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Der Verschiebungsstrom ist der Teil des elektrischen Stromes der durch die zeitliche Anderung des elektrischen Flusses gegeben ist Er wurde von James Clerk Maxwell als notiger Zusatzterm im ampereschen Gesetz erkannt Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung und Zusammenhang 2 Historische Entwicklung 2 1 Herleitung eines Widerspruchs 2 2 Auflosung 3 Mathematische Herleitung 3 1 Integrale Form 3 2 Differentielle Form 4 LiteraturBedeutung und Zusammenhang BearbeitenDer elektrische Strom setzt sich aus zwei additiven Komponenten zusammen Der Konvektionsstrom I l displaystyle I mathrm l nbsp beruht auf gemeinsamem elektrischen und Stoffstrom ohne dass die Ladungstrager z B Leitungselektronen oder Ionen durch eine Ruckstellkraft an eine Ruhelage gebunden sind Oft ist der Antrieb fur die Bewegung ein elektrisches Feld siehe elektrische Leitfahigkeit siehe aber auch Diffusionsstrom Thermoelektrizitat und Van de Graaff Generator Umgangssprachlich bedeutet elektrischer Strom nur diese Komponente Der Verschiebungsstrom I v displaystyle I mathrm v nbsp entspricht Anderungen der elektrischen Flussdichte die aus zwei Beitragen besteht der Bildung oder Ausrichtung elektrischer Dipole in Materie siehe dielektrische Polarisation und der elektrischen Feldstarke multipliziert mit der elektrischen Feldkonstante Mathematisch lasst sich der Gesamtstrom I displaystyle I nbsp als Summe der beiden Komponenten ausdrucken I I l I v displaystyle I I mathrm l I mathrm v nbsp Dadurch wird eine begriffliche Erweiterung des ampereschen Durchflutungsgesetzes notig die den gesamten elektrischen Strom in der Form I A s E e E t d A displaystyle I int A left sigma vec E varepsilon frac partial vec E partial t right cdot mathrm d vec A nbsp ausdruckt Dabei ist der erste Summand der Leitungsstrom der von der elektrischen Feldstarke E displaystyle E nbsp ausgelost wird Die dabei auftretende Konstante s displaystyle sigma nbsp ist die elektrische Leitfahigkeit des Mediums Leiters in dem der Leitungsstrom fliesst Der zweite Summand ist der Verschiebungsstrom mit der zeitlichen Anderungsrate der Feldstarke und der konstanten Permittivitat e displaystyle varepsilon nbsp Die Permittivitat ist das Mass der im Medium moglichen Polarisation Verschiebungsstrom ist wichtig in Materialien mit hoher Permittivitat und geringer Leitfahigkeit also Nichtleitern Isolatoren Ein Sonderfall mit nicht vorhandener Leitfahigkeit aber schwach vorhandener Permittivitat e 0 displaystyle varepsilon 0 nbsp ist der leere Raum Vakuum In ihm fliesst abgesehen von freien Ladungstragern infolge eventueller hoher Feldstarken nur Verschiebungsstrom Die beiden Stoffkonstanten Leitfahigkeit und Permittivitat sind im Allgemeinen Tensoren 2 Stufe und beschreiben auch nichtlineare und nichtisotrope Abhangigkeiten des Gesamtstroms von der Feldstarke Fur die meisten Materialien konnen diese Konstanten jedoch als Skalare betrachtet werden Die Einteilung ab wann in einem Medium der Leitungsstrom vorherrscht und dieses daher als elektrischer Leiter bezeichnet werden kann und ab wann der Verschiebungsstrom vorherrscht ergibt sich folglich aus den Werten der beiden Stoffkonstanten und der Kreisfrequenz w displaystyle omega nbsp des Feldes weil beim Verschiebungsstrom die zeitliche Ableitung der Feldstarke auftritt Allgemein gilt s w e displaystyle sigma gg omega varepsilon nbsp Leitungsstrom dominant s w e displaystyle sigma ll omega varepsilon nbsp Verschiebungsstrom dominantTypische Leiter wie Kupfer oder typische Isolatoren wie manche Kunststoffe PVC weisen von der Frequenz unabhangige Stoffkonstanten auf Bei Leitern wie Kupfer uberwiegt bis zu sehr hohen Frequenzen im Rontgenbereich siehe Plasmaoszillation der Leitungsstrom gegenuber dem Verschiebungsstrom Hingegen sind bei bestimmten Stoffen wie Ionenleitern Salzwasser die Stoffkonstanten stark frequenzabhangig Dann hangt es von der Frequenz zeitliche Anderungsrate des elektrischen Feldes ab ob der Stoff als Leiter oder Nichtleiter anzusehen ist Bei zeitlichen harmonischen sinusformigen Anderungen ist im gleichen Medium der Verschiebungsstrom gegenuber dem Leitungsstrom immer um 90 p 2 phasenverschoben Hingegen sind in einem Stromkreis der durch einen Isolator unterbrochen ist der im Isolator dominierende Verschiebungsstrom und der im elektrischen Leiter dominierende Leitungsstrom miteinander in Phase und die beiden Strome sind betragsmassig praktisch gleich Dieser technisch wichtige Fall tritt beim Kondensator im sinusformigen Wechselstromkreis in Erscheinung Der Strom in den Zuleitungsdrahten und den Kondensatorplatten elektrischer Leiter wird durch den Leitungsstrom getragen der Strom durch das Dielektrikum Isolator zwischen den Kondensatorplatten primar durch den Verschiebungsstrom Ohne Verschiebungsstrom ware keine Stromleitung durch den Kondensator moglich wenngleich diese Stromleitung durch den Verschiebungsstrom wegen der notigen zeitlichen Anderungsrate beim elektrischen Fluss immer auf Wechselstrome zeitliche Anderung limitiert ist Historische Entwicklung BearbeitenHerleitung eines Widerspruchs Bearbeiten nbsp Zur Herleitung des Verschiebungsstroms S1 hellblau und S2 hellrot haben den gleichen Rand S so dass das Amperesche Gesetz fur beide Flachen zum gleichen Ergebnis fuhren sollte Durch die Kreisflache S1 fliesst der Leitungsstrom I und erzeugt ein Magnetfeld wahrend durch die Flache S2 kein Leitungsstrom fliesst und demnach kein Magnetfeld vorliegt Das Ergebnis des Ampereschen Gesetzes hinge also von der Form der Oberflache ab Die Einfuhrung des Verschiebungsstroms lost diesen Widerspruch auf Als Maxwell die bis dahin von anderen Physikern wie Ampere und Faraday zusammengetragenen Erkenntnisse uber elektromagnetische Phanomene in den Maxwellschen Gleichungen zu vereinen suchte wurde ihm klar dass das Amperesche Gesetz uber die Erzeugung von Magnetfeldern durch Strome nicht vollstandig sein konnte Diese Tatsache wird durch ein einfaches Gedankenexperiment klar Ein Strom I fliesse durch einen langen Draht in dem ein Kondensator liegt Das Amperesche Gesetz S B d s m 0 I displaystyle oint S vec B cdot mathrm d vec s mu 0 I nbsp besagt nun dass das Wegintegral des Magnetfelds entlang eines beliebigen Weges um den Draht proportional zu dem Strom ist der durch eine von diesem Weg aufgespannte Flache fliesst Auch die differentielle Form rot B m 0 J displaystyle operatorname rot vec B mu 0 vec J nbsp verlangt dass die Wahl dieser aufgespannten Flache beliebig ist Nun habe der Integrationsweg die einfachste mogliche Form ein Kreis um die Langsachse des Drahts in der Grafik mit S bezeichnet Die naturlichste Wahl der durch diesen Kreis aufgespannten Flache ist offenbar die Kreisflache S1 Wie erwartet schneidet diese Kreisflache den Draht somit ist der Strom durch die Flache I Aus der Symmetrie des Drahtes ergibt sich entsprechend fur das Magnetfeld des langen Drahtes dass dessen Feldlinien Kreisbahnen um die Langsachse sind Auch wenn man die Flache beliebig ausbeult oder aufblast fliesst durch sie immer noch der gleiche Strom es sei denn man dehnt sie soweit aus dass sie zwischen den beiden Kondensatorplatten verlauft Durch diese Flache S2 fliesst scheinbar kein Strom Maxwell ging davon aus dass das Amperesche Gesetz nicht falsch sondern nur unvollstandig ist Auflosung Bearbeiten Durch den Kondensator fliesst kein Strom aber das elektrische Feld und damit der elektrische Fluss andert sich beim Aufladen des Kondensators es ist das elektrische Feld D ohne Einflusse durch dielektrische Materie gemeint in der Grafik mit E bezeichnet Maxwell definierte einen Verschiebungsstrom nun als die Anderung des elektrischen Flusses durch die gegebene Oberflache Der Verschiebungsstrom ist daher kein Strom bei dem Ladung transportiert wird Vielmehr ist es eine anschauliche Bezeichnung fur ebendiese Anderung des elektrischen Flusses da sie offenbar die gleiche Wirkung hat wie ein richtiger Strom Mathematische Herleitung BearbeitenIntegrale Form Bearbeiten Der Verschiebungsstrom die Anderung des elektrischen Flusses durch eine Oberflache A displaystyle A nbsp ist definiert durch I v PS t displaystyle I mathrm v frac partial Psi partial t nbsp 1 wobei der elektrische Fluss definiert ist durch PS A D d A displaystyle Psi iint A vec D cdot mathrm d vec A nbsp 2 Fur die elektrische Flussdichte D displaystyle vec D nbsp gilt D e E e r e 0 E I v e r e 0 t A E d A t A D d A displaystyle vec D varepsilon vec E varepsilon mathrm r varepsilon 0 vec E rightarrow I mathrm v varepsilon mathrm r varepsilon 0 frac partial partial t iint A vec E cdot mathrm d vec A frac partial partial t iint A vec D cdot mathrm d vec A nbsp 3 Der Faktor vor dem elektrischen Feld E displaystyle vec E nbsp die Permittivitat e eliminiert hierbei dielektrische Effekte wobei die Permittivitat aus den beiden Dielektrizitatskonstanten der Dielektrizitatskonstante e0 des Vakuums und der Konstante er der entsprechenden Materie besteht Analog gilt fur das von dia und paramagnetischen Effekten unberuhrte magnetische Feld H 1 m 0 B displaystyle vec H dfrac 1 mu 0 vec B nbsp 4 wobei m0 die magnetische Feldkonstante und B displaystyle vec B nbsp die magnetische Flussdichte reprasentieren Es handelt sich hier um eine Vereinfachung In Materie gilt berucksichtigt man Dia und Paramagnetismus B m r m 0 H displaystyle vec B mu mathrm r mu 0 vec H nbsp mit der magnetischen Permeabilitat m r displaystyle mu mathrm r nbsp In ferromagnetischen Materialien gilt aber kein linearer Zusammenhang mehr Weil es fur das Problem dieses Artikels nicht relevant ist bleibt also hier die Vereinfachung auf das Vakuum Ausserdem kann bekanntlich der tatsachliche Strom I durch einen Leiter als Oberflachenintegral einer Stromdichte j dargestellt werden I A J d A displaystyle I iint A vec J cdot mathrm d vec A nbsp 5 Mit dieser Vorbereitung erhalt man I v 1 PS t displaystyle I mathrm v stackrel 1 frac partial Psi partial t nbsp 6 3 t A D d A A D t d A displaystyle stackrel 3 frac partial partial t iint A vec D cdot mathrm d vec A iint A frac partial vec D partial t mathrm d vec A nbsp Dieser Verschiebungsstrom muss nun in das im ersten Abschnitt zitierte Ampere sche Gesetz eingefugt werden S B d s m 0 I I v S 1 m 0 B d s I I v displaystyle oint S vec B cdot mathrm d vec s mu 0 I I mathrm v quad Leftrightarrow quad oint S frac 1 mu 0 vec B cdot mathrm d vec s I I mathrm v nbsp 4 6 S H d s I A D t d A 5 S H d s A J d A A D t d A displaystyle stackrel 4 6 Leftrightarrow quad oint S vec H cdot mathrm d vec s I iint A frac partial vec D partial t mathrm d vec A quad stackrel 5 Leftrightarrow quad oint S vec H cdot mathrm d vec s iint A vec J cdot mathrm d vec A iint A frac partial vec D partial t cdot mathrm d vec A nbsp S H d s A J D t d A displaystyle Leftrightarrow quad oint S vec H cdot mathrm d vec s iint A left vec J frac partial vec D partial t right mathrm d vec A nbsp womit die integrale Form der vierten Maxwellschen Gleichung erreicht ist Differentielle Form Bearbeiten Fur die differentielle Formulierung fehlt nur noch die Definition einer Verschiebungsstromdichte fur den Verschiebungsstrom analog zum Betrag der Stromdichte J des tatsachlichen Stromes I J v D t displaystyle vec J mathrm v frac partial vec D partial t nbsp 7 Man erhalt rot B m 0 J l J v rot 1 m 0 B J l J v displaystyle operatorname rot vec B mu 0 left vec J mathrm l vec J mathrm v right quad Leftrightarrow quad operatorname rot frac 1 mu 0 vec B vec J mathrm l vec J mathrm v nbsp 4 7 rot H J D t displaystyle stackrel 4 7 Leftrightarrow quad operatorname rot vec H vec J frac partial vec D partial t nbsp die differentielle Form der vierten Maxwellschen Gleichung Literatur BearbeitenAdolf J Schwab Hrsg Begriffswelt der Feldtheorie Springer 2002 ISBN 3 540 42018 5 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verschiebungsstrom amp oldid 230957294