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Erich Otto Rudolf Muscholl 3 Juli 1926 in Biskupitz Borsigwerk einem Stadtteil von Hindenburg 17 Januar 2019 1 in Mainz war ein deutscher Arzt und Pharmakologe Erich Muscholl Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk 3 Anerkennung 4 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSeine Eltern waren der praktische Arzt Erich Georg Gunther Muscholl und seine Ehefrau Johanna geb Bartsch Erich besuchte das Gymnasium in Glatz Im September 1943 ein halbes Jahr vor dem geplanten Abitur wurde seine Klasse auseinandergerissen Der Jahrgang 1925 kam zum Reichsarbeitsdienst oder zur Wehrmacht Muscholl wurde mit dem Jahrgang 1926 in Stettin als Luftwaffenhelfer eingesetzt Im Mai 1944 war er zum letzten Mal zu Hause dann wurde er zur Wehrmacht eingezogen Seine Heimat sah er nie wieder Im April 1945 verwundet erlebte er das Kriegsende im Lazarett Im Dezember 1945 wurde er aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen In Stockum einem Ortsteil von Werne an der Lippe traf die Familie sich wieder Am Freiherr vom Stein Gymnasium in Lunen legte Muscholl 1946 die Abiturprufung ab Von 1947 bis 1952 studierte er an der neu gegrundeten Johannes Gutenberg Universitat Mainz Medizin Ab 1950 fertigte er ausserdem am Pharmakologischen Institut bei Gustav Kuschinsky seine Dissertation an so dass er nach dem Staatsexamen 1952 gleich zum Dr med promoviert und Volontarassistent am Pharmakologischen Institut mit einem Monatsgehalt von DM 200 wurde Ein neuer beruflicher Abschnitt begann als er 1956 als Stipendiat des British Council in das von John Henry Gaddum geleitete Pharmakologische Institut der University of Edinburgh eintrat Die Fragestellungen und Methoden waren ganz anders als er sie bisher kennengelernt hatte Er arbeitete im Labor von Marthe Vogt und bei ihr wurde die Physiologie und Pharmakologie des Sympathikus sein Hauptthema 1957 nach Mainz zuruckgekehrt und jetzt voll bezahlter Assistent habilitierte er sich mit einer Arbeit Der Gehalt des Herzens an Noradrenalin und Adrenalin unter verschiedenen experimentellen Bedingungen fur Pharmakologie und Toxikologie Im Mai 1960 heiratete er Hilde Elisabeth Rosa Osburg mit der er zwei Sohne und eine Tochter hatte 1973 wurde er Nachfolger von Gustav Kuschinsky auf dem Mainzer Pharmakologie Lehrstuhl 1991 wurde er emeritiert Werk BearbeitenMuscholl hat das Wissen um den Sympathikus und seinen Neurotransmitter Noradrenalin daruber hinaus aber auch die Neurowissenschaften allgemein vor allem durch funf Entdeckungen wesentlich bereichert Mit Marthe Vogt hat er die Wirkungsweise des Alkaloids Reserpin geklart Es entleert die Noradrenalin Vorrate der postganglionaren sympathischen Nervenzellen und vermindert dadurch die Reaktion der Organe auf Sympathikusaktivitat 2 Um 1960 entdeckte er gleichzeitig mit der Gruppe von Julius Axelrod zu der auch der Freiburger Pharmakologe Georg Hertting gehorte was aus Noradrenalin wird nachdem es aus den Endigungen der Axone also der langen Nervenzellfortsatze freigesetzt wurde Es wird durch einen aktiven Transport wieder in die Axone aufgenommen und anschliessend in intrazellularen Vesikeln gespeichert 3 Ahnlich verhalt es sich mit den Neurotransmittern Dopamin und Serotonin Die Entdeckung war fundamental fur die Neurophysiologie und fur das Verstandnis der Wirkung der Antidepressiva und der psychotropen Wirkung des Kokains Gemeinsam mit dem jugoslawischen Pharmakologen Seid Hukovic hat Muscholl 1962 ein Versuchsmodell entwickelt ein isoliertes Herz mit intakten sympathischen Nerven mit dem zum ersten Mal nachgewiesen wurde dass fur die Freisetzung von Noradrenalin Calcium notwendig ist 4 und mit dem die Wirkung zahlreicher Pharmaka auf Nervenzellen analysiert wurde unter anderem die Wirkung von Ethanol auf Ionenkanale 5 Mit Konrad Loffelholz und Ruth Lindmar hat Muscholl 1968 1970 entdeckt dass an den Endigungen von Axonen G Protein gekoppelte Rezeptoren vorkommen sogenannte prasynaptische Rezeptoren Bei dem in Mainz gefundenen Prototyp handelte es sich um Muskarinrezeptoren an den Endigungen postganglionarer sympathischer Axone ihre Aktivierung hemmt die Freisetzung von Noradrenalin 6 Doch kommen prasynaptische Rezeptoren auch an vielen anderen wenn nicht sogar allen Nervenzellen vor und tragen zur Regelung ihrer Funktion bei Opioide und Cannabinoide wirken zum Beispiel vor allem uber prasynaptische Rezeptoren Schliesslich hat Muscholl den Wirkmechanismus des Antihypertensivums Methyldopa geklart Aus Methyldopa entsteht im Korper a Methyldopamin und weiter a Methylnoradrenalin Das letztere ist ein sogenannter falscher Transmitter der wie korpereigenes Noradrenalin gespeichert freigesetzt und anschliessend wieder in die Endigungen der Axone aufgenommen wird 7 Den Stand der Forschung in seinem Arbeitsgebiet hat Muscholl gemeinsam mit dem Oxforder Pharmakologen Hermann Blaschko 1972 im Band 33 Catecholamines des Handbook of Experimental Pharmacology zusammengefasst 8 Muscholl war viele Jahre Mitherausgeber der Fachzeitschrift Naunyn Schmiedebergs Archiv Als Inhaber des Mainzer Pharmakologie Lehrstuhls hat er die traditionell in Mainz stattfindenden Fruhjahrstagungen der Deutschen Gesellschaft fur Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie organisiert Nach seiner Emeritierung verwaltete er bis 2012 das Archiv dieser Gesellschaft die mit ihrer Grundung 1920 die zweitalteste pharmakologische Gesellschaft der Welt ist nach der 1908 gegrundeten American Society for Pharmacology and Experimental Therapeutics In diesem Zusammenhang hat Muscholl die Tagebucher des Berliner Pharmakologen Wolfgang Heubner maschinenschriftlich transkribiert Heubner fuhrte die Tagebucher von 1917 bis 1956 fast ohne Unterbrechung sie umfassen 28 Bande Sie sind eine wichtige Quelle zur Pharmakologiegeschichte zur Wissenschaftsgeschichte und zur allgemeinen Geschichte 9 Anerkennung Bearbeiten1983 wurde Muscholl Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina 10 1984 erhielt er den Preis der Feldberg Foundation 1996 machte ihn die Deutsche Gesellschaft fur Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie zum Ehrenmitglied 2010 verlieh sie ihm mit der Schmiedeberg Plakette ihre hochste Ehrung 2008 erhielt er den Landesverdienstorden die prominenteste Auszeichnung des Landes Rheinland Pfalz Einzelnachweise Bearbeiten Traueranzeige In vrm trauer de Abgerufen am 25 Januar 2019 Erich Muscholl und Marthe Vogt The action of reserpine on the peripheral sympathetic system In The Journal of Physiology 1958 141 132 155 R Lindmar und E Muscholl Die Wirkung von Pharmaka auf die Elimination von Noradrenalin aus der Perfusionsflussigkeit und die Noradrenalinaufnahme in das isolierte Herz In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 1964 247 469 492 S Hukovic und E Muscholl Die Noradrenalin Abgabe aus dem isolierten Kaninchenherzen bei sympathischer Nervenreizung und ihre pharmakologische Beeinflussung In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 1962 244 81 96 Manfred Gothert und Gisela Thielecke Inhibition by ethanol of noradrenaline output from peripheral sympathetic nerves possible interaction of ethanol with neuronal receptors In European Journal of Pharmacology 1976 37 321 328 R Lindmar K Loffelholz und E Muscholl E A muscarinic mechanism inhibiting the release of noradrenaline from peripheral adrenergic nerve fibres by nicotinic agents In British Journal of Pharmacology 1968 32 280 294 E Muscholl und K H Rahn Nachweis von a Methylnoradrenalin im Harn von Hypertonikern wahrend einer Behandlung mit a Methyldopa In Klinische Wochenschrift 1966 44 1412 1413 H Blaschko und E Muscholl Catecholamines Handbook of Experimental Pharmacology Band 33 Berlin Springer Verlag 1972 ISBN 3 540 05517 7 Udo Schagen Von der Freiheit und den Spielraumen der Wissenschaft ler im Nationalsozialismus Wolfgang Heubner und die Pharmakologie der Charite 1933 bis 1945 In Sabine Schleiermacher und Udo Schagen Hg Die Charite im dritten Reich Paderborn Ferdinand Schoningh 2008 Seite 207 227 ISBN 978 3 506 76476 8 Mitgliedseintrag von Prof Dr Erich Muscholl mit Bild bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina abgerufen am 18 Juli 2016 Normdaten Person VIAF 92243272 Wikipedia Personensuche Kein GND Personendatensatz Letzte Uberprufung 29 September 2017 GND Namenseintrag 104932260 AKS PersonendatenNAME Muscholl ErichALTERNATIVNAMEN Muscholl Erich Otto RudolfKURZBESCHREIBUNG deutscher Arzt und PharmakologeGEBURTSDATUM 3 Juli 1926GEBURTSORT Hindenburg OberschlesienSTERBEDATUM 17 Januar 2019STERBEORT Mainz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erich Muscholl amp oldid 228922563