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Die Magnetohydrodynamik MHD ist ein Teilgebiet der Physik Sie beschreibt das Verhalten elektrisch leitender Fluide die von magnetischen und elektrischen Feldern durchdrungen werden Die Magnetohydrodynamik im engeren Sinne behandelt Flussigkeiten insbesondere auch Plasmen Magnetoplasmadynamik MPD die im Rahmen der MHD als Flussigkeiten Fluide beschrieben werden Die Magnetogasdynamik MGD dagegen behandelt Gase Die mathematische Behandlung erfolgt durch eine Kombination der Navier Stokes Gleichungen der Hydrodynamik mit den Maxwell Gleichungen der Elektrodynamik Typische Anwendungsgebiete der MHD sind die Stromungsbeeinflussung und die Stromungsmessung in Metallurgie und Halbleitereinkristallzuchtung sowie die Beschreibung von Plasmen in stellaren Atmospharen und Fusionsreaktoren Inhaltsverzeichnis 1 Theorie 1 1 Die MHD Gleichungen 1 2 Die Induktionsgleichung 1 3 Ideale MHD 1 4 Eingefrorenes magnetisches Feld 1 5 MHD Wellen 2 Anwendungen 2 1 Geo und Sonnendynamo 2 2 Stellare Atmospharen 2 3 Elektromagnetische Stromungsbeeinflussung 2 4 Optimierung elektrochemischer Prozesse 2 5 Elektromagnetische Stromungsmessung 2 6 MHD Generator 2 7 MHD Antrieb 2 8 MHD Sensor 3 Siehe auch 4 Weblinks 5 LiteraturhinweiseTheorie BearbeitenUm die Dynamik eines Plasmas in allen Einzelheiten zu beschreiben ware es notig die Bewegungsgleichung fur jedes Teilchen zu losen Naturlich ist dieser Ansatz unsinnig da die Zahl der Teilchen im Allgemeinen sehr gross ist Um das Problem trotzdem losen zu konnen wahlt man einen statistischen Ansatz Das heisst in der Praxis dass man anstatt die Trajektorien der Einzelteilchen zu betrachten makroskopische Grossen Mittelwerte verwendet Ein Beispiel fur eine solche Grosse ist die Fliessgeschwindigkeit eines Flusses Insgesamt bewegt sich das Flusswasser in einer Richtung auf das Meer zu Jedes einzelne Wassermolekul kann sich dabei aber durchaus kreuz und quer bewegen da es andauernd mit anderen Molekulen wechselwirkt Entscheidend fur das makroskopische Verhalten ist nur dass die mittlere Geschwindigkeit der Fliessgeschwindigkeit entspricht Mit solchen makroskopischen Grossen wie Geschwindigkeit und Druck lassen sich dann alle Phanomene der Schifffahrt adaquat beschreiben ohne dass jemals ein einzelnes Molekul ins Spiel kommt So ahnlich ist es auch bei der MHD Auch sie ist im Grunde eine hydrodynamische Theorie in dem Sinne dass Plasmen ahnlich behandelt werden wie Flussigkeiten Auch hier werden keine Einzelteilchen sondern gemittelte Grossen behandelt Die MHD vereinigt Elemente der Hydro und Elektrodynamik um eine Theorie elektrisch leitender Plasmen zu formen Ublicherweise werden noch einige weitere Naherungen gemacht Das sind erstens elektrische Neutralitat zweitens die Gultigkeit des ohmschen Gesetzes und drittens Quasigleichgewicht Die letzte Naherung bedeutet dass das Plasma sich zwar entwickelt aber langsam im Vergleich zu der Zeit in der sich Gleichgewicht einstellt Diese Annahme stellt eine grosse Vereinfachung fur die Gleichungen dar da sie zum Beispiel dafur sorgt dass der Druck als skalare Grosse behandelt werden kann wahrend man es im Allgemeinen mit einem richtungsabhangigen Tensor zu tun hat Die elektrische Neutralitat eliminiert die Ladungsdichte aus den Gleichungen Unter diesen Voraussetzungen konnen nun die Gleichungen der MHD formuliert werden Die MHD Gleichungen Bearbeiten Die Grundgleichungen der MHD lauten in gaussschen CGS Einheiten wie folgt t r r v 0 1 r t v r v v p J B c r g F 2 B 4 p c J 3 E 1 c t B 4 B 0 5 J s E v B c 6 displaystyle begin matrix partial t rho nabla cdot rho mathbf v amp amp 0 amp 1 2ex rho partial t mathbf v rho mathbf v cdot nabla mathbf v nabla p amp amp dfrac mathbf J times mathbf B c rho mathbf g mathbf F amp 2 2ex nabla times mathbf B amp amp dfrac 4 pi c mathbf J amp 3 2ex nabla times mathbf E amp amp dfrac 1 c partial t mathbf B amp 4 2ex nabla cdot mathbf B amp amp 0 amp 5 2ex mathbf J amp amp sigma left mathbf E dfrac mathbf v times mathbf B c right amp 6 amp end matrix nbsp Die vorkommenden Grossen sind die Massendichte r displaystyle rho nbsp die Plasmageschwindigkeit v displaystyle mathbf v nbsp der Druck p displaystyle p nbsp der elektrische Strom J displaystyle mathbf J nbsp das Magnetfeld B displaystyle mathbf B nbsp das elektrische Feld E displaystyle mathbf E nbsp die Gravitationsbeschleunigung g displaystyle mathbf g nbsp und die Lichtgeschwindigkeit c displaystyle c nbsp In Gleichung 2 wurde die Gravitation explizit berucksichtigt der Term F displaystyle mathbf F nbsp deutet an dass im Allgemeinen weitere Krafte wie z B Reibungskrafte berucksichtigt werden mussen die hier nicht explizit angegeben wurden Gleichung 1 beschreibt die Massenerhaltung Gleichung 2 ist die Bewegungsgleichung oder auch Impulsgleichung die Gleichungen 3 4 und 5 stammen aus der Elektrodynamik Maxwell Gleichungen wobei in Gleichung 3 der Verschiebungsstrom vernachlassigt wurde Gleichung 6 ist das ohmsche Gesetz mit der elektrischen Leitfahigkeit s displaystyle sigma nbsp Dies ist die einzige Gleichung in der relativistische Effekte berucksichtigt werden Um das Gleichungssystem zu schliessen wird noch eine weitere Gleichung benotigt Dieses kann zum Beispiel die Zustandsgleichung der Materie oder die Gleichung der lokalen Energieerhaltung sein Die Gleichungen der MHD konnen auf unterschiedliche Arten hergeleitet werden Eine Moglichkeit ist von der Boltzmann Gleichung auszugehen um zum obigen Ergebnis zu kommen Die Induktionsgleichung Bearbeiten Durch die Kombination der Gesetze von Ampere Faraday und Ohm Gleichungen 3 4 und 6 erhalt man die sogenannte Induktionsgleichung t B v B h D B displaystyle partial t mathbf B nabla times mathbf v times mathbf B eta Delta mathbf B nbsp In der Gleichung bezeichnet h c 2 4 p s 1 m 0 s displaystyle eta c 2 4 pi sigma 1 mu 0 sigma nbsp die magnetische Diffusivitat Diese Gleichung spielt eine wichtige Rolle fur das Verstandnis magnetischer Plasmen Ideale MHD Bearbeiten Die Losung der MHD Gleichungen kann sehr kompliziert werden In vielen Fallen konnen die Gleichungen jedoch durch weitere Annahmen vereinfacht werden um ihre Losung zu erleichtern Nimmt man an dass die elektrische Leitfahigkeit des Plasmas unendlich gross ist s displaystyle sigma infty nbsp es daher also keinen elektrischen Widerstand besitzt nennt man die resultierende Theorie Ideale MHD im Gegensatz zur resistiven MHD mit endlicher Leitfahigkeit Im idealen Fall liefert Gleichung 6 E c v B displaystyle mathbf E cdot c mathbf v times mathbf B nbsp Beispiele fur die Anwendbarkeit der Idealen MHD finden sich zum Beispiel bei der Berechnung von Plasmastromungen in Zusammenhang mit der Kernfusion oder stellaren Koronen Zusatzlich wird oft angenommen dass das Plasma inkompressibel ist also t r 0 displaystyle partial t rho 0 nbsp und es keine innere Reibung Viskositat gibt Eingefrorenes magnetisches Feld Bearbeiten Die MHD kombiniert die hydro und elektrodynamischen Eigenschaften von Plasmen Somit sind Materialbewegungen und das Verhalten des Magnetfeldes nicht unabhangig voneinander Plasmabewegungen fuhren zu weiteren magnetischen und elektrischen Feldern die im Inneren des Plasmas wiederum zu elektrischen Stromen fuhren Ein wichtiger Spezialfall ergibt sich fur den Fall der Idealen MHD Hier verschwindet der elektrische Widerstand des Plasmas und die Induktionsgleichung nimmt die Form t B v B displaystyle partial t mathbf B nabla times mathbf v times mathbf B nbsp an Man kann zeigen dass in diesem Falle Plasma und Magnetfeld gekoppelt sind das Magnetfeld folgt den Plasmastromungen Man spricht in diesem Falle von einem eingefrorenen Magnetfeld oder im Zusammenhang mit der idealen Induktionsgleichung auch von einer flusserhaltenden Gleichung Die Morphologie des Magnetfeldes kann auch in diesem Falle betrachtlichen Anderungen unterworfen sein es ist aber wichtig dass keine topologischen Anderungen daher keine Anderungen im Zusammenhang des Magnetfeldes vorkommen konnen Ob dabei das Magnetfeld dem Plasma oder das Plasma dem Magnetfeld folgt hangt davon ab welche Komponente dominiert daher einen grosseren Druck ausubt In der Sonne konnen beide Falle beobachtet werden Wahrend das Plasma in der Photosphare sehr dicht ist und die Plasmabewegungen aus der Konvektionszone das Verhalten des Magnetfeldes dominieren ist das Plasma in der Korona sehr dunn so dass die Struktur der Korona vom Magnetfeld dominiert wird MHD Wellen Bearbeiten Im Inneren des Plasmas konnen sich verschiedene Wellenmoden ausbilden Dieses sind die langsamen und schnellen magnetoakustischen Wellen und die so genannten Alfven Wellen Diese Moden stellen Spezialfalle fur Wellen dar die sich entweder parallel oder senkrecht zum Magnetfeld ausbreiten Sie geben Einblick in die grundlegenden physikalischen Phanomene Im allgemeinen Fall wird man es jedoch mit einer Uberlagerung aller Moden zu tun haben Anwendungen BearbeitenDie MHD findet vielfaltige Anwendungen sowohl im ingenieurtechnischen als auch im naturwissenschaftlichen Bereich Geo und Sonnendynamo Bearbeiten Das Magnetfeld der Erde wird durch den sogenannten Geodynamo erzeugt der durch die Gleichungen der Magnetohydrodynamik beschrieben wird Das Erdmagnetfeld entsteht im ausseren Erdkern der vorwiegend aus flussigem Eisen besteht siehe Entstehung und Aufrechterhaltung des Erdmagnetfeldes Geodynamo Die im Zusammenhang mit einem Geodynamo auftretenden partiellen Differentialgleichungen konnen nur in stark vereinfachten Fallen analytisch gelost werden Numerische Verfahren liefern seit Mitte der 1990er Jahre erste Ansatze zum Verstandnis der Dynamik des Erdmagnetfeldes Ahnlich verhalt es sich mit dem Magnetfeld der Sonne und anderer Sterne ahnlichen Spektraltyps Die Entstehung ihrer Magnetfelder resultiert aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren in den ausseren Schichten der Sterne Dynamotheorie und wird ebenfalls mit auf der MHD beruhenden Modellen beschrieben Stellare Atmospharen Bearbeiten Die Korona ausserste Atmosphare der Sonne und anderer Sterne ist ein hochstrukturierter Bereich sehr niedriger Plasmadichten in dem das Magnetfeld die dominierende strukturgebende Komponente darstellt MHD Effekte sind hier sehr wichtig um die Aufteilung und Dynamik dieser ausseren Sternatmosphare zu beschreiben und zu verstehen Auch in den darunterliegenden atmospharischen Schichten der Chromosphare und der Photosphare spielt die MHD eine wichtige Rolle Elektromagnetische Stromungsbeeinflussung Bearbeiten Magnetfelder werden in der Metallurgie eingesetzt um die Stromung von Flussigmetallen wie beispielsweise Stahl oder Aluminium zu beeinflussen Bei der Anwendung ist zwischen statischen und zeitabhangigen Magnetfeldern zu unterscheiden Statische zeitunabhangige Magnetfelder fuhren zu einer Dampfung von Turbulenz und werden deshalb in Form magnetischer Bremsen englisch electromagnetic brakes beim Stranggiessen von Stahl eingesetzt Zeitabhangige Magnetfelder finden Anwendung zum elektromagnetischen Abstutzen beim Giessen von Aluminium elektromagnetisches Giessen Optimierung elektrochemischer Prozesse Bearbeiten Die Beeinflussung elektrochemischer Anwendungen durch ein Magnetfeld wird Magnetoelektrochemie genannt Durch dieses wird aufgrund der MHD bei Stromfluss eine Konvektionsstromung im Elektrolyten hervorgerufen So lassen sich bei Elektrolysen hohere Stromdichten erreichen beispielsweise bei der Metallabscheidung Elektromagnetische Stromungsmessung Bearbeiten Bewegt sich ein elektrisch leitfahiges Fluid unter dem Einfluss eines Magnetfeldes so wird in dem Fluid eine Spannung erzeugt die der Starke des Magnetfeldes und der Stromungsgeschwindigkeit proportional ist Dieses Prinzip wurde 1832 von Michael Faraday entdeckt der auf diese Weise erfolglos versuchte die Fliessgeschwindigkeit der Themse zu bestimmen Das Prinzip findet heute in Gestalt von elektromagnetischen Durchflussmessern auch induktive Durchflussmesser genannt breitgefacherte Anwendung in Lebensmittelindustrie der chemischen Industrie sowie in Wasserwerken Bei der Bewegung eines elektrisch leitfahigen Fluids in einem Magnetfeld entstehen in dem Fluid auf Grund der induzierten Spannung auch Wirbelstrome Diese erzeugen im Fluid eine Lorentzkraft die der Bewegung entgegenwirkt Dieser physikalische Effekt wird in dem als Lorentzkraft Anemometrie bezeichneten beruhrungslosen Stromungsmessverfahren angewendet MHD Generator Bearbeiten Eine technische Anwendung der Magnetohydrodynamik ist der magnetohydrodynamische Generator MHD Generator Hierbei wird ein Plasma zwischen zwei leitenden Elektroden hindurchgeschossen Senkrecht zu den Elektroden wird ein Magnetfeld angelegt das dann die negativ geladenen Elektronen und die positiv geladenen Ionen auf Grund der gegensatzlichen Ladung trennt Zwischen den Platten entsteht somit eine Spannungsdifferenz Auf diese Weise kann kinetische Energie direkt in elektrische Energie umgewandelt werden ohne mechanische Komponenten Turbinen oder Generatoren benutzen zu mussen Trotz intensiver Anstrengungen insbesondere in den 1960er Jahren ist es nicht gelungen langzeitstabile Elektroden zu entwickeln Aus diesem Grunde besitzt der MHD Generator gegenwartig keinerlei praktische Bedeutung MHD Antrieb Bearbeiten Eine elektrisch leitfahige Substanz wie zum Beispiel ein Plasma kann in einem elektromagnetischen Feld beschleunigt werden Magnetoplasmadynamischer Antrieb Da auch Meerwasser und ionisierte Luft als Ionengemische leitfahig sind konnen sie ebenfalls in einem elektromagnetischen Feld beschleunigt werden Magnetohydrodynamischer Antrieb Diese Eigenschaften konnen im Prinzip zum Antrieb von Schiffen U Booten und Fluggeraten genutzt werden Der Wirkungsgrad solcher Anlagen ist jedoch gering Aus diesem Grund besitzt der MHD Antrieb heute keine praktische Bedeutung MHD Sensor Bearbeiten nbsp MHD SensorMagnetohydrodynamische Sensoren werden genutzt um Winkelgeschwindigkeiten zu messen Die Genauigkeit steigt mit der Grosse Ein Einsatzgebiet ist die Luft und Raumfahrt Das Prinzip eines MHD Sensors das auch die prinzipielle Idee der Magnetohydrodynamik MHD insgesamt verstehen hilft ist in dieser Skizze dargestellt Siehe auch BearbeitenStuart Zahl Elektrorheologische FlussigkeitWeblinks BearbeitenMHD Vorlesung von Horst Wobig PDF Beispiele von MHD Sensoren MHD turbulence auf ScholarpediaLiteraturhinweise BearbeitenEugene N Parker Cosmical Magnetic Fields Their Origin and their Activity Oxford University Press Oxford 1979 ISBN 978 0 19 851290 5 Arnold O Benz Plasma Astrophysics Kinetic Processes in Solar and Stellar Coronae 1993 ISBN 0 7923 2429 3 J P Goedbloed Principles of magnetohydrodynamics with applications to laboratory and astrophysical plasmas Cambridge Univ Press Cambridge 2004 ISBN 0 521 62347 2 Peter A Davidson An introduction to magnetohydrodynamics Cambridge Univ Press Cambridge 2006 ISBN 978 0 521 79487 9 C G Campbell Magnetohydrodynamics in binary stars Kluwer Dordrecht 1997 ISBN 0 7923 4606 8 Leonard F Burlaga Interplanetary magnetohydrodynamics 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