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Wilhelm Gottlieb Soldan 17 Mai 1803 in Alsfeld 16 Januar oder 17 Januar 1 1869 in Giessen war ein deutscher Gymnasiallehrer Historiker und hessischer Parlamentarier Auf sein Werk zur Geschichte der Hexenprocesse 1843 bezieht sich in der Hexengeschichtsschreibung das Soldan Paradigma Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Politik 3 Werk 4 Das Soldan Paradigma 5 Trivia 6 Veroffentlichungen Auswahl 6 1 Einzelveroffentlichungen 6 2 Bearbeitungen 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSoldan wurde als Sohn der Alsfelder Stadtpfarrers Karl Ludwig Soldan und dessen Ehefrau Marianne Sophie geborene Pfaff geboren Bis zu seinem 15 Lebensjahr unterrichtete ihn sein Vater der 1804 nach Billertshausen versetzt worden war Von Herbst 1818 an besuchte Soldan das Gymnasium in Giessen und begann 1820 ein Studium der Theologie an der dortigen Landesuniversitat 1821 wurde er in Giessen Mitglied des Corps Hassia 2 Im gleichen Jahr wechselte er an die Universitat Halle wo er auch Padagogik studierte Seit 1823 wirkte er als Privatlehrer der Kinder des Staatsministers Karl Ludwig Wilhelm von Grolman in Darmstadt 1829 ubernahm er zunachst als Hilfslehrer einige Stunden am Darmstadter Gymnasium und hielt gleichzeitig Vortrage uber Universal und Staatengeschichte an der Grossherzoglichen Militarschule Als Einladungsschrift zum Herbstexamen 1829 schrieb er den topographischen Teil einer geplanten grosseren Monografie zur Stadt Milet Mit dieser Schrift wurde er im selben Jahr in Giessen promoviert Am 1 Februar 1831 wurde er als akademischer Lehrer am Gymnasium Giessen angestellt wo er bis zu seinem Tode blieb 3 Soldan der evangelischen Glaubens war heiratete am 7 April 1831 in Darmstadt Emma Johanette geborene Hoffmann die Tochter des Landtagsabgeordneten Ernst Emil Hoffmann Politik Bearbeiten1862 zog Soldan als Abgeordneter der liberalen Hessischen Fortschrittspartei in den hessischen Landtag die Landstande des Grossherzogtums Hessen ein Er wurde fur den Wahlbezirk der Stadt Alsfeld gewahlt 1865 bis 1866 wirkte er als Prasident der II Kammer War er zur Ausubung seines Mandats zunachst zeitweilig von seiner Lehrerstelle beurlaubt so wurde er von Ostern 1867 an dauerhaft vom Dienst befreit und am 17 Oktober 1868 schliesslich in den Ruhestand versetzt 1869 endete sein Mandat in der zweiten Kammer Werk Bearbeiten nbsp Titelblatt der Geschichte der HexenprocesseSoldan veroffentlichte 1843 eine Geschichte der Hexenprocesse Aus den Quellen dargestellt die schon bald zu einem Standardwerk wurde Im Sinne des Historismus Rankescher Pragung rekonstruierte Soldan darin eine ganze Reihe von Fallen und liess die Quellen ausfuhrlich zu Wort kommen Es handelte sich dabei um die erste komplexe Darstellung des Themas die zudem verifizierbar war Das Buch wird bis heute immer wieder aufgelegt allerdings in jeweils bearbeiteter Form Soldans Tochter Henriette und sein Schwiegersohn Heinrich Heppe gaben 1880 eine Fassung heraus in der sie die konfessionspolitischen Aussagen verscharften und ein Kapitel uber die Hexerei und Hexenverfolgung im 19 Jahrhundert hinzufugten Wo sich Soldan mit Angaben zu der Zahl der Opfer stets zuruckgehalten hatte schatzten die Heppes die Zahl grosszugig nach Millionen und wurde damit zu einflussreichen Fursprechern der popularen Neun Millionen Theorie Dabei polemisierten sie im Kontext des Kulturkampfes nicht zuletzt gegen das auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 verfugte Unfehlbarkeitsdogma der katholischen Kirche 4 Der Publizist Max Bauer verantwortete 1911 eine Ausgabe in der er die konfessionspolitischen Spitzen wieder entscharfte Angaben zum Hexenglauben im fruhen 20 Jahrhundert nachtrug Fussnoten und Text strich und den Stil uberarbeitete 5 1845 veroffentlichte Soldan die polemische Schrift Dreissig Jahre des Proselytismus in Sachsen und Braunschweig Er setzte sich darin mit einer Arbeit Augustin Theiners auseinander der die Geschichte einiger Bekehrungen deutscher protestantischer Fursten zum Katholizismus zum Anlass genommen hatte die Vorzuge der katholischen Kirche zu unterstreichen Soldan ging dabei von neuen Quellenfunden aus um wesentliche Thesen Theiners zu widerlegen Im folgenden Jahrzehnt befasste sich Soldan ausgiebig mit der Geschichte des Protestantismus in Frankreich 1855 veroffentlichte er dazu die zweibandige Geschichte des Protestantismus in Frankreich bis zum Tode Karls IX Ausserdem legte er noch eine Reihe lokalgeschichtlicher Forschungen vor etwa zur Geschichte der Stadt Alsfeld Das Soldan Paradigma BearbeitenDer Begriff Soldan Paradigma bzw rationalistisches Paradigma kennzeichnet in der Hexengeschichtsschreibung eine Forschungsrichtung die davon ausgeht dass die Anschuldigungen in den Hexenprozessen ohne echten Wirklichkeitsbezug konstruiert und instrumentalisiert wurden Der amerikanische Historiker William Monter pragte den Begriff mit Bezug auf Soldans Grundlagenwerk Geschichte der Hexenprocesse 6 Soldan hatte die Hexenprozesse im aufklarerischen Geist wahlweise als Wahn Seuche oder Aberglauben einer irregeleiteten Obrigkeit gedeutet Mit dem Christenthum kamen lateinische Sprache und Literatur Damonologie befangene und auf den Bildungsgang Einfluss ubende Priester zu Celten Germanen und Slaven Was den Nationen eigenthumlich gewesen seyn mochte assimilirte sich im Laufe der Zeit den mitgebrachten machtigern Elementen Wunder und Teufelsglaube verschlang die in einigen Jahrhunderten des Mittelalters hervorkeimende hellere Ansicht Selbst das zeitweise erfreuliche Anstreben zur Naturforschung ward unter diesen Gesichtspunkt gebracht Die Dienerin hierarchischer Zwecke die Inquisition um Popularitat und Einkommen verlegen sah sich um nach einem Musterbilde aller Scheuseligkeit die sie ihren Opfern leihen konnte und unter ihren Handen bildete sich aus lauter bekannten Stoffen das Verbrechen der Hexerei Den Teufel in der Gestalt wie sie ihn ausgebildet vorfand in die Mitte stellend gab sie ihm auf die eine Seite die traditionellen mit jedem Jahrhundert gestiegenen Ketzergrauel der christlichen Kirchengeschichte auf die andre aber die Leib und Gut verletzenden vom alten Gesetz verponten Maleficien des romischen Heidenthums sammt allem aus den Dichtern bekannten Zauberspuk desselben Diess alles verband sich zur Hexerei als einem Ganzen wahrend die fruhere Zeit nur einzelne durch Zauberei verubte Kunste oder Verbrechen gekannt hatte Eine blutige Praxis lieferte so schlagende und zahlreiche Beweise zu der damonischen Theorie die man uberdiess der Bibel und dem romischen Rechte anzupassen wusste dass bald jeder Zweifel vor der dreifachen Macht der Erfahrung der Autoritat und der Furcht verstummte und die auf jene Theorie gebauten Processe begunstigt durch die oben entwickelten Verhaltnisse bis nahe an unsere Zeit heranreichen konnten Ohne die romische Literatur ohne die eben so eigenthumliche als weitgreifende Vermittlung der kirchlichen Auffassungsweise ohne die mannichfaltigen stets sich erneuernden Nebeninteressen der in der Ausubung Betheiligten ware die Erscheinung jenes uberall gleichformigen nicht mehr nationalen sondern europaischen oder vielmehr christenheitlichen Aberglaubens eben so unbegreiflich als sie vollkommen erklarlich wird sobald man sie als das Resultat jener vereinigten Potenzen betrachtet Geschichte der Hexenprocesse 1843 7 Soldan setzte auf die Kraft der Vernunft und lehnte jede Mystifizierung ab Er betrachtete den Zauberglauben wie er in den Prozessen verhandelt wurde als eine Konstruktion der Kirche und setzte sich deshalb auch kritisch mit der Interpretation Jacob Grimms auseinander dessen Position in der Hexengeschichtsschreibung als Jacob Grimm Paradigma oder auch romantisches Paradigma bezeichnet wird Grimm sah in der Hexenverfolgung die Verdrangung einer eigenstandigen vorchristlichen germanischen Mythologie und begrundete damit eine nationale Deutung Bei ihm finden auch erstmals jene weisen Frauen Erwahnung die bei dem franzosischen Historiker Jules Michelet zum romantischen Inbegriff der Hexe wurden 8 Trivia BearbeitenDie Familie Soldan wurde von dem Giessener Mediziner Robert Sommer ausfuhrlich genealogisch untersucht 9 Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenEinzelveroffentlichungen Bearbeiten Guilielmi Theophili Soldan rerum Milesiarum commentatio prima Qua ad sollennia in Gymnasio Darmstadino diebus XXVIII XXIX et XXX Septembris peragenda invitavit Jul Frid Car Dilthey Goebel Darmstadii 1829 Geschichte der Hexenprocesse Aus den Quellen dargestellt Cotta Stuttgart u a 1843 Dreissig Jahre des Proselytismus in Sachsen und Braunschweig Mit einer Einleitung Brockhaus Leipzig 1845 Ueber den Process der Templer und die gegen ihren Orden erhobenen Beschuldigungen Leipzig 1845 Wie Navarra spanisch ward und blieb In Historisches Taschenbuch N F Bd 10 1849 S 583 737 10 Geschichte des Protestantismus in Frankreich bis zum Tode Karl s IX Band 1 Band 2 Brockhaus Leipzig 1855 Zur Geschichte der Stadt Alsfeld Giessen 1861 62 Deutsche Konigswahlen Brockhaus Leipzig 1862 Die Klosterfrage in der zweiten Kammer der Stande des Grossherzogthums Hessen Antwort auf die Offene Epistel an die Klosterfeindlichen Abgeordneten der zweiten Kammer in Darmstadt von e Priester d Dioc Mainz C W Leske Darmstadt 1863 La France et la Saint Barthelemy Ubers von Charles Schmidt Paris 1855 Bearbeitungen Bearbeiten von Heinrich Ludwig Julius Heppe Soldan s Geschichte der Hexenprozesse Cotta Stuttgart 1880 Geschichte der Hexenprozesse Nach d Orig ausg neu bearb Mit 33 zeitgenoss Abb Antaus Verlag Lubeck Leipzig 1938 von Heinrich Heppe Max Bauer Geschichte der Hexenprozesse 3 Auflage Muller Munchen 1911 Geschichte der Hexenprozesse Muller amp Kiepenheuer Hanau M 1969 Geschichte der Hexenprozesse Wiss Buchges Darmstadt 1972 Geschichte der Hexenprozesse Parkland Verlag Koln 1999 ISBN 3 88059 960 2 von Heinrich Heppe Sabine Ries Geschichte der Hexenprozesse Magnus Verlag Kettwig 1987 ISBN 3 88400 259 7 Geschichte der Hexenprozesse Vollmer Essen 1997 ISBN 3 88851 205 0 von Max Bauer Geschichte des Protestantismus in Frankreich bis zum Tode Karls IX Munchen 1911 Literatur BearbeitenJochen Lengemann MdL Hessen 1808 1996 Biographischer Index Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen Bd 14 Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Hessen Bd 48 7 Elwert Marburg 1996 ISBN 3 7708 1071 6 S 360 Klaus Dieter Rack Bernd Vielsmeier Hessische Abgeordnete 1820 1933 Biografische Nachweise fur die Erste und Zweite Kammer der Landstande des Grossherzogtums Hessen 1820 1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919 1933 Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen Bd 19 Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission NF Bd 29 Hessische Historische Kommission Darmstadt 2008 ISBN 978 3 88443 052 1 Nr 824 Hans Georg Ruppel Birgit Gross Hessische Abgeordnete 1820 1933 Biographische Nachweise fur die Landstande des Grossherzogtums Hessen 2 Kammer und den Landtag des Volksstaates Hessen Darmstadter Archivschriften Bd 5 Verlag des Historischen Vereins fur Hessen Darmstadt 1980 ISBN 3 922316 14 X S 243 Georg Winter Soldan W G In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 34 Duncker amp Humblot Leipzig 1892 S 556 f Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Wilhelm Gottlieb Soldan Quellen und Volltexte Werke von und uber Wilhelm Gottlieb Soldan in der Deutschen Digitalen Bibliothek Werke von Wilhelm Gottlieb Soldan im Projekt Gutenberg DE Soldan Wilhelm Gottlieb Hessische Biografie In Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen LAGIS Hessisches Institut fur Landesgeschichte abgerufen am 25 April 2022 Einzelnachweise Bearbeiten Die ADB gibt den 16 Januar Ruppel Gross und davon abgeleitet Lengemann und Lagis geben den 17 Januar an Kosener Korpslisten 1910 51 76 Heinrich Eduard Scriba Biographisch literarisches Lexikon der Schriftsteller des Grossherzogthums Hessen im ersten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts Leske Darmstadt 1831 1843 Wolfgang Behringer Neun Millionen Hexen Entstehung Tradition und Kritik eines popularen Mythos In Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 1998 S 671 Katarzyna Leszczynska Hexen und Germanen Das Interesse des Nationalsozialismus an der Geschichte der Hexenverfolgung transcript Bielefeld 2009 ISBN 978 3 8376 1169 4 S 155 156 Robert Zagolla Bauer Max In Gudrun Gersmann Katrin Moeller Jurgen Michael Schmidt Hrsg Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung Hexen Analysen Quellen Dokumente Directmedia Publ Berlin 2003 ISBN 3 89853 193 7 Digitale Bibliothek 93 William Monter The Historiography of European Witchcraft Progress and Prospects In Journal of Interdisciplinary History 2 1971 72 S 435 436 Wilhelm Gottlieb Soldan Geschichte der Hexenprocesse Aus den Quellen dargestellt Cotta Stuttgart u a 1843 S 488 489 Thomas Lange Hexenverfolgung im Unterricht Ein regionalgeschichtlicher Stoff im Wandel von kulturgeschichtlicher Aufklarung zum ethnologischen Lernen In Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 1995 S 403 404 Nils Freytag Hexenverfolgungen in der dt Geschichtsschreibung des 19 Jahrhunderts In Gudrun Gersmann Katrin Moeller Jurgen Michael Schmidt Hrsg Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung Hexen Analysen Quellen Dokumente Directmedia Publ Berlin 2003 ISBN 3 89853 193 7 Digitale Bibliothek 93 Leszczynska Hexen und Germanen S 156 166 Robert Sommer Familienforschung und Vererbungslehre Mit 2 Tabellen Barth Leipzig 1907 Digitalisat der Sachsischen Landesbibliothek Staats und Universitatsbibliothek Dresden Normdaten Person GND 104065095 lobid OGND AKS LCCN n88016700 VIAF 15198957 Wikipedia Personensuche Prasidenten der 2 Kammer der Landstande des Grossherzogtums Hessen Rudolf Eickemeyer Karl Christian Eigenbrodt Johann Friedrich Knapp Ernst Schenck Moritz Schmitt Jun Karl Christian Eigenbrodt Ernst Schenck Andreas von Hesse Joseph Hillebrand Martin Mohr Wilhelm Goldmann Friedrich Lotheissen Friedrich Ludwig Klipstein August Strecker Wilhelm Gottlieb Soldan Georg Buff Carl Johann Hoffmann Joseph Gorz August Kugler Hermann Weber Wilhelm Haas Heinrich KohlerLandtagsabgeordnete des Wahlbezirks Alsfeld Stadt Georg Christoph Kick 1820 1824 Wilhelm Muller 1826 1830 Georg Hopfner 1832 1833 Ernst Koch 1834 Georg Krauskopf 1834 1841 Gerhard Ramspeck 1841 1849 Karl Steinberger 1849 1850 Wilhelm Schmitt 1851 1856 Eduard Neidhardt 1856 1858 Wilhelm Eduard Hyppolite 1858 1862 Wilhelm Gottlieb Soldan 1862 1869 Karl Ferdinand Schulz 1869 Theodor Kolb 1869 1872 Werner Ramspeck 1872 1875 Julius Schulze 1875 1877 Gustav Hofmann 1877 1878 Karl Grunewald 1878 1890 Karl Gundrum 1890 1902 Heinrich Reh 1902 1918 PersonendatenNAME Soldan Wilhelm GottliebKURZBESCHREIBUNG deutscher Historiker und Landtagsabgeordneter des Grossherzogtum HessenGEBURTSDATUM 17 Mai 1803GEBURTSORT AlsfeldSTERBEDATUM 16 Januar 1869STERBEORT Giessen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wilhelm Gottlieb Soldan amp oldid 234180606