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Das Kalksteingebirge Ṭur ʿAbdin syrisch aramaisch ܛܘܪ ܥܒܕܝܢ Berg der Knechte Gottes liegt in Nordmesopotamien am Oberlauf des Tigris im Sudosten der heutigen Turkei Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Name 3 Geschichte 3 1 Akkadier Assyrer und Perser 3 2 Romisches Reich und Byzanz 3 3 Neuzeit 4 Gegenwart 5 Kirchen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLage BearbeitenIm Suden bei Mardin fallt der Gebirgsstock steil zur mesopotamischen Ebene hin ab Der Tigrisdurchbruch bildet die ostliche Grenze und im Norden grenzt der Tur Abdin an die Ebene von Diyarbakir Die Westgrenze ist schlecht definiert und wird ungefahr durch das Vulkanmassiv des Karacadag gebildet nbsp Blick vom Tur Abdin nach Sudwesten uber die mesopotamische EbeneDer Tur Abdin ist uberwiegend eher hugelig denn als eigentliches Gebirge ausgebildet und wirkt eher wie eine Hochebene Eine Ausnahme bildet der Steilabfall bei Mardin Er wird von einigen fruchtbaren Talern durchzogen etwa das Tal von Gercus Das Gebirge war fruher dicht bewaldet Karsthaltige Boden bilden die uberwiegende Bodenbeschaffenheit Sie sorgen dafur dass die im Winter und Fruhjahr zahlreich auftretenden Niederschlage durchsickern sodass der Boden im Sommer trocken ist und mit grossem Aufwand kunstlich bewassert werden muss Siehe auch Mardin SchwelleName BearbeitenDer akkadische Name des Tur Abdin lautete vermutlich Nawar In assyrischer Zeit hiess es Ka s siari KURka si a ri ḪUR SAG ka si ya ra ḪUR SAG ga si ya ar ri und bildete eine eigene Provinz Versuche den Namen auf den Stamm der Kaska zuruckzufuhren 1 werden allgemein abgelehnt 2 Der Name Kaschiari scheint auch das Gebiet westlich des eigentlichen Gebirges also die Gegend von Harran umfasst zu haben zumindest zur Zeit Adad nirari II Das Gebiet um Mardin hiess auch Iṣalla der Begriff bezeichnete jedoch vermutlich vor allem den Karaca Dag Unter Assurnasirpal war ein Teil des Gebirges als KURNerebu bekannt seine genaue Lage ist jedoch umstritten Der griechische Name lautete Masios oros Strabon Geographika 16 1 23 einige vermuten hier eine Ableitung vom aramaischen Masch Wahrscheinlicher ist jedoch eine Ableitung vom akkadisch sumerischen Mush Mash Schlange Im Schopfungsmythos Enuma elis betrachteten Assyrer und Babylonier die Gebirge zwischen Zagros und Taurus als Manifestation von Tiamat die im Aufstand gegen die Gotter von Marduk erschlagen und gespalten wurde danach warf er ihren Korper auf den Boden So wurden die Gebirge erschaffen Vermutlich wurden ursprunglich alle Gebirge so bezeichnet bevor sie nach und nach neue Namen bekamen Das Gebiet gehorte zu Mygdonien Strabo zahlt folgende Stadte auf die am Fusse des Masios lagen Tigranocerta Carrhae Nikephorum Chordiraza und Sinnaka Das Gebiet um Mardin trug in romischer und byzantinischer Zeit auch den Namen Izalla vermutlich abgeleitet von der assyrischen Landschaft Iṣalla deren Zentrum jedoch weiter westlich lag Geschichte BearbeitenAkkadier Assyrer und Perser Bearbeiten Vermutlich uberschritt bereits der akkadische Herrscher Naram Sin das Gebirge Es wird auch angenommen dass die altassyrischen Handelsrouten nach Anatolien uber das Gebirge fuhrten Die alteste Erwahnung des Tur Abdin findet sich in einer Keilschrifturkunde aus Bogazkoy die von dem Verlust eines silbernen Gefasses a ga nu KU Babbar im Kaschiarigebirge handelt Der Vertrag zwischen dem hethitischen Grosskonig Suppiluliuma I und Tette von Nuḫasse erwahnt das Gebirge KBo I 4 Als Bewohner des Tur Abdin werden seit dem 14 Jahrhundert v Chr die Aramaer erwahnt assyrische Keilschrifttexte Das Gebirge wurde erstmals von Adad nirari I und Salmanu asared I erobert Das Gebirge war fur die Assyrer vor allem von militarischer Bedeutung da seine Kontrolle den Zugang zu den Kupfervorkommen von Ergani und der fruchtbaren Ebene von Diyarbakir sicherte Feldzugsberichte von Tukulti Ninurta I Tiglat Pilesar I Assur bel kala Tukulti Ninurta II Adad nirari II Assurnaṣirpal II und Salmanu asared II erwahnen eine Uberschreitung Angaben zur genauen Route fehlen meist Tiglat Pilesar I berichtet aus seinem 3 palu 3 Ich betete zu Assur und den grossen Gottern meinen Herren Ich bestieg den Berg Kasiari Assurnaṣirpal I beschreibt auf der Seite D des weissen Obelisken wie er einen Aufstand bestraft Ich erhob eine Fackel ich marschierte rasch in die Kasiariberge und zog gegen jene Stadte Wahrend der Nacht umzingelte ich sie und bei Sonnenaufgang kampfte ich gegen zahlreiche Streitwagen und Fusstruppen und fugte ihnen schwere Verluste zu Ich eroberte die Stadt Amlattu die Stadt Saburam die Stadt Ruzidak die Stadt Bugu die Stadt Ustu aufruhrerische Stadte im Land der Dannuna ich zundete sie an 4 In der Zeit Assurbanipals gab es im Tur Abdin Weinanbau 5 Wein gehorte zum Tribut an Assyrien und wurde hier noch im 19 Jahrhundert angebaut Im 6 Jahrhundert v Chr fiel der Tur Abdin zusammen mit dem ubrigen Mesopotamien an die persischen Achaimeniden die zuvor die Meder und das Neubabylonische Reich besiegt hatten Sie kontrollierten das Gebiet bis Alexander der Grosse ihr Reich 330 v Chr eroberte Anschliessend beherrschten die makedonischen Seleukiden die Region Romisches Reich und Byzanz Bearbeiten Seit dem 2 Jahrhundert v Chr befand sich Nordmesopotamien unter der direkten oder indirekten Herrschaft der iranischen Parther die wiederholt Kriege gegen die Romer fuhrten die hier im Verlauf des 2 Jahrhunderts n Chr zunehmend an Einfluss gewannen Spatestens seit Kaiser Septimius Severus gehorte der Tur Abdin als Teil der romischen Provinz Mesopotamia zum Imperium Romanum nbsp Im Tur AbdinDie Bewohner des Tur Abdin sollen laut spaterer Uberlieferungen bereits im 1 Jahrhundert von den Aposteln Thomas und Thaddaus zum Christentum bekehrt worden sein Sicher nachweisbar ist das Christentum hier allerdings erst in der Spatantike Den damals gegrundeten zahlreichen Klostern und Kirchen verdankt das Gebiet seinen heutigen Namen Vom 4 bis 7 Jahrhundert bildete der Tur Abdin die Grenze zwischen Ostrom und dem persischen Reich der Sassaniden der Nachfolger der Parther das Gebirge bildete eine Art Vorposten des Ostromischen Reiches 6 Wahrend die Eroberung durch die Araber nach 640 zunachst das Ende der Verfolgung durch die ostromisch byzantinischen Reichskirche bedeutete verschlechterte sich die Lage der indigenen syrischen Christen nach dem Sieg der Seldschuken in der Schlacht bei Manzikert 1071 Der Tur Abdin wurde von Timur Lenk um 1400 massiv geplundert viele Kloster und Siedlungen wurden zerstort 7 Neuzeit Bearbeiten Seit dem Spatmittelalter gehorte der Tur Abdin zum Osmanischen Reich Besonders im 19 und 20 Jahrhundert kam es zu Massakern an den syrischen Christen auch bekannt als Aramaer Assyrer oder Chaldaer durch die osmanisch turkische Armee und kurdische Familienclans verstarkt im Jahr des Schwertes 1915 als viele historische und jahrhunderte alte christliche Dorfer durch Vertreibung und Ermordung der Bewohner entvolkert wurden 8 9 Noch um 1970 lebten dennoch zahlreiche Suroye Suryoye im Tur Abdin Suroye Suryoye ist die eigensprachliche Bezeichnung der syrischen Christen 10 Wahrend der letzten Jahrzehnte fand aber ein massiver Exodus der Aramaer Assyrer nach Syrien in den Libanon in den Irak nach Nordamerika Australien und insbesondere West Europa Deutschland Niederlande Schweiz statt Heute leben im Tur Abdin darum nur noch etwa 4 000 11 syrisch orthodoxe Christen die vielfach der sozialen Elite angehoren und zum Beispiel als Silberschmiede und Arzte tatig sind Ausgewanderte Glaubensbruder unterstutzen die Daheimgebliebenen inzwischen massiv finanziell sodass in den letzten Jahren viele Kirchen und Kloster aufwendig restauriert werden konnten Der Fortbestand der christlichen Gemeinden im Tur Abdin ist derzeit dennoch bedroht Gegenwart BearbeitenDie Aramaer Assyrer im Tur Abdin verwenden die klassisch syrische Hochsprache als Kirchensprache im Gottesdienst sprechen als Muttersprache jedoch einen nordostaramaischen Dialekt der Turoyo Berg Dialekt genannt wird 12 Weil die meisten Sprecher aus der Region Tur Abdin vertrieben wurden und modernes Syrisch Surayt Turoyo in den Landern der aramaischen assyrischen Diaspora einen sehr geringen Status hat weshalb nicht alle Nachkommen der Auswanderer die Sprache ihren Kindern beibringen und weil Ṭuroyo im Gegensatz zur Sakralsprache eine schriftlose Sprache ist und daher kaum schulisch vermittelt werden kann gilt ihr Fortbestehen als bedroht 13 Die Bevolkerungsmehrheit im Tur Abdin wird heute von Kurden gebildet hinzu kommen Araber und Turken Die folgenden Orte werden noch zum Teil oder vollstandig von syrisch orthodoxen Christen bewohnt nbsp Kloster und Orte im Tur AbdinAnhel turkisch Yemisli Arbo turkisch Taskoy Arkah turkisch Uckoy Arnas turkisch Baglarbasi Aynwardo turkisch Gulgoze Beth Debe Badibe turkisch Dibek Beth Kustan Bequsyone turkisch Alagoz Beth Sbirino Bsorino turkisch Haberli Beth Zabday turkisch Idil arabisch Azech kurdisch Ezech Dayro da Slibo turkisch Catalcam Hah turkisch Anitli Hrabemishka Harbtho turkisch Dagici Hapsis turkisch Mercimekli Kafro Helayto turkisch Arica Kafro Tahtayto turkisch Elbegendi Karboran turkisch Dargecit Kfarze turkisch Altintas Marbobo turkisch Gunyurdu Midin turkisch Ogunduk Midyat Mizizah turkisch Dogancay Qartmin turkisch Yayvantepe Salah turkisch Baristepe Sare turkisch Sarikoy Kirchen Bearbeiten nbsp Kloster Mor HananyoZu den altesten noch heute bestehenden Klostern gehort Mor Gabriel eine Grundung aus dem spaten 4 Jahrhundert sowie das Kloster Zafaran Mor Hananyo aus dem 5 Jahrhundert das fur Jahrhunderte auch Sitz des Patriarchen bzw Gegenpatriarchen der Jakobiten war Beide Kloster sind bis heute Bischofssitze der Syrisch orthodoxen Kirche Im Kloster Mor Gabriel residiert Mor Timotheos Samuel Aktas der Metropolit der syrisch orthodoxen Diozese von Tur Abdin und in Mor Hananyo residiert Mor Filuksinos Saliba Ozmen der Bischof von Mardin 14 Weitere noch genutzte Kloster sind Mor Malke und das Mutter Gottes Kloster in Hah Bedeutend ist auch das Jakobskloster Mor Yakob in Salah das von 1364 bis 1839 Sitz des Gegenpatriarchen im Tur Abdin war nbsp Die Mutter Gottes Kirche in HahDer Bischofssitz der ersten Diozese des Tur Abdin war Hah damals die Metropole vom Tur Abdin und angeblich zudem eine alte Konigsstadt Hier befindet sich bis heute auch die kleine aber beruhmte Mutter Gottes Kirche die frommen Legenden zufolge von den heiligen drei Konigen erbaut worden sein soll und den Christen der Region daher als die alteste Kirche der Welt gilt tatsachlich stammt der Bau aus der Spatantike Trotz aller Massaker und Zerstorungen blieben einige wertvolle Handschriften erhalten die in den Klostern des Tur Abdin entstanden und sich heute zum Teil in west und mitteleuropaischen Bibliotheken befinden Der Mar Gabriel Verein in Reinbek und die Initiative Christlicher Orient ICO bemuhen sich um die Erhaltung der letzten christlichen Dorfer und Kloster in der heutigen Turkei Literatur BearbeitenHelga Anschutz Die syrischen Christen vom TurʿAbdin Eine altchristliche Bevolkerungsgruppe zwischen Beharrung Stagnation und Auflosung Das ostliche Christentum NF Band 34 Augustinus Verlag Wurzburg 1984 ISBN 3 7613 0128 6 Sebastien de Courtois The forgotten Genocide Eastern Christians Gorgias Press Piscataway NJ 2004 ISBN 1 59333 077 4 Sebastien de Courtois Les derniers Arameens Le peuple oublie de Jesus Photographies de Douchan Novakovic La Table ronde Paris 2004 ISBN 2 7103 2717 1 Anthony Comfort Fortresses of the Tur Abdin and the confrontation between Rome and Persia In Anatolian Studies 67 2017 S 181 229 Louis Dillemann Haute Mesopotamie orientale et pays adjacents Contribution a la geographie historique de la region du Ve s avant l ere chretienne au VIe s de cette ere Bibliotheque Archeologique et Historique Band 72 Geuthner Paris 1962 ISSN 0768 2506 Hans Hollerweger Lebendiges Kulturerbe living cultural heritage canli kultur mirasi Turabdin Wo die Sprache Jesu gesprochen wird Freunde des Tur Abdin Linz 1999 ISBN 3 9501039 0 2 Karlheinz Kessler Untersuchungen zur historischen Topographie Nordmesopotamiens nach keilschriftlichen Quellen des 1 Jahrtausends v Chr Beihefte zum Tubinger Atlas des Vorderen Orients Reihe B Geisteswissenschaften Band 26 Reichert in Komm Wiesbaden 1980 ISBN 3 88226 023 8 Zugleich Dissertation Universitat Tubingen Tubingen 1978 Svante Lundgren Die Assyrer Von Ninive bis Gutersloh LIT Munster 2016 ISBN 9783643132567 Andrew Palmer Monk and Mason on the Tigris Frontier The Early History of Ṭur ʿAbdin University of Cambridge Oriental Publications Band 39 Cambridge University Press Cambridge u a 1990 ISBN 0 521 36026 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Tur Abdin Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Sebastian Brock Der heilige Berg Turabdin Heimat einer alten aramaischen Kultur Bericht des ORF uber beginnende Ruckwanderung MG re active Mar Gabriel Verein Forderverein fur das Kloster Mor Yakup Salih e V Assyrian Christians fear for their future in Turkey Die Klosteranlagen von Deir az Zafaran Hah Mar Gabriel und Mar Yakub Riesige unterirdische Stadt in der Turkei entdeckt Tur Abdin s History is as Rich as it s LandscapeEinzelnachweise Bearbeiten Einar von Schuler Die Kaskaer de Gruyter Berlin 1965 Karlheinz Kessler Untersuchungen zur historischen Topographie Nordmesopotamiens S 23 New Palace Inscription 1 ITN no 1 iii 37 iv 24 Julian E Reade Assurnasirpal I and the White Obelisk Iraq 37 1975 S 129 150 Karlheinz Kessler Untersuchungen zur historischen Topographie Nordmesopotamiens S 24 Anthony Comfort Fortresses of the Tur Abdin and the confrontation between Rome and Persia In Anatolian Studies 67 2017 S 181 229 Volkermord an den Assyrern Abgerufen am 22 Mai 2022 deutsch Turkei Archaologen entdecken riesige Untergrundstadt Matiate in Midyat In Der Spiegel 26 April 2022 ISSN 2195 1349 spiegel de abgerufen am 22 Mai 2022 Bahnhofstrasse 2 Redaktion Kirchenbote Medienportal Vertrieben verstreut und schon bald vergessen 27 Oktober 2021 abgerufen am 22 Mai 2022 Frisch digitalisiertes Manuskript gibt wertvolle Informationen zur assyrischen Identitat preis In Huyada 8 Februar 2022 abgerufen am 22 Mai 2022 sv SE Assyrian Christians fear for their future in Turkey 5 Juni 2020 abgerufen am 6 Juni 2020 englisch Nicholas Awde Nineb Lamassu Nichola Al Jeloo Modern Aramaic English English Modern Aramaic Dictionary amp Phrasebook Assyrian Syriac Hrsg Hippocrene Books New York 2007 ISBN 978 0 7818 1087 6 S 36 Otto Jastrow Wie kann die moderne aramaische Sprache Turoyo in Europa uberleben In Josef Bunyemen Michel Yuksel Simon Marogi Hrsg Kifa Nr 5 Dezember 2008 Januar 2009 S 10 15 Mor Filuksinos Saliba Ozmen abgerufen am 28 September 2019 37 40507 41 49536 1200 Koordinaten 37 24 N 41 30 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tur Abdin amp oldid 236511628