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Als Romerlager Haltern werden mehrere romische Militaranlagen auf dem Gebiet der Stadt Haltern am See Kreis Recklinghausen bezeichnet Dort wurden seit 1816 an insgesamt sechs Standorten militarische Anlagen sowie ein Graberfeld aus augusteischer Zeit entdeckt Der Komplex wurde vermutlich zu Beginn unserer Zeitrechnung unmittelbar nordlich des Flusses Lippe Lupia angelegt Im Zusammenhang mit den Vorgangen um die Varusschlacht wurde er wieder verlassen Wie die Wissenschaftler heute vermuten hatten die Anlagen zunachst eine rein militarische Funktion und sicherten die Lippe als Schifffahrtsweg ab Spater gewannen sie auch Bedeutung als Verwaltungszentrum und Handelsplatz Indizien weisen darauf hin dass das in Verbindung mit der Varusschlacht von romischen Geschichtsschreibern erwahnte Lager Aliso im heutigen Haltern gelegen haben konnte 1 Ausgrabungsstatte Haltern nahe der Lippe 11 v Chr bis 9 n Chr Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Anlagen 2 1 Annaberg 2 2 Wiegel 2 3 Hofestatt 2 4 Feldlager 2 5 Hauptlager 2 6 Ostlager 2 7 Graberfeld 3 Funde 4 Datierung 5 Funktion 6 Das Gelande heute 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseForschungsgeschichte BearbeitenDie Entdeckung der ehemaligen Romerlager Haltern geht auf das Jahr 1816 zuruck In einem Brief an den Oberprasidenten der Provinz Westfalen Ludwig Freiherr von Vincke wird berichtet dass nahe beim St Annenberg bei Haltern drei Grabhugel samt romischen Funden ausgegraben worden seien 2 1834 veroffentlichte Pfarrer Joseph Niesert einen Fundbericht vom Annaberg Schliesslich untersuchte der preussische Major Friedrich Wilhelm Schmidt 1838 die Wege auf denen sich romische Truppen zur Zeit des Kaisers Augustus ins Innere Germaniens aufgemacht hatten 3 Dabei stiess er auf dem Annaberg der sudwestlich der Stadt am Nordufer der Lippe liegt auf die Uberreste eines romischen Kastells 4 Erst ab dem Jahr 1899 gruben Archaologen die Reste von bislang funf romischen Anlagen der augusteischen Epoche aus und entdeckten daruber hinaus ein Graberfeld jener Zeit Seither fanden viele Grabungskampagnen statt die trotz der Erschwernis fortschreitender Siedlungstatigkeit wesentliche neue Erkenntnisse uber Entwicklung und Funktion dieses Fundplatzes brachten 5 2021 wurde bei Ausgrabungen der Spitzgraben eines weiteren rund 2000 Jahre alten Marschlagers bei Haltern entdeckt Es soll eine Grosse von etwa 24 Hektar bedeckt und bis zu 20 000 Legionaren Platz geboten haben 6 Laut den Forschern sei es das erste romische Marschlager an dieser Stelle und vermutlich in der Zeit der Feldzuge des Drusus um 12 v Chr angelegt worden 7 Hinweise auf dieses Lager gab es bereits 2011 durch die Luftbildarchaologie 8 Anlagen BearbeitenAnnaberg Bearbeiten nbsp Sehr fruhes Zeugnis fur eine Principia in augusteischer Zeit im Legionslager Haltern Periode 1Im Sommer 1899 fand der Archaologe Carl Schuchhardt auf dem Annaberg Plateau welches die Lippe Niederung um rund 30 m uberragt einen Graben dessen Verlauf mittels Suchschnitten fast vollstandig geklart werden konnte Dieser 3 5 m breite und 1 5 m tiefe Spitzgraben gehorte zur Umwehrung eines etwa 7 ha grossen Lagers 9 Es war von annahernd dreieckiger Gestalt Hinter dem Graben fand sich ein in geringen Abstanden mit Pfosten verstarkter etwa 4 m breiter und 1 5 m hoher Erdwall Andere Pfostenspuren in dem Spitzgraben deuten an dass in den Wall im Abstand von 30 m Turme eingebaut waren Ungewohnlich daran ist dass die Turme sich teilweise ausserhalb des Walles befunden hatten Ebenfalls unklar ist der Befund bei den beiden zweiflugeligen Toranlagen Die Torhauser rechts und links der 4 m breiten Zufahrten hatten ebenfalls mehrere Meter uber den Spitzgraben hinausragen mussen Insgesamt ergibt sich ein fur Militaranlagen der augusteischen Zeit untypisches Bild 10 Wiegel Bearbeiten Auf dem Flurstuck Wiegel entdeckte der Halterner Arzt Alexander Conrads im August 1899 Scherben die als augusteisch datiert wurden Nordlich einer Terrassenkante zur Lippeaue wurde bei drei Grabungskampagnen ein 300 m langer und etwa 60 m breiter Gelandeabschnitt untersucht Es fand sich dabei ein unubersichtliches Miteinander mehrerer Graben und Gruben Ein rund 220 m langer Graben grenzte diesen Fundplatz nach Norden ab Wahrend er in ostlicher Richtung immer flacher und schmaler wurde bog er in westlicher Richtung nach Suden ab Dort mundete er nach etwa 30 m in ein System von drei bis zu sieben Metern breiten Gruben unterschiedlicher Lange das wegen der Anordnung der Gruben zueinander so genannte Dreieck Westlich davon lag ein 13 18 m grosses Gebaude dessen der Lippe zugewandte Sudfront halb offen war Nicht weniger als acht Spitzgraben kreuzten diesen Fundplatz 11 Hofestatt Bearbeiten Auf dem Flurgrundstuck Hofestatt gruben die Archaologen Friedrich Koepp Hans Dragendorff und Gustav Kruger in den Jahren 1901 bis 1904 vier zeitlich aufeinander folgende sich uberlagernde Befestigungsanlagen aus Sie alle waren zur sudlich gelegenen Lippe hin ausgerichtet und zum Fluss hin offen Dieser Umstand hat dazu gefuhrt dass sie in der Fachwelt auch Uferkastell genannt werden 12 Die alteste Anlage war auch die kleinste Sie war etwa 43 10 m gross Umgeben war sie von einem 2 m breiten und rund 1 m tiefen Spitzgraben der in der Osthalfte der Anlage doppelt ausgefuhrt war Hinter den Graben lag eine etwa 3 m breite Holz Erde Mauer Die nachstjungere Anlage umschloss die erste grossflachig Ihre etwa 115 m lange gerade Nordseite bog an ihren Ende in sudlicher Richtung zur Lippe hin ab Auch hier wurde ein Spitzgraben mit einer dahinter liegender Holz Erde Mauer gefunden Pfostenspuren an der Nordost Ecke lassen vermuten dass sich dort ein Turm befand In der Mitte der Nordseite fand sich eine etwa 3 m breite Erdbrucke moglicherweise das Tor zu diesem Lagerplatz Beiderseits dieser Toranlagen fanden sich im Lagerinneren die Umrisse zweier Gebaude 13 Die dritte Anlage wurde von den Romern offenbar schon wahrend der Bauphase verandert An der Sudwestecke ihres Vorgangers beginnend verlief der wohl ursprunglich geplante Verlauf von einem seichten Knick abgesehen mehr als 220 m weit in nordostlicher Richtung um dann etwa 50 m weit nach Sudosten abzuknicken Diese Anlage war an der Westseite auf rund 75 m Lange mit einem doppelten Spitzgraben und einer Holz Erde Mauer versehen In ihrem weiteren Verlauf wurde nur der aussere Spitzgraben gefunden Etwa in der Mitte der nach Nordosten verlaufenden Umwehrung war eine Toranlage geplant worauf eine breite Erdbrucke uber den Spitzgraben hinweist Tatsachlich wurde diese Anlage schliesslich viel kleiner fertiggestellt Sie war etwa halb so gross wie die zweite Befestigung und uberlagerte diese in ihrer Westhalfte Der schon erwahnte Doppelgraben knickte nun nach Sudosten ab und endete an der Boschung zur Lippe An der Nordostseite fanden sich auch eine Toranlage und Spuren kleinerer Gebaude 14 Die jungste aller gefundenen Anlagen war auch die grosste Etwa 90 m westlich der anderen Befestigungen beginnend verliefen ihre beiden Spitzgraben und ihre Holz Erde Mauer zunachst nach Norden bogen dann im rechten Winkel nach Osten ab um schliesslich in die ostlichen Graben der dritten Anlage zu munden An der Westfront befand sich ein Tor die Graben waren dort von einer etwa drei Meter breiten Erdbrucke unterbrochen In der Nordwest Ecke dieser Befestigung fanden die Ausgraber die Spuren eines 55 30 m grossen und zur Lippe hin offenen Gebaudekomplexes die Uberreste von sieben parallel zueinander liegenden Schiffshausern vergleichbar mit unseren heutigen Trockendocks Jedes dieser Hauser war etwa 30 m lang und gut 6 m breit 15 Feldlager Bearbeiten Grabungsbefunde auf der Flur Hofestatt fuhrten die Archaologen auf die Spur des Feldlager genannten Komplexes 12 Es liegt auf einer bis zu 30 m hohen Erhebung nordwestlich von Wiegel und Hofestatt Nach mehreren Untersuchungen stand im Jahr 1909 die Grosse des Lagers fest Es war von annahernd funfeckiger Form und etwa 614 560 m gross was einer Flache von etwa 34 5 ha entspricht Umgeben war es von einem 1 6 m tiefen und bis zu 2 8 m breiten Spitzgraben Tore fanden sich an der Nord Ost und Sudseite des Lagers Eine etwa 3 m breite fundlose Zone hinter dem Graben an der Innenseite des Lagers deutet auf einen Wall hin Spuren einer Innenbebauung wurden bei den bisherigen Grabungen nicht nachgewiesen Im Nordgraben fand sich eine Kulturschicht mit erheblichen Mengen von Holzkohle Schlacke und romischem Fundmaterial 16 Hauptlager Bearbeiten Ein Halterner Apotheker hatte 1901 romische Funde in einem Hohlweg entdeckt Dieser stellte sich bei der Untersuchung des Fundortes durch Friedrich Koepp Friedrich Philippi und Carl Schuchhardt als der aussere eines Doppelspitzgrabens heraus welches das Hauptlager umgab und dessen Verlauf Otto Dahm fast vollstandig klaren konnte Beide Graben waren etwa 6 m breit und 2 5 m tief Nach Innen folgte eine etwa drei Meter breite Holz Erde Mauer Sie umschloss eine 16 3 ha grosse Flache Wahrend der Untersuchungen entdeckten die Archaologen dass das Lager zu einem Zeitpunkt der sich nicht bestimmen liess nach Osten hin um etwa 1 6 ha vergrossert worden war Im letzten Ausbaustadium hatte es eine Ausdehnung von etwa 560 380 m und bedeckte eine Flache von 18 3 ha In der Umwehrung fanden sich vier Toranlagen wobei die Torgassen sieben bis zehn Meter breit waren Eine Pfostenspur nahe dem Westtor weist auf einen Lagerturm hin Die Doppelgraben des Hauptlagers durchschneiden mehrfach den spater entdeckten Graben des Feldlagers das daher fruher als das Hauptlager angelegt worden sein muss 17 Bis zum Ersten Weltkrieg hatten die Ausgraber neben den vier Hauptstrassen des Lagers Via principalis Via praetoria Via decumana Via quintana ein beinahe rechtwinklig zueinander verlaufendes System von Strassen innerhalb der Lagerflache entdeckt Die Via praetoria war uber 45 m die Via principalis 30 m die Via decumana und die Via quintana bis zu 20 m breit Parallel zur Umwehrung verlief im Lagerinnern die Via sagularis Die Innenbebauung wies das fur romische Lager dieser Grosse zu erwartende Spektrum an Gebauden auf neben Verwaltungssitz Principia und Quartier des Lagerkommandanten Praetorium gab es Tribunenhauser Centurionenhauser Kasernengebaude Contubernium ein Lazarett Valetudinarium Magazine Topfereien Speicher und Werkstatten Auffallig ist die ungewohnlich hohe Zahl an Gebauden reprasentativen Charakters und das nachtragliche Errichten von Neubauten in den Strassenraum hinein 18 Ostlager Bearbeiten Das Ostlager wurde 1997 entdeckt Im Jahre 2000 fand man ein Clavicula Tor das man bisher nur aus Lagern kannte die Ende des ersten Jahrhunderts der Zeitrechnung errichtet wurden Graberfeld Bearbeiten Erste Grabhugel waren nahe dem Annaberg bereits 1816 gefunden und ergraben worden Grabungen am Osthang des Annabergs fanden 1925 unter August Stieren und 1932 unter Christoph Albrecht statt bei denen augusteische Brandbestattungen gefunden wurden 1958 wurde in diesem Gebiet zufallig ein weiteres augusteisches Grab entdeckt Als etwa 500 m ostlich noch ein Grab entdeckt wurde begannen 1982 planmassige Grabungen bei denen bis 1988 weitere 32 Graber entdeckt wurden Das bislang entdeckte Graberfeld erstreckt sich auf einer Lange von annahernd 500 m auf einem etwa 45 m breiten Streifen von der Sudostecke von Feld und Hauptlager zum Annaberg In allen Fallen handelt es sich um Brandbestattungen wobei Kochtopfe als Urnen verwendet wurden Zu den Grabbeigaben gehoren fast immer kleine Salbol Flaschen Haufig gefunden wurden auch Reste von Krugen und anderem Geschirr sowie Nagel die vom Totenbett der Verstorben aber auch von deren Schuhen stammen konnen Auf Totenbetten deuten auch Hunderte Bruchstucke aus Bein hin die mit Schnitzwerk verziert waren 19 Funde BearbeitenDas Fundspektrum ist reichhaltig wie der nachfolgende Uberblick verdeutlicht Munzen vier Goldmunzen 309 Silbermunzen 2561 Kupfermunzen Bargeld der Soldaten Bauausstattung Wohnen Bleirohre Wasserleitung Zeltheringe Lampen Kandelaber Reste von Schlossern und Schlusseln Keramik Glas hochwertige Feinkeramik Gebrauchskeramik Buntglas Millefioriglas Retticellafadenglas Streifenmosaikglas einfarbiges Buntglas Spielsteine Werkzeuge Bleigewichte Axte Hacken Zangen Sicheln Dolabras Bauklammern Mauerhaken Bleilote Bleibarren Bronzebarren Ambosse Gussformen Handbohrer Hammer Sagen Waffen Dolche Helm Schildbuckel Schwertscheiden dreiflugelige Pfeilspitzen Schleuderbleie Pilum und Lanzenspitzen Katapultpfeile Handfesseln Essen Trinken Kochen Kruge Topfe Schalen Teller Tassen Amphoren Backplatten Kellen Siebe Der Fundort ist Eponym des Halterner Kochtopfes Kult Urnen Totenbetten Schalchen und andere Kultgefasse Kultfiguren Medizin Arzneibuchse Sonden Nadeln Pinzette Flaschchen Kanne Schaber Reiterei Pferdegeschirr Beschlage Trensen Hebelarmhakamore Bronzeglocken Bekleidung Schmuck Bronzeschnallen mit Lederriemenresten Gurtelschliessen Schmuckscheiben Knopfe Fibeln Ringe Gemmen Amulette Anhanger Datierung BearbeitenWann der Lagerkomplex Haltern gegrundet wurde steht bislang nicht eindeutig fest Zeitlich zuordnen lasst sich die Grundung bislang allein durch Vergleichen des Halterner Fundmaterials mit dem anderer bereits fest datierter Fundplatze Aus dem Formenspektrum der Keramikfunde lasst sich ableiten dass Haltern erst einige Jahre nach Aufgabe des Romerlagers Oberaden welches spatestens im Jahr 8 v Chr aufgelassen wurde gegrundet wurde In den historischen Quellen ist fur den Zeitraum von 7 v Chr bis 1 n Chr kein Grund fur das Errichten eines derartigen Militarkomplexes erkennbar Daher spricht einiges dafur dass Haltern im Zusammenhang mit den von dem romischen Schriftsteller Velleius Paterculus erwahnten Unruhen in Germanien des Jahres 1 n Chr steht auf die die Romer mit Feldzugen unter Marcus Vinicius reagierten immensum bellum Eine Grundung bereits ab den Jahren 7 5 v Chr wird allerdings nicht ausgeschlossen in diesen Jahren wurde die rechtsrheinische Infrastruktur nach dem Ende der Drusus Feldzuge 12 bis 8 v Chr neu strukturiert Der Lagerkomplex bei Haltern wurde von den Romern nur bis zum Jahr 9 n Chr genutzt Anhand von Munzstatistiken konnte Konrad Kraft diese Annahme 1956 erstmals plausibel belegen 20 Sie wurde in spateren Jahren von Bernard Korzus und anderen aufgrund des weiter gewachsenen Munzbestandes bestatigt Fur die Aufgabe des Lagers im Zusammenhang mit der Varusschlacht sprechen unter anderem auch drei Hortfunde Entdeckt wurden ausser einer Kiste die mehr als 3000 Geschutzpfeile enthielt ein weiterer Hort mit Waffen und anderen Objekten aus Metall sowie ein Munzschatz der mit einer Gold und 186 Silbermunzen in seinem damaligen Wert in etwa dem Jahressold eines Soldaten entsprach 21 Funktion BearbeitenTrotz seiner geeigneten Lage gibt das Lager auf dem Annaberg den Wissenschaftlern Ratsel auf weil es nicht zu dem Bild anderer augusteischer Militaranlagen passt Seine Funktion ist bislang ungeklart Ebenso verhalt es sich mit dem Fundplatz Wiegel am Rande der Hochterrasse zur Lippeaue Zunachst wurde darin ein mit Speicherbauten ausgestatteter Anlegeplatz fur Schiffe vermutet Dann jedoch hatte die Lippe direkt an der Terrassenkante vorbeifliessen mussen was als unwahrscheinlich gilt Zu der Annahme passen auch nicht die vielen Siedlungsfunde aus Munzen Fibeln Feinkeramik und Buntglas die man an einer Hafenanlage in hoher Zahl eher nicht erwarten kann Bei der vierten also jungsten Befestigungsanlage am Hofestatt handelt es sich den Befunden zufolge eindeutig um einen befestigten Marinestutzpunkt Die Funktion der zuvor an dieser Stelle errichteten Anlagen ist unklar Auch wenn sich auch dort jeweils eine Nutzung als befestigter Landeplatz fur Schiffe annehmen lasst so ist das durch Befunde bislang nicht erhartet worden Der Lagerkomplex diente offenbar nicht mehr allein militarischen Zwecken als er verlassen wurde Die Annahme einer ausserdem administrativen und auch schon zivilen Nutzung stutzt sich auf mehrere Befunde Zum einen wurde das Lager erheblich vergrossert Aber dies geschah offenbar nicht um Platz zum Unterbringen weiterer Soldaten zu gewinnen Stattdessen gibt es Hinweise darauf dass Kasernen zugunsten des Anlegens von Werkstatten abgerissen wurden Weitere Indizien sind der Neubau eines Tribunenhauses und eines Speichergebaudes nach der Lagererweiterung der Umbau mehrerer Gebaude der Neubau von Tribunenhausern in den Lagerstrassen und die Tatsache dass der Lagerkomplex insgesamt mehr Gebaude fur hohere Offiziere enthielt als es fur ein Lager notig gewesen ware Siegmar von Schnurbein zufolge konnte das Lager lediglich sechs oder sieben Kohorten und einige Hilfstruppenkontingente aufnehmen Die Keramikproduktion des Lagers diente zu einem spateren Zeitpunkt seines Bestehens offenbar nicht mehr allein dem Zweck den eigenen Bedarf zu decken Funde von Terra Sigillata Imitationen und glasierter Keramik legen diesen Schluss nahe Uber den Fund von in Haltern produzierter hochwertiger Keramik sind Handelsbeziehungen lippeaufwarts bis zum Romerlager Anreppen sowie lippeabwarts zum Rhein und an diesem bis nach Mainz und Wiesbaden nachweisbar 22 Abschliessend lasst sich sagen dass Haltern als es verlassen wurde im Wandel begriffen war von einem rein militarischen Komplex hin zu einem dem zunehmend auch zivile Bedeutung zukam Das passt zu den Schilderungen der antiken Schriftsteller Tacitus und Cassius Dio Tacitus berichtete in seinen Annalen 1 59 von Arminius er habe in einer Rede gegen die Romer von neuen Siedlungen novas colonias gesprochen 23 Dio beschrieb in seinem Werk Romische Geschichte die Romer hatten zur fraglichen Zeit im rechtsrheinischen Gebiet erste Stadte Polis und Markte Agora aufgebaut 24 Wahrend in Lahnau Waldgirmes an der Lahn inzwischen eine solche Stadtgrundung aus augusteischer Zeit entdeckt wurde diente Haltern aufgrund der Funde und Befunde eher als Handelsplatz Offen ist welche Truppen einst in Haltern stationiert waren Auf die zeitweilige Anwesenheit zumindest von Teilen der in der Varusschlacht untergegangenen 19 Legion weisen zwei Funde hin ein Terra Sigillata Teller mit der Ritzinschrift eines Soldaten mit dem wenig verbreiteten Namen Fenestela dessen in Frejus gefundener Grabstein ihn als Angehorigen dieser Legion ausweist ein im Hauptlager gefundener Bleibarren auf dem sich ebenfalls ein Hinweis auf die 19 Legion befindet 21 Das Gelande heute Bearbeiten nbsp LWL Romermuseum Haltern am See in der DammerungWesentliche Teile des ehemaligen Lagerkomplexes sind heute uberbaut Eine von zwei Ausnahmen ist der westliche Bereich von Feld und Hauptlager Das Areal am Westrand der Stadt Haltern am See ist von Siedlungsflachen umschlossen und wird heute landwirtschaftlich genutzt Der Fundort am Annaberg ist heute bewaldet Das LWL Romermuseum wurde zwischen den sudlichen Umwehrungen von Feld und Hauptlager erbaut und vollzieht deren Verlauf durch die Gebaudeform nach Die Oberlichter in dem begrunten Dach des Flachbaus erinnern zudem an die Zelte der romischen Soldaten die auf diesem Gelande vor 2000 Jahren campierten Auch die Funde der weiteren bislang an der Lippe entdeckten Lager Anreppen Beckinghausen Holsterhausen Oberaden sowie die aus dem Romerlager Kneblinghausen werden in dem Museum ausgestellt Vom 16 Mai bis 25 Oktober 2009 beleuchtete die Ausstellung Imperium Konflikt Mythos 2000 Jahre Varusschlacht an den Originalschauplatzen Haltern am See Kalkriese und Detmold unterschiedliche Facetten des historischen Geschehens Literatur BearbeitenSiegmar von Schnurbein Die romischen Militaranlagen bei Haltern Bericht uber die Forschungen seit 1899 Bodenaltertumer Westfalens 14 Aschendorff Munster 1974 2 Auflage Munster 1981 ISBN 3 402 05117 6 Rudolf Asskamp Renate Wiechers Westfalisches Romermuseum Haltern Hrsg Westfalische Romermuseum Haltern im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe Ardey Verlag Munster 1996 ISBN 3 87023 070 3 Rudolf Asskamp Haltern In 2000 Jahre Romer in Westfalen Mainz 1989 ISBN 3 8053 1100 1 S 21 43 Rudolf Asskamp Haltern Stadt Haltern am See Kreis Recklinghausen Romerlager in Westfalen 5 Altertumskommission fur Westfalen Munster 2010 Johann Sebastian Kuhlborn Der augusteische Militarstutzpunkt Haltern In Johann Sebastian Kuhlborn Hrsg Germaniam pacavi Germanien habe ich befriedet Munster 1995 S 82 102 Johann Sebastian Kuhlborn Haltern In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 13 Berlin 1999 S 460 469 Johann Sebastian Kuhlborn Haltern In Michel Redde Raymond Brulet Rudolf Fellmann Jan Kees Haalebos Siegmar von Schnurbein Hrsg L Architecture de la Gaule romaine Les fortifications militaire ISBN 2 7351 1119 9 Paris 2006 S 285 290 Johann Sebastian Kuhlborn Das augusteische Hauptlager von Haltern In Krieg und Frieden Kelten Romer Germanen Primus Verlag Darmstadt 2007 S 203 206 Johann Sebastian Kuhlborn Auf dem Marsch in die Germania Magna Roms Krieg gegen die Germanen In Martin Muller Hans Joachim Schalles Norbert Zieling Hrsg Colonia Ulpia Traiana Xanten und sein Umland in romischer Zeit Zabern Mainz 2008 ISBN 978 3 8053 3953 7 S 67 91 Joachim Harnecker Katalog der Eisenfunde von Haltern aus den Grabungen der Jahre 1949 1994 Zabern Mainz 2001 ISBN 3 8053 2452 9 Bernhard Rudnick Die romischen Topfereien von Haltern Zabern Mainz 2001 ISBN 3 8053 2796 X Digitalisat Martin Muller Die romischen Buntmetallfunde von Haltern Zabern Mainz 2002 ISBN 3 8053 2881 8 Stephan Berke Geschnitzte Klinenteile aus dem Graberfeld von Haltern Mitteilungen der Archaologischen Gesellschaft Steiermark 3 1989 1990 33 43 Stephan Berke Das Graberfeld von Haltern In Bendix Trier Hrsg Die romische Okkupation nordlich der Alpen zur Zeit des Augustus Kolloquium Bergkamen 1989 Vortrage Bodenaltertumer Westfalens 26 Munster 1991 ISBN 3 8053 1100 1 S 149 157 Stephan Berke Requies aeterna Der Grabbau 12 1988 und die relative Chronologie innerhalb der romischen Graberstrasse von Haltern In Torsten Mattern Hrsg Munus Festschrift fur Hans Wiegartz Munster 2000 ISBN 3 932610 17 2 S 27 37 Stephan Berke Die romische Nekropole von Haltern In Stephan Berke Torsten Mattern Hrsg Romische Graber augusteischer und tiberischer Zeit im Westen des Imperiums Akten der Tagung vom 11 bis 14 November 2010 in Trier Philippika 63 Wiesbaden 2013 ISBN 978 3 447 06994 6 S 58 92 Stephan Berke Der siebzigste Geburtstag Ein Beitrag zur Forschungsgeschichte der romischen Anlagen von Haltern In Hans Otto Pollmann Hrsg Archaologische Ruckblicke Festschrift fur Daniel Berenger Universitatsforschungen zur prahistorischen Archaologie 254 Bonn 2014 ISBN 978 3 7749 3915 8 S 183 194 Stephan Berke Die relative Chronologie in der romischen Nekropole von Haltern und ihre Verknupfung mit der absoluten Chronologie der augusteischen Germanenkriege In Stefan Burmeister Salvatore Ortisi Hrsg Phantom Germanicus Spurensuche zwischen historischer Uberlieferung und archaologischem Befund Symposium vom 2 3 Juli 2015 Museum und Park Kalkriese Universitat Osnabruck Materialhefte zur Ur und Fruhgeschichte Niedersachsens 53 Rahden Westfalen 2018 ISBN 978 3 89646 845 1 S 161 187 Stephan Berke Tod in Aliso kunstvolle Ruhebetten fur den Scheiterhaufen In LWL Archaologie fur Westfalen Hrsg 100 Jahre 100 Funde Das Jubilaum der amtlichen Bodendenkmalpflege in Westfalen Lippe Darmstadt 2020 S 51 Stephan Berke Haltern und Germanicus In Kai Ruffing Hrsg Germanicus Rom Germanien und die Chatten Geschichte in Wissenschaft und Forschung Kohlhammer Stuttgart 2021 ISBN 978 3 17 036756 2 S 152 185 Stephan Berke Die romische Nekropole von Haltern In E Classen T Schurmann M Trier M M Rind Hrsg Roms fliessende Grenzen Archaologische Landesausstellung Nordrhein Westfalen 2021 2022 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2021 S 482 489 Weblinks BearbeitenRomermuseum Haltern Jona Lendering Haltern In Livius org englisch Geschichte der Erforschung des romischen Haltern auf der Seite des Heimatvereins HalternEinzelnachweise Bearbeiten Archaologische Indizien bekraftigen Haltern war wohl das antike Aliso Presseinformation vom 12 August 2010 Berke 2013 S 61 62 Hartmut Polenz Die Archaologischen Sammlungen und Museen im Ruhrgebiet In Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur ISSN 1436 7661 Jg 2002 Heft 2 S 9 16 hier S 12 Zeitschrift fur die Alterthumswissenschaft Band 5 1838 S 1202 ff Rudolf Asskamp Haltern In 2000 Jahre Romer in Westfalen Zabern Mainz 1989 ISBN 3 8053 1100 1 S 21 Weiteres Romerlager in Haltern am See entdeckt bei WDR de vom 6 Oktober 2021 Altestes romisches Marschlager in Haltern am See entdeckt bei Archaologie in Deutschland Spitzgraben im Nieselregen in Westfalische Nachrichten vom 6 Oktober 2021 Ferdinand Oppenberg Der Naturpark Hohe Mark Mercator Verlag Duisburg 1974 ISBN 3 87463 060 9 S 82 Asskamp Haltern 1989 S 24 27 28 Asskamp Haltern 1989 S 24 28 29 a b Asskamp Haltern 1989 S 24 Asskamp Haltern 1989 S 30 Asskamp Haltern 1989 S 31 Asskamp Haltern 1989 S 31 f Asskamp Haltern 1989 S 32 f Asskamp Haltern 1989 S 33 34 Asskamp Haltern 1989 S 34 35 Asskamp Haltern 1989 S 39 41 Konrad Kraft Das Enddatum des Legionslagers Haltern In Bonner Jahrbucher 155 156 1955 56 S 95 111 doi 10 11588 bjb 1955 1 75923 a b Asskamp Haltern 1989 S 41 ff Siegmar von Schnurbein Neues zu Germanien unter Varus In Varus Gesellschaft Hrsg Varus Kurier Dezember 2000 S 10 f Tacitus Annalen 1 59 Cassius Dio Romische Geschichte 56 18 2 Kastelle in der Germania Magna Flevum Marschlager Ermelo Romerlager Holsterhausen Aliso Romerlager Haltern Romerlager Olfen Romerlager Beckinghausen Romerlager Bielefeld Sennestadt Romerlager Oberaden Romerlager Kneblinghausen Romerlager Anreppen Romerlager Porta Westfalica Romerlager Hedemunden Romerlager Limburg Romerlager Oberbrechen Romerlager Lahnau Dorlar Romerlager Marktbreit Romisches Marschlager bei Hachelbich Romisches Marschlager von Wilkenburg 51 73947 7 17052 Koordinaten 51 44 22 1 N 7 10 13 9 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Romerlager Haltern amp oldid 236569957