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Werner Patsch 1926 ist ein deutscher Whistleblower und ehemaliger Mitarbeiter des Bundesamtes fur Verfassungsschutz BfV Er deckte 1963 eine Abhoraffare auf 1 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Abhoraffare 2 1 Ablauf 2 2 Juristische Auseinandersetzung 2 3 Weitere Entwicklung 3 EinzelnachweiseLeben BearbeitenPatsch war Sohn eines Polizeibeamten er besuchte die Volks und Mittelschule und machte eine Ausbildung zum Anwaltsgehilfen 2 Er trat in das Bundesamt fur Verfassungsschutz ein und war dort seit 1956 Fallfuhrer Sachbearbeiter in der Gruppe Beschaffung in der fur Spionageabwehr zustandigen Abteilung IV Als Bundesbeamter bekleidete das Amt eines Regierungsinspektors 1 Patsch verliess nach der Abhoraffare 1963 den offentlichen Dienst und arbeitete seither als Programmierer in der Privatwirtschaft 1 2 Abhoraffare BearbeitenAblauf Bearbeiten Fur das Verfassungsschutzpersonal war nach 1949 eine grosse Anzahl ehemaliger Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes rekrutiert worden ein Gruppenleiter in der Abteilung IV war der ehemalige SS Hauptsturmfuhrer Regierungsrat Erich Wenger 3 der sich seiner NS Vergangenheit brustete 1 4 Patsch war an der Ausspahung von Bundesburgern beteiligt Der Verfassungsschutz arbeitete hierbei mit dem britischen und amerikanischen Geheimdienst in Deutschland zusammen und liess von diesen Informationen unter Bruch des grundgesetzlich garantierten Brief und Fernmeldegeheimnisses beschaffen Grundlage fur die Zusammenarbeit war der Deutschlandvertrag von 1955 in dem die westlichen Siegermachte der Bundesrepublik eine weitgehende aber teilweise eingeschrankte Souveranitat gewahrten Patsch hatte personlich Zweifel an seinem kriminellen Tun und offenbarte sich im Sommer 1963 dem Rechtsanwalt Josef Augstein und teilte ihm auch mit dass das Verfassungsschutzamt viele ehemalige Nationalsozialisten und SS Angehorige beschaftige Die Wochenzeitung Die Zeit berichtete Anfang September 1963 erstmals uber die verfassungswidrigen Abhorpraktiken 5 Am 19 September 1963 verliess Patsch seine Dienststelle in Koln und tauchte mit Hilfe Augsteins unter 1 Augstein ging mit den Erkenntnissen uber die Uberwachungspraktiken und mit Informationen uber die Nazi Seilschaften an die Presse In seinem Versteck gab Patsch dem Fernsehmagazin Panorama ein Interview dessen Ausstrahlung von der Bundesanwaltschaft verhindert wurde Wesentliche Inhalte des Fernseh Interviews druckte die Illustrierte Stern unter der Uberschrift P hort nicht mehr mit im Oktober 1963 5 Die Bundesregierung spielte die Abhoraffare herunter und Innenminister Hermann Hocherl erklarte dass Beamte nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen konnten 3 Die Zeit replizierte Unter diesen Verfassungsschutzern aber sind Leute die den ganzen Tag zwar nicht mit dem Grundgesetz wohl aber mit der SS Blutgruppen Tatowierung unterm Arm umherlaufen 6 Der pensionierte Richter und NS Opfer Max Silberstein wurde von Bundeskanzler Ludwig Erhard mit einer Uberprufung der Vorwurfe beauftragt 7 8 Verfassungsschutz Prasident Hubert Schrubbers kundigte seinem Angestellten am 15 Oktober 1963 fristlos Patsch klagte gegen die Entlassung vor dem Arbeitsgericht in Koln Nachdem Patsch sich der Bundesanwaltschaft gestellt hatte wurde er nicht in Untersuchungshaft genommen Im Januar 1964 wurde er vor einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages geladen Als Patsch erlauterte wie die alliierten Geheimdienstler die Telefonleitungen anloteten wurde die Sitzung zu einer nichtoffentlichen Sitzung bestimmt 5 Juristische Auseinandersetzung Bearbeiten 1965 wurde Patsch ein dreiwochiger Prozess vor dem Bundesgerichtshof gemacht Die Anklage warf Patsch vor im Jahr 1963 Unbefugten darunter Journalisten geheime Einzelheiten uber Organisation und Arbeitsweise des Verfassungsschutzes und uber bestimmte Einzelfalle mitgeteilt zu haben Patsch habe Amts und Staatsgeheimnisse vorsatzlich preisgegeben und damit das Wohl der Bundesrepublik fahrlassig verletzt 5 Der Bundesanwalt Walter Wagner argumentierte Wenn es Beamten gestattet ware unbestraft Amtsgeheimnisse an den Mann zu bringen und diese Offenbarung der Staatsgeheimnisse und diese Verletzung seiner Dienstpflicht blasphemisch zu rechtfertigen mit Gewissensnot und der Verteidigung der Grundrechte dann muss man sagen ware die Folge eine Zerstorung auch der Staatsordnung deren Erhaltung ja auch das Grundgesetz zum Ziele hat 2 Die Richter hatten zu entscheiden ob Staatsgeheimnisse auch dann zu schutzen sind wenn sie verfassungswidrige Praktiken beinhalten In der bundesrepublikanischen Rechtslehre hielten die Strafjuristen Edmund Mezger und Theodor Kleinknecht die Preisgabe eines Staatsgeheimnisses stets fur strafbar selbst wenn dieses Staatsgeheimnis verfassungswidrig ist Der Jurist Adolf Arndt postulierte dagegen Fur einen Rechtsstaat ist es schlechthin eine Selbstverstandlichkeit dass schutzwurdig einzig ein Geheimnis sein kann das nicht nur mit seiner Verfassung sondern uberhaupt mit seinem Recht in Einklang steht 9 Dem schlossen sich die Richter des 3 Strafsenates in ihrem Urteil vom 8 November 1965 in einem Kernsatz an Es gibt deshalb einen Kernbereich des Verfassungsrechts bei dessen Verletzung jeder das Recht haben muss sofort und ohne jeden Umweg die Offentlichkeit anzurufen auch wenn dies zwingend zur Preisgabe von Staats oder Amtsgeheimnissen fuhrt Insofern seien deutsche Staatsdiener aufgerufen illegale Praktiken aufzudecken Patsch wurde lediglich weil er sich nicht an den Dienstweg gehalten habe wegen vorsatzlicher Verletzung der Amtsverschwiegenheit zu vier Monaten Haft auf Bewahrung verurteilt die Bundesanwaltschaft hatte ein Jahr Gefangnis gefordert 1 Das Urteil des Bundesgerichtshofes gilt als Bruch mit der staatsautoritaren Tradition 10 Weitere Entwicklung Bearbeiten Der Deutsche Bundestag beschloss 1968 die Notstandsgesetze und schrankte den Artikel 10 des Grundgesetzes fur die Bundesrepublik Deutschland ein Die G 10 Gesetze erlauben seither die Ausspahung zum Schutze der freiheitlich demokratischen Grundordnung Auch den alliierten Geheimdiensten ist eine Ausspahung erlaubt wenn sie diese beim Verfassungsschutz oder beim Bundesnachrichtendienst anmelden Fur die Akten des Patsch Verfahrens wurde der Geheimschutz 2013 von funfzig auf sechzig Jahre ausgedehnt 1 Das Bundesamt fur Verfassungsschutz hat im Jahr 2011 ein Projekt zu seiner Organisationsgeschichte aufgesetzt unter besonderer Berucksichtigung der NS Bezuge fruherer Mitarbeiter in der Grundungsphase 11 mit dem der Historiker Constantin Goschler beauftragt wurde Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g Malte Herwig Das Gewissen Suddeutsche Zeitung 9 November 2013 S V2 9 a b c Gerhard Mauz Ein Gulliver im Land der Riesen In Der Spiegel Nr 47 1965 online 17 November 1965 a b Geheimdienst im Telefon Titelgeschichte In Der Spiegel Nr 18 1963 online 18 September 1963 Alias Name des Wenger Wolters Mitglied der Leibstandarte SS Adolf Hitler SS Mann 1944 Kampf gegen franzosische Resistance Leute in den Vogesen Wenger wurde beim Bundesamt Gruppenleiter in der Abt Spionageabwehr Quelle taz 30 Januar 2015 a b c d Peter Stahle Der Fall Patsch Die Zeit 20 August 1965 Theo Sommer Nur Abhor Amtshilfe Die Zeit vom 13 September 1963 Dominik Rigoll Staatsschutz in Westdeutschland Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr Gottingen 2013 S 179f Max Silberstein In Der Spiegel Nr 38 1966 online 12 September 1966 Kabinettsprotokoll vom 2 Oktober 1963 bei Bundesarchiv Patsch Urteil In Der Spiegel Nr 13 1966 online 21 Marz 1966 David Johst Geheime Dienste unter Freunden Verfassungsschutz lauscht mit Die Abhor Affare um den Whistleblower Werner Patsch 1963 veranderte die Rechtsprechung in der Bundesrepublik In Die Zeit 7 November 2013 S 20 Geschichtsprojekt Memento vom 20 Januar 2015 im Internet Archive bei BfV Normdaten Person GND 123364050X lobid OGND AKS VIAF 5508162181253608290002 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Patsch WernerKURZBESCHREIBUNG deutscher WhistleblowerGEBURTSDATUM 1926 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Werner Patsch amp oldid 232663525