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Der Nika Aufstand altgriechisch Stasis toῦ Nika Stasis tou Nika war eine Volkserhebung in Konstantinopel im Jahre 532 wahrend der Regierungszeit des ostromischen Kaisers Justinian Der Aufstand gilt als die schwerste Zirkusunruhe der Spatantike wahrend seines Verlaufs starben zahlreiche Menschen und grosse Teile der Stadt wurden zerstort Palastviertel mit Hippodrom Inhaltsverzeichnis 1 Ursachen 2 Verlauf 2 1 Vorspiel 2 2 Unruhen 2 3 Politischer Protest 2 4 Offener Aufstand 2 5 Niederschlagung 3 Folgen 4 Rezeption 5 Quellen 6 Literatur 7 WeblinksUrsachen Bearbeiten nbsp Kaiser Justinian im Kreis seiner BeamtenAusloser des Aufstands war der uberraschend strenge Kurs Justinians gegen die Zirkusparteien der im starken Gegensatz zu seiner Forderung der Fraktion der Blauen vor seiner Erhebung zum Kaiser stand Hintergrund der unnachgiebigen Haltung des Kaisers als Bauernsohn ein sozialer Aufsteiger war wohl dass er sich starker als seine Vorganger als Herrscher von Gottes Gnaden verstand Nachdem die ostromischen Truppen im Herbst 531 in der Schlacht von Callinicum eine Niederlage gegen die Perser erlitten hatten war das Ansehen Justinians beschadigt und er reagierte indem er seine Autoritat durch Standfestigkeit und Harte zu konsolidieren versuchte Mit seiner Vorstellung vom Kaisertum stiess er aber gerade unter den Senatoren auf Widerstand Und auch das einfache Volk wiederum scheint die Legitimitat der justinianischen Dynastie teils nicht akzeptiert zu haben 14 Jahre zuvor war Justinians Onkel und Vorganger Justin I uberraschend Kaiser geworden obwohl der verstorbene Augustus Anastasios I erwachsene und regierungsfahige Neffen besass die dann beim Aufstand 532 eine wichtige Rolle spielten Die ehrgeizigen Plane Justinians und der Krieg gegen Persien veranlassten ihn offenbar zu einer rigiden Steuerpolitik von der sowohl das einfache Volk als auch anders als unter seinen Vorgangern die herrschenden Schichten betroffen waren Federfuhrend dabei war Justinians machtiger praefectus praetorio Orientis Johannes der Kappadokier den daher der Volkszorn und die Verachtung durch die alten Eliten traf Es ist allerdings unklar ob diese Massnahmen die erst in den Folgejahren ihre volle Wirkung entfalteten bereits 532 eine entscheidende Rolle spielten Verlauf Bearbeiten nbsp Wagenlenker auf QuadrigaDie Darstellung des Verlaufs des Aufstands richtet sich im Folgenden nach den Angaben in den Quellen insbesondere nach dem Bericht des Augenzeugen Prokop dessen Bericht allerdings literarisch gestaltet und parteiisch ist Zu den Auslegungsmoglichkeiten siehe den Abschnitt Rezeption Vorspiel Bearbeiten Im Vorfeld des Aufstands wurden mehrere Unruhestifter Parteiganger der Zirkusfraktionen zum Tode verurteilt Nach Vollstreckung der ersten Hinrichtungen versagte bei zwei Delinquenten mehrmals der Galgen oder der Strick was das anwesende Volk als Zeichen Gottes ansah Man forderte die Begnadigung der beiden Manner was aber von den zustandigen Behorden verweigert wurde Dies erwies sich als verhangnisvoll da die beiden Verurteilten jeweils den verfeindeten Zirkusparteien zugerechnet wurden die nun also ein gemeinsames Interesse entwickelten Die aufgebrachte Menge unterstutzte im folgenden Tumult eine Gruppe von Monchen die die Verurteilten in den Schutz eines Klosters brachten Unruhen Bearbeiten Drei Tage spater am 13 Januar wurden im Hippodrom in Anwesenheit des Kaisers die ublichen Zirkusspiele zu den Iden abgehalten Nach 22 Durchlaufen begannen die Zirkusparteien die Freilassung der beiden Gefangenen zu fordern Als Justinian auch nach langerer Zeit nicht antworten liess ein sehr ungewohnliches Verhalten fur einen spatantiken Kaiser erklang die unerhorte Akklamation Den die Menschen liebenden Blauen und Grunen viele Jahre Die verfeindeten Fraktionen hatten sich also gegen den Kaiser vereint Als Kennwort untereinander benutzte man das Wort nika nika Siege das der Erhebung den Namen gab In der Folge kam es am selben Tag noch zu einem Angriff auf das Praetorium des Stadtprafekten Vermutlich um einen Eindruck der Normalitat zu erwecken und um das Volk zu beruhigen wurden die Rennen am 14 Januar nicht abgesagt Die Massen die sich im Hippodrom einfanden randalierten jedoch bald weiter wobei die Holzbanke des Hippodroms und die Arkaden der Hauptstrasse bis zu den Zeuxippus Thermen in Flammen aufgingen Als Reaktion gingen die verbliebenen kaisertreuen Einheiten unter Mundus Constantiolus und Basilides brutal gegen die Aufstandischen vor Politischer Protest Bearbeiten Im Verlauf der Unruhen wurden erste Forderungen der Aufstandischen bekannt die Entlassung des Pratorianerprafekten Johannes des Stadtprafekten Eudamion und des quaestor sacri palatii Tribonianus des leitenden Juristen des Kaisers Justinian kam diesen Forderungen nach und liess die drei hohen Wurdentrager vorlaufig fallen dennoch gingen die Unruhen weiter Daraufhin ging der gerade vom Krieg mit den Persern zuruckgekehrte Feldherr Belisar der sich eigentlich wegen der Niederlage bei Kallinikon vor Justinian verantworten sollte mit seiner grossen Leibgarde gegen die Aufstandischen vor konnte aber keinen durchschlagenden Erfolg verzeichnen Offener Aufstand Bearbeiten Inzwischen hatten sich die Unruhen zu einem offenen Aufstand gewandelt dessen Ausgang noch vollkommen offen war In der Nacht des 14 Januar zum 15 Januar wurden im Palastviertel die Chalke die Senatscuria die Unterkunfte der Palastwachen der scholarii protectores und candidati das Kaiserforum Augusteum und die Vorgangerkirche der Hagia Sophia angezundet Die Fronten hatten sich verhartet und der Kaiser soll an Flucht gedacht haben Moglicherweise fallt eine von Prokopios von Caesarea uberlieferte Rede der Kaiserin Theodora I von allerdings sehr fragwurdiger Authentizitat die Justinian zur Starke und zum Durchhalten aufrief in diese Phase Die Aufruhrer begannen spatestens in dieser Phase mit dem Gedanken an einen neuen Kaiser zu spielen So zog am 15 Januar eine Menge zum Haus des Probus eines Neffen des ehemaligen Kaisers Anastasius und verlangte mit den Rufen Probus Kaiser fur Rom Waffen fur die Aufstandischen Als die Antwort ausblieb legten sie Feuer an das Haus Am 16 Januar verwusteten Aufstandische das Archiv des Praetoriums wahrscheinlich um belastende Strafakten zu vernichten Das Feuer das sie dabei legten griff durch einen ungunstigen Wind um sich und verbrannte die Kirche der Hagia Irene die Thermen des Alexander zwei kaiserliche Villen die Basilika des Illus und das Hospiz des Samson sowie das des Eubulus Da sich die Truppen der Palastwache neutral verhielten hatte Justinian anscheinend weitere Truppen aus den nahen Garnisonen von Hebdomon Rhegio Athyras und Calabria angefordert die am 17 Januar mit den Aufstandischen zusammenstiessen Dabei verbrannten Teile des Oktagon genannten Gebaudes der Portikus der Silberschmiede das Haus des Symmachus die Kirchen des St Aquilian und des St Theodor sowie ein Bogen auf dem Forum Konstantins Bei einer weiteren Aktion wurden Liburnon und Magnaura angezundet Das Ergebnis des folgenden Strassen und Hauserkampfs war unentschieden Spatestens seit sich die neuen Truppen in der Stadt befanden war die Niederwerfung des Aufstands jedoch wohl nur noch eine Frage der Zeit Am Morgen des 18 Januar liess Justinian das Volk ins Hippodrom rufen und bot den Beteiligten am Aufstand Straffreiheit an Zunachst schien das Volk darauf einzugehen doch dann kippte die Stimmung als sich das Gerucht verbreitete Justinian sei bereits aus der Stadt gefluchtet und Hypatius ein anderer Neffe des Anastasius wurde auf dem Forum Konstantins unter Beteiligung mehrerer Senatoren zum Gegenkaiser ausgerufen Niederschlagung Bearbeiten Die Rolle des Hypatius lasst sich nicht endgultig klaren Laut Prokop versuchte er nach seiner Erhebung heimlich mit Justinian Kontakt aufzunehmen und sich dessen Gnade zu unterwerfen dann habe die falsche Nachricht Justinian sei auf einem Boot gefluchtet jedoch den Ausschlag dazu gegeben dass Hypatius seine tragische Rolle schliesslich doch akzeptierte Wahrscheinlicher ist aber dass Hypatius als Kandidat der senatorischen Opposition den Aufstand bewusst nutzen wollte um an die Macht zu gelangen und dass Prokop in seinem Bericht versucht den Usurpator im Nachhinein in Schutz zu nehmen Inzwischen war es aber dem Hofkammerer Narses gelungen Teile der Blauen zu Gunsten Justinians zu bestechen Verwirrung brach aus Daraufhin drangen die kaisertreuen Einheiten unter Belisar Mundus und Constantiolus an mehreren Stellen gleichzeitig in das Hippodrom ein und begannen ein Massaker dem vermutlich 30 000 Menschen zum Opfer fielen da im Zuge der ausbrechenden Panik Tausende niedergetrampelt wurden Am Folgetag wurden Hypatius und der mit ihm verhaftete Pompeius hingerichtet und ihre Leichen ins Marmarameer geworfen Die uberlebenden Anfuhrer der Rebellen liess Justinian spater in einer Siegesparade im Hippodrom vorfuhren Erst einige Zeit spater zeigte er Milde und gab der Familie von Pompeius und Hypatius ihr zwischenzeitlich eingezogenes Vermogen zuruck Folgen Bearbeiten nbsp Der Zustand des Hippodroms heuteInsgesamt bewirkte das rigorose Vorgehen gegen die Aufstandischen eine Starkung des Kaisers und eine Entmachtung der ohnehin schon recht schwachen senatorischen Opposition Andererseits blieb Justinian bei der stadtischen Bevolkerung und Teilen des Senats noch lange verhasst Der Einfluss von Belisar Narses und vor allem Theodora wurde offensichtlich gestarkt die in der Folgezeit politisch besonders in Erscheinung traten Belisar der zuvor aufgrund seiner Niederlage gegen das Sassanidenreich in Ungnade gefallen war konnte durch sein kaisertreues Verhalten die Gunst Justinians wiedererlangen und wurde im folgenden Jahr mit der Leitung der Militarexpedition gegen die Vandalen beauftragt Narses sein Rivale blieb in den folgenden Jahrzehnten ebenfalls hochst einflussreich Die mit dem Aufstand entstandenen Zerstorungen in Konstantinopel boten Justinian ausserdem die Moglichkeit zu ambitionierten Bauvorhaben in der Hauptstadt in deren Zuge vor allem die verwustete und niedergebrannte Hagia Sophia neu errichtet wurde Nach den Geschehnissen des Nika Aufstands wurden in den Folgejahren zunachst keine Wagenrennen mehr im Hippodrom abgehalten Rezeption BearbeitenTrotz oder gerade wegen der verhaltnismassig dichten Quellenlage zum Nika Aufstand durch die Augenzeugen Prokop und vielleicht Johannes Malalas gibt es unter Historikern mehrere Deutungen Wahrend Alan Cameron zumindest in der Anfangsphase eine typisch spatantike von den Zirkusparteien ausgehende Unruhe zu erkennen meinte gingen Historiker im ehemaligen Ostblock meist von einem spontanen reinen Volksaufstand aus In jungerer Zeit wurde mehrfach vermutet dass einige Senatoren von Anfang an als treibende Kraft hinter den Aufstandischen auszumachen sind wie es der Augenzeuge Marcellinus Comes auch ausdrucklich berichtet allerdings gibt Marcellinus damit die offizielle Lesart der Ereignisse wieder Eine weitere jedoch sehr umstrittene Theorie sieht sogar Justinian selbst als Urheber der den Aufstand habe nutzen wollen um die ungeliebte Opposition ausschalten zu konnen Entgegen der Bewertung von Geoffrey B Greatrex nimmt Mischa Meier an die Katastrophe sei nicht durch einen Schlingerkurs das heisst eine unsichere Kommunikationsstrategie des Kaisers ausgelost worden sondern durch eine gezielte Eskalation Justinian habe seine Feinde durch die Provokation der Zirkusparteien die Einfadelung der Intrige um Hypatius den Neffen des Anastasius und die falsche Nachricht von der Flucht des Kaisers dazu verleiten wollen aus der Deckung zu kommen und sich zu exponieren da er sich auf diese Weise vor allem seiner Gegner in der Oberschicht habe entledigen wollen In der Forschung hat sich Meiers Hypothese bislang allerdings nicht durchsetzen konnen Zudem sind die sogenannten Akta dia Kalopodion ein Streitpunkt der Historiker Bei dieser Beschreibung einer Auseinandersetzung der Zirkusparteien mit Justinian im Hippodrom bei Theophanes ist umstritten ob sich wirklich ein Zusammenhang mit dem Nika Aufstand herstellen lasst Quellen BearbeitenProkopios von Caesarea Kriege 1 24 Geheimgeschichte Kap 7 Johannes Malalas Weltchronik 18 473ff Marcellinus Comes ad annum 532 Anonymus Chronicon Paschale Olympiad 327 Theophanes Weltchronik 181 24 186 2 Literatur BearbeitenJoanna Ayaita Justinian und das Volk im Nikaaufstand Dissertation Ruprecht Karls Universitat Heidelberg 2015 Hans Georg Beck Kaiserin Theodora und Prokop Der Historiker und sein Opfer Piper 5221 Piper Munchen u a 1986 ISBN 3 492 05221 5 S 35 40 Seinem Thema entsprechend betont Beck den angeblichen Machtzuwachs Theodoras nach dem Aufstand John B Bury The Nika Riot In The Journal of Hellenic Studies Bd 17 1897 S 92 119 doi 10 2307 623820 online Internet Archive Dieser 100 Jahre vor Greatrex entstandene Artikel ist durch seinen Quellenvergleich immer noch lesens und empfehlenswert Wolfram Brandes Der Nika Aufstand Senatorenfamilien und Justinians Bauprogramm In Mischa Meier Steffen Patzold Hrsg Chlodwigs Welt Organisation von Herrschaft um 500 Altertumswissenschaft Roma aeterna Bd 3 Steiner Stuttgart 2014 ISBN 978 3 515 10853 9 S 239 263 Dariusz Brodka Narses Politik Krieg und Historiographie Warsaw studies in classical literature and culture Bd 7 Peter Lang Berlin 2018 ISBN 978 3 631 76122 9 Alan Cameron Circus factions Blues and Greens at Rome and Byzantium Clarendon Press Oxford 1976 ISBN 0 19 814804 6 Camerons Buch dient als Grundlage zur Analyse von Geschehnissen an denen die Zirkusparteien beteiligt sind Im Kapitel Two special cases S 278 281 geht er naher auf den Nika Aufstand ein Er stuft ihn zumindest zu Beginn als typische Erhebung der Zirkusparteien ein James A S Evans The Nika Rebellion and the Empress Theodora In Byzantion Bd 54 1984 ISSN 0378 2506 S 380 382 Geoffrey B Greatrex The Nika Riot A Reappraisal In The Journal of Hellenic Studies Bd 117 1997 S 60 86 doi 10 2307 632550 Greatrex untersucht sehr detailliert vor allem die sich verandernde Dynamik im Verlauf des Aufstandes Clemens Koehn Stasiotai into stratiotai the Nika Riot revisited In Byzantinische Zeitschrift Bd 116 1 2023 S 77 104 Mischa Meier Die Inszenierung einer Katastrophe Justinian und der Nika Aufstand In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik Bd 142 2003 S 273 300 Meiers Thesen sind in der Forschung umstritten Er sieht den Aufstand als einen vom Kaiser bewusst inszenierten Akt an durch den Justinian seine Herrschaft stabilisiert und sich ihm unliebsamer Konkurrenz entledigt habe Rene Pfeilschifter Der Kaiser und Konstantinopel Kommunikation und Konfliktaustrag in einer spatantiken Metropole Millennium Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n Chr Bd 44 de Gruyter Berlin 2013 ISBN 978 3 11 026688 7 S 178 210 Franz H Tinnefeld Die fruhbyzantinische Gesellschaft Struktur Gegensatze Spannungen Kritische Information Bd 67 Fink Munchen 1977 ISBN 3 7705 1495 5 S 83 85 und S 194 199 Tinnefeld meint im Nika Aufstand sei die geheime Opposition aus Senatskreisen an den Tag getreten Weblinks BearbeitenProkops Schilderung des Nika Aufstands englisch Die Akta dia Kalopodion englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nika Aufstand amp oldid 235065678