www.wikidata.de-de.nina.az
Die Toleranzentwicklung bezeichnet in der Pharmakologie die Gewohnung an einen Wirkstoff wobei dessen Wirkung durch wiederholte oder chronische Einnahme uber einen bestimmten Zeitraum abnimmt Kommt es zu einer Toleranz gegenuber ganzen Substanzgruppen spricht man von einer Kreuztoleranz In vielen aber nicht in allen Fallen kann zur Erzielung der gleichen Effektstarke die Dosis erhoht werden Es gibt verschiedene neurochemische Mechanismen welche der Toleranzentwicklung zugrunde liegen Inhaltsverzeichnis 1 Pharmakodynamische Toleranz 1 1 Regulation der Rezeptordichte 1 2 Abschwachung der Signaltransduktion 1 3 Veranderung der Rezeptoren 1 4 Beeinflussung von korpereigenen antagonistischen Systemen 2 Pharmakokinetische Toleranz 2 1 Beschleunigung der Elimination 2 2 Herunterregulieren korpereigener Systeme 3 Tachyphylaxie 4 Allergologische Toleranz 5 LiteraturPharmakodynamische Toleranz BearbeitenUnter Pharmakodynamik versteht man die Wirkung die ein Wirkstoff im Organismus hervorruft Pharmakodynamische Toleranzmechanismen sind daher Regulation der Rezeptordichte Bearbeiten Der Korper beeinflusst die Sensibilitat einer Zelle fur einen bestimmten Wirkstoff durch Regulation der Rezeptordichte auf der Zelloberflache Wird die Dichte durch Internalisierung von Rezeptoren und geringere Neu Synthese herunterreguliert so ist die Zelle weniger sensibel fur einen Rezeptor Agonisten Diese Herunterregulierung geschieht durch Phosphorylierung des Rezeptors und die Bindung von Arrestin einem Signalmolekul das eine Endozytose des Rezeptors herbeifuhrt Ebenso ist eine Erhohung der Rezeptordichte nach langerer Anwendung eines Antagonisten etwa Coffein moglich Abschwachung der Signaltransduktion Bearbeiten In vielen Fallen besitzt eine Zelle eine Rezeptor Reserve Um eine signifikante Abnahme der Rezeptordichte herbeizufuhren mussen unter Umstanden sehr viele Rezeptoren bis 99 sind keine Seltenheit von der Oberflache entfernt werden Um diesem Aufwand zu entgehen gestaltet der Korper die Signaltransduktionskaskade ineffizienter Er synthetisiert weniger G Proteine Adenylatzyklasen oder Proteinkinasen Die Aktivierung der G Protein gekoppelten Rezeptoren GPCR ist somit weniger effizient Eine weitere wichtige dynamische Toleranz Entwicklung besteht gegenuber dem Medikament Glyceroltrinitrat oder Nitroglycerin das beim Erfinder selbst zur Anwendung kam Heute findet es Anwendung in der Langzeittherapie der Angina Pectoris als Vasodilatator der Herzkranzgefasse Coronararterien in Form von Tabletten oder Pflastern die gleichmassig den Wirkstoff durch die Haut abgeben Da sich innerhalb von 24 Stunden bereits eine Toleranz des Korpers gegen dieses Medikament ausbildet empfiehlt es sich uber Nacht eine Nitratpause von 12 Stunden einzuhalten Durch Nichteinhalten der Nitratpause zur Sensitivierung des Korpers ist es bereits zu Todesfallen gekommen Veranderung der Rezeptoren Bearbeiten Die oben genannten GPCR besitzen mehrere Orte an denen sie mit anderen Molekulen interagieren konnen So wird beispielsweise der Beta Adrenozeptor durch ein Enzym die b Adrenorezeptor Kinase allg GPCR Kinasen GRK phosphoryliert Dies verhindert die Aktivierung eines G Proteins Einen ahnlichen Effekt haben auch Proteinkinasen Auch die Interaktion mit der Beta Gamma Untereinheit des G Proteins fuhrt zur Konformationsanderung und zur Inaktivierung des Rezeptors Einen Spezialfall bildet hier der Thrombin Rezeptor der sich auf Thrombozyten und Endothelzellen befindet Durch die Protease Thrombin wird ein 41 Aminosauren langes N terminales Ende des Rezeptors abgespalten und somit eine Domane freigelegt die den Rezeptor aktivieren kann Man spricht von einer Autoaktivierung Einmal aktiviert ist der Rezeptor so sehr verandert dass er per Endozytose internalisiert wird und erst durch Neusynthese wieder zur Aktivierung zur Verfugung steht Ein neuentdeckter Rezeptor dieser Klasse befindet sich auf Nozizeptoren und tragt den Namen PAR 2 fur Protease aktivierter Rezeptor bekannt sind heute PAR 1 3 PAR 2 spielt eine Rolle bei der neurogenen Entzundung und beim Schmerz Beeinflussung von korpereigenen antagonistischen Systemen Bearbeiten DBI ist die Abkurzung fur das Diazepam binding inhibitor Molekul Bei der Gabe des Benzodiazepins Diazepam wird es vermehrt synthetisiert und bewirkt eine Abschwachung des Medikaments DBI bindet ebenfalls an die Benzodiazepin Bindungsstelle des GABA Rezeptors A und wirkt damit als kompetitiver Antagonist gegenuber Diazepam Pharmakokinetische Toleranz BearbeitenDie Pharmakokinetik beschreibt wie rasch und in welchem Ausmass nach der Verabreichung eines Stoffes dieser anschliessend im Blutplasma und in den verschiedenen Korpergeweben auftritt und wo und in welcher Weise er wieder ausgeschieden wird Der Korper hat die Moglichkeit die Wirksamkeit eines Arzneistoffs herabzusetzen indem er die Elimination beschleunigt oder eigene gleichartig wirkende Systeme herunterregelt Beschleunigung der Elimination Bearbeiten Hierzu gehort vor allem die vermehrte Expression von Enzymen die zur Biotransformation gehoren So kommt es bei Rauchern dazu dass bestimmte Cytochrom P450 Enzyme vermehrt exprimiert werden und z B das Methylxanthin Theophyllin beschleunigt abgebaut wird Auch das Antibiotikum Rifampicin und Johanniskraut Praparate sorgen fur eine Enzyminduktion und zu beschleunigtem Abbau einiger Medikamente Die Antibabypille beispielsweise kann somit unwirksam werden Herunterregulieren korpereigener Systeme Bearbeiten Die starke Gewohnung an Opioide Dosissteigerung bis um das Zwanzigfache kann nicht allein durch die pharmakodynamische Toleranzentwicklung erklart werden Der genaue Mechanismus dieser Toleranzentwicklung ist noch nicht vollstandig aufgeklart jedoch beobachtet man auch eine Abnahme der korpereigenen endogenen Opioide Ahnliches ist zu beobachten bei der Gabe von Glucocorticoiden wie Cortisol Dexamethason Prednisolon Gibt man diese Substanzen kontinuierlich uber einen langeren Zeitraum so geht die korpereigene Produktion an Glucocorticoiden zuruck Organisch manifestiert sich dies in einer Atrophie Gewebsabnahme der Nebennierenrinde wo die Glucocorticoide gebildet werden In der Blut Hirn Schranke sowie in der Niere und im Darm befindet sich ein Transportprotein namens P Glykoprotein Dieses transportiert korperfremde Stoffe die nicht ins Gehirn gelangen sollen wieder aus den Zellen heraus zuruck ins Blut Fexofenadin ist ein Histamin Rezeptor Antagonist der durch diesen Mechanismus nicht ins Gehirn gelangt und ausschliesslich peripher wirkt Durch langere Gabe von Fexofenadin wird das P Glykoprotein starker exprimiert und erhoht somit die Toleranz der Blut Hirn Schranke gegenuber diesem Arzneistoff Weiteres Beispiel ist das Herauffahren des Renin Angiotensin Aldosteron Systems bei Diuretika Gabe Tachyphylaxie BearbeitenAls Tachyphylaxie von altgriechisch taxys tachys schnell und fyla3is phylaxis Bewachung Schutz bezeichnet man eine Form rascher Wirkungsabnahme bei wiederholter Gabe eines Pharmakons Beispielsweise ist bei einer in kurzen Zeitabstanden wiederholten Einnahme von Substanzen wie Amphetamin Methamphetamin oder Methylphenidat eine erhebliche Abschwachung der jeweils erzielten Wirkung zu beobachten Dieser zunehmende Wirkungsverlust infolge der sich entwickelnden Tachyphylaxie wird auch durch Dosiserhohungen bald nicht mehr ausgleichbar Im Falle der genannten Wirkstoffe kann dies auf ein ahnliches Wirkungsprinzip zuruckgefuhrt werden Amphetamine entfalten ihre antriebssteigernde Wirkung indem sie die Wiederaufnahme von Neurotransmittern in die Prasynapse verschiedener Nervenzellen hemmen und damit kurzfristig einen Uberschuss an Transmittern wie Noradrenalin und Dopamin im synaptischen Spalt bewirken Allerdings kommt es wegen der fehlenden Wiederaufnahme auch zu einem Mangel an diesen in intrazellularen Speichern der prasynaptischen Zelle sodass weniger Noradrenalin und Dopamin zur Ausschuttung bereitstehen Daher sinkt nachfolgend die Konzentration dieser Stoffe auch im synaptischen Spalt und es kommt somit zu einer Abschwachung oder Aufhebung der beabsichtigten Wirkung Erst nach Abklingen der Pharmakoneinwirkung fullen sich die Speichervesikel der Prasynapse wieder und die Signaltransduktion normalisiert sich Amphetamin Methamphetamin und Methylphenidat werden zu den indirekten Sympathomimetika gezahlt da sie nicht direkt an Adrenozeptoren wirken sondern mittelbar und die Wiederaufnahme u a von Noradrenalin hemmen Allergologische Toleranz Bearbeiten Hauptartikel Immuntoleranz Durch eine Behandlung Hyposensibilisierung induziert aber auch spontan kann der Patient bei eingetretener Toleranz den Kontakt mit Allergenen vertragen ohne uberschiessend darauf zu reagieren Hierzu kommt es durch Modifikation der Bildung von Antikorpern Mastzellen und Granulozyten oder infolge weiterer Anderungen im Immunsystem Literatur BearbeitenHeinz Lullmann Klaus Mohr Lutz Hein Pharmakologie und Toxikologie 16 Auflage Thieme Stuttgart 2006 ISBN 3 13 368516 3 Kapitel 10 Vegetatives System Box 10 5 Tachyphylaxie und Desensibilisierung Charles Janeway Paul Travers Mark Walport Mark Shlomchik Immunologie 5 Auflage Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2002 ISBN 3 8274 1079 7 Onlineversion in Englisch 5th edition 2001 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Toleranzentwicklung amp oldid 235955229