 9 S 416 Johann Wolfgang von Goethe Der Gott und die Bajadere In Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band I C H Beck Munchen 1998 S 273 So Reiner Wild Der Gott und die Bajadere In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 1 Gedichte Metzler Stuttgart 1996 S 291 So Erich Trunz In Johann Wolfgang von Goethe Goethes Werke Anmerkungen Hamburger Ausgabe Band I C H Beck Munchen 1998 S 665 Gero von Wilpert Balladen In ders Goethe Lexikon Kroners Taschenausgabe Band 407 Kroner Stuttgart 1998 ISBN 3 520 40701 9 S 73 Reiner Wild Der Gott und die Bajadere In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 1 Gedichte Metzler Stuttgart 1996 S 291 Johann Wolfgang von Goethe Bedeutende Fordernis durch ein einziges geistreiches Wort In Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XIII Naturwissenschaftliche Schriften I C H Beck Munchen 1998 S 39 Zit nach Reiner Wild Der Gott und die Bajadere In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 1 Gedichte Metzler Stuttgart 1996 S 292 Erich Trunz Der Gott und die Bajadere In Johann Wolfgang von Goethe Goethes Werke Anmerkungen Hamburger Ausgabe Band I C H Beck Munchen 1998 S 665 Zit nach Erich Trunz Der Gott und die Bajadere In Johann Wolfgang von Goethe Goethes Werke Anmerkungen Hamburger Ausgabe Band I C H Beck Munchen 1998 S 665 Zit nach Die Gedichte von Bertolt Brecht in einem Band Anmerkungen Suhrkamp Frankfurt am Main 1993 S 1290 Bertolt Brecht Uber Goethes Gedicht Der Gott und die Bajadere In Die Gedichte von Bertolt Brecht in einem Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1993 S 612 Zit nach Karl Otto Conrady Goethe Leben und Werk Balladen Experimente mit dem erzahlenden Gedicht Patmos Dusseldorf 2006 S 673 673 Karl Otto Conrady Goethe Leben und Werk Balladen Experimente mit dem erzahlenden Gedicht Patmos Dusseldorf 2006 S 673 Reiner Wild Der Gott und die Bajadere In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 1 Gedichte Metzler Stuttgart 1996 S 292 Reiner Wild Der Gott und die Bajadere In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 1 Gedichte Metzler Stuttgart 1996 S 293 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Gott und die Bajadere amp oldid 231521573