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Freie Radikale ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Zur gleichnamigen Kurzgeschichte von Alice Munro siehe Freie Radikale Kurzgeschichte Als Radikale bezeichnet man in der Chemie Atome oder Molekule mit mindestens einem ungepaarten Valenzelektron Die meisten Radikale sind besonders reaktionsfreudig Radikale werden mit einem Punkt dargestellt der das ungepaarte Elektron symbolisiert zum Beispiel Stickstoffmonoxid NO Eine Verbindung mit zwei ungepaarten Elektronen heisst Diradikal auch Biradikal bei drei ungepaarten Elektronen spricht man von einem Triradikal usw Radikale spielen eine wichtige Rolle bei bestimmten Oxidationsprozessen bei Kettenpolymerisationen und bei manchen Substitutionsreaktionen Inhaltsverzeichnis 1 Nomenklatur 2 Entstehung 3 Reaktivitat 3 1 Reaktive Radikale 3 2 Unreaktive Radikale 3 3 Kohlenstoff Radikale 4 Bekannte Beispiele 5 Radikalnachweis 6 Radikale in der Biologie 7 Historische Bedeutung 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseNomenklatur BearbeitenIn der Nomenklatur werden Radikale mit der Endung yl bezeichnet fur Biradikale wird yliden verwendet Ausnahmen sind hierbei die Diradikale Methylen Silylen und Aminylen Beispiele sind oxyl fur Verbindungen mit radikalischem Sauerstoff z B 2 2 6 6 Tetramethylpiperidinyloxyl oder Thiyl Radikale mit radikalischen Schwefelatom 1 Entstehung BearbeitenRadikale bilden sich durch Hitze thermolytische Bindungsspaltung UV Strahlung die die homolytische Spaltung einer kovalenten Bindung bewirkt Photolyse Rontgen und andere ionisierende Strahlung Elektrochemisch durch Oxidation bzw Reduktion nbsp Die thermolytische oder photolytische Benzoylperoxid Spaltung unter Bildung von Benzoyloxy Radikalen ist eine technisch wichtige Reaktion bei der Herstellung von Polymeren Zur Initiierung radikalischer Reaktionen in der chemischen Synthese werden dem Reaktionsgemisch haufig sogenannte Radikalstarter zugesetzt Radikalstarter sind Molekule die sich besonders leicht beispielsweise durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht in Radikale spalten lassen Beispiele fur Radikalstarter sind Azobis isobutyronitril Dibenzoylperoxid Dilauroylperoxid Di tert butylperoxid Diisopropylperoxydicarbonat und Kaliumperoxodisulfat 2 Reaktivitat BearbeitenReaktive Radikale Bearbeiten Da die meisten Radikale exergonisch reagieren sind sie sehr reaktiv und dadurch auch kurzlebig lt 1 Sekunde Das ungepaarte Elektron befindet sich dabei gewohnlich an C N O und Hg Atomen oder Halogenen Unreaktive Radikale Bearbeiten nbsp Dimerisierung des Triphenylmethyl Radikals zu 3 Diphenylmethylen 6 triphenylmethyl cyclohexa 1 4 dien Es sind auch Radikale bekannt die nicht sofort weiterreagieren und uber einen gewissen Zeitraum teilweise sogar als isolierbare Stoffe vorliegen Ein Beispiel fur diese stabilen Radikale ist das Triphenylmethylradikal Wie andere unreaktive Radikale steht es mit seinem Dimer das sogenannte Gomberg Dimer in Losung im Gleichgewicht Das Dimer des Triphenylmethyl Radikals ist das in der Abbildung gezeigte 3 Diphenylmethylen 6 triphenylmethyl cyclohexa 1 4 dien und nicht Hexaphenylethan wie sein Entdecker Moses Gomberg annahm 3 Faktoren die zu stabilen Radikalen fuhren sind zum einen eine Resonanzstabilisierung des Radikals zum anderen eine Hinderung der Dimerisierung beispielsweise durch sterisch anspruchsvolle Substituenten Auch in der Natur kommen stabile Radikale vor So beinhaltet zum Beispiel das Enzym Ribonukleotidreduktase RNR ein Tyrosylradikal mit einer Halbwertszeit von 4 Tagen Kohlenstoff Radikale Bearbeiten C zentrierte Radikale zeigen eine zunehmende Stabilitat in der Reihe Methylradikal lt primares C Atom lt sekundares C Atom lt tertiares C Atom was durch induktive Effekte und Hyperkonjugation bedingt ist Ausserdem sind sp hybridisierte Kohlenstoff Radikale stabiler als Radikalzentren in denen der Kohlenstoff eine sp oder sp Hybridisierung aufweist Auch Aryl oder Allylgruppen stabilisieren das Radikal Bekannte Beispiele BearbeitenDisauerstoff O2 dieses Sauerstoffmolekul enthalt zwei ungepaarte Elektronen Biradikal O O die Lewis Formel O O gibt die Bindungssituation also nicht vollstandig und korrekt wieder und bildet sich im Magnetfeld als paramagnetisches Triplett ab Allerdings ist die Reaktionsfahigkeit dieses Biradikals beschrankt da das Prinzip der Erhaltung des Spins bei chemischen Reaktionen in den meisten Fallen zuerst eine Anregung zu Singulett Sauerstoff erfordert Stickstoffmonoxid NO ein als Botenstoff erkanntes Radikal Stickstoffmonoxid ist Bestandteil von nitrosen Gasen Hydroxyl Radikal OH das reaktivste und bedeutendste Radikal in der Atmosphare wichtig fur Abbau von Luftverunreinigungen Chlorradikale Cl entstehen durch homolytische Spaltung der Chlor Chlor Bindung aus molekularem Chlor Cl2 und sind reaktive Intermediate bei der Photochlorierung von Alkanen sowie bei der Seitenkettenchlorierung SSS Regel von Alkyl substituierten Aromaten Sie werden auch durch Lichteinwirkung aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen freigesetzt und konnen an der Schadigung Abbau der Ozonschicht beteiligt sein Bromradikale Br entstehen durch homolytische Spaltung der Brom Brom Bindung aus molekularem Brom Br2 und sind reaktive Intermediate bei der Photobromierung von Alkanen sowie bei der Seitenkettenbromierung SSS Regel von Alkyl substituierten Aromaten TEMPO ein stabiles organisches Radikal das unter anderem als Oxidationsmittel verwendet wird Benzoyloxyradikal ein Radikal das vor allem bei der Synthese von Kunststoffen bedeutend istRadikalnachweis BearbeitenRadikale kann man direkt oder indirekt nachweisen 4 Weist ein Molekul ungepaarte Elektronen auf kann der Spin der Elektronen in einem Magnetfeld zwei unterschiedliche Orientierungen einnehmen Dies kann durch die Elektronenspinresonanz ESR Spektroskopie aufgezeigt werden Da die meisten Radikale sehr reaktiv sind kann man sie durch das mit einem Radikalfanger entstehende Produkt charakterisieren Fur sehr kurzlebige Radikale konnen Spin Trap Reagenzien wie tert Bu N O eingesetzt werden Nach der Addition des Radikals bildet sich das persistente Nitroxid welches mittels ESR Spektroskopie untersucht werden kann Bei der Dimerisierung von zwei Radikalen entsteht ein stabiles Molekul das isoliert und charakterisiert werden kann Beispiel Zwei Methylradikale CH3 dimerisieren zu Ethan H3C CH3 Radikale in der Biologie BearbeitenRadikale etwa reaktive Sauerstoffspezies ROS spielen bei einer Vielzahl biologischer Prozesse eine wichtige Rolle konnen aber auch Zellschaden hervorrufen die unter anderem zur Entstehung von Krebserkrankungen beitragen konnen Auch fur die Entstehung der Arteriosklerose der Alzheimerschen Krankheit der Leberschadigung durch Alkohol und des Lungenemphysems durch Tabakrauch wird der durch freie Radikale vermittelten Oxidation verschiedener Stoffe eine bedeutsame Rolle zugeschrieben Unter den intrazellularen Signalwegen die durch freie Radikale aktiviert werden ist der NF kB Signalweg einer der wichtigsten Der Schutz vor der Wirkung der Radikale ist lebensnotwendig der Korper besitzt deshalb wirksame Abwehr und Reparaturmechanismen in Form von Enzymen Hormonen oder anderen Substanzklassen die die schadliche Wirkung minimieren An diesen Abwehrmechanismen sind Antioxidantien wie Epigallocatechingallat Superoxiddismutase Glutathionperoxidase Vitamin A Vitamin C Vitamin E Coenzym Q10 Flavonoide wie Taxifolin 5 und Anthocyane beteiligt Auch Bilirubin und Harnsaure sollen bestimmte freie Radikale neutralisieren konnen Das Hormon Melatonin gilt ebenfalls als Radikaleinfanger gegen den oxidativen Stress Das starkste bekannte Antioxidans das Hydridion H spielt zum Beispiel im Citratzyklus und bei vielen Redoxreaktionen des Stoffwechsels eine wichtige Rolle Radikale spielen im Rahmen der sogenannten Abnutzungstheorien der Alterungsprozesse im Korper eine Rolle so dass Wirksubstanzen gegen oxidativen Stress als Mittel gegen das Altern im Gesprach sind Theorie der freien Radikale So ist bekannt dass Zellen von Vogeln weitaus besser freien Radikalen widerstehen konnen Da aber nur der Einfluss synthetischer Antioxidantien untersucht wurde sollten keine Schlusse zu moglichen Effekten von Obst und Gemuse gezogen werden 2007 forderte ein JAMA Editorial weitere randomisierte Studien um die Wirkung von Vitamin C und Selen zu etablieren 6 Eine seither mehrfach aktualisierte sehr grosse Metaanalyse der Cochrane Collaboration 2007 2012 konnte abschliessend keinerlei positive Effekte vitaminhaltiger Nahrungserganzungspraparate nachweisen im Gegenteil stieg die Sterblichkeit in der Verumgruppe sogar leicht an 7 Historische Bedeutung BearbeitenAls sich zu Beginn des 19 Jahrhunderts die Theorie durchsetzte dass alle Materie aus Atomen aufgebaut ist siehe John Dalton wurde von bedeutenden Chemikern wie Lavoisier und Wohler der Begriff Radikal verwendet um mehratomige Molekule zu bezeichnen die sich in chemischen Reaktionen wie Einzelatome verhielten 8 Auguste Laurent verwendete den Begriff Radikal erstmals um Atome und Atomgruppen in der Kerntheorie Chemie zu bezeichnen Zum Beispiel verhalt sich das Cyanat Ion das aus drei Atomen aufgebaut ist haufig wie ein Chlorid Ion Ebenso verhalt sich ein Ammonium Ion das aus funf Atomen besteht oft wie das Ion eines Alkalimetalls Deshalb wurden unter anderem Cyanat und Ammonium Ionen als Radikale bezeichnet Siehe auch Radikaltheorie Literatur BearbeitenChristoph Ruchardt Radikale Eine chemische Theorie in historischer Sicht In Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Mathematisch naturwissenschaftliche Klasse 1992 S 319 345 Volltext Ivo E Dreosti Hrsg Trace Elements Micronutrients and Free Radicals Humana Press Totowa New Jersey 1991 ISBN 0 89603 188 8 Weblinks BearbeitenAcyclische Kohlenwasserstoffe ein zwei u dreiwertige Radikale Memento vom 12 Januar 2012 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Dieter Hellwinkel Die systematische Nomenklatur der organischen Chemie Eine Gebrauchsanweisung 4 Auflage Springer Berlin 1998 ISBN 3 540 63221 2 S 92 1 Aufl 1974 M D Lechner K Gehrke E H Nordmeier Makromolekulare Chemie 4 Auflage Birkhauser Verlag 2010 ISBN 978 3 7643 8890 4 S 54 6 Auflage 2020 Siegfried Hauptmann Organische Chemie 2 Auflage VEB Deutscher Verlag fur Grundstoffindustrie Leipzig 1985 ISBN 3 342 00280 8 S 281 Ulrich Luning Organische Reaktionen Eine Einfuhrung in der Reaktionswege und Mechanismen 2 Auflage Spektrum Munchen 2007 ISBN 978 3 8274 1834 0 S 21 Yu A Vladimirov E V Proskurnina E M Demin N S Matveeva O B Lubitskiy A A Novikov D Yu Izmailov A N Osipov V P Tikhonov V E Kagan Dihydroquercetin taxifolin and other flavonoids as inhibitors of free radical formation at key stages of apoptosis In Biochemistry Moscow Band 74 Nr 3 2009 S 301 307 doi 10 1134 S0006297909030092 PMID 19364325 Goran Bjelakovic Dimitrinka Nikolova Lise Lotte Gluud Rosa G Simonetti Christian Gluud Mortality in Randomized Trials of Antioxidant Supplements for Primary and Secondary Prevention In JAMA The Journal of the American Medical Association Band 297 Nr 8 28 Januar 2007 S 842 857 doi 10 1001 jama 297 8 842 G Bjelakovic D Nikolova L L Gluud R G Simonetti C Gluud Antioxidant supplements for prevention of mortality in healthy participants and patients with various diseases In Cochrane database of systematic reviews Online Band 3 2012 S CD007176 doi 10 1002 14651858 CD007176 pub2 PMID 22419320 Ubersichtsartikel John Buckingham Chasing the molecule Sutton Stroud 2004 ISBN 0 7509 3345 3 Normdaten Sachbegriff GND 4076475 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Radikal Chemie amp oldid 234210498