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Willi Geiger 22 Mai 1909 in Neustadt an der Weinstrasse 19 Januar 1994 in Karlsruhe war ein deutscher Jurist Wahrend der Zeit des Nationalsozialismus war Geiger von 1941 bis 1943 Staatsanwalt beim Sondergericht in Bamberg Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war er Richter am Bundesgerichtshof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Geiger 1951 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseLeben BearbeitenNach dem Machtantritt der NSDAP und ihrer deutschnationalen Bundnispartner trat der Jurist Geiger 1933 der SA bei und wurde Schulungs und Pressereferent 1 Seit 1934 gehorte er dem NS Rechtswahrerbund und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt an Zum 1 Mai 1937 trat er der NSDAP bei Mitgliedsnummer 4 092 600 2 und wurde 1938 in der SA zum Rottenfuhrer befordert 1 1940 verfasste er bei Wilhelm Laforet eine Dissertationsschrift zum Thema Die Rechtsstellung des Schriftleiters nach dem Gesetz vom 4 Oktober 1933 1 Darin rechtfertigte er unter anderem die Berufsverbote fur judische und linke Journalisten Die Vorschrift habe mit einem Schlag den ubermachtigen volksschadigenden und kulturverletzenden Einfluss der judischen Rasse auf dem Gebiet der Presse beseitigt 3 Im Literaturverzeichnis setzte er bei einigen Autoren Sternchen fur Verfasser ist Jude Journalistische Rekurse auf judische Texte seien ein Berufsvergehen Dank des nationalsozialistischen Schriftleitergesetzes sei es gelungen den deutschen Journalismus rasch und grundlich von unerwunschten Elementen zu saubern und der marxistischen Presse den Garaus zu machen Journalisten stellte er in diesem Zusammenhang Berufsbeamten gleich In diesem Metier sei untragbar wer sich als Nichtarier vgl Arier oder politisch und beruflich als Schadling an Volk und Staat erwiesen habe Um die Mitgliedschaft in einer linken Partei gehe es dabei nicht sondern um die erforderlichen personlichen Eigenschaften des Journalisten Dass ein Schriftfuhrer grundsatzlich arischer Abstammung sein musse war von Geiger direkt aus dem Parteiprogramm der NSDAP abgeleitet worden 4 5 1941 bis 1943 war Geiger als Staatsanwalt am Sondergericht Bamberg tatig Er erwirkte dort in mindestens funf Fallen Todesurteile 6 darunter gegen einen 18 Jahrigen der sexuelle Handlungen an einer Minderjahrigen die etwas junger als er selbst war begangen haben soll Ein Gnadengesuch des Verteidigers wegen der Jugend des Angeklagten wies Geiger zuruck Er nahm an der Hinrichtung teil und setzte durch dass sie durch Plakate und Pressehinweise offentlich bekannt gemacht wurde Ein anderes Urteil betraf einen Zwangsarbeiter der gegen sechs bis acht junge Burschen die auf ihn einprugelten ein Taschenmesser gezogen hatte Geiger legte nachdrucklich Wert darauf das Todesurteil durch Plakatierung bekannt zu machen 7 Nach dem Ende des NS Regimes wurde Geiger im Entnazifizierungsverfahren als entlastet eingestuft 8 Er wurde Oberlandesgerichtsrat am Oberlandesgericht Bamberg hatte 1948 an der Julius Maximilians Universitat Wurzburg einen Lehrauftrag fur Staats und Verwaltungsrecht 9 wurde 1949 Leiter des Verfassungsreferates im Bundesministerium der Justiz und personlicher Referent des ersten Justizministers Thomas Dehler Mehr als alle anderen Richter waren Geiger und sein Kollege Hermann Hopker Aschoff mit der Erarbeitung sowohl des Grundgesetzes als auch des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes betraut 10 1950 wurde er als sog neutraler Richter neben CDU CSU bzw SPD Mitgliedern 11 an den Bundesgerichtshof BGH berufen Ab 1951 war er Prasident eines Senats Von 1951 bis 1977 war er Richter des Bundesverfassungsgerichts BVerfG und damit zehn Jahre zugleich an BGH und BVerfG Durch die Freigabe der Protokolle des Bundeskabinetts stellte sich spater heraus dass er fortlaufend die Regierung Adenauer uber die internen Entscheidungsprozesse in BGH und BVerfG informiert hatte 12 Geigers Amtszeit war die langste aller Verfassungsrichter 13 da BVerfG Richter die von Bundesgerichten kamen bis zur Pensionierung amtieren konnten 14 1954 wurde Geiger Honorarprofessor an der Deutschen Hochschule fur Verwaltungswissenschaften in Speyer Allein bis 1990 verfasste er uber 300 Fachveroffentlichungen 15 Massgeblich gepragt hat Geiger das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Grundlagenvertrag vom 31 Juli 1973 16 1975 bereitete er nach der Normalisierung der Beziehungen zwischen BRD und DDR als Berichterstatter das Verfassungsgerichtsurteil zum Radikalenerlass vor Trotz seiner antisemitischen und antikommunistischen NS Dissertation sah Geiger keinen Anlass sich bei der Frage der Verfassungstreue von Beamten nun fur befangen zu erklaren sondern schrieb so die Bewertung des Rechtswissenschaftlers Ingo Muller sein Beamtenbild fest Die politische Treuepflicht verlange dass ein Beamter sich in dem Staat dem er dienen soll zuhause fuhlt jetzt und jederzeit nicht aber in seiner Haltung kuhl und innerlich distanziert bleibe 17 18 Es gehe hiess es nicht darum jemand wegen seiner Zugehorigkeit in einer politischen Partei zu benachteiligen sondern um die Personlichkeit eines Bewerbers Diese habe zu gewahrleisten dass er jederzeit fur die Freiheitliche demokratische Grundordnung eintrete Ein Stuck des Verhaltens das beim Urteil uber die Personlichkeit erheblich sein konne sei die Zugehorigkeit zu einer in der Politik als verfassungsfeindlich bezeichneten Partei egal ob rechtsformig als verfassungswidrig verboten oder nicht Berufsverbot sei nur ein Schlag und Reizwort um zu emotionalisieren 19 Von den Verfassungsrichtern wies allein Geiger unverhohlen Hans Peter Schneider ihnen die politische Aufgabe von Mitgestaltern des politischen Prozesses zu 20 1966 machten DDR Zeitungen ein erstes Mal die Todesurteile Geigers am Sondergericht Bamberg offentlich bekannt westdeutsche mediale Ermittlungen bestatigten den Tatbestand 21 Zu justiziellen Ermittlungen und einer Anklage kam es nicht aber es setzte offentliche Kritik ein Der in Israel lebende deutsch judische Rechtsanwalt und Publizist Ernst Linz sprach in einem Beitrag fur die sozialdemokratische Zeitung Vorwarts Geigers Braune Weste an Linz verwies auf seine Bemuhungen um eine deutsch israelische Verstandigung und Geigers kontraproduktive Prasenz in der westdeutschen Justiz Geiger durfte nicht einmal Amtsgerichtsrat in Durlach sein 22 Linz hielt Geigers Treue zum Grundgesetz fur fragwurdig und schatzte ihn als rabiaten Antisemiten ein 23 Demgegenuber meinte die Deutsche National Zeitung des volkisch nationalistischen Verlegers Gerhard Frey Geiger habe als Richter alter Schule in vorbildlicher Weise dem Rechtsstaat gedient Erste Meriten habe er sich in Bamberg erworben 24 Geiger war Mitglied der katholischen Studentenverbindung KDStV Aenania Munchen und KDStV Gothia Wurzburg Er gehorte der Juristenvereinigung Lebensrecht e V an die fur die Strafverfolgung des Schwangerschaftsabbruchs eintrat und publizierte in deren Schriftenreihe als prominenter Autor in den 1980er und 1990er Jahren zur Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs und gegen das Schwangeren und Familienhilfegesetz 25 26 Literatur BearbeitenHans Joachim Faller Paul Kirchhof Ernst Trager Hrsg Verantwortlichkeit und Freiheit Die Verfassung als wertbestimmte Ordnung Festschrift fur Willi Geiger zum 80 Geburtstag Mohr Tubingen 1989 ISBN 3 16 645471 3 Friedrich Karl Fromme Ein ungewohnlicher Richter Das Wirken Willi Geigers am Bundesverfassungsgericht In Jahrbuch des offentlichen Rechts der Gegenwart 32 1983 S 63 70 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2003 2 Aufl 2005 ISBN 3 596 16048 0 Otto Kohler Ein Journalist muss arisch sein Aus der Blutrobe in Bamberg in die Rote Robe nach Karlsruhe Willi Geiger In Ders Wir Schreibmaschinentater Journalisten unter Hitler und danach Pahl Rugenstein Koln 1989 S 153 163 Helmut Kramer Ein vielseitiger Jurist Willi Geiger 1909 1994 In Thomas Blanke Hrsg Die juristische Aufarbeitung des Unrechts Staats Nomos Baden Baden 1998 S 373 379 Helmut Kramer Willi Geiger Vom Antisemiten und Staatsanwalt am NS Sondergericht zum Richter am Bundesverfassungsgericht In Wolfgang Proske Hrsg Tater Helfer Trittbrettfahrer Band 7 NS Belastete aus Nordbaden Nordschwarzwald Gerstetten Kugelberg 2017 ISBN 978 3 945893 08 1 S 85 124 Rolf Lamprecht Ich gehe bis nach Karlsruhe Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2011 Gerhard Leibholz Hrsg Menschenwurde und freiheitliche Rechtsordnung Festschrift fur Willi Geiger zum 65 Geburtstag Mohr Tubingen 1974 ISBN 3 16 636162 6 Richard Ley Willi Geiger In Neue Juristische Wochenschrift 1994 S 1050f Martin Will Ephorale Verfassung Das Parteiverbot der rechtsextremen SRP von 1952 Thomas Dehlers Rosenburg und die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland Mohr Siebeck Tubingen 2017 ISBN 978 3 16 155893 1 Biographie von Geiger auf S 152 158 Anton Rauscher Willi Geiger 1909 1994 In Jurgen Aretz Rudolf Morsey Anton Rauscher Hrsg Zeitgeschichte in Lebensbildern Aus dem deutschen Katholizismus des 19 und 20 Jahrhunderts Band 9 Aschendorff Verlag GmbH amp Co KG Munster 1999 ISBN 978 3 402 06112 1 S 245 260 Digitalisat Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Willi Geiger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Vortrage von Willi Geiger im Onlinearchiv der Osterreichischen MediathekEinzelnachweise Bearbeiten a b c Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Zweite aktualisierte Auflage Frankfurt am Main 2005 S 177 Bundesarchiv R 9361 II 283919 Zitat bei Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt a M 2005 S 177 Ingo Muller Furchtbare Juristen Munchen 1989 S 220f Soweit nicht anders angegeben Otto Kohler Ein Journalist muss arisch sein Aus der Blutrobe in Bamberg in die Rote Robe nach Karlsruhe Willi Geiger in ders Wir Schreibmaschinentater Journalisten unter Hitler und danach Koln 1989 S 153 163 hier S 153 157f Ingo Muller Furchtbare Juristen Munchen 1989 S 220 Otto Kohler Ein Journalist muss arisch sein Aus der Blutrobe in Bamberg in die Rote Robe nach Karlsruhe Willi Geiger in ders Wir Schreibmaschinentater Journalisten unter Hitler und danach Koln 1989 S 153 307 hier S 155 306 Katja Gelinsky Mitlaufer beim Neuanfang Horst Dreier wurdigt Willi Geiger anlasslich einer Veranstaltung des Bundesjustizministeriums zum Thema Aufarbeitung der NS Vergangenheit FAZ 2 Mai 2012 1 Julius Maximilians Universitat Wurzburg Vorlesungs Verzeichnis fur das Sommer Halbjahr 1948 Universitatsdruckerei H Sturtz Wurzburg 1948 S 10 Hans Vorlander Hrsg Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit Wiesbaden 2006 S 146 Walther Furst Roman Herzog Dieter C Umbach Hrsg Festschrift fur Wolfgang Zeidler Band 1 S 170 Dierk Hoffmann Das Bundesverfassungsgericht im politischen Kraftefeld der fruhen Bundesrepublik Der Streit um die Westvertrage 1952 1956 in Historisches Jahrbuch 120 2000 S 227 273 hier S 253 Richard Ley Willi Geiger Neue Juristische Wochenschrift 1994 S 1 050 Axel Tschentscher Rechtsrahmen und Rechtspraxis der Bestellung von Richterinnen und Richtern zum Bundesverfassungsgericht PDF 110 kB in Jan Sieckmann Hrsg Verfassung und Argumentation 2005 S 95 107 Fn 43 Richard Ley Willi Geiger Neue Juristische Wochenschrift 1994 S 1 050f 2 Ingo Muller Furchtbare Juristen Munchen 1989 S 221 f BVerfGE 39 334 22 Mai 1975 Otto Kohler Die renazifizierte Justiz Melancholische Erinnerungen anlasslich der Akte Rosenberg aus dem Verlag C H Beck in junge Welt 28 Dezember 2016 S 12f Walther Furst Roman Herzog Dieter C Umbach Hrsg Festschrift fur Wolfgang Zeidler Band 1 Berlin New York 1987 S 295 Geiger Pflicht zur Wahrheit Der Spiegel Nr 32 1966 1 August 1966 siehe 3 Rolf Lamprecht Ich gehe bis nach Karlsruhe Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts Munchen 2011 Manfred Gortemaker Christoph Safferling Die Akte Rosenburg Das Bundesministerium der Justiz und die NS Zeit Munchen 2016 Otto Kohler Ein Journalist muss arisch sein Aus der Blutrobe in Bamberg in die Rote Robe nach Karlsruhe Willi Geiger in ders Wir Schreibmaschinentater Journalisten unter Hitler und danach Koln 1989 S 153 163 hier S 306 Helmut Kramer Ein vielseitiger Jurist Willi Geiger 1909 1994 in Thomas Blanke Hrsg Die juristische Aufarbeitung des Unrechts Staats Baden Baden 1998 S 373 379 hier S 378 HP der Juristenvereinigung Lebensrecht e V 4 Michi Knecht Zwischen Religion Biologie und Politik Eine kulturanthropologische Analyse der Lebensschutzbewegung Munster 2000 S 168 Normdaten Person GND 118690043 lobid OGND AKS LCCN n80106657 VIAF 52483699 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Geiger WilliKURZBESCHREIBUNG deutscher Jurist Richter des Bundesverfassungsgerichts und am BundesgerichtshofGEBURTSDATUM 22 Mai 1909GEBURTSORT Neustadt an der WeinstrasseSTERBEDATUM 19 Januar 1994STERBEORT Karlsruhe Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Willi Geiger Richter amp oldid 238768504