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Otto Riesser 9 Juli 1882 in Frankfurt am Main 1 Dezember 1949 ebenda war ein deutscher Pharmakologe und Physiologe judischer Abstammung Er wirkte von 1921 bis 1928 als Professor fur Pharmakologie und Institutsdirektor an der Preussischen Universitat zu Greifswald sowie anschliessend bis 1934 in gleicher Funktion an der Schlesischen Friedrich Wilhelms Universitat Nach seiner Entlassung aufgrund der Nurnberger Gesetze ging er zunachst an das Schweizerische Forschungsinstitut fur Hochgebirgsklima und Medizin in Davos Im April 1939 emigrierte er in die Niederlande wo er eine Anstellung am Pharmakotherapeutischen Institut der Universiteit van Amsterdam erhielt Er kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland zuruck und beteiligte sich am Wiederaufbau des Hochschulwesens in Hessen und der pharmakologischen Forschung in Deutschland Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Leben 3 Wirken 4 Werke 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHerkunft BearbeitenRiessers Eltern waren der Finanzwissenschaftler Jakob Riesser und dessen Frau Emilie geb Edinger Prominente Familienmitglieder waren der Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Gabriel Riesser ein Bruder seines Grossvaters vaterlicherseits sowie der Neurologe und Neuroanatom Ludwig Edinger ein Bruder seiner Mutter Deren Tochter Tilly Edinger war Riessers Cousine Hans Eduard Riesser Otto Riessers jungerer Bruder war 1918 1933 und 1950 1955 als Diplomat fur das Auswartige Amt tatig Leben BearbeitenOtto Riesser erlangte 1900 das Abitur am Franzosischen Gymnasium Berlin Er begann ein Jahr spater ein Studium der Chemie an der Friedrich Wilhelms Universitat zu Berlin und der Ruprecht Karls Universitat Heidelberg wo er von 1903 bis 1908 auch Medizin studierte In Heidelberg wurde er 1906 beim spateren Nobelpreistrager Albrecht Kossel mit einer Doktorarbeit im Bereich der physiologischen Chemie zum Dr phil nat promoviert 1 Auf Empfehlung Kossels ging er 1909 an das von Max Jaffe geleitete Institut fur Medizinische Chemie und Pharmakologie der Albertus Universitat Konigsberg an dem er unter Betreuung von Alexander Ellinger wirkte und 1911 zum Dr med promoviert wurde 2 1913 habilitierte er sich fur Medizinische Chemie In Konigsberg hatte er 1911 geheiratet Seine Frau mit der er eine Tochter hatte starb bereits drei Jahre spater an einer Tuberkulose der Nieren Mit Beginn des Ersten Weltkrieges meldete sich Otto Riesser als Kriegsfreiwilliger zum Deutschen Heer Nachdem er zunachst als Arzt in Feldlazaretten eingesetzt worden war wurde er im Dezember 1915 aufgrund einer seit seiner Jugend bestehenden Schwerhorigkeit als dienstuntauglich aus dem Heer entlassen Er folgte Ellinger der 1914 Professor fur Pharmakologie an der neugegrundeten Johann Wolfgang Goethe Universitat Frankfurt am Main geworden war und habilitierte sich im Sommer 1916 in Frankfurt zusatzlich fur das Fach Pharmakologie Da im spateren Kriegsverlauf auch Freiwillige rekrutiert wurden die zu Kriegsbeginn noch als untauglich ausgemustert worden waren war er von September 1917 bis Kriegsende als Bataillonsarzt in der Armee tatig Er erhielt das Eiserne Kreuz II und I Klasse Im Sommer 1918 wurde er noch wahrend seiner Armeezeit zum a o Professor in Frankfurt berufen an der er unter anderem fur kurze Zeit mit Werner Lipschitz zusammenarbeitete Ein Jahr spater wechselte er zu das von Gustav Embden geleitete Institut fur vegetative Physiologie der Frankfurter Universitat an dem er in der Folgezeit auch die Lehrbefugnis fur das Fach Physiologie erhielt 1919 heiratete er zum zweiten Mal Zusatzlich zu zwei Kindern aus einer vorherigen Ehe seiner zweiten Frau wurde er in seiner zweiten Ehe Vater von zwei Kindern Im Jahr 1921 wurde Otto Riesser als Nachfolger von Hugo Schulz zum Professor fur Pharmakologie und Institutsdirektor an der Universitat Greifswald berufen Auf einen Wechsel zuruck nach Frankfurt vier Jahre spater wohin er in Nachfolge von Ellinger einen Ruf erhalten hatte verzichtete er aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen der medizinischen Fakultat in Frankfurt und dem preussischen Bildungsministerium zugunsten seines Schulers Werner Lipschitz 1928 folgte er jedoch der Berufung an die Universitat Breslau an der er von Julius Pohl den Lehrstuhl fur Pharmakologie und die Leitung des Pharmakologischen Instituts ubernahm Sein Nachfolger in Greifswald wurde Paul Wels Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAP und die Verabschiedung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums war Riesser aufgrund seines Dienstes im Ersten Weltkrieg neben dem Dermatologen Max Jessner der einzige Professor judischer Abstammung an der medizinischen Fakultat in Breslau der von den Entlassungen judischer Hochschullehrer infolge des Gesetzes zunachst nicht betroffen war Im Sommer 1934 wurde er jedoch als Professor und Institutsdirektor abgesetzt Eine Versetzung an das Georg Speyer Haus in Frankfurt kam wegen der Nurnberger Gesetze nicht zustande Vielmehr fuhrten sie im Dezember 1935 auch zu seiner endgultigen Entlassung aus dem Dienst der Universitat Breslau 3 Riesser ging danach in die Schweiz in der er Anfang 1936 am Schweizerischen Forschungsinstitut fur Hochgebirgsklima und Medizin in Davos die Leitung der Physiologisch Chemischen Abteilung ubernahm Seine Familie folgte ihm im Sommer desselben Jahres Da er infolge eines Erlasses von Heinrich Himmler keinen Reisepass bekam musste er Ende 1937 nach Frankfurt zuruckkehren Nach den Novemberpogromen 1938 in deren Folge er kurzzeitig inhaftiert wurde emigrierte er im April 1939 in die Niederlande wo er eine Anstellung am von Ernst Laqueur geleiteten Pharmakotherapeutischen Institut der Universitat Amsterdam erhielt und spater allein in einem kleinen Labor in seinem Wohnort Naarden arbeitete Im August 1945 kehrte er nach Frankfurt zu seiner Familie zuruck die in Deutschland verblieben war da seine Frau anders als Riesser nicht judischer Abstammung war Im Gross Hessischen Staatsministerium war er von Dezember 1945 bis Juni 1946 als Sonderreferent fur Kultus und Unterricht fur den Neuaufbau der Universitaten zustandig Er erhielt anschliessend einen Lehrauftrag fur Grenzgebiete der Pharmakologie und Physiologie an der Frankfurter Universitat an der er Anfang 1949 als Nachfolger von Fritz Kulz kommissarisch die Leitung des Pharmakologischen Instituts ubernahm Im Dezember desselben Jahres starb er wahrend der operativen Entfernung eines Ulcus des Duodenums mit 67 Jahren Wirken BearbeitenOtto Riesser veroffentlichte uber 160 Publikationen Schwerpunkte seiner Forschung waren unter anderem die Bildung von Kreatin im Korper und die Physiologie der Muskulatur Anfang der 1920er Jahre fand er als erster heraus dass Acetylcholin die Skelettmuskeln zur Kontraktion bringt und dass diese von einer Depolarisation der Zellmembran begleitet ist Als Angriffspunkt vermutete er das was der britische Physiologe John Newport Langley zur damaligen Zeit als receptive substance bezeichnet hatte und heute als Nikotin Rezeptor der motorischen Endplatte bekannt ist Diese Forschung Otto Riessers stand der von Otto Loewi nah Wenn Henry Hallett Dale spater uber Acetylcholin als Neurotransmitter im Skelettmuskel berichtete bezog er sich stets auch auf Riesser Von 1911 bis 1932 war Otto Riesser im wissenschaftlichen Ausschuss des Deutschen Sportarztebundes tatig 1932 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gewahlt Seine Mitgliedschaft wurde allerdings 1938 aufgrund seiner judischen Abstammung geloscht Im Oktober 1947 wurde er zum Vorsitzenden der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft gewahlt In seinem letzten Lebensjahr wirkte er als Mitherausgeber der pharmakologischen Fachzeitschrift Naunyn Schmiedebergs Archiv Otto Riesser war seit Beginn seines Studiums im Jahr 1900 Mitglied der Burschenschaft Allemannia Heidelberg 4 und spater auch der Konigsberger Burschenschaft Gothia In Greifswald hatte er zeitweise den Vorsitz der Vereinigung Alter Burschenschafter inne Er hielt seine Frankfurter Antrittsvorlesung 1916 uber Die Leibesubungen im Lichte physiologischer und pharmakologischer Forschung und forderte an den Hochschulen an denen er tatig war den Studentensport Von 1913 bis 1932 hielt er eine Vorlesung uber Biologische Grundlagen korperlicher Erziehung Als um 1930 eine neue wehrsportliche Bewegung grossen Anhang gewann brachte er sich ein um Studenten aller politischen Richtungen zusammenzubringen Im Antisemitismusstreit ab 1931 innerhalb der Deutschen Burschenschaft verteidigte er die judischen Verbandsmitglieder leidenschaftlich 5 Er konnte sich jedoch nicht durchsetzen 1934 wurde ihm der freiwillige Austritt nahegelegt dem er nachkam Zum Nachlass von Otto Riesser gehorte ein siebenseitiger Lebenslauf und eine 36 seitige Skizze zu Erinnerungen an meine wissenschaftliche Laufbahn die 1998 vom Mainzer Pharmakologen Erich Muscholl veroffentlicht wurde 6 Bemerkenswert an diesen autobiographischen Erinnerungen sind Zeitpunkt und Ort der Niederschrift 1944 in Naarden wahrend der Zeit seiner Emigration in den Niederlanden Otto Riessers Selbstzeugnis zeigt dass er sich als nationalliberal verstand und sich zeitlebens zu seinem Deutschtum zu den burschenschaftlichen Prinzipien und zur Idee der Olympischen Spiele bekannte Siehe auch Nachsicht im Artikel Universitat im NationalsozialismusWerke BearbeitenHandbuch der normalen und pathologischen Physiologie Band 8 Berlin 1925 als Mitautor Korper und Arbeit Handbuch der Arbeitsphysiologie Berlin 1927 als Mitautor Arzneikunde und Arzneiverordnung Ein Lehrbuch Berlin und Wien 1935 Muskelpharmakologie und ihre Anwendung in der Therapie der Muskelkrankheiten Berlin 1949Literatur BearbeitenAnna Bebenek Gerlich Bioergographie des Pharmakologen Otto Riesser 1882 1949 Dissertation an der Medizinischen Fakultat der Westfalischen Wilhelms Universitat Munster Munster 2009 Digitalisat Gert Taubmann Otto Riesser In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie Band 209 Nr 2 3 1950 S I VIII doi 10 1007 BF00244604 Nachruf Riesser Otto In Konrad Loffelholz Ullrich Trendelenburg Verfolgte deutschsprachige Pharmakologen 1933 1945 Dr Schror Verlag Frechen 2008 ISBN 3 9806004 8 3 S 103 105 Riesser Otto in Werner Roder Herbert A Strauss Hrsg International Biographical Dictionary of Central European Emigres 1933 1945 Band 2 2 Munchen Saur 1983 S 971Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Otto Riesser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Literatur uber Otto Riesser in der Landesbibliographie MV Angelika Rieber Familie Riesser Auf der Webseite des Projekts Judisches Leben in Frankfurt am Main Hessische Biographie Riesser Otto Ludwig MaximilianEinzelnachweise Bearbeiten Philosophische Dissertation Zur Kenntnis der optischen Isomeren des Arginins und des Ornithins OCLC 47905955 Medizinische Dissertation Zur Chemie des Uroroseins OCLC 908819593 Eine ausfuhrliche Darstellung der Verfolgungsgeschichte von Riesser und seiner Familie ist nachzulesen bei Angelika Rieber Die Familie Riesser siehe Weblinks Ernst Elsheimer Hrsg Verzeichnis der Alten Burschenschafter nach dem Stande vom Wintersemester 1927 28 Verlag der Burschenschaftlichen Blatter Frankfurt am Main 1928 S 419 Burschenschaftliche Blatter Bd 45 Jahrgang 1930 1931 S 256 Otto Riesser Skizze zu Erinnerungen an meine wissenschaftliche Laufbahn geschrieben 1944 in Naarden Holland Herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Erich Muscholl Mainz In DGPT Forum 1998 Heft 23 46 60Normdaten Person GND 119516764 lobid OGND AKS VIAF 67277831 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Riesser OttoALTERNATIVNAMEN Riesser Otto Ludwig Maximilian vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Pharmakologe und PhysiologeGEBURTSDATUM 9 Juli 1882GEBURTSORT Frankfurt am MainSTERBEDATUM 1 Dezember 1949STERBEORT Frankfurt am Main Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Otto Riesser amp oldid 229287916