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Dieser Artikel behandelt das Zivilgesetzbuch ZGB der Schweiz Zu anderen Zivilgesetzbuchern siehe Zivilgesetzbuch Begriffsklarung Das Schweizerische Zivilgesetzbuch kurz ZGB franzosisch Code civil suisse CC italienisch Codice civile svizzero CC ratoromanisch Cudesch civil svizzer ist die Kodifikation der zentralen Teile des schweizerischen Privatrechts Formell ein Teil des ZGB sog code unique aber in der Systematik als eigenes Gesetzbuch ausgegliedert ist das Obligationenrecht OR 1 BasisdatenTitel Schweizerisches ZivilgesetzbuchAbkurzung ZGBArt BundesgesetzGeltungsbereich SchweizRechtsmaterie PrivatrechtSystematische Rechtssammlung SR 210Ursprungliche Fassung vom 10 Dezember 1907Inkrafttreten am 1 Januar 1912Letzte Anderung durch https www fedlex admin ch eli oc 2021 312 deInkrafttreten derletzten Anderung 1 Januar 2023Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Charakter 2 Gliederung 2 1 Einleitung Art 1 bis 10 ZGB 2 2 Erster Teil Art 11 bis 89 ZGB 2 3 Zweiter Teil Art 90 bis 456 ZGB 2 4 Dritter Teil Art 457 bis 640 ZGB 2 5 Vierter Teil Art 641 bis 977 ZGB 2 6 Schlusstitel 2 7 Funfter Teil Art 1 bis 1186 OR 3 Rezeption in der Turkei 4 Rezeption in Liechtenstein 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte und Charakter BearbeitenDas ZGB wurde von Eugen Huber im Auftrag des Bundesrats entwickelt und im Jahre 1907 vollendet Es trat im Jahre 1912 in Kraft Zuvor hatte Huber eine vierbandige systematische Ubersicht uber die Geschichte und Gegenwart des Privatrechts der einzelnen Kantone erarbeitet System und Geschichte des schweizerischen Privatrechtes Basel 1886 1893 2 Den starksten Einschlag im neuen ZGB fand das damalige von Johann Caspar Bluntschli entworfene Privatrechtliche Gesetzbuch fur den Kanton Zurich das auch in der Ostschweiz rezipiert worden war jedoch auch Zuge der auf dem Code Napoleon basierten Gesetze der Westschweiz und des Tessins sowie der auf dem osterreichischen Allgemeinen Burgerlichen Gesetzbuch grundenden Gesetze Berns Luzerns Solothurns und des Aargaus wurden berucksichtigt 3 Rechtshistorisch betrachtet ist das ZGB wie das deutsche Burgerliche Gesetzbuch eine pandektistische Kodifikation Genauso wie das Obligationenrecht ist das ZGB dreisprachig verfasst in den Amtssprachen Deutsch Franzosisch und Italienisch Alle Versionen sind gleichermassen verbindlich 4 Gliederung BearbeitenEinleitung Art 1 bis 10 ZGB Bearbeiten 1 Gesetzes Gewohnheits und Richterrecht Art 1 ZGB Art 1 ZGB beantwortet die Frage wie der Richter zur anwendbaren in Kraft stehenden Rechtsregel zu gelangen hat Gemass Art 1 Abs 1 ZGB hat sich der Richter in einem ersten Schritt am Wortlaut einer Norm zu orientieren Diese grammatikalische Auslegung ist aber nicht die einzige Auslegungsmethode die der Richter zur Ermittlung des Inhaltes eines gesetzgeberischen Gedankens zu verwenden hat Es steht ihm vielmehr ein Methodenpluralismus zur Verfugung den er einzelfallgerecht zu nutzen hat Zu erwahnen sind z B die Auslegung aus dem Gesetzeszusammenhang systematisches Element die zweckorientierte teleologische oder die historische Auslegung Ist dem Gesetz fur den konkreten Lebenssachverhalt keine Regel zu entnehmen obwohl diese erforderlich ware liegt eine Gesetzeslucke vor Diese ist insbesondere vom so genannten qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers abzugrenzen Letzteres liegt vor wenn das Gesetz eine stillschweigende Verneinung enthalt Gestutzt auf das Gewaltenteilungsprinzip ware der Gesetzgeber fur die Luckenfullung zustandig Dies ausnahmslos umzusetzen ist nicht praktikabel Entsprechend hat das ZGB dem Richter in Art 1 Abs 2 ZGB Pflichten zur Luckenfullung ubertragen Fehlt Gewohnheitsrecht dessen Bedeutung in der Schweiz ausserst gering ist soll der Richter die Lucke durch die Bildung einer Regel fullen die er als Gesetzgeber aufstellen wurde Als Hilfsmittel hat er dabei bewahrte Lehre und Uberlieferung d h die Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und die Gerichts resp Verwaltungspraxis zu berucksichtigen 2 Treu und Glauben sowie Rechtsmissbrauch Art 2 ZGB Gemass Art 2 Abs 1 ZGB hat jedes Rechtssubjekt nach Treu und Glauben zu handeln Norminhalt ist also das faire anstandige Verhalten im Rechtsalltag und der diesbezugliche Vertrauensschutz So ist z B die rechtliche Grundlage fur die gegenseitige Aufklarungspflicht von Parteien die in Vertragsverhandlungen stehen Culpa in contrahendo in Art 2 ZGB verankert Ebenso wird die Haftung fur berechtigtes aber enttauschtes Vertrauen im Rahmen einer rechtlichen Sonderverbindung Vertrauenshaftung auf ZGB 2 zuruckgefuhrt Art 2 Abs 2 ZGB weist den Richter an den Schutz bei offensichtlichem Missbrauch eines Rechtes zu versagen In Anwendung dieser Rechtsregel hat das Bundesgericht etwa festgehalten dass ausnahmsweise uber die rechtliche Selbststandigkeit einer juristischen Person hinweggesehen werden konne wenn diese im Einzelfalle rechtsmissbrauchlich geltend gemacht werde Diesfalls sei es zu rechtfertigen von der beherrschten Person auf die beherrschende durchzugreifen 3 Guter Glauben Schutzvoraussetzungen Art 3 ZGB Der gute Glaube wird nicht generell geschutzt Schutz erfahrt er dort wo das Gesetz eine Rechtsfolge an das Vorhandensein des guten Glaubens anknupft Das Bestehen des guten Glaubens wird gemass Art 3 Abs 1 ZGB vermutet und kann somit durch den Nachweis der Bosglaubigkeit widerlegt werden Erkennt aber ein Gutglaubiger einen Rechtsmangel deshalb nicht weil er die gebotene Aufmerksamkeit unterlasst wird er wie ein Bosglaubiger behandelt In diesem Sinne hat das Bundesgericht z B einem Occasionshandler den Gutglaubensschutz verweigert der einen gestohlenen Ferrari gekauft hat ohne die dazugehorigen Papiere in angemessener Weise zu prufen 4 Billigkeitsentscheide Art 4 ZGB Gemass Art 4 ZGB soll der Richter dort wo das Gesetz Formulierungen wie z B Wurdigung der Umstande oder wichtige Grunde wahlt nach Billigkeit entscheiden Ebenso ist zu verfahren wenn ein Rechtsinstitut aufgrund ihrer Natur dies verlangt Die in Frage stehenden Interessen sind objektiv zu erfassen und sorgfaltig abzuwagen um eine sachgerechte Entscheidung zu fallen 5 Privatrecht des Bundes Privatrecht der Kantone Art 5 ZGB Das ZGB inkl OR regelt das Privatrecht unter Vorbehalt bestimmter Sondergebiete z B VVG umfassend und ausschliesslich Allfallige Gesetzeslucken sind aus dem ZGB heraus zu schliessen Eine kantonale Rechtssetzungskompetenz besteht nur soweit als sie im Bundesrecht ausdrucklich vorbehalten ist Zu den zentralen Rechtsquellen des vorbehaltenen kantonalen Rechtes gehoren die Einfuhrungsgesetze zum ZGB 6 Bundesprivatrecht offentliches Recht der Kantone Art 6 ZGB Art 6 ZGB weist darauf hin dass die Kantone im Rahmen des offentlichen Rechtes eine eigenstandige Rechtssetzungskompetenz gegenuber dem Bundesprivatrecht besitzen Sie mussen dabei folgende drei vom Bundesgericht entwickelte Bedingungen kumulativ erfullen 1 Soweit der Bundesgesetzgeber eine abschliessende Regelung getroffen hat besteht kein Raum fur das kantonale Recht 2 Die kantonale offentlichrechtliche Regel muss als Grundlage ein vertretbares offentliches Interesse ausweisen 3 Die offentlichrechtliche Normierung darf dem Sinn und Geist des Bundesprivatrechtes nicht zuwiderlaufen Es darf letzteres nicht in hohem Masse erschweren oder sogar vereiteln 7 ZGB OR Art 7 ZGB Das Obligationenrecht OR ist als 5 Teil des ZGB erlassen worden ZGB und OR gehoren mit anderen Worten materiell zusammen Entgegen dem Wortlaut von Art 7 ZGB konnen generell die allgemeinen Bestimmungen des OR auf andere zivilrechtliche Verhaltnisse analoge Anwendung finden Inwieweit die Bestimmungen des OR zu ubernehmen sind ist im Einzelfall sorgfaltig zu prufen So ist z B der Grundlagenirrtum Art 24 Abs 1 Ziff 4 OR beim Erbvertrag analog anwendbar Auch Bestimmungen anderer Teile des OR sind unter Umstanden analog anwendbar Im Ubrigen finden umgekehrt auch Bestimmungen des ZGB auf das OR entsprechende Anwendung 8 Beweis last Art 8 ZGB Ein ordentlicher Zivilprozess wird dadurch gepragt dass die Parteien im Hauptverfahren ihre Tatsachenbehauptungen darlegen Rechtserhebliche Tatsachenbehauptungen die von der Gegenpartei bestritten werden mussen bewiesen werden Art 8 ZGB regelt wer den Beweis zu fuhren bzw wer die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat Unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen ist dies diejenige Partei die aus einer behaupteten Tatsache Rechte ableitet 9 Beweiskraft offentlicher Urkunden Verbot kantonaler Beweisvorschriften Art 9 ZGB Art 9 ZGB sieht betreffend offentliche Register und Urkunden die vom Bundesprivatrecht vorgesehen sind einen grundsatzlichen Vertrauensschutz vor Das Gesetz verankert die Vermutung dass die offentlichen Register und Urkunden den richtigen Inhalt wiedergeben Dieser Schutz erfasst den Urkundeninhalt so weit als die Urkundsperson diesen aufgrund eigener Wahrnehmung uberprufen kann Er erstreckt sich somit nicht auf reine Parteibehauptungen Die Vermutung ist uberdies widerlegbar indem die Unrichtigkeit des Inhalts mit irgendeinem zulassigen Mittel bewiesen wird Art 9 Abs 2 ZGB 10 Kantonsbefugnis ausser Kraft getreten Art 10 ZGB verdeutlicht schliesslich dass die Kantone nicht befugt sind fur Rechtsgeschafte die dem Bundesprivatrecht unterstellt sind zusatzliche Formvorschriften zu erlassen Erster Teil Art 11 bis 89 ZGB Bearbeiten Der Erste Teil beinhaltet das Personenrecht der naturlichen und der juristischen Personen wie die Rechtsfahigkeit das Vereinsrecht das Recht der Stiftungen und Sammelvermogen oder die Beurkundung des Personenstands 5 Zweiter Teil Art 90 bis 456 ZGB Bearbeiten Hauptartikel Familienrecht Schweiz Dieser Teil umfasst das Eherecht die Verwandtschaft und den Erwachsenenschutz Dritter Teil Art 457 bis 640 ZGB Bearbeiten Hauptartikel Erbrecht Schweiz Der Dritte Teil enthalt die Abschnitte Die gesetzlichen Erben Die Verfugungen des Todes wegen Die Eroffnung die Wirkung sowie die Teilung der Erbschaft Vierter Teil Art 641 bis 977 ZGB Bearbeiten Hauptartikel Sachenrecht Schweiz In diesem existieren die Abschnitte Allgemeine Bestimmungen Das Grundeigentum Das Fahrniseigentum Die Dienstbarkeiten und Grundlasten Das Grund sowie Das Fahrnispfand Der Besitz sowie Das Grundbuch Schlusstitel Bearbeiten Anwendungs und Einfuhrungsbestimmungen Funfter Teil Art 1 bis 1186 OR Bearbeiten Hauptartikel Obligationenrecht Schweiz Das Schuldrecht ist der funfte Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches hat aber eine eigene Artikel Nummerierung erhalten und ist im Umfang langer als die anderen vier Teile zusammen Rezeption in der Turkei Bearbeiten Hauptartikel Turkisches Zivilgesetzbuch Das ZGB OR wurde von Kemal Ataturk weitgehend ins turkische Zivilrecht ubernommen rezipiert Das heisst jedoch nicht dass heute der Inhalt des schweizerischen und des turkischen Zivilrechts in allen Bereichen identisch waren denn einerseits wurden nicht alle Abschnitte deckungsgleich ubernommen und andererseits haben sich die Erlasse der beiden Lander aufgrund zahlreicher Revisionen voneinander entfernt Rezeption in Liechtenstein BearbeitenDas Sachenrecht des ZGB Art 641 bis 977 ZGB wurde 1923 weitgehend im liechtensteinischen Sachenrecht SR ubernommen Rezeption Im ABGB und im PGR sowie im Ehegesetz finden sich weitere Ubernahmen aus dem ZGB Die letzten Anderungen zum ZGB vor allem hinsichtlich des Grundbuchrechts wurden zum 1 Oktober 2008 in Liechtenstein ubernommen Das Erb und Familienrecht sowie das Schuldrecht in Liechtenstein ist noch weitgehend vom osterreichischen ABGB oABGB beeinflusst Durch die Mitgliedschaft des Furstentums Liechtenstein im EWR kommt es zu einer weiteren Erganzung durch europaische Rechtsakte EU Recht z B beim Verbraucherschutz Produkthaftung etc und auch das rezipierte Sachenrecht wird dadurch beeinflusst vgl z B Art 392 bis 399 SR Finanzsicherheiten Umsetzung der RL 2002 47 EG Mit der letzten Teilnovelle des SR zum 1 Oktober 2008 wurde der dingliche Eigentumsvorbehalt in Liechtenstein wegen Bedeutungslosigkeit aufgehoben gilt im ZGB nach wie vor Weitere Anpassungen des liechtensteinischen Gesetzgebers und das Zusammenwirken mit dem ABGB und dem PGR fuhren zu unterschiedlichen Auswirkungen gleichlautender Bestimmungen im ZGB bzw SR Siehe auch BearbeitenBurgerliches Gesetzbuch BGB in Deutschland Allgemeines Burgerliches Gesetzbuch ABGB in OsterreichLiteratur BearbeitenBernhard Schnyder Zivilgesetzbuch ZGB In Historisches Lexikon der Schweiz aktuelle Ausgaben Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10 Dezember 1907 Stand am 1 Januar 2012 PDF 899 kB 348 Seiten Gratis Textversion als Broschure Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10 Dezember 1907 Stand am 1 Januar 2011 BK KAV 03 2011 Bundesdrucksache 210D bei admin ch dokumentation publikation Sebastian Aeppli ZGB Textausgabe Schweizerisches Zivilgesetzbuch mit Nebenerlassen und Verordnungen sowie Bundesgerichtspraxis 36 uberarbeitete Auflage Orell Fussli Zurich 2010 ISBN 978 3 280 07256 1 Peter Tuor Bernhard Schnyder Jorg Schmid Alexandra Rumo Jungo Das Schweizerische Zivilgesetzbuch 13 Auflage Schulthess Zurich 2009 ISBN 978 3 7255 5574 1 Jolanta Kren Kostkiewicz Peter Nobel Ivo Schwander Stephan Wolf Hrsg Schweizerisches Zivilgesetzbuch ZGB Kommentar 2 uberarbeitete und erweiterte Auflage Orell Fussli Zurich 2011 ISBN 978 3 280 07258 5 kantonales Privatrecht Andreas Kley Kantonales Privatrecht Eine systematische Darstellung der kantonalen Einfuhrungsgesetzgebung zum Bundesprivatrecht am Beispiel des Kantons St Gallen und weiterer Kantone St Gallen 1992 Veroffentlichungen des Schweizerischen Instituts fur Verwaltungskurse an der Hochschule St Gallen ISBN 3 908185 02 5 online PDF Weblinks Bearbeitendas ZGB in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts das OR in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts Linksammlung der kantonalen Einfuhrungsgesetze Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10 Dezember 1907 Chronologie Abgerufen am 19 Marz 2017 Einzelnachweise Bearbeiten vgl Zivilgesetzbuch und OR ZGBOR ch abgerufen am 24 Mai 2022 Eugen Huber System und Geschichte des schweizerischen Privatrechtes Basel 1886 1893 Digitalisat Historisch Biographisches Lexikon der Schweiz Artikel Zivilgesetzbuch Joachim Munch Strukturprobleme der Kodifikation In Okko Behrends Wolfgang Sellert Hrsg Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Burgerlichen Gesetzbuches BGB 9 Symposium der Kommission Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart In Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Gottingen Philologisch Historische Klasse Dritte Folge Nr 236 Vandenhoeck amp Ruprecht 2000 ISBN 3 525 82508 0 S 161 Dominique Jakob Vorlesung Personenrecht Universitat Zurich 9 September 2015 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Werk GND 4116441 6 lobid OGND AKS LCCN n81108297 VIAF 303046299 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zivilgesetzbuch amp oldid 235002269