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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Ernst Casimir zu Ysenburg und Budingen Begriffsklarung aufgefuhrt Ernst Casimir Graf zu Ysenburg und Budingen in Budingen alternativ auch Ysenburg Budingen Budingen oder Isenburg Budingen als Graf I 12 Mai 1687 in Budingen 15 Oktober 1749 ebenda war ein religios toleranter und okonomisch agierender Regent der Grafschaft Ysenburg und Budingen Ernst Casimir Graf zu Ysenburg und Budingen Als vierter Sohn des Grafen Johann Casimir zu Ysenburg und Budingen und der Grafin Sophie Elisabeth zu Isenburg Birstein wurde er durch den fruhen Tod der alteren Bruder 1708 im Alter von 21 Jahren Regent des Budinger Landesteils Bereits am 29 Marz 1712 verkundete er als 25 Jahriger sein Toleranzedikt PRIVILEGIA und Freyheiten ein fur seine Zeit fortschrittliches Dokument verbriefter Menschenrechte 1 Ausserdem war seine Regierungszeit von einer Reihe von weiteren Fortschritten zum Wohl seines Hauses und seiner Untertanen gepragt wie die Grundung der Vorstadt Budingen und eine damit einhergehende Steigerung der Einwohnerzahl seiner durch Dreissigjahrigen Krieg Pest und Seuchen stark dezimierten Grafschaft wirtschaftliche Blute durch Ansiedlung von Handwerkern und einer Druckerei des Nurnbergers Johann Regelein Des Weiteren eine Mehrung des Vermogens seines Hauses durch Verteidigung von Erbanspruchen und des Antritts seines Marienborner Erbteils sowie dem Ausbau der graflichen Hofe Christinenhof Salinenhof und Thiergarten Unter Graf Ernst Casimir bluhte ausserdem das geistige und geistliche Leben auf So trat er in Beziehung zur Bewegung eines der bekanntesten Vertreter des Pietismus bedeutendsten Genealogen und Begrunders der Heraldik Philipp Jakob Spener 1635 1705 gewahrte dem aus Waldeck geflohenen Kanzleirat Otto Heinrich Becker 1667 1723 eine Heimstatt und forderte Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf 1700 1760 mit dessen Namen die Entstehung und Entwicklung der Herrnhuter Brudergemeine verbunden ist fur die Graf Ernst Casimir den Herrnhaag einen Hugel bei Budingen zur Verfugung stellte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Toleranzedikt von 1712 3 Vorstadt 4 Auswirkungen der Politik des Grafen Ernst Casimir 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAufgewachsen ist der mit sechseinhalb Jahren verwaiste Ernst Casimir der Vater war 1693 wahrend eines Feldzuges in den Niederlanden umgekommen mit zwei alteren Brudern unter der Vormundschaft seiner beiden Onkel Georg Albrecht von Ysenburg Budingen Meerholz 1664 1724 und Carl August von Ysenburg Budingen Marienborn 1667 1725 Erzogen wurden die Knaben unter der Obhut des franzosischen Geistlichen Mr de Beaumont in Kassel beziehungsweise ab 1692 bis 1702 vom nachmaligen meerholzischen Rat Tromp in Frankfurt am Main Letzterer begleitete die jungen Grafen zum Studium nach Utrecht 1703 1704 Ernst Casimir und sein alterer Bruder Johann Ernst 1683 1708 wurden anschliessend am 5 Juni 1704 in der Universitat Halle immatrikuliert Ab 1706 besuchte Ernst Casimir die Militarakademie in Berlin nachdem er zuvor England bereist hatte Seine militarische Laufbahn brach er 1708 ab um nach dem plotzlichen Tod seines Bruders die Regierung zu ubernehmen Im August desselben Jahres heiratete er Christina Eleonore zu Stolberg Gedern eine Tochter der durch ihren engen Kontakt zu Spener bekannten Christina zu Stolberg Gedern mit der er funf Sohne und eine Tochter zeugte Zwei seiner Kinder namlich Graf Gustav Friedrich 1717 1768 und Graf Ludwig Casimir 1710 1775 wurden seine Nachfolger Toleranzedikt von 1712 Bearbeiten nbsp Das Budinger Toleranzedikt des Grafen Ernst Casimir I zu Ysenburg und Budingen aus dem Jahr 1712 nbsp Verkundung des Offenen Patents erste Passagen Bei dem im Jahre 1712 vom Grafen Casimir zu Ysenburg und Budingen verkundeten Patent handelt es sich um eine Zusage von Privilegien an etwaige Siedler in und vor der Residenzstadt Budingen wie sie Ende des 17 Jahrhunderts zur Aufnahme von franzosischen Glaubensfluchtlingen Hugenotten auch in anderen deutschen Territorien herausgegeben wurden Was es so einzigartig machte war eine wesentlich weitergehende Fassung als beispielsweise die Privilegienerlasse des Offenbacher Grafen Johann Philipp von Isenburg Offenbach aus dem Jahr 1705 oder das Edikt von Potsdam das am 29 Oktoberjul 8 November 1685greg 2 vom Grossen Kurfursten Friedrich Wilhelm von Brandenburg erlassen wurde Nicht nur fur Angehorige der drei im Westfalischen Frieden von 1648 anerkannten christlichen Konfessionen Katholiken Lutheraner und Reformierte sollte Gewissensfreiheit herrschen sondern es versprach fur Jedermann vollkommene Gewissen Freyheit auch denen die aus Gewissens Scrupel gar zu keiner ausserlichen Religion halten Dazu kamen Gewerbe Bildungs und Schulgeldfreiheit eine moderne Asylpolitik fur Glaubensfluchtlinge und Sektierer sowie Emanzipation fur Juden Unter ohnparteyischer Justiz waren nicht nur Leibeigenschaft abgeschafft sondern auch freier Zu und Wegzug garantiert sowie attraktive Steueranreize geschaffen um Manufakturen zu befordern als deren es hier mangelt Gleichwohl waren nicht nur die Elemente einer aufgeklarten Bevolkerungspolitik dazu gehorten die Garantie politisch burgerlicher Rechte bei der alle Neuangesiedelten den Stadtburgern gleichgestellt sein sollten oder die im Toleranzedikt vorgestellten Starthilfen wirtschaftlicher Art eine Art innovatives Konjunkturprogramm waren das Revolutionare vielmehr war dies seine Praambel in der erstmals eine explizite Feststellung dass sich obrigkeitliche Macht nicht uber das Gewissen erstrecke geaussert war Die Kernpassage so wollen Wir jedermann vollkommene Gewissens Freyheit verstatten als Toleranzpatent zu jener Zeit verkundet die gemeinhin als Beginn des historischen und hofischen Absolutismus angesehen wird musste vielerorts als ungeheuer provokant empfunden worden sein Prompt handelte sich der Graf mit seinem pietistischen Offenbacher Hofdrucker Bonaventura De Launoy einen Prozess am Reichskammergericht ein der jedoch im Sande verlief Die Anklage richtete sich auch gegen den Kanzleirat des Grafen Otto Heinrich Becker ehemaliger Student der juristischen Fakultat in Halle der das Patent ausformuliert hatte Zuvor war Becker als Regierungs und Konsistorialrat in der Grafschaft Waldeck zur Schlusselfigur eines grosseren Reformprogramms geworden musste jedoch nach einem Regierungswechsel wegen seiner pietistischen Uberzeugungen das Land verlassen Fur Ernst Casimir war er der geeignete Mann um seine Vorstellung von Toleranz und Peuplierung pragmatisch umzusetzen Vorstadt BearbeitenDas Toleranzedikt des Grafen Ernst Casimir war nicht nur ein fur seine Zeit bemerkenswert aufgeklartes Dokument der Menschenrechte sondern ein geradezu innovativ zu nennendes Wirtschaftsforderungsprogramm In der historischen Betrachtung steht dieser Aspekt der weite Passagen nach dem programmatischen Eingangsartikel bestimmt wohl im Vordergrund was sich auch darin ausdruckt dass das Toleranzedikt haufig auch als Toleranzpatent bezeichnet wird Der Begriff Patent zeigt dass in der historischen Wertung allem Anschein nach der Schwerpunkt auf ein hoheitlich erteiltes gewerbliches Schutzrecht also auf den Aspekt der materiellen Nutzbarkeit verlagert wurde Gleichwohl darf auch dies als eine fur seine Zeit ungewohnt zukunftsorientierte wirtschaftspolitische Leistung gelten die als bedeutender Markstein ein Zeugnis der stadtischen Entwicklung des Residenzstadtchens Budingen liefert nbsp Flurkarte der Vorstadt von 1812 1832 Quelle StadtarchivDie Grunduberlegung war nicht nur attraktive Anreize fur neue Siedler und insbesondere einen produktiven Mittelstand zu schaffen Gleichzeitig begegnet uns ein fruhzeitiges Beispiel fur nachhaltige Planung und das Streben nach gerechter sozialer Gleichstellung auf einem relativ gehobenen Wohlstandsniveau Seitens der alteingesessenen Budinger regte sich jedoch massiver Widerstand gegen eine Ansiedlung der Neuburger die nach breiter Auffassung ohnehin mit allzu grossen Wohltaten seitens der Herrschaft ausgestattet worden seien Eine Ansiedlung auf einem vorhandenen attraktiven Gelande in der Stadt wurde daher aufgegeben um andauernde Unruhen zu vermeiden nbsp Die Budinger Vorstadt vor 1925 vom Untertor aus gesehen Quelle Geschichtswerkstatt Budingen Der Graf entschloss sich zur Grundung einer Vorstadt ausserhalb der Stadtmauern vor dem Untertor von den Exulanten fortan Jerusalemer Tor genannt ursprunglich grafliches Gartenland das ein eigenes Wehrsystem erhalten sollte So entstand durch rasch voranschreitende Baumassnahmen in weniger als 20 Jahren ein ganzlich neues Stadtbild in wohlproportioniertem Gleichmass 3 Erreicht wurde das indem der Anspruch auf kostenloses Baumaterial und eine zehnjahrige Steuerbefreiung an die Einhaltung der Gestaltungsvorgaben gebunden wurde Diese Vorgaben besagten dass entlang eines Strassenzuges an dem die Grundstucke abgemessen worden waren nach einheitlichem Plan gestaltete zweigeschossige Fachwerkhauser zu errichten waren Sie mussten auf der Sudseite Rucksicht auf den Verlauf des Kuchenbachs nehmen und ihre Nordseite musste den Gelandeanstieg berucksichtigen Die Hauser haben im Satteldach ein Zwerghaus oder ein Gauben und stehen traufseitig zur Strasse In der Mitte befindet sich der Eingang zu beiden Seiten gehen die weiteren Raume ab Die Kuche liegt an der Verlangerung des Hausflurs an der Hofseite Auch wenn die Hauser durch Ladeneinbauten heutzutage stark verandert sind lasst sich anhand der Flurkarten 1831 32 4 bzw 1844 48 5 sowie zahlreicher Fotografien des fruhen 20 Jahrhunderts der Weitblick urbaner Entwicklung ablesen Bereits kurz nach der Erschliessung der Vorstadt interessierten sich auch Handwerker aus der Stadt selbst fur die mit dem Bau verbundenen Privilegien und Vorteile Der Erfolg dieser Peuplierungspolitik zeigte sich daran dass sich die Bevolkerung von Budingen innerhalb von 30 Jahren mehr als verdoppelte Bereits im Jahr 1731 waren neben drei Knopfmachern 18 Strumpfweber zwei Chirurgen Wundarzte sowie gar drei Apotheker zu finden 1717 gelang es dem Grafen Johann Friedrich Regelein aus Nurnberg als Hofbuchdrucker in die Stadt zu ziehen Eine Walkmuhle am Seemenbach wurde als Grundlage fur die Textilverarbeitung wichtig und die 1714 eingerichtete Papiermuhle entfaltete ab 1735 durch den Papiermacher Johann Christian Illig ihre Blute 6 Auswirkungen der Politik des Grafen Ernst Casimir BearbeitenAuch dem von Graf Ernst Casimir zu Ysenburg und Budingen Anfang des 18 Jahrhunderts erlassenen Toleranzedikt selbst war wie vielen beruhmten Toleranzedikten vorher und nachher in der Geschichte keine allzu lange Lebensdauer beschieden Bereits sein Sohn und Nachfolger Gustav Friedrich Graf von Ysenburg Budingen verfugte in einem Emigrationsedikt vom 12 Februar 1750 die Auflosung der von seinem Vater auf dem Herrnhaag angesiedelten Herrnhuter Brudergemeine Als die wirtschaftlich und missionarisch erfolgreiche rund 1000 Menschen umfassende Gemeinschaft die angesichts Mittelstandsforderung und geistiger Blute auf dem Budinger Herrnhaag ahnlich wie die Vorstadt vom Erfolgsklima profitierte die Budinger Residenz in den Schatten stellte und den von Graf Gustav Friedrich eingeforderten Untertaneneid verweigerte wurde mit ihrer Vertreibung bis 1753 praktisch der Widerruf des Toleranzedikts besiegelt In den Geschichtsbuchern wurde das Wirken von Graf Ernst Casimir I zu Ysenburg und Budingen nahezu vergessen oder bestenfalls als Experiment erinnert Zwar wird anerkannt dass der komplette Wandel hin zu einer erfolgreichen Erwerbsstruktur in diesen alles andere als gunstigen Zeiten eine Folge seiner wirtschaftlichen Massnahmen ist Gleichwohl liegt die wahre Bedeutung von Ernst Casimirs Wirken darin auf der Grundlage einer uber mehrere Generationen tradierten christlichen Ethik begunstigt durch eine weltoffene Ausbildung und eigenes Kennenlernen bedeutender nationaler Bildungszentren wie internationaler Metropolen sowie ermoglicht durch wirtschaftlich erfolgreiche Fuhrung seines Herrschaftsbereiches Toleranz und Gewissensfreiheit nicht nur zugelassen sondern praktiziert und damit der burgerlich demokratischen Freiheit in Deutschland ein Stuck den Boden bereitet zu haben Durch das Wirken des Grafen entwickelte sich hier in der ersten Halfte des 18 Jahrhunderts im Verband des Alten Reichs siehe Das Reich bis Mitte des 18 Jahrhunderts aus einem Sammelbecken an Verfolgten und Abweichlern ein Kreuzungspunkt vielfaltiger geistiger Stromungen die an viele Stellen der Alten und Neuen Welt getragen wurde Das Budinger Patent als feudal konservatives Wirtschaftsprivileg zu kennzeichnen das als Besonderheit die Separatistenduldung einschloss 7 ist bis heute eine Wertung die den ganzheitlichen Ansatz Ernst Casimirs unberucksichtigt lasst und ihm durch die Enge des Blickwinkels die historische Bedeutung versagt Siehe auch BearbeitenIsenburg weitere Mitglieder des Hauses Isenburg Ysenburg Offenbach Post Reinhold Gries Freistatt des Glaubens Vor 200 Jahren erliess Graf zu Ysenburg und Budingen ein Toleranzpatent erschienen in der OP vom 4 April 2012Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ernst Casimir zu Ysenburg und Budingen Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Reinhold Gries Freistatt des Glaubens Vor 300 Jahren am 29 Marz 1712 verkundete Ernst Casimir zu Ysenburg und Budingen als 25 jahriger ein Toleranzpatent op online de vom 4 April 1912 URL https www op online de region freistatt glaubens 2265245 html Edikt von Potsdam Artikel bei Info Potsdam de Stand 5 November 2007 Reinhard Reuter Handwerkerhofe und Ackerburgerhofe in der Vorstadt Budingen Exkurs in Dorfer in Hessen Hrsg vom Landesamt fur Denkmalpflege Hessen Bd 3 Zwischen Taunus Vogelsberg und Main Konigstein im Taunus 2004 S 180 214 Literatur Zwei Seiten mit dem Titel Vorstadt ohne Autorennennung Stadtarchiv Budingen Flurkarte der Vorstadt von 1831 32 Flurkarte der Vorstadt von 1844 48 Stadtarchiv Klaus Peter Decker Das Toleranzpatent von 1712 Glaubensfreiheit und Handwerkskunst Broschure zur Ausstellung im Budinger Heuson Museum vom 29 Marz bis 9 September 2012 Matthias Benad Toleranz und Okonomie Das Patent des Grafen Ernst Casimir von 1712 und die Grundung der Budinger Vorstadt Budinger Geschichtsblatter Bd XI 1983 S 163 197 Normdaten Person GND 117209031 lobid OGND AKS LCCN n84128955 VIAF 80559920 Wikipedia Personensuche Personendaten NAME Ysenburg und Budingen Ernst Casimir zu ALTERNATIVNAMEN Ysenburg und Budingen Ernst Casimir Graf zu KURZBESCHREIBUNG Regent und Verkunder des Toleranzediktes 1712 GEBURTSDATUM 12 Mai 1687 GEBURTSORT Budingen Deutschland STERBEDATUM 15 Oktober 1749 STERBEORT Budingen Deutschland Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ernst Casimir zu Ysenburg und Budingen amp oldid 229685357 Toleranzedikt von 1712