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Die Verfassungsdebatte bei Herodot ist in den Historien des Herodot 3 80 82 ein Gesprach dreier adliger Perser uber die beste Verfassung fur ihr Land Sie fand angeblich nach dem Tod des Herrschers Kambyses II 522 v Chr und einer Besetzung des persischen Thrones durch die benachbarten Meder statt Da die Anfuhrer von sieben adligen persischen Familien den fremden Konig Smerdis auf dem eigenen Thron nicht akzeptieren wollten toteten sie ihn und berieten sich uber seine Nachfolge Nach Argumenten fur die Rechtsgleichheit aller und die Herrschaft der besten Manner durch Otanes und Megabyzos I konnte sich Dareios I mit dem Pladoyer fur die Fortfuhrung der Monarchie durchsetzen Die sich daran anschliessende Konigswahl konnte Dareios durch eine List fur sich entscheiden Die Debatte zahlt zu den in der Forschung am haufigsten betrachteten antiken Zeugnissen uber Verfassungstheorien Dabei werden besonders die von Herodot benutzten Quellen und die Beitrage der drei beteiligten Redner teils kontrovers diskutiert Umstritten war lange ob solche Reden damals in Persien moglich waren und ob fur diesen Fall Herodot den Wortlaut der Debatte wiedergegeben hat Eventuelle historische Hintergrunde werden teils mit der Behistun Inschrift in Verbindung gebracht die Dareios I wahrend seiner Herrschaft zur Erinnerung an seine Taten anfertigen liess Wahrend in der alteren Forschung teils die Ansicht vertreten wurde die Debatte sei im Kern authentisch sind sich die weitaus meisten heutigen Althistoriker einig daruber dass Herodot hier Positionen einer Debatte die zu seiner Zeit in Griechenland bzw Athen gefuhrt wurde an den persischen Hof des Jahres 522 verlegte Schon allein deshalb weil das Konzept und die Idee der Demokratie erst im Griechenland des 5 Jahrhunderts entstanden sei sei die Annahme absurd Herodot gebe hier eine tatsachlich in Persien gefuhrte Diskussion wieder Inhaltsverzeichnis 1 Rahmengeschichte nach Herodot 2 Debatte 2 1 Otanes 2 2 Megabyzos I 2 3 Dareios I 3 Argumentationsstruktur 3 1 Antilogisches Verfahren 3 2 Verfassungsverfall oder kreislauf 4 Funktion und Zweck 5 Motivation und Quellen 5 1 Griechische Quellen 5 2 Persische Quellen 6 Quellen 7 Literatur 7 1 Genutzte Literatur 7 2 Weitere zentrale Literatur 8 Weblinks 9 AnmerkungenRahmengeschichte nach Herodot Bearbeiten nbsp Das Perserreich um 500 vor Christus zur Zeit der VerfassungsdebatteHerodot bietet eine recht marchenhafte Version der Ereignisse Nachdem der persische Konig Kambyses II in Agypten einen Religionsfrevel begangen hatte 3 29 ereilte ihn ein Traum Sein von Herodot Smerdis genannter Bruder Bardiya werde seinen Thron ubernehmen Um dies zu verhindern schickte Kambyses seinen Diener Prexaspes nach Persien zuruck damit dieser seinen Bruder tote 3 30 Nach weiteren Freveltaten und Morden in seiner Familie erhielt er die Nachricht dass ein Smerdis nun auf dem persischen Thron sei 3 61 Er vermutete einen Betrug seines Dieners doch dieser verwies auf einen gleichnamigen Meder Smerdis inschriftlich Gaumata genannt der auch noch so ahnlich aussah wie Kambyses Bruder Dieser hatte zusammen mit seinem Bruder Patizeithes eine Verschworung in Persien initiiert und den persischen Thron mit den feindlichen Medern besetzt 3 62 63 Kambyses erkannte seinen Irrtum wollte in die Heimat aufbrechen und den Thron zuruckerobern starb aber durch ein Ungluck am gleichen Ort Sein eigenes Schwert hatte sich von der Scheide gelost und sein Bein todlich verletzt 3 64 Sterbend befahl er den vornehmsten Persern ihren eigenen Thron von den Medern zuruckzuerobern diese glaubten ihm aber nicht 3 65 66 Der falsche Smerdis herrschte im Verborgenen zur Zufriedenheit aller mit Ausnahme der Perser 3 67 1 Mit einer List konnte Otanes den falschen Smerdis als irrtumlichen Konig identifizieren und zog daraufhin funf Perser Gobryas Megabyzos Intaphrenes Hydarnes und Ardumanis ins Vertrauen 3 68 70 2 Zu diesen stiess noch Dareios I der sich zuvor in der laut Herodot persischen Hauptstadt Susa aufgehalten hatte 3 70 Er riet gegen Otanes Empfehlung sofort zu handeln 3 71 73 woraufhin sie versuchten Kambyses ehemaligen Diener Prexaspes auf ihre Seite zu ziehen Dieser verkundete dem Volk seinen einstigen Mord am echten Smerdis und sturzte sich in den Tod 3 74 76 Dadurch gewarnt drangen die Sieben in den Palast und toteten alle Meder 3 76 79 Seitdem so Herodot ist der 29 September 522 v Chr persischer Feiertag Nach der tyrannischen Herrschaft von Kambyses II und dem Betrug des Meders Smerdis standen laut Herodot funf Tage nach diesem Anschlag die Anfuhrer der sieben vornehmsten persischen Familien vor der Frage unter welche Verfassung sie das persische Volk stellen sollten 3 Nach Argumenten fur die Rechtsgleichheit aller 3 80 und fur die Herrschaft der besten Manner 3 81 durch Otanes und Megabyzos I konnte sich Dareios I 3 82 mit dem Pladoyer fur die Monarchie durchsetzen da die ubrigen vier Vertreter Dareios Argumenten folgten Durch diesen denkbar knappen Mehrheitsentscheid vier gegen drei wurde also beschlossen dass Persien eine Monarchie bleiben solle Von der nun anstehenden Wahl zum Monarchen trat Otanes zuruck forderte aber die Wahlberechtigung fur das gesamte persische Volk und fur sich selbst spezielle Rechte am persischen Hof 3 83 84 4 Letzteres wurde bewilligt fur die Bestimmung des Konigs aber ein anderes Verfahren angesetzt Wessen Pferd zuerst nach Aufgang der Sonne wiehert der solle Konig werden 3 84 5 Dareios Stallmeister Oibares brachte durch eine List dessen Pferd dazu als erstes zu wiehern Dies wurde noch durch einen gottgesandten Blitz bestatigt woraufhin Dareios I Konig wurde 3 85 87 Debatte BearbeitenOtanes Bearbeiten Der Perser Otanes gehorte als Schwager von Kyros II sowie als Onkel und Schwiegervater von Kambyses II zur ehemals regierenden Familie der Achaimeniden Er spricht sich zunachst gegen die in den Jahren zuvor erlebte Monarchie von Kambyses II aus die von dessen Hochmut gepragt gewesen sei Zudem hatten die Perser unter der Herrschaft des Meders Smerdis gelitten 3 80 2 Auch der beste Monarch gehe ethisch fehl handle nur nach eigenem Willen und stelle sich uber die ublichen Gesetze Ursache dafur seien der von Natur aus im Menschen angelegte Neid und die durch zu viel Macht und zu viele Guter hervorgerufene Hybris 3 80 3 4 Obwohl der Monarch ohne Neid sein musste da er selbst ja alle guten Dinge habe beneide er die anderen Guten im Lande missgonne ihnen ihr Leben und umgebe sich so lieber mit den ubelsten Personen Fur ihn kommen aber dennoch weder Lob noch Tadel in Frage da das eine Schmeichelei das andere eine Beleidigung darstelle 3 80 4 5 Schliesslich verbindet Otanes mit dem Alleinherrscher Vergewaltigung der Frauen Gesetzesfrevel und ungestraften Mord 3 80 5 Nach der ausfuhrlichen Beschreibung des Wandels auch des besten Alleinherrschers zum ublen Tyrannen 3 80 2 5 spricht sich Otanes in nur wenigen Worten fur eine Verfassung aus 3 80 6 Den erst spater von Herodot 4 137 2 6 43 3 und 6 131 1 gepragten Begriff der Demokratie der Herrschaft der Vollburger in einem Gemeinwesen erwahnt er dabei nicht 6 Doch er fordert die politische Gleichheit aller Vollburger die Isonomie denn diese habe gegenuber allen anderen den schonsten Namen 7 Aus ihr resultierten Chancengleichheit durch die Erlosung der Amter eine Vorbeugung gegenuber willkurlicher Machtausubung aufgrund der Rechenschaftspflicht der Beamten und die Entscheidung aller politisch wichtigen Dinge durch das Volk Megabyzos I Bearbeiten Nur mit wenigen Worten 3 81 1 unterstutzt der zweite Redner Megabyzos I Otanes Argumente gegen die Monarchie und verweist dabei auf die Hybris Diesen Hochmut habe aber so Megabyzos weiter auch die Volksmasse Man wurde somit vom einen zum anderen Ubel wechseln wobei das Volk das schlimmere der beiden sei da es zudem noch ungezugelt ungebildet unwissend schnell am Pobeln und ohne Verstand sei auch habe es grundsatzlich schlechte Absichten Wer also zu dieser Verfassung rate plane Ubles gegen das persische Volk 3 81 1 3 Der Alleinherrscher habe zumindest noch den fur die Regierung notigen Verstand die besten Einfalle habe aber die Gemeinschaft der besten Manner die Aristokratie Und naturlich seien die Vornehmen bestens geeignet ein solches Organ zu wahlen 3 81 3 8 Dareios I Bearbeiten nbsp Dareios auf der Perservase des Dareios Malers um 340 20 v Chr Dareios I geht nicht auf die ausfuhrlichen Vorwurfe des Otanes ein sondern folgt Megabyzos Argumentation Er setzt als Pramisse jeweils nur die bestmogliche Form der jeweiligen Varianten einer Verfassung zu betrachten 3 82 1 Demnach sei in einer Monarchie der Alleinherrscher tatsachlich der beste Mann verfuge uber die beste Einsicht und unterliege auch nicht der Kritik des Volkes nur von einer Person allein konnten Geheimnisse am besten bewahrt werden 3 82 2 Die besten Manner seien zwar wie der Monarch am Gemeinwohl interessiert wurden durch Egoismus aber zu starker Rivalitat Aufstand und Mord getrieben was nur durch einen Alleinherrscher unter Kontrolle bleibe 3 82 3 9 Bezuglich der Herrschaft des Volkes postuliert er entgegen seinem Ansatz jeweils die beste Variante zu betrachten eine Schlechtigkeit der Massen Deren Aufspaltung in grosse und miteinander rivalisierende Teile fuhre zwangslaufig zur Neuordnung durch einen Herrscher der dadurch die Bewunderung des Volkes erlange 3 82 4 Dareios beschliesst die Debatte so wie Otanes sie begonnen hat indem er auf die lehrreiche Vergangenheit verweist Schliesslich habe ein Einzelner sie seinerzeit befreit Kyros II und ausserdem musse man doch den vaterlichen Gesetzen folgen Daher musse man bei der bewahrten Herrschaft eines Mannes des Konigs bleiben 3 82 5 Die Argumentationsstrategie des Dareios ist ebenso durchschaubar wie effizient Unter der Pramisse dass die Alleinherrschaft tatsachlich die Herrschaft des absolut besten Mannes ist bedeutet jede Beteiligung anderer Menschen an der Macht automatisch die Beteiligung weniger geeigneter Menschen Argumentationsstruktur BearbeitenAntilogisches Verfahren Bearbeiten Als ein Strukturmerkmal der Verfassungsdebatte wird in der Forschung das antilogische Verfahren angesehen bei dem der eine Debattierende Argumente gegen die Argumente des Kontrahenten setzt Laut dem Schweizer Altertumswissenschaftler Heinrich Ryffel ist dieses Verfahren das unbarmherzigste wenn die Unbestandigkeit und damit der Verfall von Verfassungen dargestellt werden soll Hier habe dies eine Einleitung mit personlichem Bezug auf die gegebene Lage einen sachlich begrundenden Mittelteil und eine personlich gehaltene Abrundung oder eine fur den Nachfolger passende Uberleitung zur Folge 10 Die Uberleitung werde vom Nachfolger oftmals aber nicht aufgenommen wie schon der deutsche Philologe Helmut Apffel feststellte Megabyzos verwirft die Aussagen von Otanes nur mit dem Verweis auf den naturgegebenen Ubermut des Volkes worin ihm Dareios folgt und sieht in der Volksherrschaft schon das Schlechte an sich Dafur gebe er keine Argumente an Megabyzos Argumente fur die Herrschaft der Besten wurden dann von Dareios kaum angegriffen er nutze sie sogar fur seine eigene Argumentation da auch bei ihm der Regierende die beste Meinung habe Seine weiteren Argumente fur die Monarchie Geheimhaltung beste Sorge fur Volk und Tradition seien entweder sachlich schwer zu fassen oder von Otanes schon in anderer Richtung interpretiert Die direkten Vorganger Kambyses II und der falsche Smerdis waren fur die Perser schreckliche Tyrannen Dareios habe sich wohl aus Rucksicht auf die anwesenden adligen Perser auf die Tradition berufen 11 Auch das von Otanes dargelegte mogliche Abgleiten des guten Monarchen zum schlechten Tyrannen habe Dareios nicht weitergefuhrt seine Argumentation ende an diesem Punkt 12 Zudem vermeide Dareios als einziger der Redner das Wort Tyrann 13 Umstritten ist in der Forschung wie Dareios Pramisse gute Verfassungen zu betrachten interpretiert werden soll Schliesslich musste es dann auch eine von Dareios ubergangene schlechte Form der Monarchie geben wie Otanes sie ja beschrieben hatte Dies werde uberdeckt durch die gelehrte Ausdrucksweise und durch den Verzicht auf den Potentialis Moglichkeitsfall den seine Kontrahenten verwendeten 14 Verfassungsverfall oder kreislauf Bearbeiten Ryffel sah in der Verfassungsdebatte einen Kreislauf bei dem auf die eine Verfassungsform zwangslaufig die andere folge So entstunden aus den Herrschaften der Besten und der politisch gleichgestellten Burger jeweils tyrannische Monarchien 15 Der deutsche Althistoriker Klaus Bringmann widerspricht dem da bei Dareios alles nur auf die Monarchie zusteuere das Volk den Monarchen bewundere bzw der Monarch selbst die Streitigkeiten der Besten beende Somit lage kein Wechsel sondern eher ein Verfall vor Dieser sei auch bei Otanes Argumentation zu finden da bei diesem der gute Monarch aufgrund seines naturlichen Neids und wegen des durch viele Besitztumer hervorgebrachten Hochmuts zum ublen Tyrannen werde 16 Ryffel sah nur Letzteres gegeben und vermutete deshalb eine Veranderung der Theorie des Verfassungsverfalls zu der eines Verfassungswechsels Anders erklarte Altheim diese Problematik Herodot sei dazu gezwungen worden die Argumente in eine lineare Struktur zu bringen 17 In jedem Falle so Ryffel weiter werde von allen drei Gesprachspartnern die Vortrefflichkeit der Verfassung nur aus Sicht der Regierenden geschildert Inwiefern die jeweilige Verfassung fur die Regierten am besten sei darauf gingen die Redner nicht ein Auch andere Einflusse wie Geld Reichtum oder externe Einflusse spielten keine Rolle auch wenn Herodot an anderen Stellen seines Werkes auf sie eingeht 18 Funktion und Zweck BearbeitenFunktion und Zweck der Debatte innerhalb der Historien sind in der Forschung umstritten Einerseits sehen Apffel und Gottwein eine gewunschte Kontrastierung von Griechen gegenuber Nichtgriechen und damit eine mogliche Vorwegnahme der Perserkriege Dann ware die Funktion dieser Debatte im Werk so Apffel ein griechisches Uberlegenheitsgefuhl gegenuber den Nichtgriechen zu kritisieren Die Passage habe somit eine erzieherische Absicht die sich besonders in Otanes isolierter Stellung in der Debatte und seinem spateren Ruckzug aus den politischen Funktionen zeige 19 Bringmann sieht hingegen Dareios durch seine Argumentation von Herodot treffend charakterisiert Er soll als entschlossener von keinerlei Skrupeln gehemmter Machtmensch und Volksverfuhrer gezeigt werden der die schlechtere Sache mit dem Ziele der Alleinherrschaft zur besseren mache und dabei eine historische Gelegenheit gut nutze 20 Dabei seien ihm auch Lugen recht da Otanes die letztlich besseren Argumente bringe und Dareios nur durch die Einfuhrung einer zusatzlichen Pramisse die ubrigen Perser uberzeugen konne 21 Laut dem Althistoriker Alexander Demandt folgen die Perser bei Herodot nur deshalb Dareios Worten weil die tatsachliche Geschichte dies notwendigerweise verlangte da Dareios I nun einmal Konig Persiens wurde 22 Motivation und Quellen BearbeitenNoch umstrittener als der Zweck der Verfassungsdebatte sind ihre Motivation und die von Herodot verwendeten Quellen Apffel war der Ansicht dass Dareios Thronbesteigung eine gunstige Gelegenheit fur eine solche Debatte war und dass Herodots Gewahrsleute ihm wirklich Material geboten haben das er im Sinne einer Verfassungsdebatte verstehen oder verwenden konnte wenn nicht sogar musste 23 Bereits Wust sprach Herodot einen bedeutenden Eigenanteil zu da er wohl erfahren habe dass ein Perser gegen die Alleinherrschaft gesprochen habe daraufhin habe er die Debatte geformt 24 Zeitlich wird das Gedankengut der Debatte unterschiedlich eingeordnet Gottwein legt sich auf 480 vor Christus fest da Otanes eine Demokratie empfiehlt wie sie im Athen dieser Jahre zu finden gewesen sei laut Bringmann kann sie hingegen nicht vor der Mitte des 5 Jahrhunderts vor Christus verschriftlicht worden sein 25 Argumente dafur seien dass erst nach 462 1 vor Christus mit Perikles in der entwickelten Attischen Demokratie ein Einzelner dem Volk vorstand Auch Wust vermutet dass Herodot solch einen aus dem Volk hervorgegangenen Anfuhrer gekannt haben musste um die Verfassungsdebatte so schreiben zu konnen Apffel widerspricht dem Bezug auf Perikles da bei Herodot der Anfuhrer sich zum Tyrannen weiterentwickelte was nicht auf Perikles sondern hochstens auf Peisistratos zutrafe 26 Griechische Quellen Bearbeiten Fur Ryffel ist Herodots Darstellung die erste eine ausgebaute Theorie verratende und fur uns heute noch greifbare Erlauterung von Verfassungstheorien auch wenn der Athener Solon die drei Formen schon angesprochen hatte 27 Diese Dreiteilung wurde daraufhin kanonisch und ist laut Apffel schon in Pindars zweiter Pythischer Ode 2 86 ff als bekannt vorauszusetzen 28 Als direkte Quellen ist laut dem russischen Altertumswissenschaftler Wassili Wassiljewitsch Struwe nicht Herodots geschichtsschreibender Vorganger Hekataios von Milet Vorbild fur diese Debatte auch attische Vorbilder sind wegen der wenigen Formen im attischen Griechisch laut Schulz unwahrscheinlich 29 Schroder vermutet dass Themen der epitaphischen Reden Grabrede darunter zu finden sind die chronologisch durch Aischylos Die Perser und Euripides Die Hilfeflehenden umrahmt seien Und so bietet laut Ryffel generell die Rede am Grabmal Gelegenheit zur Entwicklung von Verfassungsreflexionen 30 Apffel sah eher medizinische Schriften von Herodot verarbeitet darunter vor allem die hippokratische Schrift Uber die Umwelt Dabei sei Herodot entweder unwillkurlich in den wissenschaftlichen Stil seiner Zeit verfallen oder habe aus fertigen Formulierungen Inhalte ubernommen Diese seien vor allem in Otanes Rede zu finden 31 Sophistik Besonders haufig wird in der Forschung ein Bezug zur Sophistik einer geistigen Stromung des 5 Jahrhunderts vor Christus vermutet So ist laut Ryffel die geistige Heimat fur Herodots Verfassungsdebatte beim Sophisten Protagoras zu finden Da die schriftliche Uberlieferung fur diesen aber nur sparlich und vornehmlich bei dem nach Herodot schreibenden Philosophen Platon zu finden ist ist er laut Ryffel als direkte Quelle fraglich Jedenfalls identifizierte sich Herodot nicht ganzlich mit den Sophisten sondern wurde nur von ihnen beeinflusst 32 Fur Demandt ist denn auch unklar ob Herodot dieses fruheste Dokument sophistischer Staatstheorie von einem Sophisten ubernommen oder selbst in sophistischer Weise verfasst hat 33 Ryffel meint Herodot habe die Grundsatze einer von Sophisten stammenden Verfassungskritik in sein Werk eingearbeitet Das erwahnte regelmassige Umschlagen der Verfassungsformen sei dann bald Thema der Beratungsrede geworden 34 Pohlenz und Howald nehmen dagegen eine bereits ausgepragte sophistischem Einfluss widerstehende Eigenstandigkeit Herodots an 35 Auch Apffel befasste sich in seiner Dissertation zu diesem Thema ausfuhrlich mit moglichen sophistischen Formulierungen bei Herodot fand aber nicht viel und das Wenige auf Dareios Rede vom Verfassungsverfall beschrankt Dies aber interpretierte er als indirekte Kritik an den Sophisten Des Weiteren fuhrte er sprachliche Argumente gegen einen sophistischen Einfluss an 36 Persische Quellen Bearbeiten nbsp Die Behistun Inschrift moglicherweise eine Quelle fur Herodots VerfassungsdebatteAuch persische Quellen wurden insbesondere von der alteren Forschung die weniger kritisch im Umgang mit Herodot war in Erwagung gezogen So berichtet Herodot im Umfeld der Verfassungsdebatte 3 87 von persischen Gewahrsleuten die ihm zur Erlangung des persischen Thrones durch Dareios unterschiedliche Geschichten erzahlt haben Dies brachte den deutschen Klassischen Philologen Felix Jacoby dazu auch fur die Verfassungsdebatte selbst persische Quellen als moglich wenn auch nicht allzu wahrscheinlich zu erachten Argumente dafur sieht er im Anfang der Verfassungsdebatte und in einem Hinweis bei Herodot 6 43 37 Am Beginn der Debatte weist Herodot darauf hin dass die nun folgenden Reden manchen Griechen wenig vertrauenswurdig erscheinen konnten dass sie aber dennoch so gehalten wurden Laut Demandt gibt Herodot damit zu die Argumentation in persische Munder zu legen da nichts darauf hindeute dass in Persien eine solche Problematik diskutiert wurde Auch Bringmann warnt davor persische Quellen anzunehmen da Gedanken uber innergesellschaftlichen Frieden und uber eine von mehreren Personen ausgeubte Herrschaft nur bei den Griechen zu finden seien und die Perser diese nicht ubernommen hatten 38 Apffel merkte an dass Herodot sich hier im Gegensatz zu vielen anderen Stellen nicht hinter anonymen Gewahrsleuten versteckt sondern explizit seine Quellen nennt um Vertrauen in diese darzulegen Fur den deutschen Philologen Heinrich Stein konnte diese Erklarung auch gegen mogliche Einspruche des Athener Publikums bei Herodots Vorlesungen seines Werkes sprechen Apffel dachte da vornehmlich an Sophisten 39 In Herodot 6 43 nimmt der Autor Bezug auf die Verfassungsdebatte Auch dort verweist er darauf dass manche Griechen seinen Ausfuhrungen uber Otanes Argumente fur ein gleiches Recht aller persischen Burger nicht glauben wollten Dabei habe allerdings der persische Feldherr Mardonios die Tyrannen in den ionischen Stadten abgesetzt und Demokratien eingerichtet Laut Bringmann ist diese Information aber nicht relevant fur die Verfassungsdebatte da die Perser jeweils die Verfassungsform einsetzten die sich der persischen Vorherrschaft am besten einfugte Schon Apffel hatte angemerkt dass Ionien ja ein griechisch gepragtes Land war sodass Demokratien dort nicht unmoglich waren Herodots Hinweis darauf dass man den scheinbar sophistischen Reden in der Verfassungsdebatte nicht glauben wollte scheint Apffel eher ein Argument dafur gewesen zu sein dass sie eben nicht sophistisch gepragt sind 40 nbsp Die zweite Grabinschrift von Naqsch e Rostam zeigt rechts Dareios I auf einem Pferd darunter den besiegten falschen Smerdis GaumataDaruber hinaus wurde von einigen Wissenschaftlern ein Bezug zur persischen Behistun Inschrift hergestellt da auch diese einige Aspekte der Verfassungsdebatte enthalt So wird auch dort ein falscher Smerdis auf dem persischen Thron angegeben der sich als Bruder des Kambyses ausgab Der deutsche Altertumswissenschaftler Hans Wilhelm Haussig vermutet dass der echte Smerdis nach Kambyses Tod oder schon wahrend dessen Zug nach Agypten unter Mithilfe der Mager Konig wurde Dareios uberwaltigte ihn zunachst und versuchte dann im Nachhinein diesen Gewaltakt damit zu entschuldigen dass dies ja ein falscher Smerdis gewesen sei Herodot habe diesbezuglich eine geschonte Fassung als Quelle genutzt 41 Fur Struwe ist ausserdem die zweite Grabinschrift des Dareios von Naqsch e Rostam eine Hauptquelle fur die Verfassungsdebatte Dort betont Dareios ebenso wie bei Herodot dass es nicht sein Wunsch sei dass der Angesehene wegen des einfachen Mannes Schlechtes ertragen muss Zudem sei er mit fleissigen Menschen und einer gut gelenkten Ordnung zufrieden Damit konne so Struwe die Verfallstheorie des Otanes widerlegt werden 42 Auch Apffel sah vor allem in den Reden von Megabyzos und Dareios Elemente persischer Herkunft Fur ihn gab es drei Moglichkeiten dafur dass Herodots Informationen mit den persischen Quellen zum Teil ubereinstimmen Entweder kannte er sie direkt oder er nutzte einen anderen darauf bezogenen persischen Text oder die Inschriften sind aufgrund einer tatsachlichen Debatte entstanden auf die auch Herodot zuruckgriff 43 Quellen BearbeitenHerodot Historien besonders die Bucher 3 29 bis 3 88 Behistun Inschrift Literatur BearbeitenGenutzte Literatur Bearbeiten Helmut Apffel Die Verfassungsdebatte bei Herodot 3 80 82 Erlangen 1957 Erlangen Universitat Dissertation 1957 abgedruckt in Die Verfassungsdebatte bei Herodot Helmut Apffel and Politisches Denken bei Herodot Arno Press New York NY 1979 ISBN 0 405 11574 1 separate Zahlung Klaus Bringmann Die Verfassungsdebatte bei Herodot 3 80 82 und Dareios Aufstieg zur Konigsherrschaft In Hermes Bd 104 Heft 3 1976 S 266 279 Alexander Demandt Der Idealstaat Die politischen Theorien der Antike 3 durchgesehene Auflage Bohlau Koln u a 2000 ISBN 3 412 09899 X S 10 und 48 49 Hans W Haussig In Herodot Historien Kroners Taschenausgabe Bd 224 Ubersetzt von August Horneffer Neu herausgegeben und erlautert von Hans W Haussig Mit einer Einleitung von Walter F Otto Deutsche Gesamtausgabe 4 Auflage Kroner Stuttgart 1971 ISBN 3 520 22404 6 S 674 677 Alfons Huber Die Verfassungsdebatte bei Herodot III 80 82 als ein Beitrag zur Politischen Bildung In Anregung Bd 23 Nr 3 1977 ISSN 0402 5563 S 163 172 Felix Jacoby Herodot In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Supplementband II Stuttgart 1913 Sp 429 f Heinrich Ryffel METABOLH POLITEIWN Metabole politeiōn Der Wandel der Staatsverfassungen Untersuchungen zu einem Problem der griechischen Staatstheorie Paul Haupt Bern 1949 besonders S 34 35 63 73 und 238 23 Bern Universitat Dissertation 1946 Nachdruck Arno Press New York 1973 ISBN 0 405 04800 9 Wolfgang Stammler In Herodot Neun Bucher der Geschichte Nach der Ubersetzung von Heinrich Stein bearbeitet und erganzt von Wolfgang Stammler Magnus Verlag Essen 2006 ISBN 3 88400 003 9 S 568 572 Heinrich Stein Hrsg Historiae Herodotos Band 2 4 verbesserte Auflage Weidmann Berlin 1893 S 89 95 Ausgabe 1869 online verfugbar Weitere zentrale Literatur Bearbeiten Fritz Gschnitzer Die Sieben Perser und das Konigtum des Dareios Ein Beitrag zur Achaimenidengeschichte und zur Herodotanalyse Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Philosophisch Historische Klasse Jg 1977 Abh 3 Carl Winter Universitatsverlag Heidelberg 1977 ISBN 3 533 02598 5 Jacqueline de Romilly Le classement des constitutions d Herodote a Aristote In Revue des Etudes Grecques Bd 72 1959 ISSN 0035 2039 S 81 99 Digitalisat Jacqueline de Romilly Histoire et philosophie Naissance de la philosophie politique en Grece In Diogene Revue trimestrielle Publiee sous les auspices du Conseil International de la Philosophie et des Sciences Humaines et avec l aide de l Unesco Bd 88 1974 ISSN 0419 1633 S 66 85 David Stockton The classical Athenian democracy Oxford University Press Oxford u a 1990 ISBN 0 19 872136 6 S 166 f Karl Wust Politisches Denken bei Herodot Dissertationsdruckerei und Verlag Konrad Triltsch Wurzburg 1935 S 47 ff Munchen Universitat Dissertation 1935 dort wie auch bei Apffel 1958 S 6 7 und 9 23 und Bringmann 1976 Anmerkungen 2 und 3 weiterfuhrende Bibliographien Weblinks BearbeitenHerodots Verfassungsdebatte bei gottwein de deutsch Herodots Verfassungsdebatte bei freidenker cc deutsch Anmerkungen Bearbeiten Vergleiche Apffel 1958 S 81 laut Behistun Inschrift 11 und 13 versuchte der reale Smerdis den Feudaladel zu schwachen Die von Dareios I angefertigte Behistun Inschrift besagt anderes Es war niemand weder ein Perser noch ein Meder noch jemand von unserer Familie der dem Mager Gaumata also dem falschen Smerdis das Reich entrissen hatte Das Volk furchtete ihn wegen seiner Grausamkeit er konnte viele Leute toten die den fruheren Bardiya gekannt hatten deswegen wurde er die Leute toten damit man nicht erkenne dass ich nicht der Bardiya der Sohn des Kuru bin Niemand wagte es etwas uber den Mager Gaumata zu reden bis ich kam zitiert nach Apffel 1958 Die ubrigen Tage sollen laut Ryffel 1949 S 63 die in Persien ubliche Gesetzlosigkeit geherrscht haben Dies ist laut Bringmann 1976 S 269 271 ein ungriechisches Verhalten was Apffel 1957 S 73 f als Reaktion auf die Niederlage in der Debatte interpretierte Otanes wolle dennoch nicht sich ganzlich Dareios unterwerfen Anders Polyainos Strategemata VII 10 Flavius Josephus antiquitates Iudaicae XI 31 die von einer Wahl des Konigs sprechen Vergleiche Apffel 1957 S 73 f Laut Ryffel 1949 Anmerkung 172 war die Isonomie auch in Athen vorherrschend der Gedanke der Gleichheit vor dem Gesetz sei schon bei Protagoras zu finden werde von Herodot aber weitergebildet siehe Ryffel 1949 Anmerkung 209 Laut Bringmann 1976 S 270 272 argumentiert Megabyzos nicht fur eine Aristokratie sondern fur eine Oligarchie vom Demos entmachteter Adliger in die die Vorzuglichsten hineingewahlt werden Es gebe somit auch demokratische Zuge in dieser Rede Laut Bringmann 1976 S 274 gab es solche Aufstande zwischen verschiedenen Gruppen von Adligen diese wurden aber nicht ausschliesslich von guten Monarchen dann beendet Ryffel 1949 S 64 Er verlasst damit laut Stein 41893 S 95 den Boden sonst hellenischer Anschauungen und Verhaltnisse Vergleiche Apffel 1957 S 59 f und weitere Vergleiche Ryffel 1949 S 239 Ryffel 1949 S 65 f Ryffel 1949 S 68 f und weitere Bringmann 1976 S 273 Franz Altheim Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum 1950 Vergleiche Herodot Historien 5 91 93 auf externe Ursachen geht zuerst Aristoteles in seiner Politik 1307b19 ff ein Apffel 1957 S 274 und weitere Gottwein http www gottwein de Grie herod hdt03082 php aufgerufen am 28 November 2010 Bringmann 1976 S 267 ff siehe auch Apffel 1957 S 86 und Gottwein http www gottwein de Grie herod hdt03082 php aufgerufen am 28 November 2010 ganz anders die Behistun Inschrift Es kundet Konig Darejawōs Nur darum halfen mir Ōmazda und samtliche Gotter des Alls weil kein Gefolgsmann des Bosen ich war weil kein Gefolgsmann des Truges ich war weil keine Gewalttat ich je getan nicht ich noch meine Sippe je zitiert nach der deutschen Ubertragung 1938 von L W King R C Thompson The sculptures and inscription of Darius the Great on the rock of Behistun in Persia London 1907 Apffel 1957 S 84 f Demandt 2000 S 49 Apffel 1957 S 74 Wust 1935 S 50 ff Gottwein http www gottwein de Grie herod hdt03080 4 php aufgerufen am 28 November 2010 Bringmann 1976 S 267 269 vergleiche Henning Ottmann Geschichte des politischen Denkens Von den Anfangen bei den Griechen bis auf unsere Zeit Band 1 Die Griechen Teilband 1 Von Homer bis Sokrates Stuttgart Weimar 2001 S 132 Bringmann 1976 S 274 f Wust 1935 S 55 Apffel 1957 S 64 f Ryffel 1949 Anm 71 Vergleiche Pindar Pythische Oden 11 53 ff Wassili Wassiljewitsch Struwe Gerodot i politiceskie tecenija v Persii epochi Darija I Vestnik Drevnej Istorii Moskau 1928 S 25 ff Erwin Schulz Die Reden im Herodot Dissertation Greifswald 1933 gegen Wolf Aly Volksmarchen Sage und Novelle bei Herodot und seinen Zeitgenossen 1921 S 105 ff Ryffel 1949 S 4 f mit Anmerkung 14 vergleiche Apffel 1957 S 10 und Leo Weber Solon und die Schopfung der attischen Grabrede Frankfurt am Main 1935 S 54 Zuvor hatte schon Wilhelm Nestle Vom Mythos zum Logos die Selbstentfaltung des griechischen Denkens von Homer bis auf die Sophistik und Sokrates Stuttgart 1940 S 508 509 513 gezeigt dass Herodot Interesse an Medizin hatte auch wenn das nur Beiwerk war Ryffel 1949 S 34 35 63 64 73 Demandt 2001 S 48 f Ryffel 1949 S 247 vergleiche Apffel 1957 S 9 23 und Bringmann 1976 Anmerkung 2 Max Pohlenz Herodot Der erste Geschichtsschreiber des Abendlandes Leipzig Berlin 1937 Ernst Howald Vom Geist antiker Geschichtsschreibung Munchen Berlin 1944 S 39 f Apffel 1957 passim vor allem S 47 89 90 Jacoby 1913 passim fur weitere Literatur siehe Bringmann 1976 Anmerkung 3 Demandt 2000 S 48 Bringmann 1976 S 266 268 Apffel 1957 S 37 38 75 Stein 41893 S 89 Bringmann 1976 S 286 Apffel 1957 S 75 77 Haussig in Herodot 2006 S 674 ahnlich Franz Altheim Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum I Halle 1948 Wassili Wassiljewitsch Struwe Gerodot i politiceskie tecenija v Persii epochi Darija I Vestnik Drevnej Istorii Moskau 1928 S 25 ff Vergleiche Herodot 1 132 nbsp Dieser Artikel wurde am 6 April 2011 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verfassungsdebatte bei Herodot amp oldid 230370380