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Marktordnung ist im Rahmen der staatlichen oder freiwilligen Ordnungspolitik die Marktregulierung von Angebot Nachfrage oder Preisbildung durch Rechtsnormen fur einen bestimmten Markt Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte 3 Arten 4 Marktordnungen heute 5 Zweck 6 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenInsbesondere in der Marktwirtschaft konnen sich Angebot und Nachfrage frei und zwanglos entfalten es gilt der Grundsatz der Marktfreiheit Das freie Spiel von Angebot und Nachfrage Anbieter und Konsumentensouveranitat gehort zu den konstitutiven Elementen einer Marktwirtschaft 1 Um das Marktgeschehen fur die Marktteilnehmer und die Offentlichkeit kalkulierbar zu gestalten homogene Strukturen zu schaffen und letztlich ein Marktversagen zu verhindern mussen Markte bestimmten Transaktionsregeln unterworfen werden Sie sollen das Marktverhalten der Marktteilnehmer Marktorganisation und Markttransparenz bestimmten Normen unterwerfen um die Funktionsfahigkeit der Markte sicherzustellen Das Marktgeschehen kann wegen der gegensatzlichen Interessen der Marktteilnehmer Anbieter wunschen moglichst hohen Preis Nachfrager wunschen moglichst niedrigen Preis nur durch festgelegte Regeln kontrolliert ablaufen Geschichte BearbeitenDie Warenmarkte des Mittelalters entstanden als so genannte Prasenzmarkte auf denen die personlich anwesenden Anbieter den ebenfalls anwesenden Nachfragern ihre physisch vorhandenen Handelswaren feilboten Die Marktteilnehmer handelten gegenseitig die Marktpreise aus Der Lokoabschluss bestand aus vorratiger sofort lieferbarer greifbarer Ware 2 Die Markte mussten offentlich sein um einen gerechten Handel zu ermoglichen Eigens dafur ernannte Marktaufseher sollten die Aktivitaten im Auge behalten abweichendes Verhalten mahnen und Ansprechpartner fur Betroffene sein 3 Es handelte sich um stadtische Bedienstete die die Einhaltung der Marktordnung uberwachten und das Marktgefalle einnahmen 4 Marktgefalle waren die Abgaben der Handler und Burger an den Marktherrn Bereits im Jahre 1017 ist im Stadtrecht von Leon ein Marktaufseher erwahnt ihm unterstand nicht nur die Marktpolizei er nahm auch die Rechtsprechung wahr Der Markt bildete nicht nur in Spanien das Handelszentrum der Stadt 5 Eine der ersten deutschsprachigen Marktordnungen ist 1190 fur die osterreichische Stadt Enns belegt Im 13 Jahrhundert gab es in Nurnberg mindestens 4 uberwachte Jahrmarkte Walpurgismarkt am 1 Mai Johannismesse am 24 Juni Egidimesse am 1 September und die Michaelsmesse am 29 September Die alteste erhaltene Wiener Marktordnung von 1250 enthielt Preisfestsetzungen und Qualitats und Gewichtsvorgaben Um 1253 gab es eine Berliner Markt und Gewerbeaufsicht die beispielsweise falsche Masse und Gewichte mit Geldstrafe ahndete und andere Marktvergehen unter Strafe stellte Schupfstuhl Schimpfsteine 6 Konig Ludwig der Bayer erliess im September 1318 eine Marktordnung fur Nurnberg die Marktfrevler 7 mit einer Strafe von 1000 Mark reinen Goldes belegte Auf dem Kolner Alter Markt gab es seit 1424 einen Kafig Kax in welchem Marktfrevler offentlich zur Schau gestellt wurden Am 7 Juli 1568 musste eine gewisse Sophie von Daelen als Diebin vormittags in den Kax um dort schanden zu stehen Im Hinblick auf den zunehmenden Handel mit vertretbaren Waren entwickelten sich die Borsen als Sonderform des Marktes 8 Die ersten Warenborsen fungierten bereits teilweise nicht mehr als Prasenzborsen In Brugge entstand 1409 weltweit die erste dieser Art sie fand vor dem Haus der reichen Kaufmannsfamilie van der Beurse niederlandisch beurs Geldbeutel statt die Guter waren nicht prasent Die altesten deutschen Warenborsen entstanden 1540 in Augsburg und Nurnberg 9 Fur die Nurnberger Borse wurden 1560 vom Rat Handelsregeln erlassen und als Marktordnung fur alle sichtbar auf einer Tafel am Herrenmarkt angebracht Mit dem Aufkommen der Wertpapierborsen verschwand die Prasenz vollig Anbieter und Nachfrager liessen sich durch Borsenhandler vertreten die standardisierten Handelsobjekte Aktien Anleihen lagerten woanders die Borsenkurse handelten nicht die Anbieter und Nachfrager untereinander aus sondern uberliessen dies den Borsenmaklern Diese Abwesenheit von Marktteilnehmern und Handelsobjekten erforderte strengere Regeln Die erste Borsenordnung in Preussen stammte vom 25 Februar 1739 galt inhaltlich jedoch noch nicht als Borsenordnung im heutigen Sinne Erst deren Neufassung vom Juli 1805 mit einem vollkommeneren und ausfuhrlicheren Borsen Reglement erfullte diese Voraussetzungen Auch das Einfuhrungsgesetz zum ersten deutschen Handelsgesetzbuch vom Juni 1861 enthielt borsenaufsichtsrechtliche Ansatze Das erste Borsengesetz trat im Januar 1897 in Kraft In der Folge kam es zu zahlreichen Neuregelungen so etwa fur das Borsentermingeschaft Mai 1908 Kursmaklerwesen Dezember 1934 oder die Borsenorganisation April 1975 In der Volkswirtschaftslehre entwickelten sich ab 1920 zwei gegensatzliche Theorien zur Marktregulierung Adam Smith ging in seinem Buch Der Wohlstand der Nationen im Marz 1776 noch davon aus dass der marktwirtschaftliche Preismechanismus das Angebot und die Nachfrage durch die unsichtbare Hand englisch invisible hand zum Ausgleich bringe 10 Erst Arthur Cecil Pigou erkannte 1920 dass die Marktregulierung ein Marktversagen verhindern konne 11 Demgegenuber nahm George Stigler 1971 an dass in der Marktwirtschaft die Marktregulierung von den Marktteilnehmern selbst ausgehe 12 Damit sehen die normativen Theorien das Marktversagen als Ursache der Marktregulierung und beschreiben ex post die Notwendigkeit einer Regulierung Der von Stigler vertretene positive Ansatz hingegen zeigt ex ante den soziookonomischen Prozess der Entstehung von Regulierungsbemuhungen auf Ursache von Marktversagen kann bereits eine starke asymmetrische Information sein so dass es nicht genugt die Marktregulierung alleine den Marktteilnehmern zu uberlassen Arten BearbeitenZu unterscheiden ist zwischen der totalen Lenkung der Markte in einer Zentralverwaltungswirtschaft und einer partiellen Lenkung in Teilbereichen wie auf landwirtschaftlichen Markten in der Marktwirtschaft 13 In Zentralverwaltungs und Planwirtschaften unterliegen Markte einer intensiven staatlichen Kontrolle Der Staat behalt sich Markteingriffe vor der Interventionismus wird systematisch betrieben Zu diesem Zweck erlasst er strenge Regeln deren Einhaltung eine umfassende Kontrolle erfordern Er greift in die Autonomie der Anbieter und Nachfrager ein indem er Produktionsmengen und Preise vorgibt und umfassend Marktmechanismen lenkt Durch Marktordnung soll die Marktwirtschaft nicht uberwunden werden sondern sie soll systematisch ordnend beeinflusst werden 14 In Marktwirtschaften werden die Markte allgemein nur in einem Umfang reglementiert der mit dem offentlichen Interesse und dem Gemeinwohl vereinbar ist oder wenn Markte von ihrer Marktstruktur her nicht von selbst funktionieren Deshalb sind Marktordnungen vorzugsweise in Wirtschaftszweigen vorzufinden die als ungeeignet fur eine marktinterne Preisfindung angesehen werden 15 Dazu gehoren insbesondere der Arbeitsmarkt und der Agrarmarkt Insgesamt werden Marktregulierungen als Ausnahmeerscheinungen angesehen die gerechtfertigt sein mussen 16 Zudem unterscheidet man zwischen einer Marktordnung die sich ein Markt selbst gibt marktinterne Ordnung Marktsatzung wie die Borsenordnung und einer durch den Staat oder Behorden vorgegebenen gesetzlichen Marktordnung Marktordnungen heute BearbeitenMarktordnungen gibt es international auf lokalen Markten genauso wie auf globalen Markten Sie unterscheiden sich in der Intensitat und den Instrumenten der Marktuberwachung Ziel der Agrarmarktordnung ist staatliche Preisbildung um Erzeugern und Verbrauchern ein stabiles Preisniveau bei stetiger Versorgung zu sichern Die ersten landwirtschaftlichen Marktordnungen entstanden in Deutschland 1930 wahrend der Weltwirtschaftskrise die zugleich eine Agrarkrise war Die folgenden Gesetze dienten der Preissicherung wie etwa das Gesetz zur Sicherung der Getreidepreise von 1933 17 In England gab es 1932 mit dem Marketing Act und 1935 dem Agricultural Marketing Act umfassende Kontingentierungen in den USA sorgte im Mai 1933 der Agricultural Adjustment Act fur eine Angleichung von Produktion und Bedarf 18 Die heutige Agrarmarktordnung gilt als Teil der Gemeinsamen Agrarpolitik in allen EU Mitgliedstaaten und legt Preise und Mengen siehe Milchquote fest Die Gemeinden erlassen heute auf ihren Wochenmarkten und dem kommunalen Grossmarkt zur Aufrechterhaltung der offentlichen Sicherheit und Ordnung eine Marktordnung Marktverordnung Marktsatzung Diese Markte stellen eine offentliche Einrichtung dar fur die nach 69 GewO die Ordnungsbehorde unter anderem fur Gross Wochen Spezial und Jahrmarkte Marktgegenstand Zeit Offnungszeiten und Platz festsetzt Diese Marktordnungen enthalten Einschrankungen der Marktteilnehmer z B keine Personen mit meldepflichtigen Krankheiten zugewiesene Standplatze zulassige Verkaufseinrichtungen und sehen Marktaufseher vor Die am strengsten reglementierte Marktordnung gibt es nach wie vor fur Borsen und den Wertpapierhandel allgemein Borsengesetz Borsenordnung Wertpapierhandelsgesetz Der durch Finanzkrisen haufig erschutterte Finanzmarkt hingegen ist noch weit entfernt von einer europaweiten und systematischen Finanzmarktordnung die bisher lediglich in Teilbereichen verwirklicht ist Zweck BearbeitenDie fundamentale wirtschaftliche Aufgabe der Marktordnung besteht darin die optimale Erfullung der Marktfunktionen zu sichern Das gelingt mit der Gewahrleistung von Produzenten und Konsumentensouveranitat durch ordnungsgemassen Wettbewerb und mit der Sicherstellung der Marktpreise als zuverlassigem Wertmassstab 19 Mit Marktordnungen lassen sich indessen auch nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen etwa die Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe Marktordnungen dienen heute nicht nur zur Organisation der Markte und zur Reglementierung des Marktverhaltens sondern werden von Aufsichtsbehorden zur Marktregulierung genutzt und ausgebaut Der Gesetzgeber nutzt Fehlentwicklungen dazu in Markte ordnend einzugreifen um die Marktordnung zu gewahrleisten Insbesondere unterliegen Telekommunikation oder Telemedien einer intensiven Regulierung durch marktordnende Vorschriften Einzelnachweise Bearbeiten Gerhard Naegele Reinhard Bispinck Klaus Hofemann Jennifer Neubauer Gerhard Backer Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland Band 1 2010 S 97 Julius Kahler Welthandel und deutsche Einfuhr Eine Schilderung der Produktionsgebiete der Welthandelswaren und der Technik des Importgeschaftes 1926 S 351 Bettina Emmerich Geiz und Gerechtigkeit okonomisches Denken im fruhen Mittelalter 2004 S 97 Heidelberger Akademie der Wissenschaften Deutsches Rechtsworterbuch Band 9 1992 1996 1998 S 253 Jan A van Houtte Hrsg Europaische Wirtschafts und Sozialgeschichte im Mittelalter Band 2 1980 S 351 Dagmar Klose Freiheit im Mittelalter am Beispiel der Stadt 2009 S 226 Marktfrevler storten den Marktfrieden Tilman Breitkreuz Die Ordnung der Borse 2000 S 23 Herbert Rosendorfer Deutsche Geschichte Ein Versuch Band 4 Der Dreissigjahrige Krieg 2007 S 41 Adam Smith The Welfare of Nations 1776 S 400 Arthur C Pigou The Economics of Welfare 1920 S 129 f George Stigler The Theory of Regulation in Bell Journal of Economics and Management Science vol 1 1971 S 3 Ludwig G Poth Gabler Marketing Begriffe von A Z 1999 S 260 Adolf Stocker Preispolitische Lehren die uns die Marktordnung des Reichsnahrstandes und sein System der Preisbeeinflussung erteilt 1937 S 13 Georg Roth Die Gefahrenvorsorge im sozialen Rechtsstaat 1968 S 50 Patrick Alexander Neuhaus Regulierung in Deutschland und den USA 2009 S 63 Georg Roth Die Gefahrenvorsorge Im Sozialen Rechtsstaat 1968 S 50 Adolf Weber Wilhelm Meinhold Alfred Kruse Agrarpolitik 1951 S 390 Willi Albers Handworterbuch der Wirtschaftswissenschaft Band 5 1980 S 129 f Normdaten Sachbegriff GND 4130890 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Marktordnung amp oldid 208143289