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Der Rote Terror war in erklarter Anknupfung an die terreur der Franzosischen Revolution die von den kommunistischen Bolschewiki nach der Oktoberrevolution 1917 in Russland begonnene Phase von Staatsterror in der sie zur Durchsetzung ihres Machtanspruchs terroristische Mittel gegen von ihnen als konterrevolutionar verstandene Krafte einsetzten Der Begriff wurde von ihnen selbst gepragt und zur offentlichen Drohung benutzt Wachen am Grab von Moissei Urizki Petrograd Ubersetzung der Inschrift auf dem Transparent Tod den Bourgeois und ihren Helfern Es lebe der Rote Terror Anfang September 1918 Er stand im Russischen Burgerkrieg im Gegensatz zum konterrevolutionaren Weissen Terror der bis zum Ende des Burgerkrieges gleichfalls wutete jedoch anders als jener nicht strategisch gesteuert und institutionalisiert war 1 Im Unterschied zur Franzosischen Revolution deren Terrorphase einige Monate dauerte und sich uberwiegend gegen die Reprasentanten der Aristokratie sowie Revolutionsgegner wandte stand beim Roten Terror als Leitmotiv der Satz des stellvertretenden Leiters der Tscheka Martyn Iwanowitsch Lazis veroffentlicht im November 1918 in der Zeitschrift Krasnyi terror Der Rote Terror im Vordergrund Wir fuhren nicht Krieg gegen einzelne Wir vernichten die Bourgeoisie als Klasse 2 Daruber hinaus wird der Begriff Roter Terror im westlichen Sprachgebrauch gelegentlich fur Menschenrechtsverletzungen in realsozialistischen Staaten 3 oder fur die Gewaltakte von Anhangern der Zweiten Munchner Raterepublik 13 April bis 1 Mai 1919 verwendet 4 Auch im Zusammenhang mit der Herrschaft der Roten Ruhrarmee wahrend des Ruhraufstandes Marz April 1920 fand der Begriff Verwendung So beschrieb beispielsweise der Gladbecker Arbeitersekretar und Abgeordnete in der verfassunggebenden preussischen Landesversammlung Georg Stieler am 4 April 1920 in einem Telegramm an die Reichsregierung dass die bevoelkerung unter rotem terror schwer gelitten habe 5 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenEinigen Historikern zufolge begann der Terror unmittelbar nach der Oktoberrevolution und wurde von Anfang an von Lenin entschieden unterstutzt 6 Schon 1908 befurwortete er Gegner einer kommenden Revolution an die Wand zu stellen 7 Lenin hielt den Radikalismus der Jakobiner wahrend der Schreckensherrschaft fur vorbildlich und schrieb 1917 die Bolschewiki mussten als die Jakobiner des 20 Jahrhunderts etwas Grosses Unvergangliches und Unvergessliches vollbringen 8 Seine ersten Opfer waren Fuhrer der liberalen Kadettenpartei streikende Arbeiter und renitente Bauern 9 und er intensivierte sich deutlich nach den zwei Attentaten vom 30 August 1918 auf den Vorsitzenden der Petrograder Tscheka Urizki und auf Lenin das Fanny Kaplan zur Last gelegt wurde Der offizielle Beginn des Roten Terrors die Tscheka als sein Hauptorgan war bereits 1917 gegrundet worden datiert mit dem Dekret der Sowjetregierung Uber den Roten Terror vom 5 September 1918 In der augenblicklichen Situation ist es absolut lebensnotwendig die Tscheka zu verstarken die Klassenfeinde der Sowjetrepublik in Konzentrationslagern zu isolieren und so die Republik gegen sie zu schutzen jeden der in weissgardistische Organisationen in Verschworungen Aufstande und Erhebungen verwickelt ist auf der Stelle zu erschiessen die Namen der Erschossenen mit Angabe des Erschiessungsgrundes zu veroffentlichen 10 Das Dekret war eine Reaktion auf die genannten Attentate aber auch auf Ereignisse wie den antibolschewistischen Aufstand in Ischewsk bei dem Gegner der Bolschewiki die Macht ergriffen und ca 500 1000 Personen meist Parteiganger der Bolschewiki toteten 11 Diese Gewaltakte waren wiederum Reaktion auf die Alleinherrschaft der Bolschewiki die zivile Opposition nicht duldeten Der Rote Terror kann somit als Teil einer Gewaltspirale gelten bei der Gewalt zum Mittel politischer Auseinandersetzung wurde Zur Durchsetzung der Revolution forderte in dieser Phase auch Lenin nachdrucklich die Anwendung von Terror In Nischni Nowgorod wird allem Anschein nach ein weissgardistischer Aufstand vorbereitet Man muss alle Krafte spannen eine Trojka von Diktatoren zusammenstellen den Massenterror sofort einfuhren Hunderte von Prostituierten die Soldaten zum Suff verfuhren ehemalige Offiziere u a erschiessen und abtransportieren telegraphierte er am 9 August 1918 Am gleichen Tag schickte Lenin auch ein Telegramm nach Pensa und forderte Der gnadenlose Massenterror gegen Kulaken Popen und Weissgardisten ist durchzufuhren zwielichtige Elemente sind in ein Konzentrationslager ausserhalb der Stadt einzusperren Am 22 August befahl er als Vorsitzender des Rates der Volkskommissare die Verschworer und Schwankenden zu erschiessen ohne um Erlaubnis zu bitten und den idiotischen Amtsschlendrian zuzulassen 12 Die Zeit bis Marz 1921 Beginn der Neuen Okonomischen Politik NOP wird als Roter Terror und Ara der Politik des Kriegskommunismus bezeichnet Auch danach gingen jedoch die Erschiessungen Oppositioneller Deportationen in Zwangsarbeitslager siehe Gulag und Repressionsmassnahmen gegen dissidente Volker weiter Ralf Stettner schreibt dass in den Zeiten von Kriegskommunismus NOP und den Ubergangsjahren bis 1928 29 ein Geflecht an Konzentrationslagern Zwangsarbeitslagern und Lagern zur besonderen Verwendung existierte Es sei falsch das Lagersystem ausschliesslich der Stalinzeit zuzuordnen wenngleich die Lager der Leninzeit im Vergleich zur spateren Ara des Stalinismus auch im Ausmass weniger bedeutend waren 13 Das sowjetische Lagersystem stand so Stettner in der Leninzeit erst am Anfang und die stetige Weiterentwicklung der Kapazitaten unter Stalin nahm naturgemass viele Jahre in Anspruch Das als Roter Terror bezeichnete Terrorregime der Geheimpolizei Tscheka erhielt ab Mai 1922 einen gesetzlichen Rahmen Lenin entwickelte den Strafgesetzbuch Paragraphen 58 der Zwangsarbeit und Todesstrafe fur politische Delikte vorsah So schrieb Lenin am 17 Mai 1922 uber seinen Rohentwurf des 58 Der Grundgedanke ist klar offen eine prinzipielle und politisch wahrheitsgetreue These aufstellen die das Wesen und die Rechtfertigung des Terrors seine Notwendigkeit und seine Grenzen motiviert Das Gericht soll den Terror nicht beseitigen das zu versprechen ware Selbstbetrug oder Betrug sondern ihn prinzipiell klar ohne Falsch und ohne Schminke begrunden und gesetzlich verankern 14 Offiziell eingefuhrt wurde der Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR durch Josef Stalin im Jahre 1927 der ihn erheblich verscharfte so fugte er neben Terrorismus Propaganda oder politische Agitation und organisatorische Tatigkeit als Gesetzesverstosse hinzu Als Roter Terror im engeren Sinne wird das gewaltsame Vorgehen der Tscheka in den Stadten eigentliches Machtzentrum der Bolschewiki betrachtet Im gleichen Zusammenhang ereigneten sich auch die Auseinandersetzungen zwischen Staatsmacht und Bauernschaft insbesondere mit den als wohlhabend geltenden Bauern Kulaken deren physische Vernichtung Lenin mit der Politik der Getreiderequirierung betrieb Lenin hatte etwa im August 1918 die Genossen Arbeiter zum letzten entscheidenden Kampf aufgerufen Etwa 3 Millionen muss man zur Mittelbauernschaft rechnen und wohl kaum mehr als 2 Millionen entfallen auf die Kulaken die Reichen die Getreideschieber Diese Blutsauger haben sich im Krieg an der Not des Volkes bereichert Diese Spinnen haben sich auf Kosten der durch den Krieg ruinierten Bauern auf Kosten der hungernden Arbeiter gemastet Diese Blutegel haben sich mit dem Blut der Werktatigen vollgesaugt Schonungsloser Krieg den Kulaken Tod den Kulaken Hass und Verachtung den Parteien die sie verteidigen 15 Im selben Monat hatte Lenin auch schon verfugt Schonungsloser Massenterror gegen Kulaken Ubermitteln Sie allen Mitgliedern des Exekutivkomitees und allen Kommunisten dass es ihre Pflicht ist die Kulaken schonungslos niederzuschlagen und bei den Aufstandischen das gesamte Getreide zu konfiszieren 14 Der Rote Terror richtete sich ebenfalls gegen das Burgertum gegen zaristische Offiziere nichtbolschewistische Sozialisten v a Menschewiki Sozialrevolutionare Geistliche sowie oppositionelle Teile der Arbeiterschaft Die Durchsetzung der Terrormassnahmen wie Erschiessungen Folterungen und Einweisungen in Konzentrationslager erfolgte durch die Geheimpolizei Tscheka die ab 1922 in die GPU umbenannt wurde Schatzungen gehen von 250 000 bis 1 000 000 Opfer in diesem Zeitraum aus teilweise durch Massenexekutionen 16 17 Der Rote Terror endete nicht mit dem Russischen Burgerkrieg So wurde die Bezeichnung Kulaken wahrend der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft von 1928 bis 1933 mehr und mehr auf alle selbststandigen Bauern ausgedehnt 18 sodass der Terror nicht nur den als wohlhabend geltenden Bauern galt Entkulakisierung Mitte der 1930er Jahre begannen die Bolschewiki unter Stalin den Grossen Terror der sich sowohl gegen Angehorige der Eliten als auch gegen einfache Sowjetburger richtete Siehe auch BearbeitenStalinsche Sauberungen Holodomor Moskauer Prozesse Rote Armee Bulgariens Tage des roten Terrors im September 1944Literatur BearbeitenJorg Baberowski Der Rote Terror Die Geschichte des Stalinismus Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2003 ISBN 978 3 421 05486 9 Alexander N Jakowlew Ein Jahrhundert der Gewalt in Sowjetrussland Berlin Verlag Berlin 2004 Originaltitel A Century of Violence in Soviet Russia ubersetzt von Bernd Rullkotter ISBN 3 8270 0547 7 Leonid Luks Die Utopie an der Macht Zum bolschewistischem Terror unter Lenin und Stalin In Historisches Jahrbuch Bd 119 1999 ISSN 0018 2621 S 232 264 Sergej P Melgunow Der rote Terror in Russland 1918 1923 Nachdruck von 1924 Mit einem Vorwort von Leonid Luks 2 durchgesehene Auflage OEZ Verlag Berlin 2017 ISBN 978 3 940452 47 4 Alja Rachmanowa Studenten Liebe Tscheka und Tod Tagebuch einer russischen Studentin Ubersetzt von Arnulf von Hoyer Verlag Anton Pustet Salzburg 1931 Neuauflage Gustav Lubbe Verlag Bergisch Gladbach 1979 ISBN 3 404 10134 0 James Ryan Lenin s Terror The Ideological Origins of Early Soviet State Violence Routledge 2012 ISBN 978 0 415 67396 9 Peter Scheibert Lenin an der Macht Das russische Volk in der Revolution 1918 1922 Acta humaniora Weinheim 1984 ISBN 3 527 17503 2 Ralf Stettner Der Besserungsarbeitsgedanke und die Strafvollzugssysteme der zwanziger Jahre In Archipel GULag Stalins Zwangslager Terrorinstrument und Wirtschaftsgigant Verlag Ferdinand Schoningh Paderborn 1996 ISBN 3 506 78754 3 Michael S Voslensky Das Geheime wird offenbar Langen Muller Verlag Munchen 1995 ISBN 3 7844 2536 4 Nicolas Werth Ein Staat gegen sein Volk Gewalt Unterdruckung und Terror in der Sowjetunion In Stephane Courtois Nicolas Werth Jean Louis Panne Andrzej Paczkowski Karel Bartosek Jean Louis Margolin Mitarbeit Remi Kauffer Pierre Rigoulot Pascal Fontaine Yves Santamaria Sylvain Boulouque Das Schwarzbuch des Kommunismus Unterdruckung Verbrechen und Terror Mit einem Kapitel Die Aufarbeitung der DDR von Joachim Gauck und Ehrhard Neubert Aus dem Franzosischen von Irmela Arnsperger Bertold Galli Enrico Heinemann Ursel Schafer Karin Schulte Bersch Thomas Woltermann Piper Munchen Zurich 1998 ISBN 3 492 04053 5 S 51 295 und 898 911 Dimitri Wolkogonow Lenin Utopie und Terror Econ Verlag Dusseldorf 1996 ISBN 3 430 19828 3 Weblinks BearbeitenBeschluss des Rates der Volkskommissare uber den Roten Terror 5 September 1918 In 1000dokumente deEinzelnachweise Bearbeiten Jorg Baberowski Der Rote Terror Die Geschichte des Stalinismus Deutsche Verlagsanstalt Munchen 2003 hier Lizenzausgabe fur die Bundeszentrale fur Politische Bildung 2007 S 37 39 Nicolas Werth Ein Staat gegen sein Volk S 96 Zitiert nach Jorg Baberowski Der Rote Terror Die Geschichte des Stalinismus Deutsche Verlagsanstalt 2003 hier Lizenzausgabe fur die Bundeszentrale fur Politische Bildung 2007 S 38 f So beispielsweise fur die Stalin Ara von Jorg Baberowski Der Rote Terror Die Geschichte des Stalinismus oder von Bernd Pieper Roter Terror in Cottbus ISBN 3 925434 91 7 Bernhard Grau Roter Terror 1919 In Historisches Lexikon Bayerns 17 Oktober 2012 abgerufen am 2 Juni 2013 Ralph Eberhard Brachthauser Roter Terror Gladbeck in der Marzkrise 1920 Zugleich ein Beitrag uber die Entwicklung offentlicher Sicherheitsstrukturen im nordlichen Ruhrgebiet Verlag Mainz Aachen 2020 ISBN 978 3 8107 0338 5 S 328 Jorg Baberowski Der Rote Terror Die Geschichte des Stalinismus hier Lizenzausgabe der Bundeszentrale fur Politische Bildung Bonn 2007 S 39 f Lenin Ohne Terror kein Sieg in Der Spiegel Spezial IV 1991 S 57ff Der Spiegel 26 Januar 2010 Jorg Baberowski Der Rote Terror Die Geschichte des Stalinismus Deutsche Verlagsanstalt Munchen 2003 hier Lizenzausgabe der Bundeszentrale fur Politische Bildung Bonn 2007 S 39 Beschluss des Rates der Volkskommissare uber den Roten Terror 5 September 1918 Munchener Digitalisierungszentrum Dimitrj Olegovic Curakov Der antibolschewistische Arbeiteraufstand in Izevsk Probleme der Etablierung ziviler Machtorgane August bis November 1919 in Arbeit Bewegung Geschichte Heft II 2018 S 139 160 insbes S 142 Aleksandr Subin Einfuhrung in die Quelle Beschluss des Rates der Volkskommissare uber den Roten Terror 5 September 1918 Faksimile auf der Website 1000dokumente de Abruf am 27 September 2016 Ralf Stettner Archipel Gulag Schoningh Paderborn 1996 a b Michael S Voslensky Sterbliche Gotter Ullstein 1991 ISBN 3 548 34807 6 Lenin Genossen Arbeiter Auf zum letzten entscheidenden Kampf August 1918 in Lenin Werke Bd 28 S 40 44 hier S 43 Zitiert nach Uwe Backes Zum Bedarf an Geschichtspolitik in verschiedenen autokratischen Systemen Vortrag auf der Tagung der DVPW Darmstadt 24 Januar 2009 PDF 1 2 Vorlage Toter Link www politikwissenschaft tu darmstadt de Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Mai 2019 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis Abruf am 27 Dezember 2010 Im Netz der Spione vom 23 September 2007 auf History Channel vergleichbar hohe Zahlen werden auch genannt bei Jorg R Mettke Putsch oder Revolution Henker als Heilige in Der Spiegel Geschichte Spezial vom 18 Dezember 2007 Seite 32 Vor 100 Jahren Beschluss des Roten Terrors Bundeszentrale fur politische Bildung 4 September 2018 abgerufen am 25 April 2019 Manfred Hildermeier Geschichte der Sowjetunion 1917 1991 C H Beck Munchen 1998 S 1184 online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Roter Terror amp oldid 237816121