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Die sogenannte Ortenburger Adelsverschworung auch Bayerische Adelsverschworung genannt war 1563 und 1564 ein Konflikt um die Glaubensfrage im Herzogtum Bayern Die Landstande versuchten darin neben der katholischen Lehre friedlich den Protestantismus einzufuhren Der scharfste Widersacher des bayerischen Herzogs Albrecht V war Graf Joachim von Ortenburg der bald der politische Fuhrer der protestantischen Bewegung in Bayern wurde Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 1 1 Entwicklung des Protestantismus in Bayern bis 1563 1 2 Graf Joachim von Ortenburg 2 Die Verschworung 3 Auswirkungen 4 Anmerkungen 5 Literatur 6 WeblinksVorgeschichte BearbeitenEntwicklung des Protestantismus in Bayern bis 1563 Bearbeiten Zu Beginn waren die Anhanger der evangelischen Lehre vor allem in den stadtischen Unterschichten zu finden und auch in Teilen der Landbevolkerung Im Laufe der Zeit jedoch entwickelte sich der evangelische Glaube in der Mittel und Oberschicht bald auch im Adel Zum Aufschwung der lutherischen Lehren trugen einerseits der Abschluss des Passauer Vertrags und andererseits die Einfuhrung der Reformation in den Reichsstadten Augsburg und Regensburg im Jahre 1552 und ein Jahr spater in Pfalz Neuburg bei Des Weiteren fuhrten die reichsstandischen Enklaven Hohenwaldeck Miesbach 1553 und Haag 1559 die Reformation ein Mit der Einfuhrung der Reformation in der Grafschaft Ortenburg im Jahre 1563 eskalierte die Situation allerdings Damit hatte das Selbstbewusstsein des bayerischen Adels seinen Hohepunkt erreicht eine Machtprobe mit dem Herzog schien unausweichlich Graf Joachim von Ortenburg Bearbeiten nbsp Reichsgraf Joachim von Ortenburg 1530 1600 galt als eine der gebildetsten und einflussreichsten Personlichkeiten seiner Zeit Graf Joachim hatte bereits in jungen Lebensjahren Kontakt mit der lutherischen Lehre Im Jahre 1557 bekannte er sich erstmals offentlich zum lutherischen Glauben schon seine Eltern Graf Christoph und Anna Freiin von Firmian hatten bereits im Jahre 1538 den Glauben gewechselt So wuchs er mit dem Protestantismus auf und wurde bald ein Verfechter dieser Lehre Dank seiner universitaren Ausbildung und seinen politischen Kontakten zum romisch deutschen Konig Ferdinand I und zum Kaiser Karl V dessen Geheimrat er 1551 wurde war er ein starker politischer Gegner Herzog Albrechts V von Bayern Als er bereits zwei Jahre amtierender Graf von Ortenburg war setzte er sich 1553 erstmals offentlich fur Beschwerden wegen kirchlicher Missbrauche ein Ebenso machte sich Joachim fur die protestantische Seite auf dem Reichstage zu Augsburg im Jahre 1555 stark Dort entstand der Augsburger Religionsfrieden Ein Jahr spater auf dem Landtag zu Munchen setzte sich Joachim an die Spitze einiger landlichen Stande im Herzogtum Bayern und bat um die Erlaubnis das Abendmahl in Gottesdiensten in beiderlei Gestalt Brot und Wein spenden zu lassen Dies wurde jedoch abgelehnt und fuhrte zu grosser Emporung unter den bayerischen Bischofen Joachim blieb dennoch brieflich in Kontakt mit seinen politischen Mitstreitern Die Verschworung BearbeitenIm Jahre 1563 fand in Ingolstadt der bayerische Landtag statt Dort wurde erneut uber die Gleichstellung des Abendmahls diskutiert Der bayerische Herzog Albrecht V war jedoch nicht dazu bereit in seinem Herrschaftsraum neben dem Katholizismus noch eine weitere Glaubensrichtung zu dulden Joachim der wie weitere 50 Landesfursten und familien weiterhin darauf bestand zog sich dabei Albrechts Zorn zu Der Herzog ein tiefglaubiger Katholik wollte eine solche Entscheidung welche weitreichende Folgen haben wurde nicht ohne die Entscheidung eines papstlichen Konzils treffen So blieb er bei seiner Entscheidung und einige Landesfursten gaben ihre Forderungen nach dem Landtag auf Trotzdem versuchte Joachim im Nachhinein mit den Landesfursten in brieflichem Kontakt zu bleiben und sie weiter zu ermuntern Ein Geheimbericht uber die sogenannten Konfessionisten wurde im Auftrag des Herzogs erstellt Darin wurde der Verdacht einer weitreichenden Verschworung geschurt welche im Zusammenwirken mit auslandischen Kraften den gewaltsamen Umsturz der politischen und kirchlichen Ordnung in Bayern 1 anstrebe Tief gekrankt zog Joachim zur Konigskronungsfeier des spateren Kaisers Maximilian II Auf der Reise von der Zeremonie nach Hause in seine Grafschaft nutzte er die Zeit sich seinen Gedanken zu widmen Er erkannte dass weder der Herzog noch die meisten Landesfursten gewillt waren die Augsburger Konfession ganz einzufuhren So fasste er den Entschluss in seiner reichsfreien Grafschaft die Reformation einzufuhren Am 17 Oktober 1563 liess Joachim durch Johann Friedrich Coelestin den ersten offentlichen evangelischen Gottesdienst abhalten und fuhrte in Ortenburg gestutzt auf den Augsburger Reichs und Religionsfrieden aus dem Jahre 1555 offiziell den lutherischen Glauben ein Auch wenn die Ortenburger Grafschaft nur 2000 Einwohner auf einer Flache von gerade einmal 1 Quadratmeilen vereinte war dies ein aussergewohnlicher Schritt Denn die Ortenburger Grafen waren nicht nur der angesehenste und einflussreichste Reichsstand im Herzogtum Bayern sondern auch die zentrale Lage der Grafschaft im Herzen des katholischen suddeutschen Raumes zeigt das mogliche Konfliktpotential in dieser Entscheidung Nach der Einfuhrung des Protestantismus in Ortenburg stromten bereits nach kurzer Zeit Scharen von Menschen in den Ort nur um den neuen Glauben gepredigt zu horen Schon bald fand der Protestantismus in der Region neue Anhanger etwa in Aidenbach und in Passau Einige bayerische Protestanten zogen sogar nach Ortenburg um Herzog Albrecht konnte dies nicht zulassen Er furchtete dass ihm einerseits ein Glaubenskonflikt im niederbayerischen Raum drohte und andererseits dass seine Untertanen vermehrt nach Ortenburg auswanderten Er versuchte somit vehement die kleine Grafschaft dem Herzogtum einzuverleiben und die Reformation zu unterdrucken So forderte er einen Gerichtsprozess aus dem Jahre 1549 indem die Reichsunmittelbarkeit Ortenburgs angefochten wurde Da diese Massnahme jedoch lange dauerte und 1573 endgultig scheiterte musste Albrecht direkt in die niederbayerische Situation eingreifen So bezog sich Herzog Albrecht auf ein sogenanntes Offnungsrecht der Ortenburger Schlosser Alt und Neu Ortenburg welches aus dem Jahre 1391 stammte und unter Erpressung der damaligen Grafen Georg I und Etzel entstanden war Joachim sah darin jedoch keinen Grund die Gottesdienste einzustellen Daraufhin liess der Herzog die beiden evangelischen Pfarrer in Ortenburg verhaften und des Landes verweisen Dazu hatte er jedoch trotz des Offnungsrechts keine Legitimation da Ortenburg Reichslehen und unabhangig von Bayern war Graf Joachim beschwerte sich deswegen bei Kaiser Ferdinand I und Konig Maximilian I und klagte vor dem Reichskammergericht Herzog Albrecht forderte Joachim dennoch weiterhin auf die evangelischen Gottesdienste einzustellen Der Graf folgte ihm jedoch nicht Albrecht V sperrte daraufhin 1564 alle Zugange zur Grafschaft mit seinen Soldaten ab Alle bayerischen Untertanen welche nach Ortenburg hinein wollten bzw welche aus Ortenburg kamen wurden daran gehindert in die Grafschaft zu gelangen Des Weiteren zog Albrecht im Mai alle Ortenburger Lehen auf bayerischem Grund ein Diese waren somit von all ihren Einkommensquellen abgeschnitten Ebenso liess er alle Besitztumer offnen und beschlagnahmen So fiel dem Herzog der gesamte Briefverkehr des Grafen in die Hande der sich in Schloss Mattighofen befand Nachdem dieser gesichtet wurde glaubte der Herzog einen Beweis fur eine Verschworung gefunden zu haben Daraufhin wurden zahlreiche bayerische Adelige des Hochverrates angeklagt unter anderem Wolf Dietrich von Maxlrain Pankraz von Freyberg die Herren von Laiming Pelkofer Froschl und die Patrizierfamilie Paumgartner Im Juni 1564 begann der Prozess in Munchen Schon bald zeichnete sich jedoch ab dass die Anklagepunkte unhaltbar waren Aber das Ziel Albrechts dass die bayerischen Landesfursten keine offentlichen Forderungen nach dem Protestantismus stellen wurden war erfolgreich Am 10 Mai 1566 unterzeichneten Graf Joachim und seine mitangeklagten Landesfursten auf dem Reichstag zu Augsburg eine Erklarung dass keiner von ihnen Aufruhr im Sinn gehabt hatte Die Angeklagten wurden freigesprochen und konnten nachhause zuruckkehren Joachim erhielt vorubergehend die bayerischen Lehen zuruck Die Ortenburger Adelsverschworung war mit dieser Erklarung fur den Herzog gescheitert auch der Konflikt mit den Landesfursten war fur ihn hiermit beendet Doch der Konflikt mit Ortenburg sollte in den folgenden Jahrzehnten noch andauern Auswirkungen BearbeitenAuch wenn Herzog Albrecht V in diesem Konflikt nicht glanzvoll siegte so war er Vorbild fur andere europaische Staaten fur den Kampf gegen die Reformation in ihrem Reiche Albrecht erreichte trotz des verlorenen Prozesses im Jahre 1564 dass die bayerischen Landesfursten nun in der Frage nach der Gleichstellung der beiden Glaubensrichtungen in seiner Amtszeit verstummten als auch in der seines Nachfolgers Dies sollte bis zum Dreissigjahrigen Krieg so bleiben Der bayerisch ortenburgische Konflikt mit Joachim der im Jahre 1600 starb und seiner reichsfreien Grafschaft um Ortenburg setzte sich aber noch bis ins Jahre 1602 fort Ortenburg sollte aber auch weiterhin fur viele Protestanten ein Zufluchtsort werden Wahrend des 17 Jahrhunderts war der sogenannte Geheimprotestantismus in Osterreich weit verbreitet Viele Einwohner aus dem Land ob der Enns und sogar aus dem Goiserer Tal pilgerten heimlich zum Abendmahl nach Ortenburg Ebenso bot die Grafschaft wahrend des Dreissigjahrigen Krieges nach der erzwungenen Emigration von Protestanten aus Osterreich vielen Zuflucht und Unterkunft und fur manche auch eine neue Heimat 1563 fuhrte Nikolaus III von Salm Neuburg ein Neffe des Passauer Bischofs Wolfgang von Salm die Reformation in der Grafschaft Neuburg am Inn ein Im Gegensatz zum nahegelegenen Ortenburg konnte Neuburg den lutherischen Glauben nicht beibehalten da es habsburgisches Lehen war Nach der erstarkten Rekatholisierung in Osterreich ab 1620 wurde auch in Neuburg die Reformation ruckgangig gemacht Fur das Herzogtum Bayern als Ganzes hatte die Ortenburger Adelsverschworung zur Folge dass die Gegenreformation sich sehr stark ausgepragte und Bayern nachhaltig katholisch blieb Einer der wenigen Orte in Altbayern deren Bevolkerung bis heute evangelisch ist ist der Markt Ortenburg Anmerkungen Bearbeiten Heinz Pellender Tambach Vom Langheimer Klosteramt zur Ortenburg schen Grafschaft Historie des Graflichen Hauses Ortenburg des Klosteramtes und Schlosses Tambach 1990 S 28 Literatur BearbeitenChristian Wieland Die bayerische Adelsverschworung von 1563 Ereignis und Selbstdeutungen In zeitenblicke 4 2005 Nr 2 28 Juni 2005 online Friedrich Hausmann Die Grafen zu Ortenburg und ihre Vorfahren im Mannesstamm die Spanheimer in Karnten Sachsen und Bayern sowie deren Nebenlinien In Ostbairische Grenzmarken Passauer Jahrbuch fur Geschichte Kunst und Volkskunde Nr 36 Passau 1994 S 9 62 Heinz Pellender Tambach Vom Langheimer Klosteramt zur Ortenburg schen Grafschaft Historie des Graflichen Hauses Ortenburg des Klosteramtes und Schlosses Tambach In Titel Text Illustration und Gestaltung uberarbeitete und erganzte 2 Auflage Graflich Ortenburg sche Hauptverwaltung Schloss Tambach Weitramsdorf Tambach 1990 Hans Schellnhuber Die Reformation in der Reichsgrafschaft Ortenburg In 400 Jahre Evang Luth Kirchengemeinde Ortenburg 1563 1963 Ortenburg 1963 S 6 42 Eberhard Graf zu Ortenburg Tambach Geschichte des reichsstandischen herzoglichen und graflichen Gesamthauses Ortenburg Band 2 Das grafliche Haus in Bayern Ruckert Vilshofen 1932 Leonhard Theobald Die sog bayerische Adelsverschworung von 1563 in Beitrage zur bayerischen Kirchengeschichte Band 20 Erlangen 1914 S 28 73 Leonhard Theobald Die Einfuhrung der Reformation in der Grafschaft Ortenburg Leipzig 1914 Walter Goetz Leonhard Theobald Beitrage zur Geschichte Herzog Albrechts V und der sog Adelsverschworung von 1563 Briefe und Akten zur Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts Band 6 Munchen 1913 Weblinks BearbeitenNeuburg wird evangelisch im Artikel zum Passauer Vertrag Memento vom 27 September 2007 im Internet Archive Geschichte des lutherischen Glaubens im Raum Passau Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ortenburger Adelsverschworung amp oldid 233358550